AG Münster – Az.: 9 K 4/18 – Beschluss vom 26.06.2018
Der Antrag der Gläubigerin vom 2.2.2018 auf Anordnung der Zwangsversteigerung wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die am 7.2.2013 erteilte Vollstreckungsklausel ist nichtig.
Insoweit fehlt es bereits an einer allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzung.
Es bedarf der Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel (titelergänzende Vollstreckungsklausel) gemäß § 726 Abs. 1 ZPO. Im Rahmen der Prüfung der besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen ist hier sodann auch § 750 Abs. 2 ZPO beachtlich. Danach sind dem Vollstreckungsgericht neben zugestelltem Titel und zugestellter Vollstreckungsklausel auch die in der Klausel näher bezeichneten Urkunden (hier: schriftliche Kündigungserklärung; Zustellungsurkunde) vorzulegen. Die Vollstreckungsklausel bedarf überdies auch der Feststellung, dass diese nach Ablauf der 6 monatigen Kündigungsfrist erteilt worden ist.
I. Sachverhalt
Mit Schreiben vom 2.2.2018 beantragten die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin die Anordnung der Zwangsversteigerung des im Wohnungseigentumsgrundbuch von I eingetragenen Wohnungseigentums.
Dem Antrag ist die vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars H aus Münster vom 7.2.2013 – UR-Nr. ####/2013 sowie eine beglaubigte Ablichtung des Kündigungsschreibens der Verfahrensbevollmächtigten an die Eigentümerin vom 5.7.2017 nebst Vollmacht und Zustellungsnachweis beigefügt.
Beantragt wird die Anordnung der Zwangsversteigerung sowohl wegen eines dinglichen wie auch eines persönlichen Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung bzw. Zahlung. Der dingliche Anspruch wird dabei aus der eingetragenen Grundschuld über 117.000,00 EUR nebst Zinsen und Nebenleistung aus dem Rang Abt. III Nr. 4 geltend gemacht.
Im Antrag heißt es sodann weiter: „Die vorgenannte Grundschuld ist nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes beurkundet worden. Die Kündigung der Grundschuld ist erfolgt und die sechsmonatige Kündigungsfrist abgelaufen. Damit liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsversteigerung wegen des Grundschuldkapitals nebst Zinsen und Nebenleistung vor.“.
Das Gericht hatte mit Zwischenverfügung vom 14.2.2018 die Anordnung der Zwangsversteigerung zurückgestellt und der Antragstellerseite auch die aus seiner Sicht bestehenden Anordnungshindernisse mitgeteilt.
In der Zwischenverfügung wurde auf die Kommentierung in Stöber, ZVG, 21. Auflage, Rdn. 15.3. zu § 15 ZVG hingewiesen. Es handele sich im vorliegenden Fall um eine einfache Klausel gem. § 724 ZPO. Nach dem Dafürhalten des Gerichts sei eine qualifizierte Klausel im Sinne von § 726 ZPO vorzulegen; diese müsse nach durchgeführter Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist, also nach Eintritt der Fälligkeit der Grundschuld, erteilt werden. Nach Ansicht des Gerichts ist in der vom Notar zu erstellenden Vollstreckungsklausel auch die Kündigung mit Datum sowie der Ablauf der Kündigungsfrist von 6 Monaten als Eintrittsvoraussetzung zur Fälligkeit zu benennen. Die Vollstreckungsklausel sei dann gem. § 750 Abs. 1 ZPO zuzustellen. Die Vorlage der übrigen Zustellungsnachweise (Kündigungsschreiben, Zustellungsnachweis, ggf. Nachweis der Zustellung von Vertretungsnachweisen der PSD-Bank) basiert auf § 750 Abs. 2 ZPO.
Im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der offensichtlich erfolgten Kündigung wurde nur informatorisch angemerkt, dass nach Ansicht des Gerichts auch die Vertretungsbefugnis im Zusammenhang mit der Gläubigerin zu prüfen sein dürfte. Hier dürfte ggf. zu prüfen sein, inwieweit die Bevollmächtigung durch die PSD-Bank wirksam ist; ggf. wäre ein Vertretungsnachweis notwendig und ebenfalls zuzustellen.
Die Gläubigerseite teile mit Schreiben vom 20.3.2018 mit, dass der Bearbeiter erkrankt sei und insoweit Fristverlängerung zu gewähren sei. Dies erfolgte antragsgemäß.
