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Kraftloserklärung Grundschuldbrief – Aufgebotsverfahren durch belasteten Grundeigentümer

Kammergericht Berlin erklärt Grundschuldbrief für kraftlos: Recht am Grundpfandrecht gesichert

Das Urteil des Kammergerichts Berlin (KG Berlin, Az.: 12 W 65/14) hebt den Beschluss des Amtsgerichts Neukölln auf und erklärt den Grundschuldbrief für kraftlos. Im Kern geht es um die Eigentümerin einer Wohnung in Berlin, die durch ein rechtskräftiges Urteil berechtigt ist, die Abtretung der Grundschuld zu verlangen. Nachdem der ursprüngliche Besitzer des Grundschuldbriefes diesen nicht herausgibt und behauptet, ihn nicht zu besitzen, wird der Grundschuldbrief auf Antrag der Wohnungseigentümerin für kraftlos erklärt, um das Recht am Grundpfandrecht zu wahren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 W 65/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Das Kammergericht Berlin hebt den Beschluss des Amtsgerichts Neukölln auf.
  2. Die Beteiligte zu 1) ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 21 in Berlin und hat ein Recht auf die Grundschuld.
  3. Die Abtretung der Grundschuld wurde gerichtlich verfügt, aber der physische Grundschuldbrief fehlt.
  4. Der ehemalige Besitzer des Briefes, Herr S, behauptet, diesen nicht mehr zu besitzen.
  5. Die Wohnungseigentümerin stellt erfolgreich einen Antrag auf Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes.
  6. Der Verlust des Grundschuldbriefes wurde glaubhaft gemacht und die Notwendigkeit der Kraftloserklärung bestätigt.
  7. Der rechtliche Anspruch der Wohnungseigentümerin auf die Grundschuld bleibt bestehen.
  8. Das Urteil ermöglicht der Eigentümerin, die Löschung der Grundschuld im Grundbuch zu beantragen.

Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs: Das Aufgebotsverfahren für belastete Grundeigentümer

Ein Grundschuldbrief ist eine Urkunde, die die Belastung eines Grundstücks mit einer Grundschuld beurkundet. Wenn der Grundschuldbrief verloren geht oder gestohlen wird, kann der belastete Grundeigentümer ein Aufgebotsverfahren einleiten, um den Grundschuldbrief für kraftlos zu erklären. Im Aufgebotsverfahren wird öffentlich bekannt gemacht, dass der Grundschuldbrief verloren gegangen ist, und alle potenziellen Inhaber werden aufgefordert, sich zu melden.

Der belastete Grundeigentümer muss einen Antrag auf Kraftloserklärung stellen und beweisen, dass der Grundschuldbrief verloren gegangen ist oder gestohlen wurde. Wenn keine gegenteiligen Beweise vorgelegt werden, kann das Gericht den Grundschuldbrief für kraftlos erklären. Das Aufgebotsverfahren bietet somit eine Möglichkeit, das Recht am Grundpfandrecht zu wahren, wenn der physische Grundschuldbrief abhanden gekommen ist.

In einem konkreten Urteil, wie beispielsweise dem Kammergericht Berlin (Az.: 12 W 65/14), wird die Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs thematisiert und die rechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit derartigen Fällen aufgezeigt. Eine detaillierte Betrachtung dieses Urteils kann dabei helfen, das Verständnis für die rechtlichen Rahmenbedingungen und mögliche Lösungsansätze in solchen Situationen zu vertiefen.

Der verzwickte Fall eines abhanden gekommenen Grundschuldbriefs

Im Zentrum dieses juristischen Falles steht ein Grundschuldbrief, der im Rahmen eines Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt wurde. Die Beteiligte zu 1), Eigentümerin der Wohnung Nr. 21 in der W***straße 58 in Berlin, eingetragen im Grundbuch von Neukölln, war in eine rechtliche Auseinandersetzung verwickelt, die sich um die Besitzansprüche eines Grundschuldbriefes drehte. Die Beteiligte zu 2), die Gläubigerin der im Grundbuch eingetragenen Briefgrundschuld, wurde durch ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Berlin dazu verurteilt, die Grundschuld an den Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 1) abzutreten und der Eintragung der Abtretung im Grundbuch zuzustimmen. Ein entscheidender Wendepunkt in diesem Verfahren war die Erklärung der Beteiligten zu 2) gegenüber dem Gerichtsvollzieher, dass sie nicht im Besitz des Grundschuldbriefes sei und dieser sich im Besitz von Herrn S. befinde.

