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Nichtigkeit einer notariellen Vollstreckungsklausel

AG Münster  – Az.: 9 K 4/18 – Beschluss vom 30.08.2018

Der sofortigen Beschwerde der antragstellenden Gläubigerin vom 9.7.2018 gegen den gerichtlichen Zurückweisungsbeschluss vom 26.6.2018 wird vollumfänglich nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist nach hiesiger Auffassung form- und fristgerecht eingereicht und zulässig, nach dem Dafürhalten des Vollstreckungsgerichts des Amtsgerichts Münster aber unbegründet.

Die Gerichtsakten sind dem Landgericht Münster – Beschwerdekammer – zur Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel vorzulegen.

Gründe

Wie aus den Gerichtsakten ersichtlich, beantragte die Gläubigerin, vertr. durch die Verfahrensbevollmächtigten, mit Schriftsatz vom 2.2.2018 die Anordnung der Zwangsversteigerung in das im Grundbuch von I eingetragene Wohnungseigentum.

Die Anordnung soll aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars H, Münster, vom 7.2.2013 – UR NR. ###/2013 – wegen der dinglichen und persönlichen Forderung von 117.000,00 EUR nebst 15 % Zinsen seit dem 1.1.2015 und einer Nebenleistung von 5 % erfolgen.

Beigefügt wird neben dem Titel u.a. auch die beglaubigte Abschrift des Kündigungsschreibens der Verfahrensbevollmächtigten an die Eigentümerin vom 5.7.2017 nebst Vollmacht und Zustellungsnachweis. Nach dem Dafürhalten der Antragstellerin liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsversteigerung wegen des Grundschuldkapitals nebst Zinsen und Nebenleistungen vor. Die im Grundbuch in Abt. III Nr. 4 eingetragene Grundschuld sei nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes beurkundet worden. Die Kündigung der Grundschuld sei erfolgt und die sechsmonatige Kündigungsfrist sei abgelaufen.

Das Vollstreckungsgericht hatte bereits mit Schreiben vom 14.2.2018 eine Zwischenverfügung erlassen und das Nichtvorliegen einer wirksamen Vollstreckungsklausel bemängelt. Die Gläubigerseite hatte sich dann zu den gerichtlich geäußerten Bedenken in weiteren Schriftsätzen eingelassen.

Mit Schreiben vom 24.4.2018 beantragte der Gläubigervertreter sodann, soweit das Gericht die Bedenken weiterhin aufrechterhalte, um Erlass einer rechtsmittelfähigen Entscheidung.

Sodann erging diese mit Beschlussfassung vom 26.6.2018. Auf die dort dargelegten Gründe wird insoweit Bezug genommen.

Gegen die Zurückweisungsentscheidung wurde von der Gläubigerin mit Schreiben vom 9.7.2018 das statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt. Die angefochtene Entscheidung war dem Verfahrensbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am 29.6.2018 zugestellt worden. Die Rechtsmittelschrift ist hier am 12.7.2018, also innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist, rechtzeitig eingegangen.

Mit Schreiben vom 27.7.2018 reicht der Beschwerdeführer nunmehr die entsprechende Begründung seines Rechtsmittels zu den gerichtlichen Akten. Aufgrund der Ausführungen hat sich das Vollstreckungsgericht nochmals eingehend mit dem Vortrag der Gläubigerseite auseinander gesetzt.

Das Gericht hält jedoch auch nach nochmaliger Überprüfung an der getroffenen Entscheidung fest. Im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung soll jedoch nochmals auf einige Ausführungen der Gläubigerseite eingegangen werden.

