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Nachweis über Grundbuchunrichtigkeit durch notariellen Erbvertrag und notariellen Verzichtsvertrag

Grundbuchunrichtigkeit: Erb- und Verzichtsverträge genügen in bestimmten Fällen

Das OLG Celle entschied im Beschluss vom 15.05.2023, Az.: 18 W 17/23, dass die Anforderung eines Erbscheins zur Eintragung der Alleineigentümerschaft im Grundbuch nach dem Tod der Mutter nicht notwendig ist, wenn die Alleinerbschaft durch einen notariellen Erbvertrag und einen notariellen Erb-, Zuwendungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag ausreichend nachgewiesen wird. Das Gericht hob eine vorherige Entscheidung auf und wies das Amtsgericht an, neu zu entscheiden, indem es die notariellen Urkunden als ausreichenden Nachweis anerkennt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 18 W 17/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das OLG Celle hebt die Forderung nach einem Erbschein auf, wenn die Erbschaft durch notarielle Urkunden nachgewiesen ist.
  2. Notarieller Erbvertrag und Verzichtsvertrag dienen als ausreichende Beweise für die Unrichtigkeit des Grundbuchs.
  3. Die Erbschaft beruht nicht nur auf der letztwilligen Verfügung, sondern auch auf einem notariellen Verzichtsvertrag.
  4. Die Beschwerde gegen die Forderung nach einem Erbschein hatte Erfolg.
  5. Die Eintragung als Alleineigentümerin ist ohne Erbschein zulässig, wenn ein notarieller Erb- und Verzichtsvertrag vorliegt.
  6. Das Gericht betont die Bedeutung öffentlicher Urkunden für den Nachweis der Erbfolge.
  7. Es wird klargestellt, dass der Erb- und Zuwendungsverzicht seine Wirkung erst mit dem Erbfall entfaltet.
  8. Der Beschluss verdeutlicht die Möglichkeit, die Erbfolge ohne Erbschein im Grundbuchverfahren zu klären.

Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit bei Erbverträgen und Verzichtsvereinbarungen

Bei der Übertragung von Immobilienrechten spielen Grundbucheinträge eine zentrale Rolle. Sollten diese Einträge nicht der aktuellen Rechtslage entsprechen, besteht die Notwendigkeit, die Unrichtigkeit nachzuweisen. Grundsätzlich ist hierfür die Vorlage eines Erbscheins erforderlich. Allerdings gibt es Ausnahmen, wie die Verwendung von notariellen Urkunden.

In bestimmten Fällen ermöglicht ein notariell beurkundeter Erbvertrag oder ein notarieller Verzichtsvertrag den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit. Diese Dokumente liefern eine rechtssichere Grundlage für die Korrektur von Einträgen im Grundbuch. Es ist jedoch wichtig, die rechtlichen Anforderungen und möglichen Fallstricke zu beachten, um eine erfolgreiche Eintragung zu gewährleisten.

Im Zentrum eines rechtlichen Disputs stand die Frage, ob für die Eintragung als Alleineigentümerin im Grundbuch nach dem Tod der Mutter ein Erbschein erforderlich ist, wenn bereits ein notarieller Erbvertrag und ein Erb-, Zuwendungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vorliegen. Dieser Fall, der beim Oberlandesgericht Celle unter dem Aktenzeichen 18 W 17/23 verhandelt wurde, wirft Licht auf die komplexen Mechanismen des Erbrechts und des Grundbuchrechts in Deutschland.

Der Weg zum Rechtsstreit: Grundbuchunrichtigkeit und notarielle Verträge

Die Auseinandersetzung begann mit dem Antrag eines Notars im Auftrag der Tochter, die nach dem Tod ihrer Mutter als Alleineigentümerin eines Grundstücks eingetragen werden wollte. Die Mutter war noch als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Als Beweismittel dienten ein Todesnachweis sowie ein notariell beurkundeter Erbvertrag von 1983 und ein Erb-, Zuwendungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag von 2014, durch den der Bruder auf seinen Erbteil verzichtete. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts forderte jedoch einen Erbschein, um die Alleinerbschaft der Tochter zu bestätigen, und verneinte damit die ausreichende Beweiskraft der vorgelegten notariellen Urkunden.