Herausforderung bei der Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefes

Das rechtliche Problem in diesem Fall lag in der Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes. Die Beteiligte zu 1) hatte einen Antrag auf Kraftloserklärung gestellt, der vom Amtsgericht Neukölln zunächst abgelehnt wurde, da die Behauptung über den Verbleib des Grundschuldbriefes nicht glaubhaft erschien. Die Beteiligte zu 1) legte daraufhin Beschwerde ein. Diese Beschwerde führte zu einer erneuten Prüfung des Falls, wobei verschiedene Urkunden und eidesstattliche Versicherungen vorgelegt wurden. Hierbei spielte insbesondere die eidesstattliche Versicherung des Herrn S eine wichtige Rolle, der im Zuge einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin zur Herausgabe des Grundschuldbriefes verpflichtet wurde, jedoch erklärte, diesen nicht zu besitzen.

Entscheidung des Kammergerichts Berlin und ihre Begründung

Das Kammergericht Berlin entschied, den Beschluss des Amtsgerichts Neukölln aufzuheben und den Grundschuldbrief für kraftlos zu erklären. Die Begründung für diese Entscheidung lag in der Glaubhaftmachung des Verlusts des Grundschuldbriefes. Nachdem Herr S an Eides Statt versichert hatte, nicht im Besitz des Briefes zu sein und auch nicht zu wissen, wo dieser sich befindet, wurde angenommen, dass der Brief für die Antragstellerin unauffindbar ist. Das Gericht berücksichtigte dabei auch die rechtlichen Voraussetzungen und die Antragsberechtigung der Beteiligten zu 1), die in gewillkürter Verfahrensstandschaft das noch formal der Beteiligten zu 2) zustehende Recht geltend machte.

Juristische Feinheiten und die Bedeutung für das Grundbuchrecht

Dieser Fall illustriert die Komplexität des Grundbuchrechts und die Bedeutung von physischen Dokumenten wie dem Grundschuldbrief in rechtlichen Verfahren. Die Entscheidung des Kammergerichts zeigt auf, wie wichtig es ist, den Besitz und den Verbleib solcher Urkunden nachvollziehbar und glaubhaft zu machen. Sie hebt hervor, dass in Situationen, in denen der physische Besitz eines wichtigen Dokuments nicht geklärt werden kann, rechtliche Mechanismen wie das Aufgebotsverfahren existieren, um die Rechte der Beteiligten zu wahren.

In diesem speziellen Fall wurde durch die Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes der Weg für die Beteiligte zu 1) frei gemacht, um ihre Rechte im Hinblick auf die Grundschuld geltend zu machen und entsprechende Änderungen im Grundbuch vornehmen zu lassen.

Fazit: Der Fall um die Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefes im Aufgebotsverfahren bietet einen tiefen Einblick in die Herausforderungen und rechtlichen Feinheiten, die mit dem Grundbuchrecht und der Handhabung von Grundschuldbriefen verbunden sind.

Der vollständige Urteilstext des Urteils kann weiter unten nachgelesen werden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter der Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefes?

Unter der Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefes versteht man ein rechtliches Verfahren, das dazu dient, einen verloren gegangenen oder zerstörten Grundschuldbrief für ungültig zu erklären. Ein Grundschuldbrief ist eine Urkunde, die eine Grundschuld beurkundet und somit ein wichtiges Dokument für die Sicherung von Krediten darstellt. Geht dieser Brief verloren oder wird er zerstört, kann der Berechtigte beim zuständigen Amtsgericht ein Aufgebotsverfahren beantragen, um den Brief für kraftlos zu erklären.

Das Aufgebotsverfahren ist in den §§ 433 bis 484 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt. Antragsberechtigt sind in der Regel der Gläubiger der Grundschuld oder der Eigentümer des belasteten Grundstücks. Im Rahmen des Verfahrens wird öffentlich bekannt gemacht, dass der Grundschuldbrief verloren gegangen ist, und es wird eine Frist gesetzt, innerhalb derer Ansprüche angemeldet werden können. Meldet sich der Inhaber des Briefes oder ein anderer Berechtigter nicht, wird der Brief durch einen gerichtlichen Ausschließungsbeschluss für kraftlos erklärt.