Festzustellen ist, dass einzelne Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einführung des Risikobegrenzungsgesetzes wie auch der Frage des Nachweisverzichts im Sinne von § 726 ZPO, aber auch der Klauselerteilung durch den Notar in entsprechenden Fallgestaltungen (bei Vollstreckung wegen dinglicher aber auch persönlicher Ansprüche aus einer notariellen Urkunde), in Literatur, Kommentierung und auch Rechtsprechung teils sehr konträr diskutiert worden sind. Auch kann dies beispielsweise aus Stellungnahmen der Notarkammern im Zusammenhang mit der Einführung des Risikobegrenzungsgesetzes aber auch aus juristischen Foren entnommen werden. Auch sind zwischenzeitlich einzelne – teils auch unterschiedliche – gerichtliche Entscheidungen auf landgerichtlicher Ebene wie auch der Ebene des Oberlandesgerichts getroffen worden. Auch der Bundesgerichtshof hat sich in einer Entscheidung vom 30.3.2017 – V ZB 84/16 mit der Thematik der Vollstreckung einer Sicherungsgrundschuld auseinander gesetzt. Allerdings ist hier auch beachtlich, dass die gerichtlichen Entscheidungen teils nicht nur den formalen vollstreckungsrechtlichen Akt der Anordnung der Zwangsversteigerung zum Gegenstand hatten, sondern sich ggf. in vollstreckungsrechtlichen Klageverfahren aus anderer Perspektive mit den einzelnen Fragestellungen auseinander setzen mussten. So beispielsweise auch das Landgericht Münster in der vom Gläubigervertreter angeführten Entscheidung vom 20.11.2014 – 14 0 119/14 (offensichtlich Vollstreckungsabwehrklageverfahren §§ 767, 769 ZPO). Der Meinungsstreit dürfte also über die in der Kommentierung von Stöber, ZVG, 21. Auflage, Rdn. 15.3. zu § 15 ZVG vertretene Auffassung hinausgehen.

Wie das Vollstreckungsgericht bereits in der angefochtenen Entscheidung vom 26.6.2018 ausführte, ist das Vollstreckungsverfahren grundsätzlich formalisiert. Einzelne Verfahrensabschnitte wie das Erkenntnis-, Klausel- und Vollstreckungsverfahren sind verfahrensrechtlich voneinander getrennt zu betrachten; insbesondere auch im Bereich der entsprechenden Rechtsmittel. So sind beispielsweise Aspekte des Klauselverfahrens ggf. im Rechtsmittelverfahren bezogen auf die Klausel zu überprüfen und unterliegen keiner gesonderten Prüfung im Vollstreckungsverfahren. Vielmehr hat das Vollstreckungsgericht bei der Anordnung der Zwangsversteigerung insbesondere zu prüfen, ob die allgemeinen und besonderen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Hier ist insbesondere die Frage nach dem Vorliegen eines wirksamen Vollstreckungstitels, einer wirksamen Vollstreckungsklausel und einer wirksam erfolgten Zustellung im Sinne von § 750 Abs. 1 ZPO zu stellen. Wirksam heißt in diesem Falle nicht nichtig. Soweit eine Anfechtbarkeit gegeben ist, müsste diese mit den entsprechenden Rechtsbehelfen im dem jeweiligen Verfahrensabschnitt erfolgen.

Die vom Klauselorgan erstellte Vollstreckungsklausel hat den Sinn und Zweck, gegenüber dem Vollstreckungsgericht die Vollstreckungsreife des Titels zu bescheinigen. Mangels eigener Prüfungskompetenz und der daraus resultierenden Folgen auch für den Schuldner, muss die Vollstreckungsklausel allerdings auch zumindest einigen formalen Ansprüchen genügen. So muss beispielsweise die Klausel bei fehlender Personenidentität die Personen namentlich ausweisen, für und gegen wen die Vollstreckung stattfindet. Bei sogenannten titelergänzenden Klauseln ist die Feststellung des Bedingungseintritts letztlich zu bescheinigen und in der Regel die Urkunde zu benennen, aufgrund welcher die entsprechenden Feststellungen erfolgt sind (vgl. dies auch im Hinblick auf die besondere Vollstreckungsvoraussetzung gem. § 750 Abs. 2 ZPO). Bedarf es im Falle der titelergänzenden Klausel oder der Rechtsnachfolge keines Nachweises in öffentlich oder öffentlich beglaubigter Form, sondern sind die entsprechenden Erkenntnisse offenkundig im Sinne von § 291 ZPO, hat dies das Klauselorgan in der Klausel zu erwähnen. Andernfalls dürfte die Klausel unvollständig sein. Unstreitig ist in Literatur und Rechtsprechung, dass in einzelnen Fällen von der strengen Form der Vorlage der öffentlich oder öffentlich-beglaubigten Form abgewichen werden kann, wenn beispielsweise materiell-rechtliche Vorschriften den Bedingungseintritt oder die Rechtsnachfolge in anderer „geringer Form“ eintreten lassen. So ist beispielsweise beim Abtretungsvertrag in der Regel nur die Zustellung der Abtretungserklärung (entsprechend § 403 BGB) zu verlangen. Ebenfalls dürfte auch im Falle des Bedingungseintritts durch Kündigung die Zustellung einer schriftlichen Kündigungserklärung ausreichend sein. Die Formvorschrift des §§ 726, 415 ZPO erstreckt sich insoweit nur auf die Zustellungsurkunde. Aus diesem Grundgedanken heraus hat das Vollstreckungsgericht im angefochtenen Beschluss auch die Klausel in der Form verlangt, dass diese die Kündigung sowie auch die Zustellungsurkunde erwähnt.