Notarielle Urkunden vs. Erbschein: Eine juristische Gratwanderung

Die Kernfrage des Disputs lag in der Bewertung der Beweiskraft notarieller Verträge im Vergleich zum traditionell geforderten Erbschein zur Feststellung der Erbfolge im Grundbuchverfahren. Während das Grundbuchamt auf einem Erbschein bestand, argumentierte der Notar, dass die vorgelegten notariellen Urkunden in Verbindung mit dem Todesnachweis ausreichen sollten, um die Grundbuchunrichtigkeit zu belegen und die Eintragung der Tochter als Alleineigentümerin zu ermöglichen.

OLG Celle: Eine Entscheidung für die Praxis

Das Oberlandesgericht Celle gab der Beschwerde statt und entschied, dass die Eintragung der Tochter als Alleineigentümerin nicht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht werden kann. Es betonte, dass die Kombination aus notariellem Erbvertrag und Verzichtsvertrag einen ausreichenden Nachweis der Erbfolge darstellt. Das Gericht führte aus, dass die rechtliche Grundlage für die Eintragung in § 22 Abs. 1 S. 1 GBO zu finden sei, welche die Unrichtigkeit des Grundbuchs als nachgewiesen ansieht, wenn die neue Eintragung durch öffentliche Urkunden belegt werden kann.

Rechtliche Einordnung und Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Celle verdeutlicht, dass in bestimmten Fällen die Vorlage eines Erbscheins für die Eintragung im Grundbuch nicht zwingend erforderlich ist, sofern andere geeignete öffentliche Urkunden vorliegen. Dieses Urteil ist besonders relevant für die Praxis des Grundbuchrechts und das Verständnis der Beweiskraft notarieller Urkunden im Erbfall. Es unterstreicht die Bedeutung einer präzisen und umfassenden Beurkundung von Erb- und Verzichtsverträgen durch Notare.

Das OLG Celle stellt mit seinem Beschluss klar, dass notarielle Urkunden in Verbindung mit einem Todesnachweis unter bestimmten Umständen einen ausreichenden Nachweis für die Erbfolge im Grundbuchverfahren darstellen können, ohne dass ein Erbschein erforderlich ist.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Alleinerbschaft im Grundbuchverfahren nachgewiesen?

Um die Alleinerbschaft im Grundbuchverfahren nachzuweisen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Der Nachweis der Erbfolge beim Grundbuchamt kann grundsätzlich durch die Vorlage eines Erbscheins erfolgen. Dieser wird vom Nachlassgericht ausgestellt und bezeugt die Erbenstellung.

Alternativ kann die Erbfolge auch durch ein notariell beurkundetes Testament oder einen Erbvertrag nachgewiesen werden, sofern sich daraus eindeutig die Alleinerbschaft ergibt. In manchen Fällen kann das Grundbuchamt jedoch zusätzlich die Vorlage eines Erbscheins verlangen, insbesondere wenn das Testament oder der Erbvertrag für sich genommen nicht ausreichend Klarheit über die Erbfolge schafft.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, in der die Erbin oder der Erbe erklärt, dass keine weiteren Erbberechtigten vorhanden sind. Diese Erklärung kann in Verbindung mit Personenstandsurkunden, wie zum Beispiel einem Familienstammbuch oder einer Abstammungsurkunde, ausreichen, um das Nichtvorhandensein weiterer Erbberechtigter nachzuweisen.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Grundbuchamt im Rahmen seiner Prüfungspflicht die vorgelegten Unterlagen auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin überprüft. Sollten Zweifel an der Erbenstellung bestehen, kann das Amt die Vorlage eines Erbscheins verlangen.

