Streit um Notarkosten: Das Detail macht den Unterschied
Im Zentrum des vorliegenden Falls steht eine Diskrepanz in der Kostenrechnung eines Notars. Es scheint auf den ersten Blick eine trockene Angelegenheit zu sein – Zahlen, Paragraphen, formale Details. Doch der Teufel, wie so oft, steckt im Detail. Zwei Beteiligte beauftragten einen Notar mit der Erstellung und Beurkundung von gegenseitigen Generalvollmachten. In diesen Vollmachten waren vermögensrechtliche und persönliche Angelegenheiten inklusive einer Patientenverfügung geregelt. Die Beteiligten wollten auf diese Weise eine gesetzlich angeordnete Betreuung vermeiden. Doch eine Unklarheit in der Kostenrechnung des Notars führte zu einem juristischen Nachspiel.
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Übersicht
Diskrepanz in der Kostenrechnung
Das Landgericht Düsseldorf entschied schließlich am 7. Juni 2021 über die Angelegenheit. Die ursprüngliche Kostenrechnung des Notars vom 24. Januar 2017 wurde nachträglich abgeändert. Grund hierfür war, dass der Notar ursprünglich 1.076,95 EUR zu wenig erhoben hatte. Dieser Fehler wurde korrigiert und neue Kosten gegen die beiden Beteiligten festgesetzt.
Festsetzung neuer Kosten
Die beiden Beteiligten wurden als gemeinsame Kostenschuldner mit einem Betrag von 4.185,24 EUR belastet. Zusätzlich wurde gegen den ersten Beteiligten ein weiterer Betrag in Höhe von 709,65 EUR und gegen den zweiten Beteiligten ein weiterer Betrag in Höhe von 1.506,96 EUR festgesetzt. Insgesamt führte dies zu einer signifikanten Erhöhung der Notarkosten.
Kostenfreie Entscheidung und fehlende Kostenerstattung
Interessant ist, dass die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf selbst gerichtsgebührenfrei erfolgte. Außergerichtliche Kosten wurden ebenfalls nicht erstattet. Dies unterstreicht den Grundsatz, dass jede Partei ihre eigenen Kosten in einem Gerichtsverfahren tragen muss.
Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, rechtliche Dokumente und Kostenrechnungen genau zu prüfen. Denn selbst kleine Fehler können zu signifikanten finanziellen Belastungen führen. Darüber hinaus verdeutlicht der Fall die Bedeutung von klaren und korrekten Kostenfestsetzungen in juristischen Verfahren.
Das vorliegende Urteil
LG Düsseldorf – Az.: 25 OH 9/19 – Beschluss vom 07.06.2021
Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 127 GNotKG wird die Kostenrechnung des Notars …….vom 24. Januar 2017 abgeändert.
In der Rechnung sind 1.076,95 EUR zu wenig erhoben worden.
Gegen die Beteiligten zu 1. und 2. als gemeinsame Kostenschuldner werden 4.185,24 EUR festgesetzt.
Gegen die Beteiligte zu 1. wird ein weiterer Betrag in Höhe von 709,65 EUR festgesetzt und gegen den Beteiligten zu 2. wird ein weiterer Betrag in Höhe von 1.506,96 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1. und 2. beauftragten den Beteiligten zu 3. mit der Erstellung und Beurkundung u.a. von gegenseitigen Generalvollmachten. In der notariellen Urkunde vom 18. Januar 2017 (UR.-Nr.: P 001/17) heißt es:
I. Vorsorgevollmachten
Wir bevollmächtigen uns hiermit gegenseitig
sowie unsere Tochter …, jeder Ehegatte und der weitere Bevollmächtigte nachstehend jeweils „der Bevollmächtigte“ genannt – ,
und zwar jeden Bevollmächtigten einzeln vertretungsberechtigt, jeden von uns in allen Angelegenheiten, in welchen rechtlich eine Stellvertretung gestattet ist, insbesondere in allen vermögensrechtlichen (Ziff. II) und persönlichen (Ziff. III) Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.
Diese Vollmacht ist nur wirksam, sofern der Bevollmächtigte eine ihm erteilte Ausfertigung dieser Urkunde in Besitz hat.
