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Pflichtteil Erbe: Anspruch, Höhe und Durchsetzung

Wer hat trotz Enterbung bei einem Erbfall Anspruch auf den Pflichtteil?

Wenn ein Todesfall auftritt, so ist in Deutschland davon stets das Erbrecht betroffen. Das gesetzliche Erbrecht regelt nicht nur die Erbfolge ohne ein Testament, sondern es spricht auch berechtigten Verwandten einen Pflichtteils-Anspruch, auch bei Enterbung, auf ein Erbe zu.

Es kommt nicht selten vor, dass nahestehende Angehörige mittels eines Testaments von dem Erblasser vollständig oder teilweise enterbt werden. Die Gründe für das enterben eines Angehörigen sind überaus vielfältig. Eine Enterbung bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass die enterbte Person auch tatsächlich keinen Anteil der Erbmasse nach dem Tod des Erblassers erhält. Der Gesetzgeber sieht für nahestehende Angehörige des Erblassers einen sogenannten Pflichtteilsanspruch vor, welcher jedoch – im Gegensatz zu dem gesetzlichen Erbe – von der pflichtteilsberechtigten Person beansprucht werden muss. Zwar ist der Pflichtteilsanspruch durchaus ein fester Bestandteil der gesetzlichen Erbregelung, allerdings erhält eine pflichtteilsberechtigte Person diesen Anspruch nicht automatisch.

Es kann durchaus vorkommen, dass eine pflichtteilsberechtigte Person überhaupt keine Kenntnis von dem eigenen Pflichtteilsanspruch hat. In derartigen Fällen gilt es, die jeweiligen Schritte genau zu prüfen. Dies setzt allerdings voraus, dass die für den Pflichtteil berechtigte Person die entsprechenden Schritte auch kennt.

Die ersten Schritte auf dem Weg zum Pflichtteilsanspruch

Nicht selten ist es so, dass zwischen einem Erblasser zu dessen Lebzeiten und gewissen nahestehenden Angehörigen kein gutes zwischenmenschliches Verhältnis besteht. Eine derartige Ausgangslage kann nicht selten auch dazu führen, dass der Erblasser in einem Testament die nahestehenden Angehörigen enterbt und diese Angehörigen dies auch zur Kenntnis erhalten („Du bist enterbt!“). Sollte es dann zu einem Todesfall des Erblassers kommen leben die enterbten Angehörigen nicht selten in dem Glauben, dass sie durch die Enterbung keinen Anspruch mehr auf die Erbmasse haben. Wenn ein entsprechendes Vermögen vorhanden ist, kann es sich jedoch durchaus lohnen zu prüfen, ob nicht ein Pflichtteilsanspruch besteht. Dies ist für gewöhnlich der erste Schritt auf dem Weg zu dem Pflichtteil.

Diesen nahestehenden Angehörigen steht ein Pflichtteil zu

  • Kinder von dem Erblasser
  • Ehegatten / eingetragene Lebenspartner von dem Erblasser
  • unter gewissen Umständen auch die Eltern von dem Erblasser
  • unter gewissen Umständen auch die Enkelkinder von dem Erblasser

Sollte eine enterbte Person zu dem gesetzlich festgelegten Personenkreis der berechtigten Personen zählen besteht dementsprechend auch ein Anspruch darauf, dass die Pflichtteilsquote als Erbe ausgezahlt wird. Die Pflichtteilsquote beläuft sich dabei auf den hälftigen Anteil des Erbteils. In Fallsituationen, in denen es mehrere pflichtteilsberechtigte Personen gibt, erfolgt eine Aufteilung der Pflichtteilsquote auf der Basis des hälftigen Erbteils.

Der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil im Fall einer teilweisen Enterbung

Wenn ein Erblasser zu Lebzeiten mittels einer letztwilligen Verfügung oder eines Testaments einem pflichtteilsberechtigten Angehörigen in seinem Nachlass ein gewisses Vermögen zugedacht hat, so ist dies durchaus schön.

Pflichtteil Erbe
Wird ein Angehöriger im Testament enterbt, muss er oder sie nach dem Tod des Erblassers nicht zwangsläufig auch leer ausgehen. (Symbolfoto: Freedomz/Shutterstock.com)

Sollte jedoch dieses zugedachte Vermögen nicht den Wert von dem Pflichtteilsanspruch des Anspruchsinhabers entsprechen gestaltet sich der Sachverhalt durchaus etwas komplexer. Für derartige Fälle besteht seitens der pflichtteilsberechtigten Person auch ein Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil. Der Anspruchsinhaber ist dann dazu berechtigt, eine Aufstockung des zugedachten Erbanteils auf den Wert des Pflichtteilsanspruchs zu verlangen. In der gängigen Praxis erfolgt eine derartige Aufstockung in Form von Geldzahlungen.

Die Verjährungsfrist muss beachtet werden

Der Gesetzgeber hat für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs eine Verjährungsfrist vorgesehen. Dies bedeutet, dass der Anspruchsinhaber seine Ansprüche binnen der Zeitspanne der gesetzlich festgelegten Verjährungsfrist geltend machen muss. Die gesetzlich festgelegte Verjährungsfrist beträgt in derartigen Fällen drei Jahre. Sollte der Anspruchsinhaber nicht binnen der drei Jahre beginnend mit der Kenntnisnahme des Erbfalls den Anspruch geltend machen, so gilt der Anspruch als verfallen. Im Fall einer drohenden Verjährung kann der Anspruch durchaus auch gehemmt werden.

Durch die Maßnahme der Hemmung wird die Verjährung zunächst erst einmal unterbrochen. Mit einer sogenannten Stufenklage kann die Hemmung der Verjährung sehr wirksam erreicht werden.

