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Dingliche Beschränkung der Haftung des Nießbrauchers auf eigenübliche Sorgfalt eintragungsfähig?

OLG Frankfurt –  Az.: 20 W 349/13 – Beschluss vom 14.01.2014

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

In seiner UR-Nr. …/2013 vom 15.03.2013 (Fol. 13/1 d. A.) hat der Verfahrensbevollmächtigte im Zusammenhang mit dem Erwerb des betroffenen Grundstücks durch eine von den Antragstellern und deren Kindern gebildeten GbR in § 8 der Urkunde eine Nießbrauchsbestellung zu Gunsten der Antragsteller protokolliert. Für diesen Nießbrauch gelten vereinbarungsgemäß die gesetzlichen Bestimmungen u. a. mit der Besonderheit, dass die Berechtigten bei Ausübung ihres Nießbrauchs nur die Sorgfalt schulden, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.

Weiter wird in § 8 der Urkunde die Eintragung des Nießbrauchs für die Antragsteller – als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB – bewilligt und beantragt mit der Maßgabe, dass zu Lebzeiten beider Berechtigter nur an beide gemeinsam geleistet werden kann und der überlebende Eheteil alleinberechtigt ist, wobei auch ein Löschungserleichterungsvermerk eingetragen werden sollte.

Der Verfahrensbevollmächtigte hat unter dem 13.05.2013 außer der Eintragung des Eigentumswechsels die Eintragung des Nießbrauchsrechts beantragt.

Die Grundbuchrechtspflegerin hat mit Zwischenverfügung vom 01.10.2013 die zu dem Verschuldensmaßstab getroffene Regelung moniert im Hinblick darauf, dass die Bestimmungen zu §§ 1036, 1050 BGB als unabdingbar angesehen werden und deshalb die Regelung, dass bei der Ausübung des Nießbrauchs die Berechtigten nur die Sorgfalt schuldeten, die sie in eigenen Dingen anzuwenden pflegten, nicht als dinglicher Inhalt des Rechts eingetragen werden könne. Daher werde die Vorlage einer Ergänzungserklärung in der Form des § 29 GBO verlangt, mit der die Bewilligung zur Eintragung des Nießbrauchs entsprechend geändert werde.

Dagegen richtet sich die am 04.10.2013 eingelegte Beschwerde, mit der die Auffassung vertreten wird, dass der für den Nießbraucher geltende normale Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB mit dinglicher Wirkung abbedungen werden könne. Der pauschale Hinweis auf die Unabdingbarkeit der Vorschriften der §§ 1036, 1050 BGB reiche zur Rechtfertigung eines Verbots der dinglichen Abänderung des Sorgfaltsmaßstabs nicht aus. Es fehle ein gesetzliches Verbot, den Pflichtenkreis des Nießbrauchers dem Maßstab des § 277 BGB zu unterstellen. Auch werde durch eine Regelung wie die streitgegenständliche nicht in den Wesenskern der Verpflichtungen des Nießbrauchers eingegriffen. Weiter wird in der Beschwerdebegründung auf ein Gutachten des Deutschen Notarinstituts vom 21.06.2007 Bezug genommen.

Die Grundbuchrechtspflegerin hat mit Beschluss vom 12.11.2013 der Beschwerde „des Notars X“ nicht abgeholfen und die Nichtabhilfe unter Berufung auf die Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 11.04.2006 – 1 W 609/03 = DNotZ 2006, 470 = ZMR 2007, 36 damit begründet, dass bei der Regelung des Nießbrauchs die Substanzerhaltung wesentlich sei. Diese verlange die Geltung objektiver Kriterien, während bei der Zulassung subjektiver Maßstäbe wie der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten die Gefahr bestehe, dass die Substanz gerade nicht in dem Maße erhalten bleibe, wie dies objektiv zu fordern sei. Auch spreche die Geltung der Rechtsverhältnisse des Sachenrechts auch gegenüber Dritten wie auch der Grundsatz des Typenzwangs im Sachenrecht für die Unabdingbarkeit gesetzlicher Regelungen.