Mit Schreiben vom 24.4.2018 nahmen die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin sodann ausführlich Stellung. Nach der Stellungnahme der Gläubigerseite ist die vom Gericht unter Berufung auf die Kommentierung in Stöber, ZVG, 21. Auflage, Rdn. 15.3. zu § 15 ZVG vertretene Auffassung unzutreffend. Weiter heißt es u.a.:
„1. „Ein Nachweisverzicht für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung war bereits vor Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes zulässig und ist es auch nach Änderung des § 1193 BGB.“. Desweiteren wird sodann Bezug auf die Ausführungen des Deutschen Notariatsinstituts vom 27.10.2008 DNotl-Report 21/08) genommen. Letztlich wird dort die Auffassung vertreten, dass kein Verstoß gegen das AGB-Gesetz vorliegt und der Nachweisverzicht in Bezug auf § 726 ZPO wirksam ist.“
2. „Die Aufnahme des Nachweisverzichts bezüglich der Fälligkeit der Grundschuldforderung ist auch nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes gängige Praxis der Notare in der Bundesrepublik. Die ganz herrschende Meinung geht – entgegen von der Mindermeinung von Stöber – von der Wirksamkeit des Nachweisverzichts aus.“
3. „Diese Auffassung wird auch vom LG Essen, Az. 7 T 596/2010 (Rpfleger 2011, 288) und aktuell Baumbach/Lauterbach, ZPO, 75. Auflage 2017 (§ 726 Rz. 6 („Fälligkeit“); Thomas/Putzo, ZPO, 38. Auflage 2017, § 727 Rdn. 6 geteilt. Das Landgericht Hamburg, Az. 328 T 67/15, lässt die Frage offen, verneint aber eine eigene Prüfungskompetenz des Vollstreckungsgerichts hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit der Klausel.“
Die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, welche den Nachweisverzicht für wirksam hält, wird nunmehr auch vom OLG München in seiner Entscheidung vom 23.6.2016, Az. 34 Wx 189/16, bestätigt.“
4. „Dies entspricht auch der tatsächlichen Praxis der Amtsgerichte. Das Büro des Unterzeichners ist bundesweit in Zwangsversteigerungsverfahren zuständig und die Anordnung der Zwangsversteigerung erfolgte und erfolgt jedenfalls bezüglich der diesseits angerufenen Amtsgerichte durchweg auch bei Vorlage von Grundschuldbestellungsurkunden, welche nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes beurkundet worden sind und einen Nachweisverzicht enthielten. Unbeschadet hiervon müssen natürlich die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen und es muss nach diesseitiger Auffassung die Fälligkeit des Grundschuldkapitals nebst Zinsen dargelegt und ggf. auch glaubhaft gemacht werden, um eine unberechtigte Vollstreckung auszuschließen (z.B. bei Antrag auf Zwangsversteigerung wegen Grundschuldkapital vor Ablauf von sechs Monaten seit Bewilligung der Grundschuld – Ablauf der Kündigungsfrist faktisch nicht möglich – ).“
II. Entscheidungsgründe
Das Gericht hat sich mit den Argumenten der Antragstellerseite ausführlich auseinander gesetzt. Letztlich kann der Auffassung jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr liegt nach Meinung des Vollstreckungsgerichts eine nichtige und damit nicht wirksame Vollstreckungsklausel vor. Etwaige Nachweise im Sinne von §§ 726 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 750 Abs. 2, 795 ZPO sind ebenfalls zuzustellen und dem Gericht in öffentlich oder öffentlich beglaubigter Form vorzulegen. Auch eine Anordnung der Zwangsversteigerung „nur“ wegen der Zinsen und ggf. der Nebenleistungen in Verbindung mit einer Teilzurückweisung, soweit die Anordnung auch wegen des Kapitals erfolgen soll, ist unzulässig und kann daher nicht erfolgen. Das Landgericht Hamburg hatte seinerzeit entschieden (Beschluss vom 9.12.2013 und 20.1.2014 – 328 T 94/13), dass hinsichtlich der Vollstreckung aus dem Grundschuldkapital eine vom Vollstreckungsgericht zu berücksichtigende offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt, wenn eine Kündigung bei Klauselerteilung noch nicht vorliegen kann. Eine Vollstreckung hinsichtlich der Zinsen ist hingegen möglich, weil die Fälligkeitsvoraussetzungen der Zinsansprüche nicht von § 1193 BGB erfasst sind und sich die Fälligkeit aus der Urkunde selbst ergibt. Sofern die Vollstreckung aus dem Kapital und den Zinsen betrieben wird, ist entsprechend zwischen dem Kapital und den Zinsen zu differenzieren.