Jedem Ehegatten und unserer Tochter ist je eine Ausfertigung zu unseren Händen zu erteilen, jede weitere Ausfertigung nur auf unsere gemeinsame schriftliche Anweisung. Sollte einer von uns dazu nicht mehr in der Lage sein, so kann der Bevollmächtigte gegen Vorlage einer dies belegenden ärztlichen Bescheinigung oder einer Sterbeurkunde beliebig viele Ausfertigungen dieser Urkunde vom Notar verlangen.
II. Vermögensrechtliche Angelegenheiten […]
III. Persönliche Angelegenheiten […]
IV. Innenverhältnis […]
Diese Vollmacht soll vermeiden, dass für uns eine Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB angeordnet wird und geht daher einer Betreuung vor. Der Bevollmächtigte unterliegt nicht den gesetzlichen Beschränkungen eines Betreuers.
Auch wenn der Betreffende von uns die ordnungsgemäße Ausübung der Vollmacht nicht mehr selbst überwachen können sollte, hält er eine Kontrolle durch Dritte nicht für nötig. Sollte das Gericht gleichwohl eine Betreuung für erforderlich erachten, möchten wir, dass hierzu unser Sohn S bestimmt wird.
Wenn und soweit neben der Vollmacht eine Betreuung nötig werden sollte, soll dies durch den bevollmächtigten Ehegatten oder unsere bevollmächtigte Tochter geschehen, wobei die Vollmacht in diesem Falle insoweit bestehen bleibt, als der Aufgabenkreis des Betreuers nicht betroffen ist.
VI. Patientenverfügung (§ 1901a Abs. 1 BGB)
Einen jeder von uns verfügt, dass diese Patientenverfügung für jeden einzelnen von uns insbesondere gilt, wenn sich der jeweils Betroffene von uns:
1. voraussichtlich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befindet,
[…]
VII. Schlussbestimmungen
1. […]
2. Die Vollmacht soll durch den Tod des jeweiligen Vollmachtgebers nicht erlöschen. Sie soll auch dann wirksam bleiben, wenn der jeweilige Vollmachtgeber geschäftsunfähig werden sollte oder ein Betreuer für ihn bestellt wird.
3. […] Der Notar hat ferner darauf hingewiesen, dass die Vollmacht jederzeit widerruflich ist […]
Der Beteiligte zu 3. rechnete die Kosten für die notariellen Urkunden Nr. P 001/2017 und P 002/2017 mit der Kostenrechnung vom 24. Januar 2017 gegenüber den Beteiligten zu 1. und 2. ab, auf die Bezug genommen wird (Bl. 4, 5 GA). In dieser wird bezüglich der Generalvollmacht nebst Patientenverfügung eine Gebühr nach Nr. 21200 KV GNotKG ausgehend von einem Wert in Höhe von 500.000,– EUR berechnet.
Der Beteiligte zu 4. beanstandete im Rahmen einer am 25. April 2018 durchgeführten Geschäftsprüfung des Beteiligten zu 3. in der Prüfbemerkung vom 9. Mai 2018, dass nicht nur eine Gebühr, sondern zwei Gebühren nach Nr. 21200 KV GNotKG je nach dem zusammengerechneten Wert der jeweiligen Vollmacht und der Betreuungsverfügung zu erheben seien.
Mit Schreiben vom 28. August 2018 nahm der Beteiligte zu 3. Stellung. In einer weiteren Stellungnahme vom 11. Januar 2019 hielt der Beteiligte zu 4. an seiner Prüfbemerkung fest und wies den Beteiligten zu 3. mit Schreiben vom 18. Januar 2019 an, eine Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen.
Daraufhin hat der Beteiligte zu 3. mit Schreiben vom 12. Februar 2019 den streitgegenständlichen Antrag bei dem Landgericht Düsseldorf eingebracht.
Der Beteiligte zu 4. hat unter dem 8. Januar 2020 Stellung genommen (Bl. 33ff. GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Beteiligten zu 3. ist gemäß § 130 Abs. 2 i.V.m. § 127 Abs. 1 GNotKG zulässig.
Die vorgesetzte Dienstbehörde des Beteiligten zu 3. – der Beteiligte zu 4. – kann dessen Kostenberechnung nicht von sich aus ändern; sie hat zur Richtigstellung nur den Behelf des § 130 Abs. 2 GNotKG, bei dem sie erkennen lassen muss, mit welchem Ziel die Entscheidung des Landgerichts herbeigeführt werden soll. Beanstandet sie die erhobenen Notarkosten als zu niedrig, so weist sie den Notar an, die Mehrkosten nachzufordern oder ebenfalls die Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen. Für die Anrufung des Landgerichts ist eine Frist nicht vorgesehen (vgl. zum Ganzen nur Korintenberg-Sikora, GNotKG, 21. Aufl., § 130 Rn. 6).
