Skip to content

Beurkundung eines formunwirksamen Pflichtteilsverzichtsvertrags – Notarhaftung

Notarhaftung für unwirksamen Pflichtteilsverzichtsvertrag

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 12.07.2023 die Entscheidung des Landgerichts Münster abgeändert und festgestellt, dass ein vom Beklagten beurkundeter Pflichtteilsverzichtsvertrag unwirksam ist. Der Beklagte, ein Notar, wurde zur Schadensersatzleistung verpflichtet, da er die Klägerin nicht über die Notwendigkeit der Anwesenheit des Erblassers bei der Beurkundung aufgeklärt hatte. Dies führte zur Unwirksamkeit des Vertrages und daraus resultierenden Schadensansprüchen der Schwester der Klägerin.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-11 U 148/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichtsvertrags: Der Vertrag wurde aufgrund fehlender persönlicher Anwesenheit des Erblassers bei der Beurkundung als unwirksam erklärt.
  2. Notarhaftung: Der beurkundende Notar hat seine Amtspflicht verletzt, indem er die Beteiligten nicht auf die erforderliche Anwesenheit des Erblassers hinwies.
  3. Schadensersatzpflicht: Der Notar ist verpflichtet, der Klägerin den entstandenen Schaden zu ersetzen.
  4. Pflichtteils- und Ergänzungsansprüche: Die Schwester der Klägerin behält trotz des unwirksamen Vertrages ihre Ansprüche.
  5. Zulässigkeit der Feststellungsklage: Die Klage der Klägerin wurde als zulässig erachtet, um Rechtsgewissheit zu schaffen.
  6. Verjährung des Anspruchs: Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin war zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht eingetreten.
  7. Bewertung des Nachlasses: Der Nachlasswert und daraus resultierende Pflichtteilsansprüche der Schwester waren relevant für die Schadensbewertung.
  8. Kein anderweitiger Ersatzanspruch: Die Klägerin hat keinen anderen Weg, den ihr entstandenen Schaden ersetzt zu bekommen.

Rechtliche Einordnung des Pflichtteilsverzichts und der Notarhaftung

Das Thema Pflichtteilsverzicht und Notarhaftung nimmt eine wichtige Stellung im Erbrecht ein und wirft komplexe Fragen hinsichtlich der Formwirksamkeit solcher Verzichte sowie der Verantwortung des beurkundenden Notars auf. Der Pflichtteilsverzichtsvertrag ist ein Instrument des Erbrechts, das es ermöglicht, zukünftige Pflichtteilsansprüche gegen eine Abfindung auszuschließen. Die Wirksamkeit dieser Verträge hängt stark von ihrer formgerechten Erstellung und Beurkundung ab. Hierbei kommt dem Notar eine zentrale Rolle zu, da er für die Einhaltung der erforderlichen Formalitäten verantwortlich ist.

Die Notarhaftung stellt in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Aspekt dar. Sie betrifft die Frage, inwiefern ein Notar für die Folgen einer fehlerhaften Beurkundung, insbesondere bei Formmängeln,haftbar gemacht werden kann. Dabei geht es sowohl um die korrekte Feststellung der Vertragsinhalte als auch um die Aufklärung der Beteiligten über die rechtlichen Konsequenzen ihrer Erklärungen. Ein Urteil in solchen Fällen kann weitreichende Konsequenzen für die Praxis der Notare und für die betroffenen Parteien haben.

Im nachfolgenden Detailbericht wird ein konkreter Fall beleuchtet, in dem es um die Beurkundung eines formunwirksamen Pflichtteilsverzichtsvertrags und die daraus resultierende Notarhaftung geht. Die rechtlichen Feinheiten dieses spezifischen Falles bieten aufschlussreiche Einblicke in die Komplexität solcher Angelegenheiten und deren Auswirkungen auf die Betroffenen.

Ursprung des Rechtsstreits: Ein fehlerbehafteter Pflichtteilsverzichtsvertrag

Im Zentrum des Rechtsstreits steht ein Pflichtteilsverzichtsvertrag, der am 06.02.2006 vom Beklagten, einem Notar, beurkundet wurde. Dieser Vertrag wurde zwischen dem Erblasser und seinen Töchtern, darunter die Klägerin, geschlossen. Dabei verzichtete die Schwester der Klägerin gegenüber dem Erblasser auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht und ihre Pflichtteilsergänzungsansprüche. Die Vereinbarung umfasste auch Regelungen zu Abfindungsansprüchen gemäß der Höfeordnung.

Notarielle Amtspflichtverletzung als Streitpunkt

Die Klägerin behauptet eine Amtspflichtverletzung des Beklagten, da die notarielle Beurkundung des Vertrags fehlerhaft war. Der Erblasser war bei der Beurkundung nicht persönlich anwesend, sondern wurde durch eine vollmachtlose Vertreterin repräsentiert. Diesführte zur Unwirksamkeit des Vertrags gemäß § 2347 Abs. 2 BGB a.F., da ein Pflichtteilsverzicht höchstpersönlich erfolgen muss. Ferner erfüllte die nachträgliche Genehmigung des Erblassers die notwendige Formvorschrift nicht.

Rechtliche Bewertung und Urteil des Gerichts

Das Oberlandesgericht Hamm stellte in seinem Urteil vom 12.07.2023 fest, dass der Beklagte der Klägerin den Schaden zu ersetzen hat, der aus der Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichtsvertrags resultiert. Es wurde argumentiert, dass bei korrekter Berücksichtigung der rechtlichen Voraussetzungen eine formwirksame Beurkundung stattgefunden hätte. Der entstandene Schaden umfasst dabei nicht nur den bereits gezahlten Betrag, sondern auch die aufgrund der Unwirksamkeit des Vertrags an die Schwester der Klägerin zu leistenden Pflichtteils- und Abfindungsansprüche.

Die Bedeutung der Entscheidung für die Rechtspraxis

Dieses Urteil hebt die Bedeutung der Einhaltung formaler Vorschriften bei der Beurkundung von Pflichtteilsverzichtsverträgen hervor und unterstreicht die Verantwortung des Notars, eine korrekte und rechtswirksame Beurkundung zu gewährleisten. Es zeigt auch, dass bei der Nichtbeachtung solcher Vorschriften weitreichende finanzielle Konsequenzen für die beteiligten Parteien entstehen können.

Ausblick auf weitere Entwicklungen

Angesichts der Komplexität und der Tragweite der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm dürfte dieses Urteil weitreichende Beachtung in juristischen Fachkreisen finden. Es setzt einen Präzedenzfall für ähnliche Fälle und kann als richtungsweisend für die Bewertung von Amtspflichtverletzungen durch Notare betrachtet werden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist ein Pflichtteilsverzichtsvertrag?

Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Erblasser und einem Pflichtteilsberechtigten, bei der der Pflichtteilsberechtigte auf seinen gesetzlichen Pflichtteil am Erbe verzichtet. Dieser Verzicht kann entweder uneingeschränkt oder beschränkt auf bestimmte Nachlassgegenstände erfolgen. Um wirksam zu sein, muss der Pflichtteilsverzichtsvertrag notariell beurkundet werden.

Ein Pflichtteilsverzicht kann in verschiedenen Situationen sinnvoll sein, beispielsweise um den überlebenden Ehepartner finanziell abzusichern, Streitigkeiten innerhalb der Familie zu vermeiden oder ein Familienunternehmen vor der Zersplitterung durch Pflichtteilsansprüche zu schützen. In vielen Fällen wird im Rahmen des Pflichtteilsverzichts eine Abfindung vereinbart, die als Entschädigung für den Verzicht an den Pflichtteilsberechtigten gezahlt wird.

Wie funktioniert die Notarhaftung in rechtlichen Prozessen?

Die Notarhaftung in Deutschland bezieht sich auf die Haftung eines Notars für Schäden, die aus einer Pflichtverletzung bei der Ausführung seiner amtlichen Tätigkeiten resultieren. Sie basiert auf § 19 der Bundesnotarordnung (BNotO), die besagt, dass Notare für Schäden, die sie vorsätzlich oder fahrlässig verursacht haben, haften müssen.

Voraussetzungen

Die Notarhaftung setzt eine Amtspflichtverletzung des Notars voraus. Eine solche liegt vor, wenn der Notar seine amtlichen Pflichten, die ihm gesetzlich oder verwaltungsrechtlich auferlegt sind, verletzt. Die Pflichtverletzung muss dabei vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein. Beispiele für solche Pflichtverletzungen können unrichtige Vertragsgestaltungen oder fehlende Belehrungen sein.