Der Verfahrensbevollmächtigte hat in seiner Stellungnahme zur Nichtabhilfe klargestellt, dass die Beschwerde namens der Nießbrauchsberechtigten eingelegt wurde. Er hat an seiner Auffassung festgehalten und darauf verwiesen, dass durch die Milderung des Haftungsmaßstabs keine Abänderung des § 1050 BGB erfolgt sei. Auch werde nicht in § 1036 Abs. 2 BGB eingegriffen, da die Erhaltungspflichten des Nießbrauchers nicht gänzlich ausgeschlossen würden und daher der Kern des Nießbrauchsrechts nicht betroffen sei. Er verweist weiter darauf, dass dem Nießbraucher auch eine Reihe von Pflichten erlassen werden könnten, die ebenfalls grundsätzlich zu den Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft gehörten.

Die gemäß §§ 71 Abs. 1, 73 GBO zulässige Beschwerde, die entgegen der Tenorierung in dem Nichtabhilfebeschluss nicht von dem dazu nicht befugten Notar in eigenem Namen (vgl. Demharter: GBO, 28. Aufl., § 15, Rdnr. 20), sondern klarstellend namens der Nießbrauchsberechtigten eingelegt worden ist, führt in der Sache nicht zum Erfolg.

Durch die angefochtene Zwischenverfügung durfte die Vorlage einer Ergänzungserklärung aufgegeben werden, da es nicht um die Abänderung des zur Eintragung beantragten Nießbrauchs insgesamt oder die Ersetzung durch ein anderes Recht geht, sondern lediglich klargestellt werden soll, dass der Nebenbestimmung hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs keine dingliche Wirkung zukommen soll (Demharter: GBO, 28. Aufl., § 18, Rdnr. 6, 27; Wilke in Bauer/von Oefele: GBO, 3. Aufl., § 18 Rdnr. 19).

Die angefochtene Zwischenverfügung ist auch inhaltlich berechtigt, da die in § 8 a) der Urkunde vom 15.03.2013 vereinbarte Beschränkung der von den Nießbrauchsberechtigten bei der Ausübung des Nießbrauchs geschuldeten Sorgfalt auf die Sorgfalt, die sie in eigenen Dingen anzuwenden pflegen, nicht mit dinglicher Wirkung im Grundbuch eingetragen werden kann. Durch die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung vom 15.03.2013 bei der Eintragung des Nießbrauchs gemäß § 873 BGB käme ohne die verlangte Ergänzungserklärung dieser Haftungsbeschränkung aber dingliche Wirkung zu.

Ob ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück mit der Vereinbarung, dass der Berechtigte dem Eigentümer für die Erfüllung seiner Pflichten nur gemäß § 277 BGB einzustehen hat, nicht nur mit schuldrechtlicher Wirkung zwischen den Beteiligten abgesprochen, sondern auch mit dinglicher Wirkung zu Gunsten und zu Lasten Dritter im Grundbuch eingetragen werden kann, ist umstritten.

Bejaht wird die Eintragungsfähigkeit hauptsächlich mit der Begründung, dass die Beschränkung des Haftungsmaßstabs nicht gesetzlich verboten sei und der pauschale Hinweis auf die Unabdingbarkeit der §§ 1036Abs. 2, 1037 Abs. 1,1041 Satz 1 BGB mit dinglicher Wirkung zur Begründung dafür, dass der Vereinbarung der Haftungsbeschränkung keine dingliche Wirkung zukomme, nicht genüge, weil durch die Beschränkung des Haftungsmaßstabs noch nicht in den Wesenskern des Nießbrauchs eingegriffen werde (vgl. Palandt/Bassenge: BGB, 73. Aufl., § 1036, Rdnr. 2; Staudinger/Frank: BGB, 2009, § 1036 Rdnr. 18; Frank in Anm. zur Entscheidung des KG, Beschl. v. 11.04.2006 – 1 W 609/03 = DNotZ 2006, 470 in DNotZ 2006, 472; Gutachten des Deutschen Notarinstituts vom 21.06.2007, Dokumentnummer 11 523 #; Pöppel MittBayNot 2007, 85, 90).

