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Löschung einer wirksam bestellten Grundschuld

Fehlender Nachweis der Valutierung des Darlehens

OLG München –  Az.: 3 U 3123/12 –  Urteil vom 15.01.2014

I. Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 06.07.2012 (Az.: 4 O 1483/11) wird dahingehend abgeändert, dass über die dort zuerkannten Ansprüche hinaus der Beklagte dazu verurteilt wird,

1) seine Zustimmung zur Löschung der zu seinen Gunsten im Grundbuch des AG Laufen für die Gemarkung F., Flurnummer …75 und …76 (betreffend die Eigentumswohnung des Klägers in der V. straße 26, F.) jeweils in Abteilung III unter der laufenden Nummer 2 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 55.000 € zu erklären,

2) die aufgrund des Notarvertrages vom 27.09.2010 des Notars Robert H., … L., UrNr. …46/2010 erstellte Kaufvertragsangebotsausfertigung herauszugeben und

3) den Kläger von weiteren 564,65 €(brutto) an vorgerichtlichen Anwaltskosten freizustellen.

4) Die Widerklage wird insgesamt abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Klage bleibt insoweit abgewiesen.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des beizutreibenden Betrages (im Hinblick auf Ziffer I. 3 und Ziffer II.) bzw. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.- € im Hinblick auf Ziffer I. 2), wenn nicht der Kläger in selber Höhe Sicherheit leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, der von ihnen gestellten Anträge und der tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts wird gemäß §§ 540 Abs. 1 Nr.1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Traunstein vom 06.07.2012 (Bl. 119/126 der Akte) Bezug genommen.

Der Tenor des landgerichtlichen Urteils lautet wie folgt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, seine Zustimmung zur Löschung der zu seinen Gunsten im Grundbuch des Amtsgerichts Laufen von F., Blatt …75 und …76, jeweils Abteilung II unter lfd. Nr. 1 für die dem Kläger gehörende Eigentumswohnung in der V.straße 26, F. eingetragenen Auflassungsvormerkung zu erklären.

II. Es wird festgestellt, dass der Notarvertrag des Notars Robert H., L., URNr. …46/2010 vom 27.09.2010 in den Abschnitten C und D unwirksam ist.

III. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.196,43 € brutto freizustellen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, an den Beklagten und Widerkläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.196,43 €zu bezahlen.

VI. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

VII. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen Kläger und Beklagter je die Hälfte.

VIII. (Vorläufige Vollstreckbarkeit)

Der Kläger greift dieses Urteil an, soweit die Klage abgewiesen und der Widerklage teilweise stattgegeben wurde.

Er macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass der Sicherungszweck der Grundschuld, deren Löschung er begehrt, endgültig weggefallen ist. Das Landgericht habe fälschlicherweise den Kläger als Darlehensnehmer als beweisbelastet angesehen dafür, dass das Darlehen nicht vom Beklagten in Erfüllung des Darlehensvertrages an ihn ausbezahlt worden ist. Außerdem sei der Vertrag nicht nur – wie vom Landgericht angenommen – teilnichtig, sondern es sei von „Vollnichtigkeit“ auszugehen.

Das Landgericht habe übersehen, dass ein Urkundsbeweis, insbesondere dann, wenn die Gegenpartei die Vorlage der Originalurkunde verlangt, nicht durch die Vorlage von Kopien zu führen ist. Das Landgericht habe dem Umstand, dass der Kläger anfangs auf das Darlehen Ratenzahlungen erbracht hat, eine dem Kläger abträgliche Bedeutung beigemessen, ohne die vom Kläger hierzu benannten Zeugen F. und S. einzuvernehmen. Auf die Zeugin S. verzichtete der Kläger allerdings nachfolgend mit Schriftsatz vom 28.10.2013. Mit diesem Schriftsatz benannte der Kläger einen erst jetzt aufgetauchten Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger unmittelbar nach Abschluss des notariellen Vertrages zum Zeugen Sch. gesagt habe, das Geld müsse an den Kläger persönlich gehen.