Die Kraftloserklärung wirkt gegen jedermann und ermöglicht es dem Antragsteller, die Rechte aus der Urkunde beim Schuldner ohne Vorlage des Grundschuldbriefes geltend zu machen. Nach der Kraftloserklärung kann der Berechtigte eine neue Urkunde beantragen, um seine Rechte weiterhin zu sichern.

Wie funktioniert ein Aufgebotsverfahren und in welchen Fällen kommt es zum Einsatz?

Aufgebotsverfahren: Funktion und Anwendungsfälle

Ein Aufgebotsverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das dazu dient, Rechtsklarheit zu schaffen, indem es unbekannte Berechtigte ausschließt oder Urkunden für kraftlos erklärt. Es kommt in verschiedenen Situationen zum Einsatz, beispielsweise wenn Urkunden wie Grundschuldbriefe oder Sparbücher verloren gegangen sind oder wenn unbekannte Erben oder Gläubiger aufgefordert werden sollen, ihre Ansprüche geltend zu machen.

Ablauf des Aufgebotsverfahrens

  1. Antragstellung: Ein Aufgebotsverfahren wird durch einen Antrag eines Antragsberechtigten eingeleitet. Dies kann schriftlich oder mündlich bei der Rechtsantragstelle des zuständigen Amtsgerichts erfolgen.
  2. Öffentliche Bekanntmachung: Nachdem das Gericht den Antrag auf Zulässigkeit geprüft hat, wird das Aufgebot öffentlich bekannt gemacht, beispielsweise durch Aushang am Gericht oder Veröffentlichung im Bundesanzeiger.
  3. Aufgebotsfrist: Es wird eine Frist gesetzt, innerhalb derer Ansprüche oder Rechte angemeldet werden können. Diese Frist beträgt in der Regel mindestens drei Monate.
  4. Ausschließungsbeschluss: Nach Ablauf der Aufgebotsfrist erlässt das Gericht einen Ausschließungsbeschluss, wenn keine Ansprüche angemeldet wurden. Dieser Beschluss spricht den Rechtsnachteil für diejenigen aus, die ihre Ansprüche nicht angemeldet haben.
  5. Rechtsmittel: Gegen den Ausschließungsbeschluss kann innerhalb einer bestimmten Frist Beschwerde eingelegt werden.

Anwendungsfälle des Aufgebotsverfahrens

Das Aufgebotsverfahren findet Anwendung in Fällen wie:

  • Kraftloserklärung von Urkunden: Wenn wichtige Dokumente wie Grundschuldbriefe, Hypothekenbriefe oder Sparbücher verloren gegangen sind, kann ein Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung dieser Urkunden durchgeführt werden.
  • Aufgebot von Nachlassgläubigern: Im Rahmen der Nachlassabwicklung können Gläubiger aufgefordert werden, ihre Forderungen anzumelden, um die Haftung der Erben zu klären.
  • Aufgebot von unbekannten Eigentümern oder Gläubigern: Wenn Eigentumsverhältnisse oder Ansprüche unbekannter Parteien geklärt werden müssen, kann ein Aufgebot erfolgen.

Antragsberechtigung

Antragsberechtigt sind in der Regel diejenigen, die ein rechtliches Interesse an der Durchführung des Aufgebotsverfahrens haben. Dies können beispielsweise der Inhaber des dinglichen Rechts, der Eigentümer des belasteten Grundstücks oder der persönliche Schuldner sein.

Kosten und Dauer

Die Kosten für ein Aufgebotsverfahren richten sich nach dem Gegenstandswert und sind im Gerichts- und Notarkostengesetz geregelt. Die Dauer des Verfahrens beträgt in der Regel mindestens sechs Monate, abhängig von der gesetzlichen Aufgebotsfrist und der Bearbeitungszeit des Gerichts.

Inwiefern ist die Übergabe eines Grundschuldbriefes für den Rechtsübergang relevant?

Die Übergabe eines Grundschuldbriefes spielt eine entscheidende Rolle für den Rechtsübergang der in diesem verbrieften Vermögensrechte. Ein Grundschuldbrief ist ein Namenspapier, das neben der Einigung und Übergabe noch eine Abtretung des Rechts erfordert. Das bedeutet, dass das Recht am Papier dem Recht aus dem Papier folgt. Bei Namenspapieren hat die Übergabe lediglich deklaratorische Wirkung, der eigentliche Rechtsübergang erfolgt durch die Abtretung.