Der Senat schließt sich demgegenüber im Ergebnis der vom KG in der bereits zitierten Entscheidung vertretenen gegenteiligen Auffassung an, wie sie auch die Grundbuchrechtspflegerin in der Nichtabhilfeentscheidung vertreten hat.

Auch wenn noch kein Eingriff in den Wesenskern des Nießbrauchs vorliegen mag und die Unabdingbarkeit des § 1050 BGB mit dinglicher Wirkung keine Rolle spielt, weil die Pflichten des Nießbrauchers durch die Beschränkung des Haftungsmaßstabs nicht verstärkt, sondern gemildert werden, hält es der Senat für nicht mit dem im Sachenrecht geltenden Typenzwang vereinbar, den dinglichen Pflichtenumfang des Nießbrauchers von seiner persönlichen Sorgfalt abhängig zu machen (so auch Pohlmann in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 1036, Rdnr. 17).

Diese Bedenken stützen sich auf die nicht mit dinglicher Wirkung abdingbaren Ausübungsschranken für den Nießbraucher gemäß § 1036 Abs. 2 BGB. Für die bei der Ausübung des Nutzungsrechts nach dieser Norm einzuhaltenden Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft gilt ein objektiver Maßstab (so auch Staudinger/Frank, a. a. O., § 1036 Rdnr. 16). Damit würde aber ein Haftungsmaßstab entsprechend § 277 BGB in Widerspruch stehen, weil er dazu führen würde, dass objektiv gebotene Bewirtschaftungsmaßnahmen je nach der im Einzelfall zu ermittelnden, da auch veränderlichen, subjektiven Sorgfalt des Nießbrauchers nicht geschuldet wären (vgl. Pohlmann, a. a. O.). Dies lässt sich auch nicht damit entkräften, dass dem Nießbraucher eine Reihe von Pflichten erlassen werden können, die grundsätzlich zu den Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft gehören wie die Versicherungspflicht nach § 1045 BGB und die Pflicht zur Lastentragung nach § 1047 BGB. Denn auch der Umfang dieser Pflichten ist objektiv bestimmbar und richtet sich nicht nach den persönlichen Umständen des Nießbrauchers. Für einen Grundstückserwerber soll sich aber im Fall des Nießbrauchs wie auch bei anderen Belastungen soweit als möglich aus dem Grundbuch und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung der Inhalt des sein Eigentum beschränkenden Rechts direkt ergeben, ohne dass tatsächliche Ermittlungen erforderlich wären wie im Fall eines Haftungsmaßstabs nach § 277 BGB.

Die Kosten ihrer demnach erfolglosen Beschwerde haben die Antragsteller nach den §§ 134Abs. 1 Satz 2, 22 Abs. 1,25 Abs. 1 GNotKG zu tragen.

Über die Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht zu entscheiden, da an dem Beschwerdeverfahren keine Beteiligten mit abweichendem Verfahrensziel beteiligt waren.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 61Abs. 1, 36 Abs. 3 GNotKG, wobei berücksichtigt worden ist, dass vorliegend nur die dingliche Wirkung der Vereinbarung des eingeschränkten Haftungsmaßstabs im Streit stand und die Beschwerde sich gegen eine Zwischenverfügung richtete.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, § 78 Abs. 2 Nr. 2 GBO, da die Frage der dinglichen Wirkung der Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung des Nießbrauchers nach § 277 BGB umstritten und bisher eine höchstrichterliche Entscheidung dazu nicht ergangen ist.

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