Haftungsumfang

Die Notarhaftung umfasst nicht nur direkte Schäden, sondern auch mittelbare oder entgangene Gewinne. Damit soll gewährleistet werden, dass der Geschädigte so gestellt wird, wie er ohne die Pflichtverletzung gestanden hätte.

Haftungsbeschränkung

Eine Besonderheit bei der Notarhaftung ist, dass diese nur subsidiär haftet. Das bedeutet, dass ein Mandant einen Notar erst dann in Anspruch nehmen kann, falls niemand anderes bezüglich einer Haftung in Frage kommt.

Beratungsfehler

Ein Notar haftet auch für Beratungsfehler. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass der Notar haftet, wenn er nicht über die Möglichkeit der Eintragung einer vorrangigen Sicherung des Kaufpreises belehrt und deshalb eine Grundschuld zur Sicherung der Ansprüche der Verkäufer nachrangig eingetragen wird.

Notare sind gesetzlich verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Diese dient dazu, den Schaden, der durch die berufliche Tätigkeit des Notars verursacht wurde, abzudecken. Die Mindestversicherungssumme beträgt für jeden Notar 250.000 Euro, wobei eine höhere Summe in Abhängigkeit von der Tätigkeit empfohlen wird.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-11 U 148/22 – Urteil vom 12.07.2023

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.09.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster (Az. 202 O 1126/21) abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin den Schaden zu ersetzen hat, der daraus folgt, dass der von Seiten der Schwester der Klägerin, der Frau A, B-Straße 01, in C erklärte Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsverzicht, die getätigte Abfindungserklärung hinsichtlich § 12 HöfeO und die Erklärung hinsichtlich § 13 HöfeO aus der Urkunde des Beklagten mit dessen Urkundenrollen-Nummer #8/2006 vom 06.02.2006 unwirksam sind.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer klägerseits behaupteten notariellen Amtspflichtverletzung des Beklagten, der bis zum 31.03.2022 Notar mit dem Amtssitz in D (Westfalen) war.

Die Klägerin ist Tochter und aufgrund eines notariellen Testaments vom 14.12.2005 (Bl. 8-10 LG-Akte), vom Beklagten unter der Urk.-Nr. #4/2005 beurkundet, Hofes- und Alleinerbin des am 00.00.1947 geborenen und am 00.00.2020 verstorbenen Landwirts E (im Folgenden: Erblasser). Im Testament wurde durch den Erblasser der Wert des Vermögens für die Kostenberechnung mit 330.000,00 EUR angegeben.

Der verwitwete Erblasser war bis zu seinem Tode Eigentümer des im Grundbuch von G 01 eingetragenen landwirtschaftlichen Grundbesitzes in F, bei dem es sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelt.

Unter der Urkunden Nr. #8/2006 beurkundete der Beklagte am 06.02.2006 eine zwischen dem Erblasser (als Beteiligten zu 1) und dessen Töchtern, der Klägerin (als Erschienene zu 3) und Frau A (als Erschienene zu 2) als Pflichtteilsverzichtsvertrag bezeichnete Vereinbarung (Bl. 14-18 LG-Akte). Diese enthielt (u.a.) folgende Regelungen:

㤠1

Die Erschienene zu 2. verzichtet gegenüber dem Beteiligten zu 1. für sich und ihre Abkömmlinge […] auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht und ihre Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Der Beteiligte zu 1. nimmt diesen Verzicht an. […]

§ 4

[…] 1.

Die Erschienene zu 2. erklärt sich hinsichtlich des hier bezeichneten Hofes für abgefunden und verzichtet endgültig und unwiderruflich auf die Geltendmachung weitergehender Abfindungsansprüche gemäß § 12 der Höfeordnung aus Anlass der notariellen Erbeinsetzung meiner Schwester Marion.

[…] 2.

Zum Zwecke der Abfindung für die hofes- und hofesfreien Ansprüche verpflichtet sich die Erschienene zu 3. an die Erschienene zu 2. einen Betrag in Höhe von 30.000,00 EURO -i.W. dreißigtausend EURO- zu zahlen.

[…]

Ich, die Erschienene zu 2. erkläre mich damit einverstanden, dass dieser Betrag für meinen etwaigen Nachabfindungsanspruch gemäß § 13 HöfeO anzurechnen ist.

3.

Der vorbezeichnete Verzicht erstreckt sich unter der nachfolgenden Maßgabe auch auf Ergänzungsabfindungsansprüche gemäß § 13 Höfeordnung, über dessen Inhalt ich ausführlich belehrt wurde. Sollte der potentielle Hofesübernehmer innerhalb der Frist des § 13 Höfeordnung -somit nach Übertragung des Betriebes, sei es durch tatsächlichen Erbfall oder vorweggenommene Erbfolge- Handlungen vornehmen, die Ergänzungsabfindungsansprüche, heute oder zukünftig, auszulösen imstande sind, insbesondere den Hof oder einzelne Grundstücke, Liefer-, wie Brennrechte oder Anlieferungsreferenzmengen Milch des Hofes verkaufen oder sonstige Verwertungsmaßnahmen im Sinne von § 13 Höfeordnung treffen, so verzichte ich auf die Geltendmachung von Abfindungsansprüchen gemäß §1 3 Höfeordnung, sofern der hiermit erzielte Erlös innerhalb von fünf Jahren in beliebige Wirtschaftsgüter des landwirtschaftlichen Betriebes reinvestiert wird. Auf einen gleichwertigen Erwerb von Ersatzland kommt es dabei nicht an; hierdurch soll dem Hofesübernehmer ermöglicht werden, den Hof aus etwaigen Erlösen zu vergrößern. […]

4.

Der vorbezeichnete Verzicht richtet sich an die Beteiligten zu 1. und 3. 5.

Die Beteiligten zu 1. und 3. erklären hiermit jeder für sich die Annahme vorstehender Verzichtserklärung. Der Wert der Urkunde wird mit 30.000 EURO angegeben.

Der Notar wies darauf hin, dass zur Wirksamkeit des Verzichtsvertrages die notarielle Zustimmung des E erforderlich ist. Solange ist der Pflichtteilsverzichtsvertrag schwebend unwirksam. […]“

Zu der Beurkundung erschien der Erblasser nicht persönlich, sondern wurde durch eine Mitarbeiterin des Beklagten vollmachtlos vertreten.

Mit Erklärung vom 09.02.2006 (Bl. 86.C LG-Akte) genehmigte der Erblasser die von der vollmachtlosen Vertreterin abgegebenen Erklärungen. Die unter dieser Erklärung abgegebene Unterschrift wurde am selben Tage durch den Beklagten notariell beglaubigt (Urk.-Nr. #7/2006).

Der am 06.02.2006 vereinbarten Betrag von 30.000,00 EUR wurde im Laufe des Jahres 2006 an die Schwester der Klägerin gezahlt.

Nach dem Tode des Erblassers trat die Schwester der Klägerin an diese heran und ließ sie mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2021 (Bl. 19 f. LG-Akte) – unter Hinweis auf eine Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichtsvertrages – auffordern, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen.

Die Klägerin forderte daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 27.05.2021 (Bl. 21 f. LG-Akte) den Beklagten unter Hinweis darauf, dass die Schwester nunmehr Pflichtteilsansprüche geltend mache, auf zu erklären, dass er sie von sämtlichen Pflichtteilsansprüchen der Schwester freistellen werde.

Der Beklagte lehnte dies ab und erhebt gegen die geltend gemachten Ansprüche insbesondere die Einrede der Verjährung.

Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angegriffene Urteil des Landgerichts Münster (Az. 202 O 1126/21) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die dem Beklagten im Dezember 2021 zugestellte Klage mit dem am 16.09.2022 verkündetem Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin spätestens seit dem 10.02.2016 verjährt sei. Der streitgegenständliche Anspruch sei mit Abschluss des wegen des Verstoßes gegen § 2347 Abs. 2 BGB unwirksamen Pflichtteilsverzichtsvertrages vom 06.02.2006, spätestens jedoch mit der Abgabe der Genehmigungserklärung des Erblassers vom 09.02.2006 entstanden. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei es zu einer Vermögensverschlechterung bei der Klägerin gekommen. Durch die Pflichtverletzung des Beklagten sei die Erwerbsaussicht der Klägerin als zuvor testamentarisch eingesetzter Erbin geschädigt worden. Ihre Stellung als künftige Erbin sei dadurch, dass der Pflichtteilsverzicht unwirksam gewesen sei, mit Pflichtteilsansprüchen ihrer Schwester belastet worden. Die bloße Möglichkeit, dass der Erblasser jemand anderen als Erben habe einsetzen können, rechtfertige keine andere Beurteilung. Zum einen stelle sich diese Annahme in höchstem Maße als unwahrscheinlich dar, zum anderen stelle dies einen bloß hypothetischen Kausalverlauf dar, welcher für die Beurteilung der Frage, ob die Pflichtverletzung zu einem Vermögensschaden geführt habe, außer Betracht zu bleiben habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit welcher sie ihr ursprüngliches Klagebegehren weiterverfolgt und hilfsweise – für den Fall der Unzulässigkeit der Feststellungsklage – diese teilweise auf eine Leistungsklage umstellt.