Der Kläger beantragt: Der Beklagte wird unter Abänderung des am 06.07.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Traunstein, Az. 4 O 1483/11 verurteilt,

1) seine Zustimmung zur Löschung der zu seinen Gunsten im Grundbuch des AG Laufen von F., Blatt …75, dort dritte Abteilung, lfd. Nr. 2 und Blatt …76, dort dritte Abteilung, lfd. Nr. 2 für die dem Kläger gehörende Eigentumswohnung in der V.straße 26, F. eingetragenen Grundschuld in Höhe von 55.000 € zu erklären;

2) seine Zustimmung zur Löschung der zu seinen Gunsten im Grundbuch des AG Laufen von F., Blatt …75, dort zweite Abteilung, lfd. Nr. 1 und Blatt …76, dort zweite Abteilung, lfd. Nr. 1 für die dem Kläger gehörende Eigentumswohnung in der V.straße 26, F. eingetragene Auflassungsvormerkung zu erklären;

3) die aufgrund des Notarvertrag vom 27.09.2010 des Notars Robert H., …, L., URNr. …46/2010, erstellte Kaufvertrags-Angebotsausfertigung herauszugeben, hilfsweise, deren Herausgabe zu veranlassen.

4) Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der Notarvertrag vom 27.09.2010 des Notars Robert H., …, L., URNr. …46/2010, unwirksam ist.

5) Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 2.696,54 brutto freizustellen.

6) Die Widerklage wird abgewiesen.

7) Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Der Beklagte beantragt:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger und Berufungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Zu dem notariellen Vertrag sei es nur gekommen, weil der Kläger mit einem Fahrzeug des Zeugen Sch. einen Unfall verursacht und deshalb bei diesem hohe Schulden gehabt habe. Da Sch. seinerseits Schulden beim Beklagten hatte, sei dieser zur Gewährung eines Darlehens an den Kläger nur bereit gewesen, wenn mit dem neuen Darlehen auch die Schulden des Sch. abgelöst werden würden. Dies sei dem Kläger von vornherein klar gewesen. Der Kläger habe die Auszahlung des Darlehens an Sch. durch den Beklagten ausdrücklich gebilligt und den Erhalt des Darlehens auch mehrfach quittiert. Auch aus dem Umstand, dass der Kläger die Ratenzahlungen anfangs vereinbarungsgemäß erbrachte, folge, dass dieser die Auszahlung der Darlehensvaluta an den Beklagten gebilligt haben muss. Gleiches gelte für die Verrechnung des Auszahlungsanspruchs mit Altschulden des Zeugen Sch. Dass möglicherweise der Zeuge den Auszahlungsbetrag bestimmungswidrig verwendet habe, habe nicht der Beklagte zu vertreten. Aus der Teilnichtigkeit des notariellen Vertrages folge im vorliegenden Fall nicht dessen Gesamtnichtigkeit.

Der Senat hat am 08.05.2013 (Bezugnahme auf Sitzungsniederschrift vom 08.05.2013, Bl. 163/165), am 18.09.2013 (Bezugnahme auf Sitzungsniederschrift vom 18.09.2013; Bl. 186/192) und am 04.12.2013 (Bezugnahme auf Sitzungsniederschrift vom 04.12.2013; Bl. 206/209) mündlich verhandelt. Auf die in der erstgenannten Sitzung erteilten Hinweise wird Bezug genommen. In der zweitgenannten Sitzung, zu der der Beklagtenvertreter nicht erschienen war und lediglich am 17.09.2013 mitgeteilt hatte, er werde aus gesundheitlichen Gründen nicht erscheinen, wurde der Zeuge F. einvernommen. Die vom Senat gemäß Beweisbeschluss vom 22.05.2013 (Bl. 167/169) angeordnete Einvernahme der erstinstanzlich bereits einvernommenen Zeugen Sch. unterblieb, weil der Beklagte sich weigerte, den Vorschuss einzubezahlen (Bl. 179). Auf die Rechtsfolge der unterbliebenen Vorschussleistung wurde ausdrücklich hingewiesen (Bl. 181).