Nicht nachvollzogen werden kann vom Vollstreckungsgericht auch weiterhin nicht die Auffassung, dass es zwar keiner qualifizierten Klausel bedarf bzw. das Klauselorgan ohne entsprechende Nachweisprüfung eine qualifizierte Klausel erteilt; der Bedingungseintritt dann aber vom Vollstreckungsgericht, beispielsweise durch das Vorliegen des Kündigungsschreibens – bezogen auf die Grundschuld – und den Fristablauf (kein Fristablauf im Sinne von § 751 ZPO!) von 6 Monaten – zu überprüfen ist. Diese Verfahrensweise würde grade dazu führen, dass hier die strickte verfahrensrechtliche Trennung der Verfahrensabschnitte Klausel- und Vollstreckungsverfahren durchbrochen werden.

Soweit das Vollstreckungsgericht hier im vorliegenden Fall die Vollstreckungsklausel im Rahmen eigener Kompetenz „prüft“, liegt dies daran, dass das Gericht grade nicht von einer wirksamen (nicht nichtig; ggf. anfechtbar), sondern von einer nichtigen Klausel ausgeht. Dies ergibt sich nach Auffassung des Vollstreckungsgerichts aus der Tatsache, dass nach eigenem Dafürhalten die Klauselerteilung unter erheblicher und schwerwiegender Fehlerhaftigkeit leidet, sodass von einer Nichtigkeit der Klausel auszugehen ist. Soweit Stöber in der zitierten Kommentarstelle von der Nichtigkeit der Klausel ausgeht, ist dies insbesondere mit dem seiner Auffassung nach nichtigen Nachweisverzicht im Sinne von § 726 Abs. 1 ZPO verbunden. Das Gericht hält hier unabhängig davon die Klausel bereits für nichtig, da sie den Anforderungen einer wirksamen Klausel bereits objektiv und nach oberflächlicher Prüfung bereits nicht erfüllen kann. Der Notar bescheinigt noch am Tage der Beurkundung die Vollstreckungsreife, obwohl diese bereits auf den ersten Blick nicht eingetreten sein kann.

Das Vollstreckungsgericht folgt insoweit auch nicht den Ausführungen der Gläubigerseite, die vorträgt, dass die Kündigung bzw. die Herbeiführung der Verwertungsreife im Falle der dinglichen Zinsen §§ 1234, 1193 Abs. 1 S. 3 BGB eine materiell-rechtliche Voraussetzung darstellt, die im Rahmen der Vollstreckung aus der Unterwerfungserklärung unbeachtlich wäre. Richtig ist vielmehr, dass in Fällen der titelergänzenden Klausel nach § 726 Abs. 1 ZPO materiell-rechtliche Aspekte vollstreckungsrechtlich „durchschlagen“ und insoweit zu beachten sind und auch im Rahmen des prozessualen Vollstreckungsverhältnisses zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner eingetreten sein müssen; letztlich also auch auf dieser Ebene Berücksichtigung finden.