Der Pflichtteilsanspruch steht fest

Sollte festgestellt werden, dass tatsächlich ein Pflichtteilsanspruch besteht, wird der § 2314 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch für den Anspruchsinhaber überaus wichtig. Gem. dieses Paragrafen gibt es für den Anspruchsinhaber drei sogenannte Kernansprüche.

Die Kernansprüche auf den Pflichtteil im Sinne des § 2314 Abs. 1 BGB

  • Auskunftsanspruch im Zusammenhang mit dem Nachlassbestand unter Berücksichtigung von Schenkungen, welche andere Erben bereits zu Lebzeiten erhalten haben
  • Anspruch darauf, dass eine Wertermittlung von Nachlassgegenständen mittels eines Sachverständigengutachtens erfolgt
  • Auszahlungsanspruch auf der Basis der Auskünfte bzw. Wertermittlungen

Der Anspruch eines Pflichtteilanspruchsinhabers muss stets an die Erben gerichtet werden.

Die Pflichten der Erben

Sollte eine pflichtteilsberechtigte Person ihren Anspruch gegenüber den Erben geltend machen gibt es für die Erben die Verpflichtung, ein sogenanntes Nachlassverzeichnis aufzustellen. In diesem Nachlassverzeichnis müssen sämtliche Berechnungsfaktoren im Zusammenhang mit der Pflichtteilsforderung und dem Nachlass offengelegt werden. Die pflichtteilsberechtigte Person ist dazu berechtigt, die notarielle Erstellung eines Nachlassverzeichnisses zu verlangen. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn die pflichtteilsberechtigte Person von den Erben bereits ein entsprechendes privates Nachlassverzeichnis erhalten hat. Die Forderung eines notariellen Nachlassverzeichnis erfordert keine Begründung seitens des Pflichtteilanspruchsinhabers.

Was zählt als Schenkung?

In der gängigen Praxis wird entweder ein Rechtsanwalt oder ein Notar mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnis beauftragt. Die damit beauftragte Person wird sämtliche Erben befragen, welche pflichtteilsrelevanten Schenkungen sie zu Lebzeiten des Erblassers von dem Erblasser erhalten haben. Berücksichtigt werden dabei sämtliche Vermögenswerte, allerdings ist der Zeitpunkt der Schenkung durchaus entscheidend. Geschenke, die sehr viele Jahre oder sogar Jahrzehnte zurückliegen, lassen sich mitunter nicht mehr feststellen. Derartige Schenkungen können jedoch durchaus eine pflichtteilsreduzierende Wirkung erzielen, was jedoch an gewisse Rahmenbedingungen geknüpft ist. Der Erblasser kann beispielsweise zu Lebzeiten mittels einer Güterstandsschaukel eine pflichtteilreduzierende Wirkung erreichen.

Zweifel am Nachlassverzeichnis

Sollte eine pflichtteilsberechtigte Person Zweifel im Zusammenhang mit dem Nachlassverzeichnis hegen, so kann der Anspruchsinhaber von den Erben die Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung verlangen. Die Erben versichern dann von Eides statt, dass die getätigten Angaben auch tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Der Gesetzgeber sieht darin die theoretische Garantie dafür, dass alle Angaben auch tatsächlich richtig sind. In der gängigen Praxis entfaltet die Eidesstattliche Versicherung jedoch bedauerlicherweise nur zu häufig ihre Wirkung nicht.

Der letzte Schritt auf dem Weg zum Pflichtteil

Wenn der Pflichtteilsanspruch genau berechnet worden ist kann der Anspruchsinhaber nunmehr eine Bezifferung des Zahlungsanspruchs vornehmen und diesen Zahlungsanspruch gegen die Erben geltend machen. Durch eine schriftliche Zahlungsaufforderung wird der Erbe dann entsprechend angehalten, die Zahlung des Pflichtteilsanspruchs vorzunehmen. In der gängigen Praxis ist dies auf dem außergerichtlichen Wege auch ohne die Mandatierung eines Rechtsanwalts möglich. Es gibt jedoch auch die Variante, dass es im Hinblick auf das Erbe zu Streitigkeiten kommt. In derartigen Fällen sollte die Zahlungsaufforderung der anspruchsberechtigten Person mittels eines Rechtsanwalts erfolgen.

Verweigerung der Zahlung

Sollte sich der Erbe oder die Erben weigern, die Zahlung des Pflichtteilsanspruchs an die anspruchsberechtigte Person vorzunehmen, gibt es auch die Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs. Der gerichtliche Weg wird dabei vor dem regional zuständigen Zivilgericht bestritten, wobei dann auch noch Gerichtsgebühren sowie Rechtsanwaltsgebühren entstehen. Die vorherige Einigung zwischen den Parteien auf dem außergerichtlichen Weg ist daher erst einmal die bessere Lösung. In Deutschland werden im Zusammenhang mit Erbfragen jährlich unzählige Gerichtsverfahren geführt, welche sich mitunter über einen sehr langen Zeitraum hinwegziehen. Dementsprechend erfolgt die eigentliche Erbauseinandersetzung erst dann, wenn das offene Gerichtsverfahren abschließend geklärt ist. Dies ist jedoch mit Sicherheit nicht im Sinne des Erblassers gewesen.

Unsere Hilfe als Notar und Rechtsanwalt im Erbrecht

Wir hoffen, dass Sie diesen Artikel über den Pflichtteil trotz Enterbung hilfreich fanden. Wenn Sie weitere Fragen zum Erbrecht oder den Pflichtteilsanspruch haben oder Hilfe bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche benötigen, kontaktieren Sie uns. Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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