Unter ergänzender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens rügt sie, dass das Landgericht zu Unrecht einen Verjährungsbeginn im Jahr 2006 angenommen habe. Ein Schaden habe frühestens mit dem Tod des Erblassers eintreten können; gegebenenfalls auch erst mit der Geltendmachung des Schadens durch die pflichtteilsberechtigte Schwester. Bis zum Tod des Erblassers habe sie, die Klägerin, noch keine gesicherte Rechtsposition als testamentarische Erbin innegehabt. Sie habe insoweit nicht geschädigt werden können.

Zur Begründung des hilfsweise geltend gemachten Zahlungsantrags führt sie aus, dass sich der Nachlasswert des hoffreien Vermögens auf 432.890,12 EUR belaufe. Wegen der genauen Zusammensetzung des behaupteten Nachlasses wird auf die Aufstellung auf Bl. 5 OLG-Akte verwiesen. Daraus ergebe sich ein Pflichtteilsanspruch ihrer Schwester i. H. v. 108.222,53 EUR, auf welchen sie, die Klägerin, bereits einen Abschlag in Höhe von 100.000,00 EUR geleistet habe. Der konkrete Wert des Nachlasses sei zwischen ihr und ihrer Schwester umstritten.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. festzustellen, dass der Beklagte ihr den Schaden zu ersetzen hat, der daraus entsteht, dass der von Seiten ihrer Schwester, der Frau A, B-Str. 01, in C, erklärte Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsverzicht aus der Urkunde des Beklagten mit dessen Urkundenrollen-Nummer #8/2006 vom 06.02.2006 unwirksam ist,

hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, sie, die Klägerin, von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen in Höhe von 108.222,53 EUR und einer auf diesen Betrag zu zahlenden Zinsverpflichtung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.06.2021 freizustellen,

2. festzustellen, dass der Beklagte ihr den Schaden zu ersetzen hat, der daraus entsteht, dass die von Seiten ihrer Schwester, der Frau A, B-Str. 01, C , getätigte Abfindungserklärung hinsichtlich § 12 Höfeordnung aus der Urkunde des Beklagten mit dessen Urkundenrollen-Nummer #8/2006 06.02.2006 unwirksam ist,

3. festzustellen, dass der Beklagte ihr den Schaden zu ersetzen hat, der daraus entsteht, dass die von Seiten ihrer Schwester, der Frau A, B-Str. 01, C , getätigte Erklärung hinsichtlich § 13 Höfeordnung aus der Urkunde des Beklagten mit dessen Urkundenrollen-Nummer #8/2006 06.02.2006 unwirksam ist,

4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den zu ersetzenden Schaden aus den Klageanträgen 1 – 3 in Geld zu verzinsen mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.06.2021.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit weiteren Ausführungen und meint, die Feststellungsklage sei bereits in der ersten Instanz unzulässig gewesen. Sie könne in der Berufungsinstanz auch nicht mehr auf eine Leistungsklage umgestellt werden.

Er bestreitet die vorgetragenen Nachlasswerte und dass die Schwester – bis auf das Schreiben vom 27.04.2021 – weitere Anstrengungen unternommen habe, um ihren Pflichtteilsanspruch durchzusetzen. Von einem etwaigen Pflichtteilsanspruch der Schwester sei jedenfalls der bereits gezahlte Betrag i. H. v. 30.000 EUR abzuziehen.

Die Verjährung habe das Landgericht, so der Beklagte, zu Recht angenommen. Ein Schaden sei der Klägerin bereits dadurch entstanden, dass sie für den Pflichtteilsverzicht ein Betrag i. H. v. 30.000 EUR gezahlt habe. Zudem sei der Erbanspruch der Klägerin durch eine Unwirksamkeit der Verzichtserklärung weiterhin mit einem Pflichtteilsanspruch ihrer Schwester belastet gewesen, auch daraus folge ein Schadenseintritt zum Zeitpunkt der Beurkundung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Parteien sind im Senatstermin vom 21.06.2023 angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk vom 23.06.2023 zum Senatstermin verwiesen (Bl. 259f OLG-Akte).

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.

A. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig.

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens erhoben werden, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat [b)], dass ein Rechtsverhältnis [a)] durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die Feststellungsklage dient dabei allgemein dem Zweck, Rechtsgewissheit dort zu erlangen, wo eine Durchsetzung subjektiver Rechte durch Leistungsurteil oder eine Rechtsänderung durch Gestaltungsurteil nicht möglich ist [c)] (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 256 Feststellungsklage, Rn. 1). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Die vorliegende Klage ist auf die Feststellung des Bestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO gerichtet.

Unter einem Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen, die ein (mit materieller Rechtskraftwirkung feststellbares) subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 256 Feststellungsklage, Rn. 3). Gegenstand einer Feststellungsklage können auch einzelne aus einem Rechtsverhältnis sich ergebende Rechte und Pflichten sein, nicht aber bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2007 – I-23 U 199/06 -, Rn. 59, juris m. w. Nachw.).

Diese Voraussetzung ist bei sämtlichen Klageanträgen der Klägerin – welche auch in einem Antrag hätten zusammengefasst werden können – erfüllt, da diese die Feststellung zum Gegenstand haben, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Schäden aufgrund einer konkret benannten notariellen Amtspflichtverletzung zu ersetzen. Eine derartige Schadensersatzpflicht, deren Feststellung begehrt wird, ist als Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1991 – VII ZR 245/90 -, Rn. 10, juris; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 256 Feststellungsklage, Rn. 4).

b) Die Klägerin hat auch ein Interesse an einer alsbaldigen Feststellung.

Ein solches Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO besteht dann, wenn dem subjektiven Recht der klagenden Partei eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Feststellungsurteil infolge seiner Rechtskraft dazu geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 351/08 -, Rn. 12, juris). Eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht z. B. dann, wenn dass die beklagte Partei das behauptete subjektive Rechts des Klägers ernstlich bestreitet. Ist ein absolutes Recht des Klägers verletzt worden, genügt es für das Feststellungsinteresse, dass künftige Schäden möglich sind, wobei ausreichend ist, dass aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 – VI ZR 381/99 -, juris). Dieser Grundsatz gilt aber nicht, wenn, wie hier, reine Vermögensschäden, die nicht auf eine Verletzung eines absoluten Rechts zurückzuführen sind, Gegenstand der Feststellungsklage sind. Bei reinen Vermögensschäden hängt bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03 -, BGHZ 166, 84-117, Rn. 27, juris). Damit soll ausgeschlossen werden, dass dem möglichen Schädiger ein Rechtsstreit über gedachte Fragen aufgezwungen wird, von denen ungewiss ist, ob sie jemals praktische Bedeutung erlangen können (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2007 – I-23 U 199/06 -, Rn. 62, juris).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend unzweifelhaft gegeben. Dem klägerseits geltend gemachten Recht droht bereits dadurch eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit, weil der Beklagte diesbezüglich die Auffassung vertritt, dass dieses – weil verjährt – ihm gegenüber nicht durchsetzbar ist.