Auf den auf dieser Grundlage eingebrachten Antrag des Beteiligten zu 3. war die Kostenrechnung vom 24. Januar 2017 abzuändern.
Die unter der Überschrift „Vorsorgevollmachten“ vorgenommene Beurkundung umfasst entsprechend des Wortlauts zwei Vollmachten, eine der Beteiligten zu 1. und eine des Beteiligten zu 2. und damit mehrere in einem Beurkundungsverfahren zusammengefasste Beurkundungsgegenstände im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 1 GNotKG. Nach dieser Vorschrift gilt hinsichtlich jedes Beurkundungsgegenstandes das Beurkundungsverfahren als besonderes Verfahren, wenn in einem Beurkundungsverfahren ohne sachlichen Grund mehrere Beurkundungsgegenstände zusammengefasst werden. Der sachliche Grund muss objektiv vorliegen.
Beurkundungsgegenstand ist gemäß § 86 Abs. 1 GNotKG das Rechtsverhältnis, auf das sich die Erklärungen beziehen, bei Tatsachenbeurkundungen die beurkundete Tatsache oder der beurkundete Vorgang. Mehrere Rechtsverhältnisse, Tatsachen oder Vorgänge sind verschiedene Beurkundungsgegenstände, soweit nicht ausnahmsweise von demselben Beurkundungsgegenstand gemäß § 109 GNotKG auszugehen ist.
Die Vollmachten verschiedener Personen sind verschiedene Beurkundungsgegenstände. Die beiden Vollmachten wurden vorliegend in einer Niederschrift beurkundet, so dass trotz zweier Beurkundungsgegenstände ein Beurkundungsverfahren im kostenrechtlichen Sinn vorliegt (§ 85 Abs. 2 GNotKG; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. September 2017, – II ZB 27/16 m.w.N.).
Fraglich ist, ob die mehreren Beurkundungsgegenstände ohne sachlichen Grund in einem Beurkundungsverfahren zusammengefasst wurden.
Grundsätzlich werden in demselben Beurkundungsverfahren Gebühren jeweils nur einmal erhoben (§ 93 Abs. 1 Satz 1 GNotKG). Die Werte mehrerer Beurkundungsgegenstände innerhalb desselben Beurkundungsverfahrens werden zusammengerechnet (vgl. § 35 Abs. 1 GNotKG). Etwas anderes gilt nach § 93 Abs. 2 Satz 1 GNotKG, wenn mehrere Beurkundungsgegenstände ohne sachlichen Grund in einem Beurkundungsverfahren zusammengefasst werden. Dann gilt das Beurkundungsverfahren hinsichtlich jedes dieser Beurkundungsgegenstände auch hinsichtlich der Höchstwerte des § 108 Abs. 5 GNotKG als besonderes Verfahren (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. September 2017, – II ZB 27/16 m.w.N.).
Ein sachlicher Grund für die Beurkundung der gegenseitigen Vollmachten der Eheleute in einer Niederschrift lag nicht vor.
Kriterien für das Vorliegen eines sachlichen Grundes stellt § 93 Abs. 2 Satz 2 GNotKG auf. Ein sachlicher Grund ist nach dieser Regelung insbesondere in zwei Fällen anzunehmen, nämlich der Personenidentität hinsichtlich jeden Beurkundungsgegenstandes oder des Ausdrucks des rechtlichen Verknüpfungswillens in der Urkunde.
Erstere Fallgestaltung, wenn hinsichtlich jedes Beurkundungsgegenstands die gleichen Personen an dem Verfahren beteiligt sind, ist nicht einschlägig. Die Erteilung einer Vollmacht erfolgt durch einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft, ohne dass es einer Annahme seitens des Bevollmächtigten bedarf. Nach § 167 Abs. 1 BGB kann die Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigten oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, erteilt werden.
An der Erteilung der Vollmacht durch die Beteiligte zu 1. war mithin der Beteiligte zu 2. nicht beteiligt und umgekehrt die Beteiligte zu 1. nicht an der Erteilung durch den Beteiligten zu 2.
Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 GNotKG kann ein sachlicher Grund auch darin liegen, dass der rechtliche Verknüpfungswille in der Urkunde zum Ausdruck kommt.
Ein solcher Grund wäre in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden zu bejahen, wenn die Vollmachten mit wechselbezüglichen Verfügungen in letztwilligen Verfügungen vergleichbar wären.
Wechselbezüglich (korrespektiv) sind Verfügungen, die nach dem Willen der Erblasser so eng miteinander verbunden sind, dass die eine nicht ohne die andere getroffen worden wäre, die also miteinander stehen und fallen sollen (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Januar 2002, – IV ZB 20/01).
Zu einer solchen Verknüpfung der Vollmachten enthält die Urkunde keine Andeutung und anders als im Fall letztwilliger Verfügungen ist eine § 2270 Abs. 2 BGB vergleichbare Zweifelsregelung nicht normiert.
Auch im Übrigen kann kein sachlicher Grund für eine gemeinsame Beurkundung beider Beurkundungsgegenstände in einer Niederschrift gesehen werden. Ein solcher müsste objektiv vorliegen. Der Wunsch der Beteiligten nach einer Zusammenbeurkundung reicht nicht (Rohs/Wedewer-Wudy, GNotKG, 120. Aktualisierung Juni 2018, § 93 Rn. 59).
Wenn bereits der Wunsch eines Beteiligten nach einer Zusammenbeurkundung zu einer gegenüber der getrennten Beurkundung eintretenden Kostenersparnis führte, widerspräche das dem Gesetzeszweck und dem Willen des Gesetzgebers. Werden mehrere Beurkundungsgegenstände einzig aus dem Motiv zusammengefasst, die gebührenrechtlichen Folgen der Zusammenfassung auszunutzen, soll das Beurkundungsverfahren hinsichtlich dieser einzelnen Gegenstände als besonderes Verfahren behandelt werden (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. September 2017, – II ZB 27/16 m.w.N.).
Vielmehr dürfte das Hauptaugenmerk darauf zu richten sein, dass das Recht zum einseitigen Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung zu Lebzeiten beider Ehegatten besonderen Formerfordernissen unterliegt. So kann der einseitige Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen durch einen Ehegatten ausschließlich durch notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen erfolgen (§ 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB). Gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB erlischt mit dem Tod des anderen Ehegatten das Recht zum Widerruf, so dass der überlebende Ehegatte von diesem Zeitpunkt an wie der Erblasser beim Erbvertrag grundsätzlich an seine Verfügung gebunden ist.
Demgegenüber soll vorliegend jede der beiden Vollmachten unabhängig voneinander jederzeit frei widerruflich sein (siehe Abschnitt VII. 3. der Urkunde Nr. P 239/2017). Der Widerruf ist ebenfalls eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, und kann gegenüber dem Bevollmächtigten, dem Geschäftsgegner oder durch öffentliche Bekanntmachung erklärt werden.
Würde man einen inhaltlichen Zusammenhang in dem Sinne bejahen, dass die Vollmachten nicht unabhängig voneinander Bestand haben sollen, würde dies zudem dazu führen, dass sich Zweifel an einer alleinigen Widerrufsmöglichkeit ergeben (vgl. Korintenberg-Diehn, GNotKG, 21. Aufl., § 93 Rn. 37).
Zudem dürfte eine Ausfertigung der Vollmacht der Beteiligten zu 1. an den Beteiligten zu 2. nicht seine Vollmacht an die Beteiligte zu 1. enthalten.
Die Kammer schließt sich daher für eine Fallgestaltung wie der vorliegenden, in der kein objektiver Grund für eine Zusammenbeurkundung ersichtlich ist, der Auffassung des Beteiligten zu 4. an, welche auch in der Literatur vertreten wird (BeckOK, Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn-Bachmayer, 32. Edition, § 93 GNotKG Rn. 47.1.; Korintenberg-Diehn, GNotKG, 21. Aufl., § 93 Rn. 37).