Das Landgericht Hamburg äußerte sich zur Frage der Prüfung der Klauselerteilung bei Kapital bzw. Zinsen im Hinblick auf § 1193 BGB wie folgt:
„Die Kammer hält daran fest, dass hinsichtlich der Vollstreckung aus dem Grundschuldkapital eine vom Vollstreckungsgericht zu berücksichtigende offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt, wenn eine Kündigung bei Klauselerteilung noch nicht vorliegen kann. Eine Vollstreckung hinsichtlich der Zinsen ist hingegen möglich, weil die Fälligkeitsvoraussetzungen der Zinsansprüche nicht von § 1193 BGB erfasst sind und sich die Fälligkeit aus der Urkunde selbst ergibt. Sofern die Vollstreckung aus dem Kapital und den Zinsen betrieben wird, ist entsprechend zwischen dem Kapital und den Zinsen zu differenzieren.“
LG Hamburg, Hinweisbeschluss vom 09.12.2013 sowie Beschluss vom 20.01.2014, 328 T 94/13
Aus den Gründen des Hinweisbeschlusses vom 09.12.2013:
„Die Kammer weist darauf hin, dass sie beabsichtigt, den angegriffenen Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts aufzuheben. Zwar hält die Kammer an ihrer Auffassung fest, dass hinsichtlich der Vollstreckung aus dem Grundschuldkapital eine vom Vollstreckungsgericht zu berücksichtigende offensichtliche Unrichtigkeit der erteilten Klausel mit Kündigungsnachweisverzichts vorliegt, wenn eine Kündigung bei Klauselerteilung noch nicht vorliegen kann (vgl. etwa die Beschlüsse der Kammer vom 8.3.2013 – 328 T 21/13 – sowie vom 18.4.2013 – 328 T 32/13). Dies gilt jedoch nicht, soweit – wie vorliegend – die Vollstreckung nur hinsichtlich der Zinsen betrieben wird (vgl. Beschluss vom 15.10.2013 – 328 T 79/13). Soweit die Zwangsvollstreckung sowohl aus dem Grundschuldkapital als auch der Zinsen betrieben wird, beabsichtigt die Kammer, künftig nicht länger daran festzuhalten, dass die Klausel insgesamt offensichtlich unrichtig erteilt worden ist, sondern wird in der vorstehend aufgezeigten Weise zwischen dem Grundschuldkapital und den Zinsen differenzieren.“
Aus den Gründen des Beschlusses vom 20.01.2014:
„Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom … ist zulässig und begründet.Die Zwangsversteigerung erfolgt aufgrund des der Gläubigerin aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars … vom … (Urkundenrollen-Nr.: …) zustehenden Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das streitbefangene Grundstück aus der in Abteilung III unter der laufenden Nr. … eingetragenen Grundschuld über … EUR wegen Zinsen in Höhe von … % p. a. aus einem Betrag von … EUR seit dem … sowie wegen der Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung.
Auch wenn die jeweiligen Vollstreckungsorgane grundsätzlich nur zu prüfen haben, ob eine vollstreckbare Ausfertigung vorhanden ist und diese ordnungsgemäß, d. h. von der zuständigen Amtsperson, erteilt worden ist, mithin die mit der Vollstreckungsklausel bescheinigten sachlichen Erfordernisse der Vollstreckung grundsätzlich der Nachprüfung außerhalb klauselinterner Rechtsbehelfe entzogen sind, hält die Kammer daran fest, dass dies nicht gilt, wenn die Klauselerteilung offensichtlich fehlerhaft ist, wenn etwa eine Kündigung bei Klauselerteilung noch nicht vorliegen kann (vgl. etwa die Beschlüsse der Kammer vom 8.3.2013 – 328 T 21/13 – sowie vom 18.4.2013 -328 T 32/13).
Da vorliegend die Vollstreckung ausschließlich wegen der Grundschuldzinsen erfolgt und die Fälligkeitsvoraussetzungen der Zinsansprüche nicht vom Regelungsbereich des § 1193 BGB erfasst sind, sich die Fälligkeit der Grundschuldzinsen vielmehr aus der vollstreckbaren Urkunde selbst ergibt, bedurfte es insoweit hinsichtlich der Klauselerteilung keiner weiteren Voraussetzungen, weshalb die Klauselerteilung bezüglich einer Vollstreckung wegen der Zinsen nicht zu beanstanden ist. Die Fälligkeit der Grundschuldzinsen orientiert sich an § 751 Abs. 1 ZPO, ist mithin im Rahmen der Vollstreckung durch das jeweilige Vollstreckungsorgan zu beachten, stellt jedoch keine Bedingung im Sinne des § 726 Abs. 1 ZPO dar, deren Eintritt im Klauselverfahren hätte bewiesen werden müssen.
Im Übrigen wird auf den Hinweisbeschluss vom 9.12.2013 Bezug genommen.“
Dieser Ansatz lässt sich nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.3.2017 – V ZB 84/16 – allerdings nicht mehr aufrechterhalten.
Dort heißt es im Tenor „Die Zwangsversteigerung aus einer vollstreckbaren Sicherungsgrundschuld wegen der dinglichen Zinsen setzt in Rechtsanalogie zu § 1234, § 1193 Abs. 1 S. 3 BGB die Kündigung des Kapitals der Grundschuld oder die Androhung der Zwangsversteigerung und das Verstreichen einer Wartefrist von sechs Monaten voraus.“.
Weiter heißt es in der getroffenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Einzelnen in Bezug auf den Wortlaut des § 1193 BGB n.F.und den Umfang seiner Regelung auf Seite 8 ff. Rdn. 16-18:
„aa) Die Regelung in Artikel 6 Nr. 8 des Risikobegrenzungsgesetzes ist planwidrig unvollständig.