Zusammenfassend kann der Nachweis der Alleinerbschaft im Grundbuchverfahren durch einen Erbschein, ein notariell beurkundetes Testament oder einen Erbvertrag sowie durch eine eidesstattliche Versicherung in Verbindung mit Personenstandsurkunden erfolgen. Die Entscheidung, welche Unterlagen im Einzelfall erforderlich sind, trifft das Grundbuchamt auf Grundlage der ihm vorgelegten Dokumente.

Welche Rolle spielen notarielle Erb- und Verzichtsverträge im Kontext der Grundbuchberichtigung?

Notarielle Erb- und Verzichtsverträge spielen eine wichtige Rolle im Kontext der Grundbuchberichtigung, da sie die Erbfolge regeln und somit direkte Auswirkungen auf die Eigentumsverhältnisse von Grundstücken haben. Im Falle des Todes eines Grundstückseigentümers muss das Grundbuch aktualisiert werden, um die neuen Eigentumsverhältnisse korrekt widerzuspiegeln. Dieser Prozess wird als Grundbuchberichtigung bezeichnet.

Notarielle Erbverträge

Ein notarieller Erbvertrag ist ein Vertrag, in dem eine oder mehrere Personen als Erben eingesetzt werden. Dieser Vertrag ist bindend und kann nur unter bestimmten Voraussetzungen geändert oder aufgehoben werden. Im Kontext der Grundbuchberichtigung ermöglicht ein notarieller Erbvertrag, dass die Erbfolge ohne die Vorlage eines Erbscheins nachgewiesen werden kann. Das bedeutet, dass die im Erbvertrag festgelegten Erben direkt im Grundbuch als neue Eigentümer eingetragen werden können, sofern der Erbvertrag eindeutig ist und keine Zweifel an der Erbfolge bestehen.

Verzichtsverträge

Verzichtsverträge, insbesondere Erbverzichtsverträge, sind Vereinbarungen, in denen eine Person auf ihr Erbrecht oder auf bestimmte Erbteile verzichtet. Diese Verträge müssen ebenfalls notariell beurkundet werden. Im Rahmen der Grundbuchberichtigung haben Verzichtsverträge eine wichtige Funktion, da sie die Erbfolge beeinflussen und somit bestimmen, wer als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wird. Ein Verzicht kann dazu führen, dass andere Erben stärker berücksichtigt werden oder dass Vermächtnisnehmer begünstigt werden.

Grundbuchberichtigung

Die Grundbuchberichtigung ist ein Verfahren, bei dem das Grundbuchamt die Eigentumsverhältnisse eines Grundstücks aktualisiert. Dies ist notwendig, wenn der im Grundbuch eingetragene Eigentümer verstirbt und das Eigentum auf die Erben übergeht. Die Erbfolge kann durch einen Erbschein, einen notariellen Erbvertrag oder ein notarielles Testament nachgewiesen werden. Liegt ein notarieller Erbvertrag vor, ist in der Regel kein Erbschein erforderlich.