Nach erster vorsichtiger Einschätzung des Vollstreckungsgerichts steht auch die Urteilsentscheidung des Landgerichts Münster vom 20.11.2014 – 14 0 ###/14 – der bisher vom Vollstreckungsgericht vertretenen Auffassung nicht entgegen. Das Vollstreckungsgericht kennt den entschiedenen Sachverhalt nicht. Offenbar war aber beim Landgericht Münster ein Klageverfahren anhängig, welches darauf abzielte, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars für unzulässig zu erklären, sowie die Vollstreckung bis zum Erlass des Urteils einstweilen einzustellen. Mit Zuschlagsbeschluss vom 30.9.2014 ging offenbar dann das Eigentum an dem Grundstück auf einen Dritten über. Die Klägerseite beantragte sodann die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Die Beklagte, hier offenbar die Vollstreckungsgläubigerseite, beantragte die Klageabweisung. Im Rahmen des Klageverfahrens war offenbar auch die Frage zu klären, ob ggf. eine Fälligkeit durch rechtzeitige Kündigung der Grundschuld herbeigeführt worden sei und die 6-monatige Kündigungsfrist bereits abgelaufen war. Der landgerichtlichen Entscheidung ist zu entnehmen, dass offenbar die erste Kündigung als nicht wirksam anzusehen war; vielmehr wurde in der Zustellung der Grundschuldbestellungsurkunde offenbar dann die Kündigung gesehen; der Ablauf der Kündigungsfrist von 6 Monaten war aber offensichtlich noch nicht erfolgt. Daher wurde dem Antrag der Klägerseite auch stattgegeben. Aus der getroffenen Entscheidung ergibt sich nicht, dass sich das Gericht explizit mit Fragen des Klauselverfahrens auseinander gesetzt hat. Anzumerken ist an dieser Stelle aus Sicht des Vollstreckungsgerichts, dass offenbar vor dem Zuschlag am 30.9.2014 das Landgericht im einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 11.6.2014 die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde auf Antrag der Klägerin bis zum Erlass des Urteils in dieser Sache ohne Sicherheitsleistung gem. § 769 ZPO einstweilen eingestellt hatte. Es dürften insoweit noch weitere Sachverhalte eingetreten sein, die die einstweilige Einstellung des Verfahrens beseitigt haben, um letztlich zum abschließenden Zuschlag zu gelangen.

Das Vollstreckungsgericht hält auch die teilweise Anordnung der Zwangsversteigerung wegen der dinglichen Zinsen bzw. wegen der persönlichen Forderung in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG für nicht zulässig.

Der vorliegende Vollstreckungstitel trägt nur eine Vollstreckungsklausel, nämlich die notariell erteilte Klausel vom 7.2.2013. Die Vollstreckungsklausel trägt den Wortlaut: „Vorstehende Verhandlungsniederschrift, welche wörtlich mit dem Original übereinstimmt, wird hiermit zum zweiten Male ausgefertigt und als vollstreckbare Ausfertigung der … zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt.“. Die Vollstreckungsklausel bezieht sich somit auf den gesamten Inhalt der Urkunde und ist nicht getrennt nach einzelnen Ansprüchen erteilt worden.

Soweit das Gericht hier die Nichtigkeit der Klausel annimmt, müsste für den Fall, dass im Übrigen eine Anordnung der Zwangsversteigerung für zulässig erachtet wird, von einer ggf. Teilnichtigkeit auszugehen sein. Von der Möglichkeit einer Teilnichtigkeit der Klausel wird hier im Zweifel nicht ausgegangen. Zwar findet sich im allgemeinen materiellen Recht die Vorschrift § 139 BGB. Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Nach Palandt, BGB, Rdn. 2 ff. zu § 139 BGB findet unstreitig die vorgenannte Vorschrift bzw. der Rechtsgedanke grundsätzlich auf Rechtsgeschäfte jeder Art Anwendung. Weiter heißt es, dass § 139 BGB auch auf Eintragungen im Grundbuch entsprechende Anwendung finden kann, nicht aber im Grundbuchberichtigungsverfahren und auch nicht auf Eintragungen im Vereins-, Handels- und Genossenschaftsregister. Ebenfalls findet im öffentlichen Recht § 139 BGB nicht entsprechende Anwendung. Ob daraus geschlossen werden kann, dass eine Anwendung im zivilrechtlichen Verfahrensrecht und hier dann im Klauselerteilungsverfahren gestattet ist, darf zumindest bezweifelt werden. Für Verwaltungsakte regelt offenbar das Verwaltungsverfahrensgesetz in § 44 Abs. 4 VerVfG die Frage der Teilnichtigkeit. Dort heißt es: „Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.“. Die Übertragbarkeit dieses Rechtsgedankens auf das zivile Verfahrensrecht/Klauselerteilungsrecht dürfte nicht gänzlich zu verneinen sein.

