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Beschränkter Nießbrauch an bebautem Grundstück

OLG Köln – Az.: I-2 Wx 188/16 – Beschluss vom 17.08.2016

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) vom 24./.27.06.2016 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts – Grundbuchamts – Leverkusen vom 22.06.2016 (X-XXXX-X) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1.

Die Beteiligte zu 1) ist im Grundbuch von X, Blatt …, als Eigentümerin des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes eingetragen. In der Urkunde des Notars Dr. E Nr. …/2016 vom 17.05.2016 (Bl. 53 ff.) verpflichtete sie sich unter § 2 (1), den Beteiligten zu 2) und 3), ihren Töchtern, an einem insgesamt 1/4 betragenden Miteigentumsanteil an diesem Grundbesitz einen Nießbrauch, untereinander als Gesamtberechtigten nach § 428 BGB, einzuräumen.

In § 3 der Urkunde („Nutzungsvereinbarung“) heißt es auszugsweise:

„(1) Frau J A als Eigentümerin einerseits und ihre beiden Töchter als gemeinschaftliche Nießbraucher andererseits schließen hiermit nachfolgende Nutzungsvereinbarung.

(2) Mit dem vorstehend bestellten Nießbrauchsrecht (1/4 Anteil) an dem vorstehend genannten Grundbesitz ist das lebenslängliche Nutzungsrecht an sämtlichen Räumlichkeiten der im Obergeschoss des Objektes befindlichen Wohnung verbunden. Das Recht ist auf die Lebenszeit des Längstlebenden der Geschwister I X2 geworden geborene A und Q S geborene A vereinbart.

Des weiteren ist mit dem Nutzungsrecht das Recht verbunden, die auf dem Grundstück gelegene Zufahrt von der öffentlichen Straße I2 zum Wohngebäude nebst der Nutzung eines PKW-Stellplatzes verbunden.

Mit dem unbelasteten ¾ Miteigentumsanteil an dem vorstehend genannten Grundbesitz ist das zeitlich unbegrenzte Nutzungsrecht an sämtlichen übrigen Räumlichkeiten der in dem vorgenannten Objekt im Erdgeschoss befindlichen Wohnung verbunden. Mit diesem Nutzungsrecht ist des weiteren die Nutzung der übrigen Grundstücksfläche verbunden, soweit diese nicht zur gemeinschaftlichen Nutzung vorgesehen ist.

(5) Die vorstehend in Abs. 2 getroffene Nutzungsvereinbarung soll grundbuchlich gesichert werden. Die übrigen Vereinbarungen sind nur schuldrechtlich.“

In § 6 des Vertrages heißt es auszugsweise:

„(2) Die Beteiligten bewilligen und beantragen hiermit die Eintragung eines Quoten- Nießbrauchsrechts zu einer Quote von 1/4 Anteil an dem Grundbesitz und zu Gunsten von Frau I X2 und Q S, diesen untereinander als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB.

(3) Die Beteiligten bewilligen und beantragen die Eintragung einer Miteigentümervereinbarung entsprechend § 1010 BGB zwischen dem Eigentümer und dem Inhaber des Quotennießbrauchsrechts gemäß vorstehend § 3 Absatz 2.“

Der verfahrensbevollmächtigte Notar hat unter dem 19.05.2016 eine Ausfertigung der Urkunde bei dem Grundbuchamt zum Vollzug vorstehender Erklärungen der Beteiligten eingereicht.

Durch Beschluss vom 22.06.2016  (Bl. 67 f.) hat die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, § 1010 BGB sei nicht anzuwenden, da es an einer Miteigentümergemeinschaft fehle, weil die Beteiligte zu 1) Alleineigentümerin geblieben sei; eine Analogie sei aufgrund des sachenrechtlichen Typenzwangs ausgeschlossen. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten mit den Schriftsätzen ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 24. und 27.06.2016; im letztgenannten Schriftsatz ist ausgeführt, der erstgenannte Schriftsatz sei als „Rechtsbeschwerde“ anzusehen. Die Grundbuchrechtspflegerin hat durch den der Geschäftsstelle am 01.07.2016 übergebenen Beschluss vom 30.06.2016 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Die gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Grundbuchbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg; das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag mit Recht zurückgewiesen.

Die in § 3 (2) vereinbarte Nutzungsregelung kann nicht im Grundbuch eingetragen werden.

Der Nießbrauch gewährt grundsätzlich das umfassende Recht, die gesamten Nutzungen des belasteten Vermögensgegenstandes zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB).

Der Nießbrauch kann zwar nach § 1030 Abs 2 BGB durch den Ausschluss einzelner Nutzungen beschränkt werden. Dies bedeutet aber nur, dass von der Übertragung der Gesamtnutzung lediglich einzelne Nutzungen ausgenommen werden können, ohne dass hierdurch der Charakter des Nießbrauchs als grundsätzlich umfassendes Nutzungsrecht beeinträchtigt werden darf. Insbesondere ist es demnach als unzulässig anzusehen, die Nutzung von vornherein auf eine einzelne Nutzungsart oder auf verschiedene einzelne Nutzungsrechte zu beschränken; hierfür ist das Rechtsinstitut der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach §§ 1090 ff. BGB vorgesehen.