(1) Der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat die Fälligkeit des Grundschuldkapitals von einer Kündigung und dem Verstreichen einer Kündigungsfrist von sechs Monaten abhängig gemacht, weil die sofortige Fälligkeit des Kapitals dem, was die Beteiligten gewöhnlich beabsichtigten, nicht entspreche und es deren Vorstellungen, aber auch dem Zweck der Grundschuld am ehesten entspreche, die Fälligkeit des Kapitals von einer Kündigung und einer geräumigen Kündigungsfrist abhängig zu machen (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. III 1899 S. 440 = Motive III S. 788). Diese Frist zur Vorbereitung auf die Ablösung des Grundschuldkapitals hat der Gesetzgeber dem Schuldner mit der Einführung der Unabdingbarkeit des § 1193 Abs. 1 BGB bei Sicherungsgrundschulden durch den seinerzeit angefügten § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB erhalten wollen. In der Erläuterung dieser Änderung im Bericht des federführenden Finanzausschusses des Bundestags heißt es dazu, von der Möglichkeit, gemäß dem heutigen § 1193 Abs. 2 Satz 1 BGB von der Kündigungsregelung in § 1193 Abs. 1 BGB abzuweichen, werde in der Praxis vielfach Gebrauch gemacht. Üblich seien – jedenfalls bei Sicherungsgrundschulden – Vereinbarungen, wonach die Grundschuld sofort fällig sein solle oder wonach sie sofort und fristlos gekündigt werden könne. Werde von einer derartigen Bestimmung Gebrauch gemacht, könne dies den Schuldner in eine schwierige Situation bringen, auf die er nicht eingestellt sei. Er gerate zeitlich unter großen Handlungsdruck. Ein zwingendes Erfordernis für die Vereinbarung einer sofortigen fristlosen Kündigung der Sicherungsgrundschuld sei indes, auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gläubigers, nicht ersichtlich (zum Ganzen BT-Drucks. 16/9821 S. 17). Mit der Einführung von § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB sollte nicht nur technisch-formal eine von der Kündigungsregelung in § 1193 Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung untersagt, sondern auch sichergestellt werden, dass dem Schuldner einer Sicherungsgrundschuld die Kündigungsfrist von sechs Mona-ten ungeschmälert erhalten bleibt und er diesen Zeitraum nutzen kann, sich ohne den zusätzlichen Druck eines laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens auf die durch die Kündigung des Kapitals der Grundschuld entstandene Situation einzustellen.
(2) Dieses Ziel lässt sich mit der Einführung der Unabdingbarkeit der Kündigungsregelung in § 1193 Abs. 1 BGB bei Sicherungsgrundschulden allein nicht erreichen. Der Gesetzgeber hat übersehen, dass der Gläubiger die dem Schuldner zugedachte Gelegenheit zur Abwendung der Zwangsversteigerung durch eine Zwangsversteigerung wegen der Zinsen unterlaufen kann und – wie nicht zuletzt das vorliegende Verfahren zeigt – in vielen Fällen auch unterlaufen wird. Das war erkennbar nicht gewollt.“
In Bezug auf die vollstreckungsrechtliche Unterscheidung zwischen Kapitalanspruch und Grundschuldzinsen (sowie sonstigen Nebenleistungen) auf Seite 14 ff. Rdn. 29 -32 der Entscheidung:
„(c) Die für die Vollstreckung wegen der Grundschuldzinsen (und der sonstigen Nebenleistungen einer Grundschuld) anzustrebende Unterscheidung zwischen Fälligkeit und Verwertungsreife hat der Gesetzgeber indessen bei der Verwertung des Pfandrechts an einer beweglichen Sache vorgesehen. Nach § 1228 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Pfandgläubiger zum Verkauf der verpfändeten Sachen berechtigt, sobald die Forderung ganz oder zum Teil fällig ist. Er darf den Verkauf aber nach § 1234 BGB nicht sofort, sondern erst vornehmen, wenn er dem Schuldner den Verkauf der Pfandsache angedroht hat und eine Warte-frist verstrichen ist. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber erreichen, dass der Schuldner von dem Plan des Gläubigers, die Sache zu verkaufen, erfährt und sich auf die Lage einstellen, etwa Geldmittel zur Auslösung der Sache beschaffen oder Rechtsmittel gegen die Verwertung ergreifen kann (Staudinger/Wiegand, BGB [2009], § 1234 Rn. 1). Genau darum ging es dem Gesetzgeber auch bei der Einführung der Unabdingbarkeit der Kündigungsregelung in § 1193 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift des § 1234 BGB ist deshalb auf die Verwertung der Grundschuld bei zwei Modifikationen entsprechend anzuwenden, mit der Folge, dass der Grundschuldgläubiger die Zwangsversteigerung wegen der Grundschuldzinsen erst beantragen darf, wenn er sie dem Schuldner angedroht hat und eine Wartefrist verstrichen ist (in ähnliche Richtung schon Derleder, ZIP 2009, 2221, 2224 Fn. 24; Otten, Sicherungsvertrag und Zweckerklärung, 2003, Rn. 717). Die erste Modifikation betrifft die Länge der Wartefrist. Sie ist in § 1234 Abs. 2 Satz 1 BGB mit einem Monat bemessen, was bei Grundstücken zu kurz ist. Bei deren Zwangsversteigerung bedarf es eines längeren Zeitraums, für dessen Bemessung auf die Länge der Kündigungsfrist in § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB zurückgegriffen werden kann. Die zweite Modifikation betrifft das Verhältnis zur Kündigung des Kapitals. Eine eigenständige Androhung ist erforderlich, wenn der Gläubiger von der Kündigung des Kapitals (zunächst) absieht und ohne Kündigung des Kapitals die Zwangsversteigerung wegen der Zinsen betreibt. Hat er das Kapital indessen gekündigt, ist das dem Schuldner Warnung genug. Es bedarf dann keiner zusätzlichen Androhung. Es erscheint ausreichend, wenn der Gläubiger die in Anlehnung an § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB auf sechs Monate verlängerte Wartefrist analog § 1234 Abs. 2 Satz 1 BGB abwartet, wozu er dann aber in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auch verpflichtet ist.