Letztlich kann die Beantwortung dieser Frage aber auch dahingestellt bleiben. Aus Sicht des Gerichts ist auch im Hinblick auf eine Anordnung der Zwangsversteigerung wegen dinglicher Zinsen nicht von einer wirksamen Vollstreckungsklausel auszugehen. Vielmehr hält der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 30.3.2017 – V ZB 84/16 – die Zwangsversteigerung aus einer vollstreckbaren Sicherungsgrundschuld wegen der dinglichen Zinsen nur dann für zulässig, wenn in Rechtsanalogie zu § 1234, § 1193 Abs. 1 S. 3 BGB die Kündigung des Kapitals der Grundschuld oder die Androhung der Zwangsversteigerung und das Verstreichen einer Wartefrist von sechs Monaten, erfolgt ist.

Wie aus der bereits angefochtenen Entscheidung vom 26.6.2018 ersichtlich, betont der Bundesgerichtshof hier nochmals ausdrücklich, welche Zielsetzung mit dem Risikobegrenzungsgesetz verbunden war. Der Schuldner sollte vor einer „überraschenden Vollstreckung“ und damit auch einhergehend vor einem „unzumutbaren“ Handlungsdruck geschützt werden. Für die dinglichen Zinsen gelten insoweit also die gleichen Grundsätze wie für den Grundschuldkapitalbetrag selbst. Insoweit dürften auch die Ausführungen von Stöber zur Frage der Nichtigkeit argumentativ die dinglichen Zinsen umfassen; ein entsprechender Nachweis für den Eintritt der Fälligkeit wäre somit notwendig. Die am 7.2.2013 erteilte Klausel dürfte entsprechend der bereits gemachten Ausführungen auch insoweit nichtig sein.

Wie die Gläubigerin in der Beschwerdebegründungsschrift näher ausführt, wäre zumindest die Anordnung der Zwangsversteigerung wegen der persönlichen Zahlungsansprüche, welche ebenfalls in der Urkunde vom 7.2.2013 tituliert sind, vorzunehmen; insoweit wäre eine unrechtmäßige Zurückweisung des Antrages erfolgt.

Das Gericht folgt auch insoweit nicht den Ausführungen der Gläubigerseite. In der Urkunde vom 7.2.2013 – UR-Nr. ###/2013 – ist unter Ziffer 4 das Folgende ausgeführt:

„4. Persönliche Haftung mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung.

4.1. Die Erschienene, nämlich … (Name der Schuldnerin/Eigentümerin) übernimmt hiermit die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages, dessen Höhe der vereinbarten Grundschuld (Kapital, Zinsen, Nebenleistungen) entspricht. Mehrere Schuldner haften als Gesamtschuldner. Jeder Schuldner unterwirft sich wegen dieser Haftung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Dies gilt auch schon vor der Eintragung der Grundschuld im Grundbuch und vor der Vollstreckung in das belastete Grundeigentum sowie für den Fall des Erlöschens der Grundschuld im Zwangsversteigerungsverfahren hinsichtlich des Betrags (Kapital, Zinsen, Nebenleistungen, Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung gem. § 1118 BGB), mit welchem die Gläubigerin hierbei ausgefallen ist. Der Notar hat insbesondere auf die über die Grundschuldsicherheit hinaus übernommene persönliche Schuldverpflichtung hingewiesen und über die daraus folgende Haftung mit dem gesamten Vermögen belehrt. Aus der unter Nummer 1 bestellten Grundschuld und der übernommenen persönlichen Haftung darf sich die Gläubigerin nur einmal in Höhe des Betrags der Grundschuld nebst Zinsen, Nebenleistungen und Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung gem. § 1118 BGB befriedigen.