Ergänzend wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 20.09.2012 (Bl.136/142 = Berufungsbegründung), vom 06.05.2013 (Bl. 161/162) und vom 28.10.2013 (Bl. 196/199) sowie des Beklagtenvertreters vom 10.12.2012 (Bl. 144/146 = Berufungserwiderung), vom 04.04.2013 (Bl. 159/160), vom 25.06.2013 (Bl. 182/183) und vom 28.11.2013 (Bl. 207/09) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO)

Die zulässige Berufung ist umfassend begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zur Löschung der auf seinem Wohnungseigentum lastenden Grundschuld (Dazu unter A). Unabhängig davon hat er einen Anspruch auf Herausgabe der notariellen Urkunde (Dazu unter B). Entsprechend hat er auch einen höheren als den vom Landgericht zuerkannten Freistellungsanspruch im Hinblick auf seine vorgerichtlichen Anwaltskosten (Dazu unter C). Auch folgt daraus die Unbegründetheit der Widerklage (Dazu unter D).

A) Anspruch auf Löschung der Grundschuld

Der Kläger kann vom Beklagten die Löschung der aufgrund der streitgegenständlichen notariellen Urkunde vom 27.09.2010 eingetragenen Buchgrundschuld an seinem Wohnungseigentum verlangen.

1) Zwar folgt entgegen der Auffassung der Berufung aus der vom Landgericht in Ansehung der Auflassungserklärung zutreffend erkannten Nichtigkeit der Bestimmungen in den Punkten C und D nicht gemäß § 139 BGB die Nichtigkeit des Vertrages insgesamt. Davon wäre nur auszugehen, wenn die Parteien in Kenntnis der Nichtigkeit der Bestimmung über die Auflassung den Vertrag überhaupt nicht abgeschlossen hätten. Diese Auflassung, von der der Beklagte nach der Urkunde Gebrauch machen hätte dürfen, wenn der Kläger mit der Bedienung der Darlehensverbindlichkeit mit drei Monatsraten in Verzug geraten wäre und der Beklagte aus diesem Grund das Darlehen gekündigt hätte, war ersichtlich dazu bestimmt, dem Beklagten als Darlehensgeber eine über die Grundschuld hinausgehende zusätzliche Sicherheit zu bieten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Darlehensvertrag nicht geschlossen hätte, wenn die Bestimmung über die Veräußerung seines Immobiliarbesitzes an den Beklagten nicht im Vertrag aufgenommen worden wäre, bestehen ersichtlich nicht. Dass der Beklagte möglicherweise den Vertrag nicht geschlossen hätte, kann im vorliegenden Verfahrensstadium nicht als Argument verwendet werden, seine Rechte über die zutreffend erkannte Teilnichtigkeit hinausgehend weiter zu schmälern. § 139 BGB will verhindern, dass den Parteien ein Rechtsgeschäft mit einem Inhalt aufgedrängt wird, das diese nicht abschließen wollten. Er dient daher der Durchsetzung der Privatautonomie. Er ist nicht dazu bestimmt, eine Partei dafür zu bestrafen, dass sie sich in rechts- oder sittenwidriger Weise übersichert. Die Konsequenzen eines solchen Verhaltens werden vielmehr in § 134 BGB bzw. § 138 BGB definiert.

2) Aber auch aus § 138 BGB folgt hier nicht die Gesamtnichtigkeit des Darlehensvertrages wegen sittenwidriger Übersicherung des Beklagten. Auch wenn im Anwendungsbereich des § 138 BGB für eine geltungserhaltende Reduktion kein Raum ist, so kommt eine Gesamtnichtigkeit dann nicht in Betracht, wenn sich der Sittenverstoß eindeutig auf einen Teil des Rechtsgeschäfts bezieht und im Übrigen gegen den Inhalt und das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts keine Bedenken bestehen (BGH, NJW 1979, 1606; NJW 2001, 815). Dass der Kläger den Darlehensvertrag auch ohne die bindende Abgabe eines Kaufangebots an den Beklagten abgeschlossen hätte, liegt auf der Hand. Dass es nicht dem Parteiwillen des Beklagten entsprochen hätte, den Darlehensvertrag isoliert abzuschließen, lässt sich hier ebenso wenig feststellen. Gegen den Darlehensvertrag an sich bestehen keine rechtlichen Bedenken. Der Sachvortrag des Klägers gibt auch keinen Anlass, die Art des Zustandekommens als anstößig zu bezeichnen.