(d) Nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers sind entsprechend § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB auch das Erfordernis einer Versteigerungsandrohung bzw. einer Kündigung des Kapitals und das Verstreichen der Wartefrist nicht abdingbar. Hiervon könnte nach § 307 Abs. 1 BGB auch nicht durch die Vereinbarung eines vollstreckbaren abstrakten Schuldanerkenntnisses zugunsten des Grundschuldgläubigers abgewichen werden. Diese Erfordernisse gälten deshalb auch, wenn der Gläubiger einer Grundschuld die Zwangsversteigerung wegen einer persönlichen Forderung auf Grund eines vollstreckbaren abstrakten Schuldversprechens zu seinen Gunsten betreibt.
d) Danach hätte die Gläubigerin die Zwangsversteigerung wegen der Grundschuldzinsen zwar neben der erklärten Kündigung nicht zusätzlich androhen müssen. Sie hätte aber analog § 1234 Abs. 2 Satz 1, § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB eine Wartefrist von sechs Monaten abwarten müssen. Die war bei Antrag-stellung nicht verstrichen. Der Antrag war deshalb unbegründet.“
Das Landgericht Magdeburg hat in seiner unveröffentlichten Entscheidung vom 18.12.2013 – 11 T 525/13 ebenso die Auffassung vertreten, dass eine Vollstreckungsklausel bei einer Kündigung einer Sicherungsgrundschuld nach dem Risikobegrenzungsgesetz erst nach Ablauf der Kündigungsfrist erteilt werden darf.
Auszug aus den Gründen insoweit: “
„Das Vollstreckungsgericht hat zu Recht die Anordnung der Zwangsversteigerung mit Beschluss vom 09.10.2013 zurückgewiesen. Insoweit wird auf die ausführlichen und inhaltlich nicht zu beanstandenden Ausführungen des Vollstreckungsgerichts mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 19.11.2013 verwiesen, denen sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt.Denn bei der Grundschuld handelt es sich um eine nach dem 19.08.2008 bestellte Grundschuld, die den Vorschriften des Risikobegrenzungsgesetzes unterliegt. Danach kann das Grundschuldkapital erst nach vorangegangener Kündigung mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten fällig gestellt werden. Die Prüfung dieser Voraussetzung obliegt dem für das Klauselverfahren zuständigem Organ, dem Notar. Die Notarin … hat bereits einen Tag nach der Grundschuldbestellung, nämlich am 17.09.2010 eine notarielle Vollstreckungsklausel erteilt. Zu diesem Zeitpunkt lagen offenkundig die Voraussetzungen für die Kündigung nicht vor und die Klausel hätte demgemäß nicht erteilt werden dürfen. In der Literatur wird überwiegend die Meinung vertreten, dass eine Klauselerteilung bei Kündigung erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zulässig ist (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Auflage, § 726 Rdn. 6; Müko-Eickmann, BGB-Kommentar, § 1193 Rdn. 3). Dem schließt sich die erkennende Kammer an. Denn durch die Regelung des § 1193 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. soll eine sofortige und fristlose Kündigung der Grundschuld vermieden werden; der Eigentümer soll durch die Kündigung mit einer Frist von 6 Monaten rechtzeitig vor der Verwertung der Grundschuld gewarnt werden und so ausreichend Zeit erhalten, sich gegen eine ungerechtfertigte Verwertung der Grundschuld zu verteidigen und sich z.B. um eine Umfinanzierung zu kümmern. Es soll nach den Beratungen des Finanzausschusses (Bundestagsdruck 16/9821, S. 23) vermieden werden, dass der Eigentümer durch die bisher übliche sofortige Fälligkeit der Grundschuld unter großen Handlungsdruck gerät, ohne dass hierfür ein berechtigtes Interesse des Eigentümers besteht. Die Klausel hätte daher am 17.09.2010 noch nicht erteilt werden dürfen. Dies ist ein offenkundiger Mangel, der vom Gericht zu beachten war.Auch die Vollstreckungsklausel vom 05.07.2013, die von der Notarin unter Zurückziehung der alten Klausel erstellt wurde, kann keine Vollstreckungsgrundlage bilden. Denn die Klausel muss entweder die erfolgte Kündigung der Grundschuld ausdrücklich erwähnen oder es muss mindestens erwähnt sein, dass die Kündigung der Grundschuld offenkundig ist. Daran fehlt es hier. Die Kammer folgt insoweit der von Stöber vertretenen Auffassung (vgl. Stöber, ZVG, 20. Auflage, § 15 Rdn. 3 und Zöller/Stöber, ZVG, 30. Auflage, § 726 Rdn. 16).Selbst wenn man der Auffassung der Gläubigerin folgend davon ausgehen würde, dass die Kündigung hier offenkundig ist, so hätte dies in der Klausel erwähnt werden müssen (§ 727 Abs. 2 ZPO). In der hier von der Gläubigerin vorgelegten Klausel vom 05.07.2013 ist weder die erfolgte Kündigung