Die Klägerin hat zudem die von ihr darzulegende (vgl. dazu: Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 256 Feststellungsklage, Rn. 9 m. w. Nachw.) Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts hinreichend dargetan. Diese ergibt sich daraus, dass ihre Schwester ihr gegenüber Ansprüche unter Berufung auf die Unwirksamkeit des durch den Beklagten beurkundeten Pflichtteilsverzichtsvertrages angemeldet, die Klägerin daraufhin u.a. ein Nachlassverzeichnis über das hoffreie Vermögen mit Nachlasswerten von über 430.000,00 EUR erstellt und zudem ihrer Schwester einen weiteren Abschlag in Höhe von 100.000,00 EUR gezahlt hat. Die von der Klägerin dargelegten Nachlasswerte zeigen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass der Schwester der Klägerin Pflichtteilsansprüche zustehen können, welche die aufgrund der Vereinbarung aus dem Jahre 2006 in dem Jahr bereits gezahlten 30.000,00 EUR deutlich übersteigen, und dass diese Ansprüche von der Schwester ernsthaft verfolgt werden, so dass ihr die Klägerin, wie sie bei ihrer Anhörung durch den Senat glaubhaft dargelegt hat, nach dem Erbfall bereits einen Abschlag von 100.000,00 EUR zahlte. Diese Zahlung wäre nicht veranlasst gewesen, wenn die Schwester durch einen wirksamen Pflichtteilsverzicht mit den im Jahre 2006 gezahlten 30.000,00 EUR vollständig abgefunden wäre.

c) Ein Feststellungsinteresse fehlt der Klägerin auch nicht deswegen, weil ihr eine Klage auf Leistung möglich wäre. Eine auf Feststellung gerichtete Klage ist nur dann unzulässig, wenn dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist und sie das Rechtsschutzziel erschöpft (BGH, Versäumnisurteil vom 21. Februar 2017 – XI ZR 467/15 -, Rn. 14, juris; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 256 Feststellungsklage, Rn. 7a m. w. Nachw.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. In Schadensfällen kommt es bei der Frage der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Erhebung einer Leistungsklage entscheidend darauf an, ob der Kläger die Schadenshöhe bereits endgültig beziffern kann. Diese Voraussetzung ist dabei nicht nur bei sich noch entwickelnden Schäden nicht erfüllt, sondern auch dann, wenn die Schädigung bereits abgeschlossen ist, jedoch noch nicht geklärt ist, auf welche Weise und mit welchen Kosten der Schaden behoben werden kann (Becker-Eberhardt, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 256, Rn. 54; BGH, Urteil vom 15.01.2008 – VI ZR 53/07 -, NJW-RR 2008, 1520, Rn. 6). Eine umfängliche Begutachtung zur Schadensberechnung ist dem Geschädigten zur Erhebung einer bezifferten Klage nicht abzuverlangen (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2000 – V ZR 387/98 -, NJW 2000, 1256; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 256 Feststellungsklage, Rn. 7a).

Dies zugrunde gelegt war der Klägerin die Erhebung einer Leistungsklage im Dezember 2021 bereits deswegen nicht möglich, weil die Bezifferung des ihr entstandenen Schadens die Bestimmung des Nachlasswertes erfordert. Dieser setzt sich im hoffreien Vermögen zu einem Großteil aus dem Wert der in den Nachlass fallenden Immobilien zusammen, deren Wert ohne Verkehrswertgutachten regelmäßig nicht hinreichend sicher bestimmt werden kann. Diese Verkehrswertgutachten lagen zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht vor. Deren Erstellung wurde erst im laufenden Rechtsstreit veranlasst. Dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, dass das Feststellungsinteresse nachträglich wegfallen würde. Ist dem Kläger die Bezifferung eines Schadens bei Erhebung der Klage nicht möglich, so ist er nicht gezwungen, zu einer bezifferten Leistungsklage überzugehen, wenn diese nachträglich möglich wird (BGH, Urteil vom 4. November 1998 – VIII ZR 248/97 -, Rn. 15, juris).

Zudem ist die Schadensentwicklung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht abgeschlossen und es besteht Ungewissheit hinsichtlich der Schadenshöhe, so dass auch deswegen der Klägerin die Erhebung einer bezifferten Leistungsklage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht möglich war (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 15. Januar 2008 – VI ZR 53/07 -, Rn. 6, juris). Gegenstand der Feststellungsklage ist auch die behauptete Unwirksamkeit der Modifizierung des § 13 HöfeO. Nach dieser Norm stehen den nach § 12 HöfeO Berechtigten – also den Miterben, die nicht Hoferben geworden sind – unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Ergänzung der Abfindung wegen Wegfalls des höferechtlichen Zwecks zu. Bei tatsächlicher Unwirksamkeit der Modifizierung könnten der Schwester der Klägerin höhere Ansprüche gegen diese zustehen, als bei deren Wirksamkeit. Die Differenz kann einen von dem Beklagten zu erstattenden Schaden darstellen, welcher jedoch frühestens bei Eintritt der Voraussetzungen des § 13 HöfeO – welche noch in der Zukunft eintreten können – bezifferbar wäre.

Auch diese Unsicherheit hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe künftig mit Schäden zu rechnen ist, führt zur Zulässigkeit der Feststellungsklage. Etwaige Ansprüche wegen einer Unwirksamkeit der Modifizierung des § 13 HöfeO stellen vorliegend nämlich keinen eigenen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten dar, sondern lediglich eine von mehreren möglichen Schadenspositionen, die aus einer Pflichtverletzung des Beklagten resultieren könnte. Ist jedoch die Entwicklung des Schadens nur hinsichtlich einer Schadensposition nicht abgeschlossen, stellt sich die Feststellungsklage insgesamt und nicht etwa nur wegen dieser einen Schadensposition als zulässig dar (BGH, Urteil vom 15. Januar 2008 – VI ZR 53/07 -, Rn. 6, juris).

B. Die Feststellungsklage ist begründet.

Der Klägerin steht gegenüber dem beklagten, ehemaligen Notar ein durchsetzbarer [5.] Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 BNotO deswegen zu, weil die von ihm am 06.02.2006 errichtete Urkunde sowohl hinsichtlich des Pflichtteilsverzichts [1. a)], als auch wegen der Vereinbarung in Bezug auf die Ansprüche aus der Höfeordnung [1. b)] unwirksam ist und der Klägerin dadurch wahrscheinlich ein Schaden entstanden ist [3.], den sie nicht von Dritten ersetzt verlangen kann [4.].

1. Der Beklagte ist sowohl bei der Beurkundung des Pflichtteilsverzichtsvertrages als auch bei der Beurkundung der Genehmigungserklärung als Notar tätig geworden, so dass der Anwendungsbereich des § 19 BNotO eröffnet ist. Dabei hat der Beklage gegenüber der Klägerin die sich aus § 17 Abs. 1 BeurkG ergebenden Amtspflichten verletzt.

a) Aus § 17 Abs. 1 BeurkG folgt die Pflicht des Notars, den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Die Vorschrift soll dabei insbesondere auch gewährleisten, dass der Notar eine rechtswirksame Urkunde über den wahren Willen der Beteiligten errichtet (BGH, Urteil vom 11. Februar 1988 – IX ZR 77/87 -, Rn. 17, juris).

Diese ihm obliegende Amtspflicht hat der Beklagte dadurch verletzt, dass er bei der Beurkundung die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. – ab dem 01.01.2023 § 2347 S. 1 BGB (nach dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 12.05.2021, BGBl. I, 2021, Nr. 21, S. 882-937) – übersah und eine Beurkundung unter Beteiligung eines vollmachtlosen Vertreters vornahm. Dadurch genügte der beurkundete Verzicht nicht der Form des § 2347 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – IX ZR 242/94 -, Rn. 20, juris).

Bei dem in § 1 der notariellen Urkunde vom 06.02.2006 vereinbarten Pflichtteilsverzicht handelt es sich um einen Vertrag nach § 2346 BGB. Einen solchen konnte der Erblasser – jedenfalls in Bezug auf das erbrechtliche Verfügungsgeschäft – gem. § 2347 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. nur höchstpersönlich schließen. Eine Ausnahme bestand nach § 2347 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. nur für den – hier nicht vorliegenden – Fall der gesetzlichen Vertretung bei Geschäftsunfähigkeit des Erblassers. Eine rechtsgeschäftliche („gewillkürte“) Stellvertretung war somit auf Erblasserseite nicht möglich (vgl. auch Everts, in: beckOGK, Stand: 01.06.2023, § 2347, Rn. 22). Ein Verstoß gegen die vorgeschriebene Form lässt zwar (unter bestimmten Voraussetzungen) das dem Verfügungsgeschäft zugrundeliegende Kausalgeschäft unberührt, führt jedoch in jedem Falle zur Nichtigkeit des erbrechtlichen Verfügungsgeschäfts nach § 125 S. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1962 – V ZR 14/61 -, BGHZ 37, 319-331, Rn. 28, juris).

b) Der Beklagte hat seine sich aus § 17 BeurkG folgenden Amtspflichten zur Errichtung einer formwirksamen Urkunde auch deswegen verletzt, weil die Verzichtsvereinbarung in § 4 Nr. 1 und Nr. 3 des Vertrages vom 06.02.2006 hinsichtlich der Ansprüche aus der Höfeordnung ebenfalls unwirksam sind. Dabei konnte der Senat offenlassen, ob eine solche Unwirksamkeit bereits aus §§ 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F., 125 S. 1 BGB folgt. Nach wohl überwiegend in der Literatur vertretener Auffassung stellt der Verzicht auf Ansprüche aus der Höfeordnung zu Lebzeiten des Erblassers ebenfalls einen Erbvertrag im Sinne des § 2346 BGB dar (so wohl: Ridder in: Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 5. Aufl., § 43, Rn. 23; IVO, Der Verzicht auf Abfindungs- und Nachabfindungsansprüche gemäß §§ 12, 13 HöfeO, ZEV 2004, 316; Roemer in: Lüdtke-Handjery/von Jeinsen, Höfeordnung: HöfeO, 11. Aufl., § 17, Rn. 110; Raude in: Beck´sches Formularbuch Erbrecht, 5. Aufl., 5. Erbverzicht der weichenden Erben bzgl. des Hofes (HöfeO), Haarstrich in: Lüdtke-Handjery / von Jeinsen, Höfeordnung: HöfeO, § 12, Rn. 11), so dass ein wirksamer lebzeitiger Verzicht auf die in §§ 12 und 13 HöfeO bezeichneten Rechte nur in der Form des § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. möglich gewesen wäre und ein Verstoß dagegen zur Nichtigkeit der Verzichtserklärung führt (§ 125 S. 1 BGB).