3) Gleiches gilt für § 134 BGB. Zwar ist das Verbot der Verfallsabrede gemäß § 1149 BGB, gegen das hier verstoßen wurde, ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB (in diesem Sinne wohl BayObLG, RPfleger 93, 58). Aber auch insoweit gilt, dass die Gesamtnichtigkeit der in einer Vertragsurkunde zusammengefassten Rechtsgeschäfte daraus nicht zwingend folgt.

4) Zutreffend ist jedoch die Erwägung der Berufungsbegründung dazu, dass der Kläger die Löschung der wirksam bestellten Grundschuld hier deshalb verlangen kann, weil der Beklagte die Valutierung des Darlehens nicht bewiesen hat und mit einer (aus Sicht des Beklagten nochmaligen) Auszahlung des Darlehens nicht zu rechnen ist.

a. Das Landgericht hat ausgeführt, aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme könne nicht festgestellt werden, ob der Beklagte seine Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag erfüllt habe oder nicht. Es äußerte Zweifel insbesondere an der Belastbarkeit der Angaben des Zeugen Sch. und stellte auch fest, dass die Darlegungen des Beklagten zur angeblichen Verrechnungsvereinbarung nicht sehr präzise waren. Damit verkennt das Landgericht die grundsätzliche Beweislastverteilung bei Darlehensverträgen. Der Darlehensgeber muss beweisen, dass er das Darlehen valutiert hat (KG, Urteil vom 26.02.2004, 19 U 61/03 für die Löschung einer Höchstbetragshypothek; zitiert nach Juris), der Darlehensnehmer, dass er es zurückbezahlt hat (allgemeine Meinung z.B. BGH MDR 2007, 703 f). Geht man mit dem Landgericht davon aus, dass die Valutierung nicht feststellbar ist, was zwingend daraus folgt, dass das Landgericht umgekehrt ausführt, dass die Nichtvalutierung nicht festgestellt worden sei, dann geht dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zu Lasten des Klägers, sondern des Beklagten.

b. Der Senat hat hierauf in der ersten mündlichen Verhandlung hingewiesen und im Anschluss daran die Einvernahme auch der vom Beklagten für die Valutierung des Darlehens benannten Zeugen angeordnet. Nachdem der Beklagte den Auslagenvorschuss für die beabsichtigte Einvernahme seiner Zeugen nicht einbezahlte, wurde er auf die Rechtsfolge des § 379 ZPO hingewiesen. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.

c. Der Beklagte will den ihm obliegenden Beweis für die Valutierung auf anderem Weg führen. Er verweist auf eine vom Kläger unterzeichnete Quittung (B 1), den Umstand, dass der Kläger zwei Monatsraten auf die Darlehensschuld beglich und auf die Aussage des vom Kläger benannten und vom Senat einvernommenen Zeugen F., insbesondere auf die von diesem dabei vorgelegte Aktennotiz (Anlage zum Protokoll vom 18.09.2013; bei Bl. 192). Damit gelingt ihm ein Beweis für die Valutierung indes nicht.

i. Tatsächlich weist die Anlage B 1 (= Bl. 25 der Akte) eine Unterschrift des Klägers auf. Bei der Anlage B 1 handelt es sich um eine Faxnachricht der Raiffeisenbank B. eG an den Beklagten. Auf dieser wurde handschriftlich vermerkt: „Gesamtsumme erhalten (unleserlich) 28.10.2010“, dann die Unterschrift des Klägers. Der Kläger hat die Authentizität der handschriftlichen Eintragung bestritten und den Beklagten zur Vorlage der Originalurkunde aufgefordert. Dem kam der Beklagte nicht nach. Gemäß § 420 ZPO kann aber der Urkundsbeweis von Haus aus nur durch die Vorlage der Originalurkunde geführt werden. Wenn – wie hier – die Gegenpartei die Authentizität einer Urkunde bezweifelt, genügt die ansonsten sicher ausreichende Vorlage einer Kopie ersichtlich nicht. Warum der Beklagte die Originalurkunde nicht vorlegen ließ, wurde auch nicht erläutert.