der Grundschuld ausdrücklich erwähnt, noch dass die Kündigung der Grundschuld offenkundig ist, so dass die Klausel vom 05.07.2013 ebenfalls keine geeignete Vollstreckungsgrundlage bilden kann.Entgegen der Auffassung der Gläubigerin ist der Nachweisverzicht unzulässig. Insofern folgt die Kammer wiederum der von Stöber vertretenen Auffassung. Für eine nach dem 19.08.2008 bestellte Grundschuld, die der Sicherung einer Geldforderung dient, ist eine abweichende Bestimmung (sofortige Fälligkeit, fristlose Kündigung usw.) nicht zulässig. Das ist zwingend; abweichende Bestimmungen in der vollstreckbaren Urkunde und Befreiung von der Nachweispflicht für die Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 726 ZPO) sind als Gesetzesverstoß daher unwirksam (Stöber, ZVG, 20. Auflage, § 15 Pkt. 3). Ebenso wird die Meinung vertreten von Müko-Eickmann, BGB-Kommentar, § 1193 Rdn. 8). Dem gesetzgeberischen Anliegen des Risikobegrenzungsgesetzes liefe eine Bejahung des Nachweisverzichtes zuwider. Die Kammer schließt sich insofern den Ausführungen des Vollstreckungsgerichts an, da anderenfalls die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Risikobegrenzungsgesetzes begehrten Änderungen des Schuldnerschutzes wieder ausgehebelt werden würden“.“
Bereits aus den von der Antragstellerseite selbst, aber auch aus den vom Gericht hier nur beispielhaft und auszugsweise angeführten Entscheidungen ist ersichtlich, dass die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Fragestellungen in der gerichtlichen Praxis sowie auch der Literatur und Rechtsprechung teils umfangreich diskutiert werden.
Auch ist bei der Diskussion darauf zu achten, dass sich die Fallgestaltungen im Einzelnen auch in verschiedenen Varianten darstellen. Teils sind Fallgestaltungen gegeben, in denen die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung zeitnah mit der Grundschuldbestellung in Zusammenhang steht.
In anderen Fallkonstellationen hat der Notar die vollstreckbare Ausfertigung in zeitlichem Abstand zumindest weit über 6 Monate erteilt, so dass zumindest theoretisch die wirksame Kündigung und der Ablauf der Kündigungsfrist von 6 Monaten im Sinne von § 1193 Abs. 1 BGB erfolgt sein kann. Überdies ist auch strittig, ob und ggf. in welchen Fällen ein Nachweisverzicht im Sinne von § 726 Abs. 1 ZPO statthaft und wirksam ist (siehe insoweit auch die Ausführungen in der von der Gläubigerseite benannten Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 23.6.2016 – 34 Wx 189/16). Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Risikobegrenzungsgesetzes liegt nicht vor.
Das Gericht folgt der ständigen Rechtsprechung, dass grundsätzlich das Vollstreckungsgericht in einem formalen Vollstreckungsverfahren in Abgrenzung zum Klauselerteilungsverfahren nicht die Grundlagen zu überprüfen hat, die zur Erteilung der Vollstreckungsklausel geführt haben. Insoweit sollen Prüfungskompetenz und Einwendungen gegen die Klausel in strikter verfahrensrechtlicher Trennung nicht vermischt werden; vielmehr ist auf die jeweiligen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe des Klauselerteilungsverfahrens zu verweisen (BGH, B. v. 25.10.2012 – VII ZB 57/11; BGH vom 12.1.2012 – VII ZB 71/09; BGH vom 23.5.2012 – VII ZB 31/11).
Das Vollstreckungsgericht hat allerdings im Rahmen der Prüfung der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen insbesondere auch zu prüfen, ob und ggf. inwieweit eine wirksame, d.h. nicht nichtige Klausel vorliegt. Auf der Ebene der besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen ist dann unter Beachtung von § 750 Abs. 2 ZPO zu prüfen, inwieweit die in der Klausel genannten Urkunden in entsprechender Form vorliegen und zugestellt sind.
Das Gericht bejaht im vorliegenden Fall die Überprüfungspflicht im Hinblick auf die Vollstreckungsklausel und schließt sich insoweit der Auffassung auch von Stöber, ZVG, 21. Auflage, Rdn. 15.3. zu § 15 ZVG; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Auflage, Rdn. 12, 16 zu § 797 ZPO an.
Eine von vornherein unwirksame Klausel (= nicht nur anfechtbar da fehlerhaft, sondern nichtig) ist auch vom Vollstreckungsgericht im Rahmen der eigenen Prüfungskompetenz beachtlich und zu beanstanden. Es muss sich der Art nach um grundlegend schwere Mängel handeln, die nicht nur die Fehlerhaftigkeit, sondern darüber hinaus die Nichtigkeit und damit die Unverbindlichkeit für jedermann begründen können (vgl. etwa BGHZ 121, 98/102; Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl. vor § 704 Rdn. 32.).