Selbst wenn man jedoch annehmen sollte, dass der Verzicht auf Ansprüche aus der Höfeordnung nicht der Formvorschrift des § 2347 Abs. 2 S. 1 BGB a. F. entsprechen musste, würde sich die Vereinbarung auch diesbezüglich aufgrund der unter a) dargestellten Pflichtverletzung des Beklagten als nichtig darstellen. Eine solche Nichtigkeit der dinglichen Verzichtserklärungen folgt jedenfalls aus § 139 BGB. Nach dieser Vorschrift stellt sich bei teilweiser Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft als nichtig dar, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Letzteres ist vorliegend gerade nicht anzunehmen. Die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung lässt sich bereits nicht sinnvoll in eine Vereinbarung über den Verzicht auf den Pflichtteil bezogen auf das hoffreie Vermögen und in eine Vereinbarung bezogen auf einen (teilweisen) Verzicht auf die aus §§ 12, 13 HöfeO folgenden Rechte aufteilen. Sowohl die Erklärungen bezüglich des hoffreien wie auch bezüglich des hoffesten Vermögens werden durch die (insgesamt) vereinbarte Abfindungserklärung derart miteinander verbunden, dass sich bereits nicht bestimmen lässt, welcher Teil der Abfindung auf welchen Teil des Vermögens entfallen soll. Zudem wird aus der getroffenen Vereinbarung deutlich, dass die Beteiligten bestrebt waren, die erbrechtlichen Ansprüche der Schwester der Klägerin nach dem Tode des Erblassers – bis auf eine Einschränkung bei den Ansprüchen gem. § 13 HöfeO – umfassend und endgültig zu klären, so dass ausgeschlossen werden kann, dass die Beteiligten bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Erklärung bezogen auf das hoffreie Vermögen die Erklärungen bezogen auf das hoffeste Vermögen dennoch so wie beurkundet abgegeben hätten.

c) Die Nichtigkeit des erbrechtlichen Verfügungsgeschäfts ist auch nicht etwa dadurch entfallen, dass der Erblasser die durch die vollmachtlose Vertreterin abgegebenen Erklärungen am 09.02.2006 genehmigt hat, weswegen durch den Senat nicht entschieden werden musste, ob eine Heilung des Formmangels die Kausalität der Pflichtverletzung oder den Schaden entfallen lässt. Denn die von dem Erblasser am 09.02.2006 abgegebene Erklärung genügte jedenfalls nicht der durch § 2348 BGB vorgeschriebenen Form der notariellen Beurkundung, welche bei Abschluss eines Erbvertrages nach § 2346 BGB eingehalten werden muss. Eine notarielle Beurkundung setzt voraus, dass eine Niederschrift über die Verhandlung aufgenommen wurde. Die Niederschrift muss dabei gemäß § 9 BeurkG die Bezeichnung des Notars und der Beteiligten sowie die Erklärung der Beteiligten enthalten. Sie muss gemäß § 13 BeurkG in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden. Ebenfalls muss der Notar die Niederschrift eigenhändig unterschreiben (Einsele in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 128, Rn. 5). Diesen Anforderungen genügt die Genehmigungserklärung des Erblassers vom 09.02.2006 ersichtlich nicht. Es handelt sich lediglich um eine Unterschriftsbeglaubigung gemäß § 39 BeurkG, welche auch nicht in eine Niederschrift umgedeutet werden kann (vgl. dazu auch: OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2001 – 7 U 205/00 -, Rn. 10, juris).

Darüber hinaus wäre die am 09.02.2006 durch den Erblasser abgegebene Erklärung selbst bei Einhaltung der vorgeschriebenen notariellen Form nicht geeignet, eine wirksame Vereinbarung zwischen dem Erblasser und der Schwester der Klägerin herbeizuführen. Bei den durch die Schwester in der Urkunden vom 06.02.2006 abgegebenen Erklärungen handelte es sich um solche, die unter Anwesenden abgegeben wurden und sich – neben der Klägerin – an die vollmachtlose Vertreterin des Erblassers richteten. Ein solches Angebot kann gemäß § 147 Abs. 1. S. 1 BGB (nur) sofort angenommen werden und wurde aus weislich des Inhalts der Urkunde vom 06.02.2006 durch die vollmachtlose Vertreterin des Erblassers ja auch sofort angenommen.

Hält man die Annahmeerklärung der vollmachtlosen Vertreterin nicht für maßgeblich, kann allerdings in der vom Erblasser am 09.02.2006 erklärten Genehmigung keine „sofortige“ Annahme gesehen werden. „Sofort“ bedeutet im Unterschied zum weniger strengen „unverzüglich“ i.S.v. § 121 BGB, dass jedes Hinauszögern, auch ein schuldloses, zum Erlöschen des Antrags führt. Auf der anderen Seite muss dem Antragsempfänger zwar die Möglichkeit gegeben sein, den Inhalt des Antrags und die Folgen der Annahme zu erfassen. Daher muss die Antwort nicht ohne jedes Zögern erfolgen. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere die Komplexität des Antrags (Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 147 Rn. 33). Eine Annahme ihres Verzichtsangebots mehrere Tage nach dem Beurkundungstermin stellte sich aus Sicht der Schwester der Klägerin als der maßgeblichen Erklärungsempfängerin aber nicht mehr als sofort im Sinne des § 147 BGB dar. Die Schwester der Klägerin, der offenbar ebenso wie allen an der Urkundenverhandlung Beteiligten die Regelung des § 2347 Abs. 2 BGB a. F. seinerzeit nicht bekannt war, ging vielmehr davon aus, dass die Willenserklärungen, welche zum Zustandekommen des Vertrages erforderlich waren, bereits im Beurkundungstermin abgegeben wurden (zu dieser Konstellation auch: BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – IX ZR 242/94 -, Rn. 29, juris). Die Schwester musste daher nach Annahme der Verzichtserklärung durch die vollmachtlose Vertreterin nicht mehr damit rechnen, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine andere/weitere Erklärung abgegeben wird, welche für das Zustandekommen der Vereinbarung erforderlich sein sollte.

d) Die Klägerin gehört zum Kreis der durch die notariellen Amtspflichten geschützten Personen. Zu diesen gehören die materiell an dem beurkundeten Rechtsgeschäft Beteiligten, da diese mit ihrem Ansuchen in eigener Sache die Notartätigkeit veranlassen (Schramm, in BeckOK BNotO, 7. Ed., § 19 BNotO, Rn. 24). Die Pflicht, eine formwirksame Urkunde zu erstellen, bestand daher auch ihr gegenüber, da sich die Klägerin zum einen durch das Amtsgeschäft verpflichtet hat, ihre Schwester abzufinden, zum anderen ihre künftige Erbenstellung durch das Amtsgeschäft unmittelbar betroffen war. Beurkundet ein Notar einen wegen eines Formfehlers unwirksamen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag, so liegt eine Amtspflichtverletzung auch gegenüber demjenigen vor, dem der Ausschluss des Verzichtenden als gesetzlicher Erbe und Pflichtteilsberechtigter zugutegekommen wäre (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – IX ZR 242/94 -, Rn. 20, juris). Dies gilt erst recht, wenn der durch den Verzicht Begünstigte auch Beteiligter des Beurkundungsverfahrens ist.

2. Dem Beklagten ist hinsichtlich der Pflichtverletzung auch Fahrlässigkeit – für die Annahme eines auch nur bedingten Vorsatzes fehlen jegliche Anhaltspunkte – zur Last zu legen. Nach dem Fahrlässigkeitsbegriff des § 276 Abs. 2 BGB ist objektivierend von einem pflichtbewussten, erfahrenen und gewissenhaften Durchschnittsnotar auszugehen; gefordert wird von dem Notar insoweit insbesondere die vollständige Beachtung aller Gesetze (Hogl, Beck´sches Notarhandbuch, 7. Aufl., § 35 Rn. 23). Diesem Anspruch ist der Beklagte vorliegend nicht gerecht geworden, indem er die Regelung des § 2347 Abs. 2 BGB a. F. bei der Beurkundung am 06.02.2006 nicht beachtet hat.