ii. Tatsächlich hat der Kläger zunächst Ratenzahlungen erbracht. Ausweislich der insoweit auch vom Beklagten bemühten Aussage des Zeugen F. hat der Kläger ihn am 28.12.2010 um anwaltlichen Rat gebeten. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger unstreitig erst eine Rate erbracht, die er freilich nicht „freiwillig“ bezahlte, sondern die mit dem Darlehensbetrag verrechnet wurde (vgl. Beklagtenschriftsatz vom 04.04.2013 Bl. 159; wohl auch B 5 !?). Die weiteren Zahlungen erbrachte der Kläger danach am 03.01.2011 und am 28.01.2011. Ausweislich der schon vor seiner Einvernahme übersandten schriftlichen Erklärung des Zeugen F. vom 28.05.2013 (Bl. 170/171) wollte der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt aus dem Vertrag heraus. Der Zeuge konnte zwar die Behauptung des Klägers nicht bestätigen, dass er als Rechtsanwalt ihm zur vorläufigen Weiterzahlung der Raten geraten habe, wohl aber bestätigte er, dass er zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die Informationen verfügte, die die Rückabwicklung des Vertrages rechtfertigen würden. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus dem Umstand, dass der Kläger- nach Einholung anwaltlichen Rats – noch Zahlungen geleistet hat, nicht auf eine Valutierung schließen. Im Hinblick auf die notarielle Urkunde und die drohende Konsequenz des unmittelbaren Verlusts des Eigentums an der Wohnung können die beiden Zahlungen der Raten nicht als starkes Indiz für eine tatsächliche Valutierung des Darlehens dienen. Dies gilt auch dann, wenn man die Bekundungen des Zeugen F. hierzu unberücksichtigt lassen wollte. Die hier praktizierte, gemäß § 1149 BGB aber verbotene „Knebelung“ (vgl. BGH, NJW 1995, 2635) des Klägers entkräftet das Argument der vermeintlich freiwilligen Zahlung weitgehend.

iii. Aus der vom Zeugen F. gefertigten Aktennotiz ergibt sich, dass der Kläger dem Zeugen Sch. Vollmacht erteilt habe, dass der Beklagte das Darlehen diesem auszahlen könne. Dem Beklagten ist zuzubilligen, dass dies ein gewichtiges Indiz für eine Valutierung durch Auszahlung des Darlehens an den Zeugen beinhaltet. Doch ein zwingender Beweis für die Valutierung eines Darlehens über 55.000 € lässt sich mit dieser anwaltlichen Aktennotiz in einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht führen.

d. Zu viele Gesichtspunkte im Parteivortrag des Beklagten sind zu nebulös, um dem Senat eine entsprechende Überzeugungsbildung zu ermöglichen.

i. Zunächst hat bereits das Landgericht festgestellt, dass der notarielle Darlehensvertrag eine Ausbezahlung des Darlehensbetrages auf ein Konto des Klägers vorsah. Zutreffend ist zwar die Erwägung des Landgerichts, dass die Vertragsparteien die Auszahlungsmodalitäten mündlich abändern können. Doch bleibt der Umstand, dass die schriftlichen Vertragsbestimmungen nicht eingehalten wurden, bestehen.