In der Entscheidung des Oberlandesgerichts München, B. v. 11.9.2013 – 34 Wx 314/13 (Rpfleger 2014, 133 f.) heißt es weiter: „Bei dieser Beurteilung gelten für Vollstreckungsklauseln, deren Erteilung nicht selbst Teil des Vollstreckungsverfahrens ist, dieselben Maßstäbe wie für Verwaltungsakte (BGH WM 2012, 454/455). Für die Beurteilung heranzuziehen ist der Maßstab des § 44VwVfG (BGHZ 121, 98/102); hiernach ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei ständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Die Offenkundigkeit des Mangels verlangt nicht, dass dieser von jedermann sofort erkannt wird; vielmehr gilt die sogenannte Evidenztheorie. Es kommt darauf an, ob die schwere Fehlerhaftigkeit für einen unvoreingenommenen mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist (BGH a.a. O. unter Bezugnahme – u.a. – auf BVerwGE 75, 62/65). Offenkundigkeit kann schon dann zu bejahen sein, wenn der besonders schwere Fehler nur für den „Insider“ offensichtlich ist (BGHZ 121, 98/103; 114, 315/327 f.).“
Das Gericht geht hier davon aus, dass auch im zu entscheidenden Fall eine besonders schwerwiegende Fehlerhaftigkeit vorliegt, so dass die Vollstreckungsklausel nicht nur anfechtbar und damit wirksam, sondern nichtig und daher als nicht vorliegend zu betrachten ist.
Im vorliegenden Fall wurde am 7.2.2013 eine Grundschuldbestellungsurkunde durch den Notar abgefasst. Die Grundschuldbestellerin hat sich als Eigentümerin in der Urkunde auch u.a. der dinglichen Zwangsvollstreckung unterworfen. Auch ist die persönliche Haftung mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung beurkundet. Die Bestellung der Grundschuld umfasst den Kapitalbetrag sowie dingliche Zinsen und eine einmalige Nebenleistung.
In der Urkunde ist dann im Weiteren unter Ziffer 3.3. (weitere Anträge) Buchstabe b) aufgeführt :“Der Eigentümer beantragt beim Notar, der Gläubigerin eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen,“. Weiter heißt es am Schluss des Absatzes: „Es wird auf den Nachweis der Tatsachen verzichtet, die das Entstehen und die Fälligkeit der Grundschuld und der Nebenleistungen bedingen.“.
Noch am Tag der Grundschuldbestellung, dem 7.2.2013, erteilt sodann der beurkundende Notar die nachfolgende Vollstreckungsklausel: „Vorstehende Verhandlungsschrift, welche wörtlich mit dem Original übereinstimmt, wird hiermit zum zweiten Male ausgefertigt und als vollstreckbare Ausfertigung der … zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt.“.
Unstreitig ist hier, dass die Neufassung des § 1193 BGB nach dem Erlass des Risikobegrenzungsgesetzes hier Anwendung findet. Die Altregelung, wonach früher in der Regel die Fälligkeit der Grundschuld sofort eintreten sollte, ist nicht mehr in der Urkunde enthalten. Vielmehr tritt die Fälligkeit des Kapitals gem. § 1193 Abs. 1 BGB erst mit Kündigung und Ablauf einer Kündigungsfrist von 6 Monaten ein. Wie zwischenzeitlich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.3.2017 festgestellt hat, soll eine entsprechende „Vorwarnung des Schuldners“ auch im Falle der Vollstreckung aus Nebenleistungen erfolgen. Der Gesetzgeber habe die Regelungen bzw. den Rechtsgedanken daraus nicht nur auf die Kapitalbeträge, wie es nach dem Wortlaut des BGB nach Neufassung des § 1193 BGB vielleicht den Anschein haben könnte, beschränken wollen. Demnach ist auch insoweit eine „Wartefrist von 6 Monaten“ ab eigenständiger Androhung bzw. Kündigung des Kapitals einzuhalten, bevor mit der vollstreckungsrechtlichen Durchsetzung dieser Ansprüche begonnen werden darf. Daraus resultiert letztlich, dass es zur Durchführung der Vollstreckung aus einem solchen Titel der Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel gem. § 726 Abs. 1 ZPO bedarf. Die wirksame Kündigung sowie der Ablauf der 6-monatigen Kündigungsfrist gem. § 1193 Abs. 1 BGB stellen dabei eine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 726 Abs. 1 ZPO dar, die vom Klauselorgan im Klauselerteilungsverfahren zu beachten ist (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 31. Auflage, Rdn. 3 zu § 726 ZPO).
Der Fristablauf ist nach hiesiger Auffassung nicht unter § 751 Abs. 1 ZPO und somit als besondere Vollstreckungsvoraussetzung zu subsumieren. Danach ist die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig, so darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist. Abhängigkeit von einem Kalendertag besteht, wenn der Tag ohne weiteres nach dem Kalender zu bestimmen ist, so bei Angabe des Datums oder eines bestimmten Tages, außerdem wenn Beginn einer bestimmten Frist nach einem Datum oder Tag bezeichnet ist. Ungewiss ist dagegen der Fälligkeitstag (Fall des § 726), wenn die Leistung zwei Wochen nach Zustellung, seit Rechtskraft, nach Verzug des Schuldners zu erfolgen hat (vgl. insoweit auch Zöller/Stöber, Rdn. 2 zu § 751 ZPO).