3. Die Klägerin hat hinreichend dargetan, dass ihr aufgrund der durch den Beklagten begangenen Pflichtverletzung ein kausaler Vermögensschaden entstanden ist. Eine auf diesen bezogene Feststellungsklage ist begründet, wenn die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 – VI ZR 381/99 -, Rn. 8, juris). und wenn aufgrund der dargelegten Tatsachen mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass ein Schaden entstanden ist (BGH, Urteil vom 19. November 1971 – I ZR 72/70 -, Rn. 33, juris). Die – summarisch zu prüfende – Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gehört zur Begründetheit der Klage (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92 -, Rn. 77, juris).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Klägerin durch die Pflichtverletzung des Beklagten ein Vermögensschaden entstanden ist.

a) Zur Bestimmung des durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens ist neben dem tatsächlichen Geschehensablauf zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Notars genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen hätte, sondern pflichtgemäß gehandelt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2008 – III ZR 292/07 -, Rn. 14 m. w. Nachw.). Hätte der Notar die Beteiligten vorliegend darauf hingewiesen, dass zum Abschluss des Erbverzichtsvertrages die persönliche Mitwirkung des Erblassers erforderlich ist, so hätten diese sich zu einem anderen Zeitpunkt zusammengefunden, um die Vereinbarung formwirksam abzuschließen. Wäre eine solche Zusammenkunft zu einem anderen Zeitpunkt nicht möglich gewesen, hätte der Notar zunächst ein Angebot der Schwester der Klägerin und zu einem anderen Zeitpunkt die Annahme durch den Erblasser und die Klägerin (formwirksam) beurkunden können (§ 128 BGB). Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten bei einem Hinweis auf die erforderliche Anwesenheit des Erblassers insgesamt von der Beurkundung des beabsichtigten Pflichtteilsverzichtsvertrages Abstand genommen hätten, liegen dagegen nicht vor. Vielmehr erscheint diese Annahme auch nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien im Senatstermin als sehr fernliegend.

b) Dies zugrunde gelegt besteht der Schaden der Klägerin jedoch nicht darin, dass an deren Schwester eine Zahlung in Höhe von 30.000,00 EUR geleistet worden ist. Diese Zahlung wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Beklagten geleistet worden, wenn der Pflichtsteilverzichtsvertrag wirksam beurkundet worden wäre. Der Schaden der Klägerin besteht vielmehr darin, dass sie aufgrund der Unwirksamkeit der Verzichtserklärungen nach dem Tod des Erblassers Pflichtteilsansprüchen und Ansprüchen aus der Höfeordnung ihrer Schwester ausgesetzt ist. Der geleistete Betrag von 30.000,00 EUR stellt dabei lediglich eine Rechnungsposition bei der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzanspruchs dar. Die Schwester wird sich diese Zahlung bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche ggf. anrechnen lassen müssen (vgl. § 12 Abs. 4 HöfeO, § 2315 Abs. 1 BGB) bzw. – wenn nicht – stünde der Klägerin diesbezüglich ein Rückforderungsrecht zu, mit dem sie aufrechnen könnte.

Die Klägerin hat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargelegt, dass die der Schwester zustehenden Ansprüche die bereits gezahlten 30.000,00 EUR bei weitem übersteigen und ihr danach ein Schaden entstanden ist. Dass allein die Pflichtteilsansprüche der Schwester die gezahlten 30.000,00 EUR erheblich übersteigen, ergibt sich aus der klägerseits eingereichten Berechnung des (hoffreien) Nachlasswertes, welche mit einer Summe in Höhe von 432.890,12 EUR endet und demnach einen Pflichtteilsanspruch der Schwester der Klägerin in Höhe von 108.222,53 EUR begründet. Sofern der Beklagte einzelne Positionen dieser Aufstellung – insbesondere im Hinblick auf den hilfsweise gestellten Zahlungsantrag der Klägerin – der Höhe nach bestreitet, ist dieses Bestreiten nicht geeignet, um bei der durchzuführenden summarischen Prüfung die Wahrscheinlichkeit eines Schadens in Frage zu stellen. Zum Nachlass gehörten unstreitig ein Barvermögen in Höhe von 187.508,39 EUR sowie drei Pflegeappartements, deren Verkehrswert durch Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in den Städten Dorsten, Gladbeck und Marl mit insgesamt 396.000,00EUR bewertet worden ist. Auch wenn der Beklagte dieser Bewertung (pauschal) entgegengetreten ist, ist nicht anzunehmen, dass die Einschätzung des Verkehrswertes derart fehlerhaft erfolgt ist, dass insgesamt ein Nachlasswert anzunehmen wäre, welcher Pflichtteilsansprüche der Schwester von weniger als 30.000,00 EUR rechtfertigen würde. Dies gilt auch, soweit der Beklagte die Bewertung des Wohnrechts als Abzugsposten, die Belastung der Grundstücke und die angefallenen Beerdigungskosten bestreitet.

Dabei bietet auch die Angabe des Erblassers im notariellen Testament vom 14.12.2005 zum Nachlasswert ein Indiz dafür, dass Pflichtteilsansprüche der Schwester über den bereits gezahlten 30.000,00 EUR liegen dürften. Der Erblasser hat den Nachlasswert zur Kostenberechnung mit 330.000,00 beziffert. Es erscheint naheliegend, dass Angaben, welche zur Berechnung von Gebühren herangezogen werden, nicht großzügig bemessen werden, sondern sich eher im unteren Bereich des Vertretbaren bewegen. Selbst wenn man einen Hofwert von 102.769,67 EUR von diesem Wert ausnehmen würde, verbliebe ein Wert im hoffreien Vermögen, welcher einen Pflichtteilsanspruch der Schwerster in Höhe von über 30.000,00 EUR rechtfertigen würde.

Die Wahrscheinlichkeit eines Schadens ergibt sich ferner daraus, dass der Schwester der Klägerin aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten über den Pflichtteilsanspruch in Bezug auf das hoffreie Vermögen hinaus ein Abfindungsanspruch aus § 12 HöfeO zusteht. Dieser bemisst sich gem. § 12 Abs. 2 HöfeO nach dem Hofwert im Zeitpunkt des Erbfalls. Als Hofwert gilt das Eineinhalbfache des zuletzt festgesetzten Einheitswertes im Sinne des § 48 des Bewertungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 1974 (Bundesgesetzblatt I S. 2369), geändert durch Artikel 15 des Zuständigkeitslockerungsgesetzes vom 10. März 1975 (Bundesgesetzblatt I S. 685). Ausweislich der Urkunde des Beklagten vom 06.02.2006 betrug der Einheitswert des Hofes zum Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde 68.513,11 EUR, woraus sich ein Hofwert im Sinne des § 12 Satz 2 HöfeO in Höhe von 102.769,67 EUR ergibt. Wären von diesem Wert keine Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen, würde der Schwester allein aus § 12 Abs. 10 HöfeO ein Abfindungsanspruch in Höhe von 25.692,42 EUR zustehen.

Danach ist mehr als deutlich, dass die bereits gezahlten 30.000,00 EUR nicht ausgereicht haben, um die Ansprüche der Schwester der Klägerin, welche aufgrund der Unwirksamkeit der Vereinbarung weiterhin Bestand haben, insgesamt abzufinden.

Schließlich würden der Schwester der Klägerin bei Veräußerung des Hofes innerhalb der Frist des § 13 HöfeO ggf. höhere Ausgleichsansprüche zustehen als im Pflichtteilverzichtsvertrag vom 06.02.2006 vorgesehen. Dabei kann derzeit zwar nicht mit Gewissheit vorausgesagt werden, ob und in welcher Höhe der Klägerin insoweit künftig ein Schaden entstehen könnte, da dies auch davon abhängt, welche wirtschaftlichen Entscheidungen die Klägerin in der Zukunft in Bezug auf den Hof trifft. Bei der Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines Schadens ist dieser Gesichtspunkt indiziell zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen.

c) Der Schaden der Klägerin entfällt auch nicht etwa deswegen, weil diese gegen ihre Schwester einen schuldrechtlichen Anspruch darauf hätte, auf die Geltendmachung ihrer erbrechtlichen Ansprüche zu verzichten.