ii. Weiterhin ist im notariellen Vertrag festgelegt, dass ein Teil des Darlehens zur Ablösung eines auf dem Grundeigentum des Klägers lastenden Grundpfandrechts bestimmt sei und vorrangig hierfür verwendet werden sollte. Entsprechend ließ der Beklagte auch noch in der Klageerwiderung vortragen, dass solches erfolgt sei (Bl. 21 der Akte unter Bezugnahme auf B 2 und B 3; Bl. 26 + Bl. 27). Erst in seiner informatorischen Anhörung durch das Landgericht am 03.02.2012 (Bl. 73 der Akte) teilte er lapidar mit, dass er an den Grundpfandgläubiger nichts ausbezahlt habe. Weder ergibt sich aus seinem Vortrag, wie es zur Löschung des Grundpfandrechts kam, wenn doch der Kläger überschuldet war, noch ist ersichtlich, wieso er vortragen ließ, er habe die Befriedigung des Grundpfandgläubigers mit Darlehensmitteln veranlasst. Umgekehrt ist festzustellen, dass die nicht minder konfuse Sachverhaltsdarstellung durch den Kläger, wonach der Zeuge Sch. auch bei ihm Schulden hatte, durch den Umstand, dass es zu einer Löschung dieser Grundschuld kam, an Plausibilität gewinnt.

iii. Im notariellen Vertrag findet sich kein Wort dazu, dass der Darlehensbetrag deshalb nicht vollständig valutiert werden würde, weil damit Altverbindlichkeiten des Zeugen Sch. abgelöst werden sollten. Nach dem Vortrag des Beklagten war dies für ihn jedoch die Grundvoraussetzung dafür, dass er überhaupt den Darlehensvertrag mit dem Kläger schloss. Eine plausible Erklärung dafür, warum dies dann im notariellen Vertrag keinen Niederschlag gefunden hat, statt dessen die Ablösung eines Grundpfandrechts Erwähnung fand, für die keine Notwendigkeit bestanden zu haben scheint, fehlt im Vortrag des Beklagten völlig.

iv. Der Beklagte legt eine Quittung (B 5) vor, wobei von einer Unterschriftsleistung durch den Zeugen Sch. auszugehen sein dürfte, die nach einer so bezeichneten Kostenaufstellung „Mai 2008 bis Sept. 2010“ einen handschriftlichen Vermerk aufweist: „Erhalten. Gesamt 55.000 .- am 14.10.2010“. Abgesehen davon, dass der Aussagegehalt schon für sich genommen mit dem notariellen Vertrag nicht zur Deckung zu bringen ist, steht dies in Widerspruch zu der als Quittung – freilich nur in Kopie – vorgelegten Anlage B 1, die auf den 28.10.2010 datiert ist – auf einer auf den 21.10.2010 datierten Faxnachricht der Bank. Die vom Beklagten hierfür gegebene Erklärung, er habe dem Zeugen Sch. die Anlage B 5 als Quittung ausgestellt, der Zeuge hätte dann das richtige Datum hinschreiben sollen, was er nicht gemacht habe, (vgl. Bl. 72 der Akte; informatorische Anhörung des Beklagten durch das Erstgericht), vermag nicht zu überzeugen.

v. Noch im Schriftsatz vom 28.11.2013 ließ der Beklagte zur Valutierung vortragen, dass diese dergestalt erfolgt sei, dass der Beklagte „auf Anweisung des vom Kläger hierzu bevollmächtigten Herrn Sch. an diesen bzw. auf ein diesem benanntes Bankkonto den Darlehensbetrag von 55.000 € bezahlt“ habe. In der darauf folgenden mündlichen Verhandlung wurde zwar dieser Vortrag dahingehend berichtigt, dass das Geld ausschließlich in bar und zwar in mehreren Tranchen an den Zeugen Sch. übergeben worden sei. Verdeutlicht wird dadurch aber, dass der Beklagte massive Schwierigkeiten hat, die von ihm behauptete Valutierung kohärent darzustellen. Das deckt sich mit der angesichts der Beträge doch bemerkenswert unpräzisen erstinstanzlichen Aussage des Zeugen Sch.: „Ich weiß jetzt nicht mehr, ob ich den Betrag auf einmal bekommen habe oder in Teilbeträgen. Wenn in Teilbeträgen, dann war es jedenfalls knapp aufeinander.“ (Zitat aus der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2012; Bl. 75 der Akte). Die hier beschriebenen Zahlungsabläufe lassen sich auch aus den vorgelegten Quittungen nicht rekonstruieren.