4.2. Die Erschienene beantragt beim Notar, der Gläubigerin auch insoweit eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen.“.

Generell handelt es sich bei einem Schuldversprechen nach § 780 BGB um einen Vertrag, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll (also insbesondere unabhängig von dem etwaigen Darlehensvertrag). Ein Schuldanerkenntnis stellt einen Vertrag dar, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird; vgl. § 781 BGB. Der Gläubigervertreter führt in der Beschwerdeschrift letztlich die Vorschriften § 780 BGB und § 781 BGB an. Es mag letztlich dahingestellt bleiben, ob hier von einem abstrakten Schuldversprechen oder aber einem Schuldanerkenntnis auszugehen ist. Wesentlich dürfte sein, dass hier das zugrundeliegende Darlehensverhältnis keine Erwähnung findet.

Eine ausdrückliche Fälligkeitsregelung ist in Ziffer 4 nach dem Dafürhalten des Gerichts im Wortlaut nicht erkennbar. Bisher wurde in der Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass hier ggf. auch die sofortige Fälligkeit vereinbart werden kann (vgl. OLG Köln, B.v.19.4.2013 – 2 W 54/13; openJur 2013, 37045). Wie angemerkt, ist eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung nicht erkennbar. Insoweit dürfte ggf. § 271 Abs. 1 BGB anwendbar sein. Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. Nach Auffassung des Gerichts dürfte hier die zweite Alternative, nämlich „aus den Umständen zu entnehmen“ im Zweifel für die Frage der Fälligkeit herangezogen werden. Laut Palandt, BGB, Rdn. 9 zu § 271 BGB („Bestimmung durch die Umstände“) besagt, dass auf diese bei der Frage der Fälligkeit abzustellen ist, wenn eine vertragliche Vereinbarung und gesetzliche Sondervorschriften fehlen.

Die urkundliche Vereinbarung unter Ziffer 4 in Bezug auf die persönliche Haftung enthält in Bezug auf den Umfang der persönlichen Haftung wegen Kapital, Zinsen, Nebenleistungen und dinglicher Rechtsverfolgungskosten Verweisungen auf die bestellte Grundschuld. Insoweit bietet sich nach Auffassung des Gerichts eine Parallelität zur Grundschuld. Dies wiederum dürften im Zweifel Umstände darstellen, die es rechtfertigen, Vergleiche auch in Bezug auf die Regelungen zur Frage der Fälligkeit der Grundschuld aus § 1193 BGB zu bilden. Insoweit dürfte also nicht von einer – unabhängig von der Grundschuld – bestehenden sofortigen Fälligkeit auszugehen sein.

Bestärkt wird das Gericht in seiner Auffassung durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.3.2017. Dort heißt es unter Rdn. 31.:“Nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers sind entsprechend § 1193 Abs. 2 S. 2 BGB auch das Erfordernis einer Versteigerungsandrohung bzw. einer Kündigung des Kapitals und das Verstreichen der Wartefrist nicht abdingbar. Hiervon könnte nach § 307 Abs. 1 BGB auch nicht durch die Vereinbarung eines vollstreckbaren abstrakten Schuldanerkenntnisses zugunsten des Grundschuldgläubigers abgewichen werden. Diese Erfordernisse gälten deshalb auch, wenn der Gläubiger einer Grundschuld die Zwangsversteigerung wegen einer persönlichen Forderung auf Grund eines vollstreckbaren abstrakten Schuldversprechens zu seinen Gunsten betreibt.“.

Ggf. wäre bei direkter entsprechender Anwendung von § 1193 Abs. 1 BGB n.F. auf die persönliche Haftung aus Schuldversprechen/Schuldanerkenntnis insoweit sogar von einer gesetzlichen Sondervorschrift im Sinne der zitierten Kommentierung zu § 271 Abs. 1 BGB auszugehen, sodass der „Umweg“ über die aus dem Sachverhalt zu entnehmenden Umstände gar nicht zu gehen wäre.