Ein Anspruch auf Abgabe einer solchen Verzichtserklärung folgt vorliegend insbesondere nicht (mehr) aus dem Kausalgeschäft zum Verzicht auf die erbrechtlichen Ansprüche der Schwester der Klägerin, welches zwischen den Beteiligten des Urkundenverfahrens am 06.02.2006 wirksam abgeschlossen wurde (wobei die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts an dieser Stelle offen bleiben kann und hier deswegen nicht weiter zu begründen ist). Sofern das Kausalgeschäft einen solchen Anspruch bei seinem Abschluss im Jahre 2006 wirksam begründet hat, wäre seine Erfüllung mit dem Tod des Erblassers unmöglich geworden und der Anspruch deswegen gem. § 275 Abs. 1 BGB erloschen.

Bei dem abstrakten Erbverzicht als solchen handelt es sich um ein erbrechtliches Verfügungsgeschäft unter Lebenden auf den Todesfall, das als solches selbstständig ist und nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zu einem anderen Geschäft, beispielsweise einer Abfindungsvereinbarung steht (vgl. Riedel, in: Uricher, Erbrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 135). Ebenso wie der abstrakte Erbverzicht selbst bedarf auch dieser Verpflichtungsvertrag der notariellen Beurkundung gemäß § 2348 BGB. Anders als bei dem abstrakten Erbverzicht kann sich der Erblasser jedoch beim Vertragsschluss des Kausalgeschäfts vertreten lassen (Staudinger/Schotten (2022) BGB § 2347, Rn. 7 m. w. Nachw.). Vor diesem Hintergrund ist ein unter Verstoß gegen § 2347 Abs. 2 a.F. BGB geschlossener, im Übrigen jedoch formal ordnungsgemäß zustande gekommener Erbverzichtsvertrag unter Umständen als wirksames Verpflichtungsgeschäft anzusehen, durch das sich die Parteien zum Abschluss eines formwirksamen Erbvertrags wirksam verpflichtet haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1962 – V ZR 14/61 -, BGHZ 37, 319-331, Rn. 28, juris; Riedel, in: Uricher, Erbrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 137). Der vom Beklagten am 06.02.2006 beurkundete Vertrag genügt der Form der notariellen Beurkundung. Die vom Erblasser am 09.02.2006 erklärte Genehmigung musste hierzu nicht auch notariell beurkundet werden, sie konnte gem. § 182 Abs. 2 BGB formlos erklärt werden.

Auf der Grundlage eines wirksamen Verpflichtungsvertrags kann in einem solchen Falle jede der Vertragsparteien Klage auf Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen erheben, dies jedoch nur bis zum Tod des Erblassers. Durch dessen Tod vor Abschluss des abstrakten Verzichtsvertrags wird die seitens des Verzichtsschuldners zu erbringende Leistung unmöglich und er somit gemäß § 275 BGB von seiner Leistungspflicht frei. Sofern die Abfindung bereits geleistet wurde, steht den bzw. dem Erben des Erblassers ggf. ein Rückforderungsanspruch nach § 326 Abs. 4 BGB zu (Riedel in: Uricher, Erbrecht, 5. Aufl., § 8, Rn. 138). Die Unmöglichkeit ergibt sich dabei weniger aus dem rechtskonstruktiven Grunde, dass ein Erbverzicht begrifflich einen Vertrag mit dem Erblasser zu seinen Lebzeiten voraussetzt. Maßgebend ist vielmehr, dass auf Gläubigerseite nur zu Lebzeiten des Erblassers in seiner eigenen Person ein sinnvolles und daher schutzwürdiges Interesse an einer Änderung hinsichtlich der Personen besteht: der Erbverzichtsvertrag greift als höchstpersönliche Regelung in die Erbfolge nach dem Erblasser ein; die beim Tod des Erblassers an seine Stelle tretende Erbengemeinschaft, zu der die Verzichtspflichtigen zunächst selbst gehören, kann dagegen als solche ein derartiges Interesse nicht haben (BGH, Urteil vom 4. Juli 1962 – V ZR 14/61 -, BGHZ 37, 319-331, Rn. 29, juris).

4. Die Klägerin vermag hinsichtlich des Schadens auch nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen, so dass ein Anspruch gegen den Beklagten nicht wegen der Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO ausgeschlossen ist. Die anderweitige Ersatzmöglichkeit setzt voraus, dass sie ihre Grundlage in demselben Tatsachenkreis findet, der für das Entstehen des Amtshaftungsanspruchs maßgebend ist. Darüber hinaus muss die anderweitige Ersatzmöglichkeit rechtlich und wirtschaftlich begründete Aussicht auf Erfolg bieten. Weitläufige, unsichere und im Ergebnis zweifelhafte Wege braucht der Geschädigte nicht einzuschlagen. Dem Vorliegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit steht es gleich, wenn der Geschädigte eine früher bestehende Möglichkeit, Ersatz seines Schadens von einem Dritten zu erlangen, schuldhaft versäumt hat (BGH, Urteil vom 11. November 2004 – III ZR 101/03 -, Rn. 12, juris).

a) An dieser Stelle kann vorliegend dahinstehen, ob die Klägerin zu Lebzeiten des Erblassers einen Abschluss des Verzichtsvertrages aufgrund des wirksamen Kausalgeschäfts hätte durchsetzen können. Jedenfalls hat sie diese Möglichkeit nicht schuldhaft versäumt. Sie durfte ohne Verschulden, bis zur Kenntnis dagegensprechender Tatsachen, davon ausgehen, dass der beklagte Notar eine formwirksame Urkunde erstellt hat. Erst als die Schwester unter Hinweis auf die Unwirksamkeit der Erklärung Forderungen an die Klägerin stellte, hatte die Klägerin Anlass dazu, Zweifel an der Wirksamkeit der Urkunde zu haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch keine Möglichkeit mehr, auf die Errichtung eines formwirksamen Verzichtsvertrages hinzuwirken.

b) Schadensersatzansprüche gegen die Schwester sind vorliegend ebenfalls nicht ersichtlich. Selbst wenn man insoweit ein wirksam abgeschlossenes Kausalgeschäft zugrunde legt, ist nicht ersichtlich, dass die Schwester die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts oder die Nichterfüllung des Kausalgeschäfts zu Lebzeiten des Erblassers zu vertreten hätte.

c) Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit folgt vorliegend auch nicht aus dem Umstand, dass der Klägerin gegenüber ihrer Schwester wegen der aus § 275 BGB folgenden Leistungsfreiheit ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Abfindung nach §§ 326 Abs. 4, 346 BGB zustehen könnte (vgl. dazu Weidlich in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 2346 Rn. 8). Der insoweit zurück zu gewährende Betrag ist ein auf die Forderung der Schwester der Klägerin anzurechnender Abzugsposten und nicht geeignet, den darüber hinausgehenden, weiteren Schaden der Klägerin, dessen Wahrscheinlichkeit die vorliegende Feststellungsklage rechtfertigt, auszugleichen.

5. Der der Klägerin entstandene Schadensersatzanspruch ist gegenüber dem Beklagten auch durchsetzbar. Die Einrede der Verjährung greift nicht durch.

Der Anspruch aus § 19 BNotO verjährt ebenso wie der Amtshaftungsanspruch nach Maßgabe der §§ 194 ff. BGB, was aus dem Verweis in § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO auf die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches folgt (vgl. BeckOK BNotO/Schramm, 7. Ed. 1.3.2023, BNotO § 19 Rn. 152).

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB) und beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob Fahrlässige Unkenntnis verjährt der Anspruch in zehn Jahren von seiner Entstehung an (§ 199 Abs. 3 BGB).

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die kenntnisabhängige, dreijährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB nicht vollendet ist, weil eine Kenntnis der Klägerin von der haftungsbegründenden Pflichtverletzung des Beklagten erst mit dem anwaltlichen Schreiben ihrer Schwester vom 27.04.2021 eingetreten ist und die noch im Dezember 2021 zugestellte Klage den Lauf der Verjährungsfrist hemmt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits zuvor auf die Pflichtverletzung des Beklagten aufmerksam wurde oder sich ihrer Kenntnis grobfahrlässig verschloss, sind vom Beklagten nicht vorgetragen worden.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts war auch die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist im vorliegenden Fall nicht abgelaufen, als die Klägerin ihre Klage erhob. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nicht vor dem Tode des Erblassers entstanden, weil die Klägerin zuvor keinen Schaden erlitten hat.