Notarielle Erb- und Verzichtsverträge sind im Kontext der Grundbuchberichtigung von zentraler Bedeutung, da sie die Erbfolge regeln und somit die Grundlage für die Aktualisierung der Eigentumsverhältnisse im Grundbuch bilden. Durch die notarielle Beurkundung dieser Verträge wird ein rechtssicherer Nachweis der Erbfolge ermöglicht, der die Grundbuchberichtigung erleichtert und beschleunigt.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 22 Abs. 1 GBO: Regelt die Voraussetzungen für die Berichtigung des Grundbuchs, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist. Im Kontext des Urteils ermöglicht dieser Paragraph den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit durch Vorlage notarieller Urkunden, ohne dass ein Erbschein benötigt wird.
  • § 19 GBO: Bestimmt, dass Eintragungen im Grundbuch nur mit Bewilligung desjenigen vorgenommen werden können, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird, es sei denn, es liegt ein Fall des § 22 GBO vor. Dieser Paragraph unterstreicht die Bedeutung der Zustimmung für Grundbucheintragungen und deren Ausnahmen.
  • § 35 GBO: Legt fest, dass zum Nachweis der Erbfolge grundsätzlich ein Erbschein erforderlich ist. Das Urteil macht jedoch deutlich, dass dieser Nachweis auch durch einen notariellen Erbvertrag in Verbindung mit einem Verzichtsvertrag erbracht werden kann.
  • § 29 GBO: Definiert die Formvorschriften für den Nachweis der Antragsberechtigung im Grundbuchverfahren. In diesem Fall wurde der Nachweis durch die Vorlage formgültiger notarieller Urkunden erbracht.
  • § 71 Abs. 1 GBO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 RPflG: Diese Paragraphen regeln die Zulässigkeit der Beschwerde gegen Entscheidungen des Grundbuchamts und wer diese einlegen darf. Sie sind relevant für das Verständnis, wie gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts vorgegangen wurde.
  • § 2346 BGB: Erläutert die Möglichkeit eines Erb- oder Pflichtteilsverzichts durch Vertrag. Dieser Paragraph ist zentral für das Verständnis der rechtlichen Wirkung des Verzichtsvertrags, der im Urteil eine Schlüsselrolle spielt, da er zusammen mit dem Erbvertrag die Grundlage für die Berichtigung des Grundbuchs bildet.


Das vorliegende Urteil

OLG Celle – Az.: 18 W 17/23 – Beschluss vom 15.05.2023

Auf die Beschwerde der Beteiligten vom 1. Februar 2023 wird die Zwischenverfügung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Geestland – Grundbuchamt – vom 17. Januar 2023 aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, unter Beachtung der Auffassung des Senates neu zu entscheiden.

Gründe

I.

Der Notar verlangt für die Beteiligte ihre Eintragung als Alleineigentümerin, nachdem die weiterhin eingetragene Eigentümerin, ihre Mutter, am 27. November 2022 verstorben ist. Sie verweist dazu neben dem Todesnachweis auf den notariellen, eröffneten Erbvertrag vom 13. Oktober 1983 der Verstorbenen und ihres zuvor verstorbenen Ehemanns, mit dem diese ihre beiden Kinder, die Beteiligte und deren Bruder D. H. als Schlusserben zu gleichen Teilen eingesetzt haben, sowie auf den notariellen Erb-, Zuwendungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen D. H. und seiner Mutter, der Erblasserin, vom 27. Juni 2014, mit dem dieser auf seinen gesetzlichen und gewillkürten Erbteil sowie Pflichtteil verzichtet hat.

Der Notar sieht mit Vorlage des Todesnachweises und der notariellen Urkunden den Unrichtigkeitsnachweis nach § 22 Abs. 1 GBO geführt. Die Rechtspflegerin hat mit Zwischenverfügung vom 17. Januar 2023 die Vorlage eines die Beteiligte als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins verlangt. § 35 Abs. 1 S. 2 GBO komme nicht in Betracht, weil die Alleinerbschaft nicht allein auf der letztwilligen Verfügung beruhe, sondern auch auf dem notariellen Verzichtsvertrag.

Dagegen wendet sich der Notar für die Beteiligte mit Beschwerde vom 1. Februar 2023. Es seien auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände zu berücksichtigen, soweit diese durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden. Im Erbscheinsverfahren würde auf dieser Grundlage ebenso entschieden werden. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 1. März 2023 nicht abgeholfen und ergänzt, dass die Berücksichtigung von weiteren öffentlichen Urkunden nur in Betracht komme, wenn eine Nachweislücke zu füllen sei oder dies der Auslegung des Testamentes diene.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Die Beschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthaft und gemäß § 73 Abs. 1, 2 GBO zulässig.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Eintragung der Beteiligten als Eigentümerin kann nicht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht werden, sondern beruht auf der durch den notariellen Erbvertrag und den notariellen Verzichtsvertrag nachgewiesenen Unrichtigkeit.

Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Einer Bewilligung gemäß § 19 GBO bedarf es nur dann nicht, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist, § 22 Abs. 1 S. 1 GBO. Dabei ist die Unrichtigkeit bzw. die Richtigkeit der begehrten neuen Eintragung in der Form des § 29 GBO nachzuweisen. Zum Erbfolgenachweis ist dabei typisiert gemäß § 35 GBO ein Erbschein erforderlich, dieser jedoch entbehrlich, wenn sich die Unrichtigkeit des Grundbuchs aus einer Verfügung von Todes wegen in formgültiger öffentlicher Urkunde sowie der Niederschrift über ihre Eröffnung ergibt.

Dabei ist dem Grundbuchamt zwar darin zu folgen, dass hier die Alleinerbschaft der Beteiligten als Tochter der Verstorbenen gerade nicht allein aus dem notariellen Erbvertrag der Eheleute aus dem Jahr 1983 folgt, mit dem diese ihre beiden Kinder als Schlusserben bestimmt haben, sondern diese nur zusammen mit dem notariellen Erb-, Zuwendungs- und Pflichtteilsverzichtvertrag zwischen Mutter und Sohn von 2014 nachgewiesen wäre. Dabei ist der Verzichtsvertrag, wenn auch notwendig notariell erklärt, unmittelbar keine Verfügung von Todes wegen in formgültiger öffentlicher Urkunde.

Gleichwohl führt dies zum ausreichenden Nachweis. Dabei bedarf es keiner analogen Anwendung des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO, indem erbfolgerelevante Urkunden, zu denen gemäß 78d Abs. 1 BNotO nicht nur Testamente und Erbverträge, sondern alle Urkunden mit Erklärungen, welche die Erbfolge beeinflussen können, insbesondere u.a. Erb- und Zuwendungsverzichtsverträge gehören, im Einzelfall einer Verfügung von Todes gleichgesetzt werden. Denn im Ergebnis folgt hier der Unrichtig- bzw. Richtigkeitsnachweis unter Beachtung des Nachweistypenzwangs des § 35 GBO zusätzlich auch aus § 22 Abs. 1 S.1 GBO. Wie bei der Erbteilsübertragung oder Abschichtung, bei der es nach obergerichtlicher Rechtssprechung (vgl. OLG München, Beschl. v. 9.4.2018 – 34 Wx 13/18, FGPrax 2018, 196, beck-online, m.w.Nw.), der sich auch der Senat angeschlossen hat, keiner Voreintragung der in der Form des § 35 GBO nachgewiesenen Erben gemäß § 40