Im Falle einer Briefgrundschuld genügt grundsätzlich eine schriftliche Abtretungserklärung und die Übergabe des Briefs. Aus dem Grundbuch kann man daher nie mit Sicherheit ersehen, wem eine Briefgrundschuld gerade zusteht. Daher kann der Gläubiger – wenn nichts anderes vereinbart ist – eine Briefgrundschuld auch nur dann geltend machen, wenn er den Brief vorlegt.

Die Übergabe des Grundschuldbriefes ist also ein wesentlicher Schritt für den Rechtsübergang. Ohne die Übergabe des Briefes kann der Gläubiger nicht als rechtmäßiger Inhaber der Grundschuld angesehen werden.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Übergabe des Grundschuldbriefes an den Gläubiger nicht automatisch bedeutet, dass der Gläubiger auch die Rechte aus einem eventuell in der Urkunde enthaltenen abstrakten Schuldversprechen mit persönlicher Zwangsvollstreckungsunterwerfung erhält. Diese Rechte müssen gesondert abgetreten werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Übergabe eines Grundschuldbriefes eine entscheidende Rolle für den Rechtsübergang spielt, da sie zusammen mit einer schriftlichen Abtretungserklärung die Grundlage für den Übergang der Rechte aus der Grundschuld bildet.

Welche Bedeutung hat eine eidesstattliche Versicherung im Kontext der Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefes?

Eine eidesstattliche Versicherung ist im Kontext der Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefes ein zentrales Dokument, um das Abhandenkommen des Briefes glaubhaft zu machen. Im Rahmen des Aufgebotsverfahrens, das zur Kraftloserklärung eines verloren gegangenen oder zerstörten Grundschuldbriefes dient, müssen die Eigentümer des belasteten Grundstücks eine solche Versicherung abgeben. In dieser Versicherung bestätigen sie, dass der Grundschuldbrief nicht auffindbar ist und legen dar, welche Schritte unternommen wurden, um den Brief wiederzufinden.

Die eidesstattliche Versicherung dient somit als Nachweis dafür, dass der Grundschuldbrief tatsächlich verloren gegangen ist und nicht mehr vorgelegt werden kann. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass das Gericht im weiteren Verlauf des Aufgebotsverfahrens einen Ausschließungsbeschluss erlassen kann, der den Grundschuldbrief für kraftlos erklärt und es dem Eigentümer ermöglicht, die Grundschuld löschen zu lassen, ohne den physischen Brief vorlegen zu müssen.

Die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ist strafbar und kann mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden, was die Bedeutung und Ernsthaftigkeit dieses Dokuments im rechtlichen Verfahren unterstreicht.


Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 12 W 65/14 – Beschluss vom 15.12.2014

Der Beschluss des Amtsgerichts Neukölln vom 14. April 2014 wird aufgehoben.

Der Verfahrenswert wird auf 4.500,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Beteiligte zu 1) ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 21 in der Wstraße 58 in Berlin, eingetragen im Grundbuch von Neukölln des Amtsgerichts Neukölln. Die Beteiligte zu 2) wurde als Gläubigerin der in Abteilung III unter Nr. 4 im genannten Grundbuch eingetragenen Briefgrundschuld in Höhe von 30.000 € durch zwischenzeitlich rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. März 2012 – 5 O 256/11 – verurteilt, die genannte Grundschuld an den Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 1) abzutreten und der Eintragung der Abtretung im Grundbuch zuzustimmen. Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde der Beteiligten zu 1) als Rechtsnachfolgerin erteilt.

Im Verlaufe des von dem Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 1) betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahrens versicherte die Beteiligte zu 2) gegenüber dem Gerichtsvollzieher am 30. Januar 2013 an Eides Statt, nicht im Besitz des Grundschuldbriefes zu sein. Dieser befinde sich nach ihrem Wissen vielmehr im Besitz von Herrn S. Die Beteiligte zu 1) trug vor, dass sich Herr S der Herausgabe des Grundschuldbriefes entziehe. Das Amtsgericht Neukölln wies mit Beschluss vom 14. April 2014 ihren Antrag auf Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes zurück, da die Beteiligte zu 1) ihre letztgenannte Behauptung nicht glaubhaft gemacht habe.