Ein Nießbrauch kann zwar an einem ideellen Bruchteil eines Grundstücks(Grundstückseigentums), nicht aber an einem realen Teil des Grundstücks (Hauses) bestellt werden. Die in § 1030 Abs. 2 BGB vorgesehene Zulässigkeit der Ausnahme einzelner Nutzungen kann nicht zur Beschränkung des Nießbrauchs auf nur einzelne Nutzungen führen. Auch ist es nicht möglich, die vorgesehene Nutzung eines (realen) Teils eines Hauses als Gesamtnutzung mit zulässiger Ausnahme anzusehen, auch nicht als Befugnis zur anteilmäßigen Ausübung der sich aus dem Gesamtgrundstück ergebenden Nutzungen. Einzelne Teile eines Hauses können aber, da sie wesentliche Bestandteile dieses Hauses nach § 93 BGB sind, nicht Gegenstand besonderer Rechte, also auch nicht Gegenstand eines von anderen Grundstücksteilen abgetrennten Nießbrauchsrechts sein (BayObLGZ 1979, 361; zustimmend BGH NJW 2006, 1881, 1883).

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Nutzungsvereinbarung in § 3 (2) des Vertrages vom 17.05.2016 um eine Beschränkung des Nießbrauchs, die zwar schuldrechtlich möglich ist, indes nicht mit dinglicher Wirkung vereinbart werden kann. Denn mit dem Nießbrauchsrecht an dem Miteigentumsanteil soll nur das Nutzungsrecht an den Räumlichkeiten der Wohnung im Obergeschoss, also in Bezug auf einen realen Teil des Gebäudes verbunden sein.

Dies kann nicht als zulässige Ausnahme einer „einzelnen Nutzung“ im Sinn des § 1030 Abs 2 BGB angesehen werden. Unter einer „einzelnen Nutzung“ nach § 1030 Abs 2 BGB ist eine einzelne Nutzungsart zu verstehen (BayObLG a.a.O.), wohingegen hier durch die in § 3 (2) des Vertrages getroffene Regelung die im Erdgeschoss gelegenen Räume als realer Gebäudeteil von jeglicher Nutzung aufgrund des Nießbrauchs ausgenommen werden. Dadurch sollen nicht nur einzelne, sondern sämtliche Nutzungsarten an einem bestimmten realen Teil des auf dem zu belastenden Grundstück errichteten Anwesens von vornherein ausgeschlossen werden. Die Zulassung eines derartigen Nießbrauchs würde dazu führen, dass sich die dinglichen Nutzungsrechte hinsichtlich einzelner realer Teile der zu belastenden Sache unterschiedlich gestalten würden.

Dies wäre mit der Regelung des § 93 BGB nicht zu vereinbaren. Eine in einem bebauten Anwesen befindliche Wohnung ist ein wesentlicher Bestandteil des Hauses und damit des Grundstücks (vgl § 94 Abs 1 BGB) und kann deshalb nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Demgemäß erfasst der an einem Grundstück bestellte Nießbrauch auch die (wesentlichen) Bestandteile nach §§ 93ff, 96 BGB. Eine Ausnahme nach § 1030 Abs 2 BGB kann sich über diese zwingenden Grundsätze nicht hinwegsetzen (BayObLG a.a.O.)

Nichts anderes folgt aus der von den Beschwerdeführern angeführten Bestimmung des § 1010 BGB. Die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Vorschrift im Wege erweiternder Auslegung (dafür Staudinger/Frank, BGB, Neubearb. 2009, § 1066 Rz. 16) oder einer Analogie auf den Fall der Bestellung eines Nießbrauchs an einem Miteigentumsanteil liegen nicht vor. Denn durch die Anwendung dieser für das Verhältnis von Miteigentümern untereinander geschaffenen Bestimmung würden dem Inhaber des Nießbrauchs an einem Miteigentumsanteil eine Möglichkeit zur Verdinglichung von Nutzungsabsprachen an die Hand gegeben, die dem Inhaber des Nießbrauchs an der ganzen Sache nicht zu Gebote steht (MünchKomm/Pohlmann, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 4). Nach Auffassung des Senats berücksichtigt die Ansicht, welche eine Anwendung des § 1010 BGB vertritt, zudem nicht hinreichend, dass bei der Bestellung des Nießbrauchs an einem Miteigentumsanteil zwischen Eigentümer und Nießbraucher kein Verhältnis der Gleichstufigkeit vorliegt, wie dies zwischen Miteigentümern der Fall ist. Für das Nießbrauchsverhältnis – sei es in Bezug auf die ganze Sache oder nur auf einen Miteigentumsanteil – enthält § 1030 Abs. 2 BGB die spezielle und abschließende Regelung, die eine Heranziehung des § 1010 BGB ausschließt. Selbst wenn man dies anders sähe, müssten die oben dargestellten, auf den §§ 93 ff. BGB fußenden Grundsätze auch im Rahmen des § 1010 BGB Geltung beanspruchen.

Da davon auszugehen ist, dass der über den Eintragungsantrag betreffend den Nießbrauch nicht getrennt entschieden werden soll – der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten hat dem entsprechenden Hinweis des Grundbuchamts nicht widersprochen – unterliegt der Antrag insgesamt der Zurückweisung.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil den Beschwerdeführern kein Gegner gegenüber steht; davon unberührt bleibt ihre Haftung für die Gerichtskosten nach den Vorschriften des GNotKG.

Die Rechtsbeschwerde ist im Hinblick auf die Frage der Verdinglichung einer Nutzungsregelung bei der Bestellung eines Nießbrauchs wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts (§ 78 Abs. 2 Satz 1 GBO) zuzulassen.

 

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