Abs. 1 GBO bedarf, gilt dies in ähnlicher Weise auch für den durch Verzicht abweichend vom Erbvertrag allein bei der Tochter entstehenden Erbteil. Zwar ist in den vorstehenden Fällen die gemäß § 35 GBO nachgewiesene Gesamtrechtsnachfolge bereits kraft Gesetzes gemäß § 1922 BGB eingetreten, während sich erst danach durch eine in der Form des § 29 GBO nachgewiesene Abschichtung oder Übertragung der Bestand der bereits entstandenen Erbengemeinschaft verändert. Aber auch der davor zu Lebzeiten des Erblassers getroffene Erb- bzw. Zuwendungsverzichtvertrag zwischen dem späteren Erblasser und dem Begünstigten wirkt zwar unmittelbar, entfaltet seine Wirkung aber notwendig erst mit dem Nachlassfall. In einer „juristischen Sekunde“ wird die Wirkung des § 1922 BGB, d.h. die gesetzliche oder gewillkürte Gesamtrechtsnachfolge der an sich berechtigten Erben, auf die nicht durch den Verzichtsvertrag betroffenen Erben reduziert. Denn Gegenstand des Verzichts nach § 2346 BGB ist das gesetzliche Erb- bzw. Pflichtteilsrecht, das heißt die bloße Chance, mit dem Tod des (vom Verzichtenden zu überlebenden) Erblassers zu erben bzw. den schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruch zu erwerben, nicht dagegen ein Anwartschaftsrecht oder die künftige Erbenstellung bzw. der künftige Pflichtteilsanspruch. Er ist, da er auf eine unmittelbar mit dem Erbfall eintretende Änderung der erbrechtlichen Verhältnisse gerichtet ist, ein erbrechtlicher Verfügungsvertrag. Im Gegensatz zum Erbvertrag hat er jedoch einen rein negativen Inhalt und die einzige vom Gesetz zugelassene Verfügung des Erbanwärters über seine Rechtsposition vor dem Erbfall zum Gegenstand (MüKo BGB/Wegerhoff, 9. Aufl. 2022, BGB § 2346 Rn. 2; v. Proff, NJW 2016, 539, 540, beck-online, m.w.Nw.). Dasselbe gilt für den Zuwendungsverzicht gemäß § 2352 BGB, wobei vorliegend der Sohn gegenüber seiner Mutter sowohl einen Zuwendungsverzicht als auch Erbverzicht sowie Pflichtteilsverzicht erklärt hat. Der Zuwendungsverzicht bewirkt nicht, dass die letztwillige Verfügung als solche aufgehoben wird. Entsprechend der Regelung in § 2346 Abs. 1 S. 2 verhindert der Verzicht nur den Anfall der Zuwendung (Erbeinsetzung, Vermächtnis) an den Verzichtenden, wie wenn er den Erbfall nicht erlebt hätte (MüKoBGB/Wegerhoff, 9. Aufl. 2022, BGB § 2352 Rn. 12).

Unter dieser Prämisse des an sich bestehenden gesetzlichen bzw. gewillkürten Erbrechtes, jedoch – zugleich mit dem Todesfall des Erblassers – unter Ausschluss der Verzichtserklärenden folgt hier der Unrichtigkeitsnachweis aus § 35 Abs. 1 S. 2 GBO anhand des notariellen Erbvertrages und aus § 22 Abs. 1 S. 1 GBO anhand des notariellen Verzichtvertrages. Dies ist jedoch nicht zu generalisieren. Denn es sind durchaus Verzichtsverträge denkbar, bei denen die Erbenstellung bzw. der Umfang des Verzichtes nicht im Wege der Auslegung zu ermitteln ist, sondern außerhalb des Grundbuchverfahrens zu klären und ein Erbschein, anders als hier, erforderlich ist. Denkbar ist auch, dass sich der Verzicht nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, mithin deren Erbenstellung gerade nicht in der Form des § 29 GBO bzw. anhand des Testamentes gesichert ist, sondern eines Erbscheins bedarf. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Denn gemäß § 2349 BGB sowie i.V.m § 2352 S. 3 BGB erstreckt sich die Wirkung des Verzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, wenn ein Abkömmling oder ein Seitenverwandter des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht oder die testamentarische Erbeinsetzung verzichtet, sofern nicht ein anderes bestimmt wird. Dabei wird in der Verzichtserklärung aus dem Jahre 2014 die Erstreckung auf die Abkömmlinge des verzichtenden Sohnes sogar ausdrücklich bestimmt. Zusammengefasst kann mit der für das Grundbuchverfahren notwendigen zweifelsfreien Sicherheit einer Grundbuchunrichtigkeit eine Alleinerbenstellung der testamentarisch bedachten Tochter, der Beschwerdeführerin, angenommen werden.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen bei der erfolgreichen Beschwerde nicht an (vgl. § 22 Abs. 1 GNotKG). Die Erstattung außergerichtlicher Aufwendungen kommt nicht in Betracht, weil sich niemand in einem der Beschwerde entgegengesetzten Sinn am Beschwerdeverfahren beteiligt hat. Daher bedurfte es mangels Antrags (vgl. § 33 Abs. 1 RVG) auch nicht der Festsetzung des Geschäftswertes nach § 79 Abs. 1 GNotKG.

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