Gegen diesen ihr am 30. April 2014 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit beim Amtsgericht Neukölln am 15. Mai 2014 eingegangenen Schriftsatz vom 14. Mai 2014 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 05. Juni 2014 nicht abgeholfen hat.

Mit Schriftsatz vom 19. August 2014 trug die Beteiligte zu 1) unter Vorlage verschiedener Urkunden vor, dass auf ihren Antrag Herr S durch zwischenzeitlich bestandskräftige und Herrn S am 23. Juli 2014 zugestellte einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 22. Juli 2014 – 10 O 240/14 – dazu verpflichtet worden sei, den hier verfahrensgegenständlichen Grundschuldbrief an den Sequester herauszugeben. Zum Sequester habe das Landgericht Berlin mit gesondertem, Herrn S am selben Tag zugestelltem Beschluss vom 07. August 2014 Rechtsanwalt C bestellt. Während des am selben Tage stattfindenden Vollstreckungsversuchs habe Herr S erklärt, zur Herausgabe des Grundschuldbriefes nicht im Stande zu sein, da er ihn nicht besitze und nicht wisse, wo er sich befinde.

B.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt und gemäß § 65 Abs. 1 FamFG begründet worden. Da ihr Aufgebotsantrag vom Amtsgericht Neukölln zurückgewiesen worden war, besitzt die Beteiligte zu 1) gemäß § 59 Abs. 2 FamFG auch die notwendige Beschwerdebefugnis (vgl. auch Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl. 2013, § 59 Rn. 37).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Die Beteiligte zu 1) kann gemäß § 1162 BGB im Wege des Aufgebotsverfahrens den Grundschuldbrief für kraftlos erklären lassen.

Die Beteiligte zu 1) ist gemäß § 467 Abs. 2 FamFG antragsberechtigt, weil sie in gewillkürter Verfahrensstandschaft das noch formal der Beteiligten zu 2) zustehende Recht geltend machen kann. Antragsberechtigt gemäß § 467 Abs. 2 FamFG ist bei Grundpfandrechtsbriefen derjenige, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann. Das ist gemäß § 952 Abs. 2 BGB der Grundschuldgläubiger. Grundschuldgläubigerin ist aber weiterhin die Beteiligte zu 2), die zwar zur Abtretung der Grundschuld mit Wirkung zugunsten der Antragstellerin verurteilt worden ist; neben der Abtretung, die gemäß § 894 ZPO mit Rechtskraft des Urteils als erklärt gilt, erfordert der Rechtsübergang bei der Briefgrundschuld aber auch die Übergabe des Briefes, §§ 1192 Abs. 2, 1154 Abs. 1 BGB. Die Übergabe ist bisher nicht erfolgt, weil ein Vollstreckungsversuch gemäß §§ 883, 897 Abs. 2 ZPO bei der Beteiligten zu 2) ohne Erfolg blieb. Zwar kann die Übergabe durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Besitzer gemäß §§ 1154 Abs. 1, 1117 Abs. 1 Satz 2, 931 BGB ersetzt werden. Eine solche Abtretung hat hier jedoch nicht stattgefunden. Dem rechtskräftigen Titel auf Abtretung der Grundschuld ist keine Aussage zum Besitz des Grundschuldbriefs zu entnehmen. Ein möglicher Herausgabeanspruch der Beteiligten zu 2) gegen Herrn ist auch von der Beteiligten zu 2) zu keiner Zeit erwähnt worden, so dass dessen Abtretung im Wege der §§ 931, 398 BGB mangels tatsächlicher Anhaltspunkte auch nicht als konkludent angenommen werden kann. Eine konkludente Abtretung kann auch der eidesstattlichen Versicherung der Beteiligten zu 2) im Rahmen der Vollstreckung, bei der sie gegenüber dem Gerichtsvollzieher im Januar 2013 erklärt hat, nach ihrer Kenntnis befinde sich der Brief bei Herrn S, unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Übereignung beweglicher Sachen nicht entnommen werden. Im Vollstreckungsverfahren gilt für eine vergebliche Herausgabevollstreckung bei Gewahrsam eines Dritten vielmehr § 886 ZPO, so dass ohne nähere Anhaltspunkte nicht von einer konkludenten Willenserklärung des Schuldners zur Abtretung eines Herausgabeanspruchs ausgegangen werden kann.