Demgegenüber wird andererseits bei einer wechselseitigen Vorsorge- bzw. Generalvollmacht von Eheleuten, wo aufgrund der unterschiedlichen Vollmachtgeber keine Beteiligtenidentität besteht, im Hinblick auf die Wechselseitigkeit der Bevollmächtigung ein ausreichender innerer Zusammenhang angenommen (Schneider/Volpert/Fölsch-Macht, Kostenrecht, 2. Aufl., § 93 Rn. 18; Rohs/Wedewer-Wudy, GNotKG, 120. Aktualisierung Juni 2018, § 93 Rn. 58).
Die Kammer kann dieser Ansicht jedenfalls für einen Fall wie den vorliegenden, in der keine Ausgestaltung der Vollmachten gewählt worden ist, die eine einer letztwilligen Verfügung vergleichbare Wechselseitigkeit begründet hätte, nicht folgen.
Es sind demzufolge zwei Gebühren nach Nr. 21200 KV GNotKG je nach dem zusammengerechneten Wert der jeweiligen Vollmacht und der Patientenverfügung zu erheben (Korintenberg-Diehn, GNotKG, 21. Aufl., § 93 Rn. 37).
Die Geschäftswertfestsetzung für die jeweilige Generalvollmacht bestimmt sich bezüglich der Vollmacht der Beteiligten zu 1. nach einem Geschäftswert in Höhe von 269.562,12 EUR (539.124,23 EUR ./. 2) und derjenigen des Beteiligten zu 2. nach einem Geschäftswert in Höhe von 671.754,86 EUR (1.343.509,72 EUR ./. 2).
Der Geschäftswert bestimmt sich insoweit gemäß § 98 Abs. 3 GNotKG nach billigem Ermessen. Dabei sind der Umfang der erteilten Vollmacht und das Vermögen des Vollmachtgebers angemessen zu berücksichtigen.
Der zu bestimmende Geschäftswert darf die Hälfte des Vermögens des Auftraggebers nicht übersteigen.
In § 98 Abs. 4 GNotKG wird der Höchstbetrag des Geschäftswerts auf 1 Mio. Euro begrenzt.
Bei der Ermessensausübung nach § 98 Abs. 3 GNotKG ist das durch die Vollmacht betroffene Rechtsgut ohne Schuldenabzug, d.h. bei Generalvollmachten das Aktivvermögen, zu berücksichtigen (Korintenberg-Tiedtke, GNotKG, 21. Aufl., § 98 Rn. 18). Verbindlichkeiten werden gemäß § 38 GNotKG nicht abgezogen.
Die streitgegenständliche Generalvollmacht, welche keine gegenständliche und zeitliche Beschränkung enthielt und über den Tod hinaus wirksam sein sollte, mithin eine umfassende Bevollmächtigung darstellt, rechtfertigt es, die Höchstgrenze des § 98 Abs. 3 GNotKG auszuschöpfen (Landgericht Bremen, Beschluss vom 11. September 2018, – 4 T 524/17).
In Bezug auf die Patienten- und Betreuungsverfügung hält die Kammer ebenso wie der Notar einen Ansatz von 5.000,– EUR für diejenige des Ehemannes und diejenige der Ehefrau für gerechtfertigt.
Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GNotKG sind Betreuungsverfügung und Patientenverfügung einer Person derselbe Gegenstand. Diese Erklärungen sind im Verhältnis zu einer vom Erklärenden in derselben Urkunde erteilten Vollmacht jedoch gegenstandsverschieden (§ 110 Nr. 3 GNotKG).
Eine Patientenverfügung enthält Entscheidungen über den Abbruch von Behandlungsmaßnahmen für zukünftig eintretende Fälle und richtet sich an die behandelnden Ärzte, einen Betreuer oder Bevollmächtigten. Der Wunsch nach einem selbstbestimmten und würdevollen Sterbevorgang ist nicht vermögensabhängig zu bewerten. Vielmehr ist dieser nach § 36 Abs. 2 GNotKG zu bewerten. Danach ist der Wert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen, jedoch nicht über 1 Mio. Euro zu bestimmen.