Ein Schadensersatzanspruch entsteht, wenn das von der jeweiligen Norm geschützte Rechtsgut tatsächlich beeinträchtigt worden ist. Ist auch das Vermögen geschützt, ist daher der Eintritt eines realen Vermögensschadens im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB erforderlich. Das bedeutet nach der Differenzhypothese, dass sich die Vermögenslage des Betroffenen infolge der schädigenden Handlung im Vergleich zu der hypothetischen Lage ohne diese Handlung verschlechtert hat (BGH Urteil vom 14. Juni 2012 – IX ZR 145/11 -, NJW 2012, 3165, Rn. 42); ob der Schaden jedenfalls zum Teil bereits beziffert werden kann und dauerhaft bestehen bleibt, ist dagegen nicht entscheidend; das bloße Risiko eines Vermögensnachteils reicht nicht aus (BGH, Urteil vom 17. Februar 2000 – IX ZR 436/98 -, Rn. 25, juris). Nicht entscheidend ist ferner, wenn noch nicht feststeht, ob der Nachteil auf Dauer bestehen bleibt und damit endgültig wird (BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 – IX ZR 50/91 -, Rn. 7, juris). Ist dagegen noch offen, ob ein pflichtwidriges, ein Risiko begründendes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92 -, Rn. 34, juris). Bei der Beurkundung eines nichtigen Vertrages nimmt der Bundesgerichtshof dabei die Entstehung eines Schadens dann an, wenn eine Partei zur Erfüllung ihrer vermeintlichen Vertragspflichten Leistungen an die andere Vertragspartei erbracht hat (BGH, Urteil vom 3. März 2005 – III ZR 353/04 -, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 – IX ZR 434/98 -, Rn. 38, juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Klägerin ein Schaden frühestens mit dem Ableben des Erblassers entstanden (so wohl auch: BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – IX ZR 242/94 -, Rn. 13f, juris, der im Zeitraum vor dem Ableben lediglich eine Beeinträchtigung, nicht jedoch einen Schaden sieht). Der Umstand, dass die Nichtigkeit des Pflichtteilverzichtsvertrages vom 06.02.2006 bereits grundsätzlich dazu geeignet war, die Vermögensposition der Klägerin in der Zukunft nachteilig zu beeinflussen, vermag die Entstehung eines Schadens bereits im Jahre 2006 nicht zu begründen. Denn jedenfalls bis zum Ableben des Erblassers war noch nicht klar, ob sich die Nichtigkeit überhaupt nachteilig auswirken konnte. Der Erblasser war bis zu seinem Ableben nicht in seiner Testierfreiheit beschränkt. Er hätte eine andere Person, etwa die Schwester der Klägerin als Hof- und/oder Alleinerbin einsetzen können. In diesem Falle hätte die Nichtigkeit der von dem Beklagten am 06.02.2006 beurkundeten Verzichtsvereinbarung das Vermögen der Klägerin nicht nachteilig beeinflusst. Ein Schaden wäre ihr hierdurch nicht entstanden. Vielmehr war bis zum Ableben des Erblassers offen, ob das pflichtwidrige, ein Risiko begründende Verhalten des Beklagten in Zukunft zu einem Schaden der Klägerin führen würde. In einem solchen Fall ist ein Schaden noch nicht entstanden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92 -, juris Rn. 34).

Eine frühere Schadensentstehung folgt vorliegend auch nicht daraus, dass die Schwester vor dem Ableben des Erblassers im Jahre 2006 bereits eine Zahlung in Höhe von 30.000,00 EUR erhalten hat. Unabhängig davon, dass diese Zahlung nicht den durch die Klägerin erlittenen Schaden darstellt, weil sie auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten geleistet worden wäre, erfolgte die Zahlung nicht auf einen nichtigen Vertrag, so dass die vorliegende Konstellation nicht mit derjenigen vergleichbar ist, die den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 03.03.2005 (Az. III ZR 353/04) und 20.06.2000 (Az. IX ZR 434/98) zugrunde lag. Die Zahlung erfolgte zwar aus Anlass eines unwirksamen Verfügungsgeschäfts, aber zur Erfüllung eines im Jahre 2006 wirksam vereinbarten Kausalgeschäfts. Die dem (nichtigen) erbrechtliche Verfügungsgeschäft zugrunde liegende schuldrechtliche Abfindungsvereinbarung genügte der notariellen Form (§ 2348 BGB), für ihren Abschluss war die persönliche Anwesenheit des Erblassers nicht erforderlich, so dass er sich vertreten lassen konnte (BGH, Urteil vom 4. Juli 1962 – V ZR 14/61 -, BGHZ 37, 319-331, Rn. 28, juris).

Die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts folgt vorliegend auch nicht aus der Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts. Unabhängig davon, dass Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft in ihrem rechtlichen Bestand unabhängig voneinander sind (Schotten, Das Kausalgeschäft zum Erbverzicht, DNotZ 1998, 163; Schotten in: Staudinger (2016) BGB, § 2346, Rn. 117), ist im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen, dass die Beteiligten bei Kenntnis der Nichtigkeit des Verfügungsgeschäftes auch das Kausalgeschäft nicht gewollt hätten. Eine derartige Abhängigkeit der beiden Geschäfte ergibt sich nicht aus der Vertragsgestaltung, nach der die Wirksamkeit des Verzichts auf die erbrechtlichen Ansprüche der Schwester nicht zur Bedingung für die Wirksamkeit der schuldrechtlichen Abfindung erhoben wurde. Vielmehr hätten die Beteiligten, wenn ihnen die Regelung des § 2347 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. bekannt gewesen wäre, das Verfügungsgeschäft formwirksam vereinbaren können und auch tatsächlich vereinbart. Erkennbar war ihnen wichtig, dem Erblasser die Möglichkeit zu verschaffen, unter Abfindung erbrechtlicher Ansprüche der Schwester der Klägerin die von ihm seinerzeit gewünschte testamentarische Regelung zugunsten der Klägerin abzusichern. Bei dieser Interessenlage ist davon auszugehen, dass die Urkundenbeteiligten das schuldrechtliche Kausalgeschäft nicht davon abhängig machen wollten, dass zeitgleich das Verfügungsgeschäft formwirksam zustande kommt. Damit erfolgte die im Jahre 2006 geleistete Zahlung der 30.000,00 EUR an die Schwester der Klägerin demnach nicht rechtsgrundlos. Sie ist deswegen nicht geeignet, vor dem Ableben des Erblassers, mit dem die Erfüllung des Kausalgeschäfts unmöglich wurde, einen Schadenseintritt bei der Klägerin nicht zu begründen.

Zuletzt ist ein Schaden vorliegend auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin eine ungewollte Verpflichtung eingegangen ist. Vielmehr entsprach die eingegangene Vereinbarung den Vorstellungen der Klägerin und der weiteren Beteiligten. Dass deren dingliche Umsetzung daran scheiterte, begründet nicht die Annahme, dass die Klägerin eine ungewollte Verbindlichkeit eingegangen wäre. Dies wäre nämlich nur dann anzunehmen, wenn die Klägerin bei Kenntnis der Voraussetzungen für das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages von diesem Abstand genommen hätte, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte gegeben sind.

6. Sofern die Klägerin mit dem angekündigten Klageantrag zu Ziff. 4 einen Zinsanspruch geltend gemacht hat, hat sie im Senatstermin klargestellt, dass insoweit die Feststellung eines Zinsschadens begehrt wird, welcher von der Schwester der Klägerin ihr gegenüber geltend gemacht werden könnte. Ein eigener Zinsschaden der Klägerin sollte gerade nicht geltend gemacht werden. Ein solcher etwaiger Zinsschaden der Schwester wird jedoch von dem geltend gemachten Feststellungsbegehren umfasst, welches der Senat im Tenor zusammengefasst hat. Einer gesonderten, auf einen etwaigen Zinsschaden bezogenen Feststellung bedarf es nicht.

C. Mangels Eintritts der innerprozessualen Bedingung bedurfte es keiner Entscheidung über den hilfsweise gestellten bezifferten Zahlungsantrag.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11 S. 1, 711 ZPO.

IV.

Die Revision war zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Fortbildung des Rechts durch eine Revisionsentscheidung ist erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 543 Zulassungsrevision, Rn. 12). Dies ist vorliegend deswegen der Fall, weil eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Beurteilung der kenntnisunabhängigen Verjährung in Bezug auf eine Schadensentstehung bei nichtigem Verfügungs- und wirksamen Kausalgeschäft im Bereich der Notarhaftung nicht vorliegt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Wie können wir Ihnen helfen?

Gerne können uns Ihr Anliegen in einem persönlichen Gespräch in unseren Kanzleiräumen in Kreuztal, bei einem Hausbesuch bei Ihnen, in einem persönlichen Telefonat oder auch per E-Mail schildern.

Möchten Sie einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt und Notar Dr. Gerd Christian Kotz vereinbaren? Sie können mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Kanzlei Beurkundungstermine oder Besprechungstermine per Email, Telefon oder Telefax vereinbaren.

Notar Dr. Kotz - Beratung

Rechtstipps und Ratgeber

Interessante Urteile mit notarieller Relevanz

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!