Allerdings ist die Beteiligte zu 1) bei dieser Konstellation berechtigt, das noch formal der Beteiligten zu 2) zustehende Recht, im Wege des Aufgebotsverfahrens die Kraftloserklärung des Briefs zu verlangen, in gewillkürter Verfahrensstandschaft geltend zu machen, weil die Beteiligte zu 2) selbst kein Interesse mehr am Fortbestand des Grundpfandrechts hat und nur noch die Beteiligte zu 1) als Eigentümerin des mit der Grundschuld belasteten Wohnungseigentums ein rechtliches Interesse an der Grundschuld bzw. deren Löschung geltend macht. Der zugunsten der Beteiligten zu 1) wirkende Titel auf Abtretung der Grundschuld und auf Zustimmung zur Eintragung im Grundbuch schließt insofern die Ermächtigung der Beteiligten zu 2) gemäß § 185 BGB ein, den Grundschuldbrief für kraftlos erklären zu lassen (vgl. zu ähnlichen Konstellationen z.B. OLG München, 34 Wx 117/10, Beschluss vom 05.11.2010, Rn. 20 f. bei juris; OLG Düsseldorf, 3 Wx 247/12, Beschluss vom 13.12.2012, Rn. 22 bei juris; Kammergericht, 12 W 30/10, Beschluss vom 25.10.2010, Rn. 16 ff. bei juris).

Der Grundschuldbrief ist gemäß § 1162 BGB im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos zu erklären, weil er abhanden gekommen ist. Die Antragstellerin hat gemäß § 468 Nr. 2 FamFG den Verlust der Urkunde hinreichend glaubhaft gemacht, nachdem im Beschwerdeverfahren nunmehr auch eine eidesstattliche Versicherung des Herrn S vorliegt.

Ein Verlust der Urkunde ist gegeben, wenn die Urkunde vernichtet oder abhanden gekommen ist. Abhanden gekommen ist eine Urkunde, wenn der Inhaber den Besitz daran so verloren hat, dass er nicht mehr auf sie zugreifen bzw. sie nicht mehr erlangen kann (OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.02.2013, 6 Wx 6/12, juris Rn. 21; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Bearbeitung 2015, § 1162 Rn. 3 mit weiteren Nachweisen). Hier befand sich der Grundschuldbrief nach den glaubhaft gemachten Angaben der Beteiligten zu 2) zuletzt in der Hand von S. Dieser versicherte jedoch anlässlich der von der Beteiligten zu 1) gegen ihn aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 22. Juli 2014 – 10 O 240/14 – betriebenen Zwangsvollstreckung auf Herausgabe des hier verfahrensgegenständlichen Grundschuldbriefes an den Sequester am 07. August 2014 gegenüber der Gerichtsvollzieherin B – DR II 1766/14 – an Eides Statt, nicht im Besitz des Grundschuldbriefes zu sein und auch nicht zu wissen, wo sich dieser befinde. Damit hat die Beteiligte zu 1) glaubhaft gemacht, dass S den Besitz am Grundschuldbrief so verloren hat, dass er nicht mehr auf diesen zugreifen bzw. ihn nicht mehr erlangen kann. Insbesondere hat er keine Person benannt, der er den Grundschuldbrief übergeben hat, so dass der Brief für die Antragstellerin unauffindbar ist. Auch bei einem Aufgebotsverfahren zum Ausschluss eines unbekannten Gläubigers einer Briefhypothek nach § 1170 BGB reicht es aus, dass der Brief unauffindbar und der Aufenthalt des letzten bekannten Inhabers unbekannt ist (BGH, Beschluss vom 22.05.2014, V ZB 146/13, juris Rn. 6). Zudem gilt der Gläubiger einer Briefhypothek im Falle des Ausschlussverfahrens gemäß § 1171 BGB schon dann als unbekannt, wenn sich nicht feststellen lässt, in wessen Händen sich der Hypothekenbrief befindet (BGH, Beschluss vom 29.01.2009, V ZB 140/08, juris Rn. 15). Der damit zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, keine im Aufgebotsverfahren unüberwindlichen Hindernisse zu errichten und damit nicht die Rechte des Antragsberechtigten zu vereiteln, muss auch für den vorliegenden Fall der beantragten Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefes gemäß § 1162 BGB gelten.

Der Beschluss des Amtsgerichts ist danach aufzuheben, damit dem Aufgebotsverfahren Fortgang gegeben werden kann.

C.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG.

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