Auch wenn strittig ist, ob und nach welchen Kriterien der in § 36 Abs. 3 GNotKG bestimmte Auffangwert in Höhe von 5.000,– EUR überschritten werden kann, vertritt die Kammer die Auffassung, dass im Regelfall ohne Rücksicht auf das Vermögen des Beteiligten der Hilfswert von 5.000,– EUR anzusetzen ist. Entscheidend ist dabei, dass die Bedeutung der Angelegenheit für die menschliche Existenz sich einer Bewertung in Geld entzieht (Korintenberg-Bormann, GNotKG, 21. Aufl., § 36 Rn. 83). Die objektive Bedeutung der Sache für die Betroffenen ist bei allen Menschen, unabhängig von ihren Vermögensverhältnissen, gleich (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2017, – I-15 W 464/16; Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 10. Juli 2013, – I-15 W 113/13; Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 8. November 2005, – 15 W 148/05; Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 22. Januar 2007, – 20 W 397/04).
Obgleich die streitgegenständliche Patientenverfügung teilweise konkret formulierte Behandlungsentscheidungen niederlegt, ist eine Abweichung von dem Auffangwert von 5.000,– EUR nicht angemessen und vertretbar. Nur aufgrund der Vermögensverhältnisse hält die Kammer eine Erhöhung des Hilfswertes des § 36 Abs. 3 GNotKG nicht für gerechtfertigt (Rohs/Wedewer-Waldner, GNotKG, § 36 Rn. 69; BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn-Soutier, 32. Edition, § 36 GNotKG Rn. 30).
Eine Erhöhung lässt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht unter Berücksichtigung des unter der Überschrift „Betreuungsverfügung“ enthaltenen Wunsches „Wenn und soweit neben der Vollmacht eine Betreuung nötig werden sollte, soll dies durch den bevollmächtigten Ehegatten oder unsere bevollmächtigte Tochter geschehen“ begründen. Es handelt sich vielmehr um einen an das Betreuungsgericht gerichteten Wunsch der Kostenschuldner, dass für den Fall, dass eine Betreuung notwendig werden sollte, der jeweils andere Kostenschuldner oder die Tochter zu Betreuern ernannt werden sollen.
Die Kostenrechnung ist somit wie folgt abzuändern:
UR-Nr. P 001/2017 vom 18.01.2017
Vollmacht der Frau S. T., bezüglich derer allein Frau T. Kostenschuldnerin ist
21200
Beurkundung – General- und Vorsorgevollmacht mit Betreuungs- und Patientenverfügung
§§ 35 Abs. 1, 98 Abs. 3, 36 Abs. 2, 3
274.562,12 EUR
585,00 EUR
32001
Dokumentenpauschale bis DIN A3 (s/w) (18 Seiten)
1,35 EUR
32005
Auslagenpauschale Post- und Telekommunikation
10,00 EUR
Netto-Zwischensumme
596,35 EUR
32014
19 % Umsatzsteuer
113,30 EUR
Rechnungsbetrag
709,65 EUR
UR-Nr. P 001/2017 vom 18.01.2017
Vollmacht des Herrn Q. T., bezüglich derer allein Herr T. Kostenschuldner ist
21200
Beurkundung – General- und Vorsorgevollmacht mit Betreuungs- und Patientenverfügung
§§ 35 Abs. 1, 98 Abs. 3, 36 Abs. 2, 3
676.754,86 EUR
1.255,00 EUR
32001
Dokumentenpauschale bis DIN A3 (s/w) (18 Seiten)
1,35 EUR
32005
Auslagenpauschale Post- und Telekommunikation
10,00 EUR
Netto-Zwischensumme
1.266,35 EUR
32014
19 % Umsatzsteuer
240,61 EUR
Rechnungsbetrag
1.506,96 EUR
UR-Nr. P 0002/2017 vom 18.01.2017
Änderung zum Erbvertrag P 001/2008, bezüglich dessen Frau S. T. und Herr Q. T. gemeinsam Kostenschuldner sind
21100
Beurkundungsverfahren
Geschäftswert nach § 102
1.000.000,00 EUR
3.470,00 EUR
32001
Dokumentenpauschale bis DIN A3 (s/w) (12 Seiten)
1,80 EUR
32005
Auslagenpauschale Post- und Telekommunikation
20,00
Netto-Zwischensumme
3.491,80 EUR
32014
19 % Umsatzsteuer
663,44 EUR
32015
Registrierung im Zentralen Testamentsregister (Anzahl: 2)
30,00 EUR
Rechnungsbetrag
4.185,24 EUR
III.
Für eine Auferlegung außergerichtlicher Kosten gemäß § 130 Abs. 2 Satz 4 GNotKG i.V.m. § 81 FamFG besteht vorliegend kein Anlass, da solche nicht angefallen sind.