e) Der Senat verkennt nicht, dass auch die Sachverhaltsschilderung des Klägers lückenhaft und widersprüchlich ist. Doch der Nachweis der Valutierung des Darlehens obliegt dem Beklagten. Deshalb bedurfte es auch der Einvernahme des zuletzt noch vom Kläger benannten Zeugen Z. nicht.

f) Bei der Abwicklung von Darlehensverträgen über nicht unerhebliche fünfstellige Summen ist auch im nichtkaufmännischen Gewerbe mit einem Minimum an Sorgfalt zu rechnen. Auch wenn der Beklagte nicht regelmäßig Darlehen in der genannten Höhe gewährt, so weist sein Briefkopf (vgl. K 2) doch Firma, UID-Nr. und Steuernummer aus, so dass nicht davon auszugehen ist, dass er in der Abwicklung von Geschäften völlig unbedarft ist. Warum er dann die Auszahlung des Darlehens, die in eklatantem Widerspruch zu den notariell beurkundeten Vereinbarungen stand und die auch durch Überweisungsformulare etc. nicht nachvollziehbar ist, sich nicht in gehöriger Form quittieren ließ, insbesondere warum er sich die Verrechnung des Darlehensauszahlungsbetrages mit Rückforderungsansprüchen gegen den Zeugen Sch. nicht ausdrücklich schriftlich vom Darlehensnehmer bestätigen ließ, bleibt unerfindlich. Der Eindruck, dass der Beklagte – möglicherweise in kollusivem Zusammenwirken mit dem unstreitig wegen Vermögensdelikten verurteilten Zeugen Sch. – den Kläger austricksen wollte, wird auch durch die bereits vom Landgericht zutreffend als nichtig erkannte Auflassung der Eigentumswohnung an den Beklagten erhärtet. Der Hinweis des Beklagten auf die langjährige Freundschaft des Zeugen Sch. mit dem Kläger steht dem nicht entgegen, denn nach der Argumentation des Beklagten hat der Zeuge die ihm ausbezahlten Gelder veruntreut, so dass die Freundschaft mit dem Kläger nicht sonderlich belastbar gewesen sein dürfte.

g) Der Senat übersieht das soziale Näheverhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen Sch. nicht. Dieses lässt durchaus als vorstellbar erscheinen, dass der Kläger Schulden des Sch. beim Beklagten übernahm als Ausgleich dafür, dass er das Fahrzeug des Zeugen beschädigt hatte. Ebenso gut vorstellbar ist die Version, dass der Zeuge Sch. eigenverantwortlich den Kläger hintergangen und das ihm anvertraute Geld unterschlagen hat. Doch diese Erklärungsversuche sind nicht geeignet, eine Beweislastumkehr zugunsten des Beklagten zu rechtfertigen, zumal zur Aufklärung der Beziehung der Parteien zum Zeugen Sch. dessen Zeugeneinvernahme und die seiner Ehefrau erforderlich gewesen wäre. Diese unterblieb jedoch, weil der Beklagte den hierfür erforderlichen Auslagenvorschuss nicht einbezahlte.

h) Dieses Ergebnis wird auch nicht durch das Argument des Landgerichts in Frage gestellt, wonach der Anspruch auf Löschung der Grundschuld schon dann nicht bestehe, wenn das Darlehen auch nur teilweise valutiert worden ist. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, auch nur eine solche Teilvalutierung festzustellen. Nicht nur die vom Beklagten behauptete Vereinbarung einer Verrechnungsmöglichkeit ist nicht nachgewiesen. Es fehlt schlicht am Nachweis dafür, dass Gelder, die der Beklagte dem Zeugen Sch. ausgehändigt haben will, der Erfüllung des Anspruchs des Klägers auf Auszahlung des Darlehens gedient haben. Angesichts der offensichtlich schon längeren Geschäftsbeziehungen zwischen dem Beklagten und dem Zeugen Sch. lassen sich nicht automatisch Bargeldübergaben vom Beklagten an Sch. dem Darlehensvertrag der Parteien zuordnen. Völlig unklar bleibt aber auch, wann der Beklagte dem Zeugen in welcher Höhe Bargeld übergeben hat.