Abschließend möchte das Gericht bei der Abwägung der unterschiedlichen Interessen zwischen Gläubiger und Schuldner und der insoweit bisher nach Darstellung des Gläubigervertreters beschriebenen gängigen Praxis noch auf einen im Internet frei zugänglichen Auszug aus der Stellungnahme der Bundesnotarkammer zumindest hinweisen:

„Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) – Auswirkungen auf den Umgang mit Grundschulden in der notariellen Praxis (zuletzt Rundschreiben Nr. 7/2008)

Mit Rundschreiben Nr. 7/2008 hatten wir Sie darüber informiert, dass im politischen Raum verschiedene Lösungen diskutiert wurden, um die im Zusammenhang mit dem Verkauf von Immobiliardarlehen bei vielen Grundstückseigentümern entstandene Beunruhigung beizulegen und jene vor ungerechtfertigten Vollstreckungsmaßnahmen zu schützen.

… .

Losgelöst von dieser rechtlichen Einschätzung dürfte sich gleichwohl für die Praxis die Frage stellen, ob tatsächlich ein Bedürfnis nach der sofortigen Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung in Bezug auf die Grundschuld ohne Nachweis ihrer Kündigung besteht. Dem Notar bleibt es unbenommen, dem kreditgebenden Gläubiger sogleich eine einfache Ausfertigung zu erteilen. Kommt es in der Folge zu Zahlungsstockungen, gehen wir davon aus, dass die Banken künftig vorsorglich recht schnell eine Kündigung der Grundschuld aussprechen werden. Mit Blick auf eine denkbare Vollstreckungsabwehrklage werden sie dabei zur Sicherung des Nachweises in aller Regel die Kündigung über den Gerichtsvollzieher zustellen lassen. Da die Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers bzw. des von ihm betrauten Postzustellungsunternehmens wiederum zugleich zulässiges Beweismittel im Sinne des § 726 Abs. 1 ZPO wäre, dürfte auch verfahrenstechnisch nicht allzu viel dagegen sprechen, die materiell-rechtlich notwendige Kündigung in die Zwangsvollstreckungsunterwerfung aufzunehmen und zur Vollstreckungsvoraussetzung im Sinne der §§ 795, 726 Abs. 1 ZPO zu machen (in diesem Sinne Wolfsteiner, a.a.O., Rn. 6.45 f.). Legt das Kreditinstitut mit dem Zustellungsnachweis zugleich die ihm zuvor erteilte einfache Ausfertigung der Grundschuldbestellung vor, wäre selbst bei Jahre zurückliegenden Grundschuldbestellungen die Erteilung der Vollstreckungsklausel ohne weitere Verzögerung möglich.

Zwar löst dieses Verfahren eine eigene Gebühr nach § 133 KostO aus, die – wie die Kosten der Grundschuldbestellung – wohl der Schuldner zu tragen hätte. Da die aufgeschobene, vom Nachweis abhängig gemachte Erteilung der Vollstreckungsklausel jedoch eher seinen Interessen entsprechen wird als die sofortige Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, dürfte die Praxis dies in Kauf nehmen. Schließlich würde diese Gestaltung in besonderem Maße auch dem vom Gesetzgeber gewollten Ziel Rechnung tragen, dem Schuldner vor Beginn von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einen „Warnschuss“ zu erteilen. Auch würden sich damit verbleibende Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit eines Nachweisverzichts erledigen.“.

Auch aus diesem Rechtsgedanken heraus dürfte die von Stöber vertretene Rechtsauffassung betrachtet werden. Dem Schutzgedanke des Gesetzgebers, der auch von verschiedenen Gerichten zwischenzeitlich im Rahmen von vollstreckungsrechtlichen Klageverfahren immer wieder betont wird, würde durch die gängige Praxis des Nachweisverzichts bzw. die sofortige Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung – teils in Kenntnis des Nichtvorliegens der Voraussetzung der Vollstreckungsreife – nicht genüge getan.

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