B) Anspruch auf Herausgabe der notariellen Urkunde

Der Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Kauvertragsangebots gemäß der Notarurkunde vom 27.09.2010 ist begründet.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die den Vollstreckungstitel verkörpernde Urkunde dem Schuldner herauszugeben ist, wenn die titulierte Schuld nie bestand oder befriedigt wurde (vgl. OLG München WM 2008, 580, 581; BGH NJW 1994, 3225). Gerechtfertigt wird dies mit einer analogen Anwendung des § 371 Satz 1 BGB, der freilich nach Wortlaut und systematischer Stellung im Titel „Erfüllung“ nur den Fall regelt, in dem die Schuld durch Erfüllung zum Erlöschen gebracht wurde. Gleichwohl ist anerkannt, dass die Vorschrift auch die Fälle regelt, in denen die verbriefte Schuld gar nicht zur Entstehung gelangte.

Soweit das Landgericht den danach in Ansehung des von Anfang an unwirksamen, weil wegen Verstoß gegen § 1149 BGB gemäß § 134 BGB nichtigen Kaufvertragsangebots nebst Bewilligung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung begründeten Herausgabeanspruch im Hinblick auf die in der Urkunde ebenfalls für die vorrangig bestellte Grundschuld getroffenen Regelungen, u.a. die Unterwerfung des belasteten Pfandbesitzes – unter die sofortige Zwangsvollstreckung wegen des Grundschuldkapitals samt Zinsen – ablehnte, ist diese Erwägung jedenfalls deshalb hinfällig, weil, wie unter A) dargelegt, auch die Grundschuld löschungsreif ist, da die besicherte Forderung nicht besteht und nicht damit zu rechnen ist, dass sie entstehen wird.

C) Zum Freistellungsanspruch

Der vom Landgericht dem Grunde nach zutreffend zuerkannte Freistellungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten in Ansehung seiner vorgerichtlichen Kosten, berechnet aus einem Streitwert von 55.000 € beläuft sich insgesamt auf 1.761,08 € und nicht, wie vom Kläger beansprucht, auf 2.696,54 €.

Im Ergebnis wohl zutreffend ist das Landgericht bei der Errechnung dieses Freistellungsanspruchs von einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr und nicht wie vom Kläger beansprucht, von einer 2,0-fachen Gebühr ausgegangen. Gründe, warum die Einschätzung des Erstgerichts insoweit unzutreffend sein sollte, benennt die Berufungsbegründung auch nicht.

Dem Kläger war daher die Freistellung im Hinblick auf einen weiteren Betrag in Höhe von 564,65 € zuzubilligen. Die weitergehende Berufung war zurückzuweisen, so dass es insoweit bei der vom Landgericht ausgesprochenen Klageabweisung sein Bewenden hat.

D) Zur Widerklage

Die auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten des Beklagten gerichtete Widerklage ist, da die Klage umfassend begründet und der Kläger daher nicht schuldhaft im Sinne von §§ 280Abs. 1, 241a BGB gehandelt hat, als er den Beklagten zur vorgerichtlichen Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe motivierte, umfassend unbegründet.

E) Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Kläger hat mit Ausnahme der Höhe der geltend gemachten Nebenforderung vollinhaltlich obsiegt. Die Zuvielforderung in Bezug auf die Nebenforderung ist in Relation zum Gesamtstreitwert ersichtlich von äußerst untergeordneter Bedeutung und konnte, da die Nebenforderung nicht streitwerterhöhend und damit auch nicht prozesskostensteigernd wirkte, keine Mehrkosten verursachen.

F) Vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 708Nr. 10, 711 ZPO.

G) Revisionszulassung

Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen ist, liegen nicht vor. Zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits musste der Senat keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung klären. Von der Rechtsprechung der Obergerichte ist der Senat – soweit ersichtlich – nicht abgewichen. Die entscheidungsrelevanten Fragen lagen durchweg auf tatsächlichem Gebiet.

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