Unstrittig ist auch, dass die Voraussetzungen, nämlich die wirksame Kündigung und der Fristablauf vorliegen müssen, bevor mit der Vollstreckung begonnen werden darf. Im Hinblick auf die Klauselerteilung und § 726 Abs. 1 ZPO hat das Klauselorgan zu prüfen, ob ein Fall des § 726 ZPO (titelergänzende Klausel) – also eine aufschiebende Bedingung – gegeben ist. Ist dies zu bejahen, so wird sodann der Bedingungseintritt geprüft. Als dritter Prüfungsschritt schließt sich die Nachweisung des Bedingungseintritts durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden an. An dieser Stelle ist auch anzumerken, dass es sich bei den Formerfordernissen von §§ 726, 727 ZPO im allgemeinen um Ordnungsvorschriften handelt. Bedeutet, dass die Nachweisung beispielsweise von Erklärungen auch in schwächerer Form zulässig ist, wenn dies materiell rechtliche Vorschriften zulassen. So genügt es beispielsweise im Rahmen der Nachweisung einer Rechtsnachfolge durch Abtretungsvertrag, dass nur die einseitige Abtretungserklärung in öffentlich oder öffentlich beglaubigter Form vorgelegt wird (vgl. § 403 BGB). Der Zugang ist dann durch öffentliche Urkunde §§ 415, 418 ZPO nachzuweisen. Ebenso verhält es sich grundsätzlich auch bei der Nachweisung der Kündigung als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung. Auch hier dürfte eine schriftliche Kündigungserklärung ausreichen; die Zustellung der Kündigung durch Gerichtsvollzieher kann dann in öffentlicher Form §§ 726 Abs. 1, 415, 418 ZPO nachgewiesen werden.
Im vorliegenden Fall ist ein Nachweisverzicht in der Urkunde enthalten. Ob dieser wirksam ist, kann letztlich hier im Vollstreckungsverfahren nicht gänzlich abschließend verbindlich festgestellt werden. Die Frage des wirksamen Verzichts auf Nachweisung im Sinne von § 726 ZPO ist umstritten. Unabhängig von dieser Frage wird auch die Frage diskutiert, inwieweit zumindest ein „formularmäßiger Verzicht in der notariellen Urkunde“ zulässig ist oder ob hierin nicht ein gesetzlicher Verstoß im Sinne von § 134 BGB zu sehen ist.
Das Gericht schließt sich der Argumentation in Stöber, ZVG, 21. Auflage, Rdn. 15.3. zu § 15 ZVG an und hält den Verzicht, zumindest in dieser Form für unzulässig.
Insoweit hätte das für die Klauselerteilung zuständige Organ die Nachweispflicht gemäß § 726 ZPO zu beachten. Die entsprechenden Nachweise bzw. die Tatsache der Offensichtlichkeit (§§ 726, 291 ZPO) wären in der erteilen Klausel zu benennen.
Bereits insoweit ließe sich aus gerichtlicher Sicht eine so schwerwiegende Fehlerhaftigkeit bejahen, die zu einer Nichtigkeit der erteilten Klausel führt und auch im Rahmen der Prüfungspflicht des Vollstreckungsgerichts zu beachten ist.
Insbesondere darf hier auch nicht unberücksichtigt bleiben, was der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.3.2017 nochmals im Zusammenhang mit der Intention des Risikobegrenzungsgesetzes (vgl. BGH, B. v. 30.3.2017- V ZB 84/16 – Seite 8 ff., Rdn. 16 f.) hervorgehoben hat. Dort betont der Bundesgerichtshofe nochmals, „der Gesetzgeber habe mit der zwingenden Ausgestaltung der Regelungen über die Fälligkeit des Grundschuldkapitals erreichen wollen, dass der Schuldner von der Zwangsversteigerung nicht überrascht werde, ihm vielmehr vor deren Anordnung stets ein Zeitraum von sechs Monaten zur Verfügung stehe, um sich auf die Situation einzustellen.“ (vgl. BGH, B.v. 30.3.2017 – V ZB 84/16 – Seite 6/7 Rdn. 13).
Dem widerspricht grade das dem Gericht bekannte und auch vom Antragstellervertreter in seinem Schriftsatz vom 24.4.2018 dargestellte Verhalten der notariellen Praxis, wonach letztlich – unabhängig von der Neufassung des § 1193 BGB – die bisherige Verfahrensweise beibehalten worden ist und die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen unmittelbar erfolgt. Der formularmäßige Verzicht auf Nachweisungen soll die Beibehaltung der gängigen Praxis insoweit weiter ermöglichen.
Selbst wenn aber Stöber in dieser Hinsicht nicht gefolgt wird und von einem wirksamen Nachweisverzicht ausgegangen werden sollte, so liegt nach Auffassung des Gerichts noch ein weiterer, ganz wesentlicher Aspekt vor, welcher ebenfalls als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass auch dies hier zu einer nichtigen und damit nicht erteilten wirksamen Vollstreckungsklausel führt.
Soweit aus den Diskussionen zu § 726 ZPO und der Frage der Wirksamkeit des Verzichts zu entnehmen ist, soll der Nachweisverzicht keine materiell-rechtlichen Wirkungen haben. Vielmehr soll er „nur“ zu einer erleichterten Erlangung eines Vollstreckungstitels führen, um ggf. etwaige Nachweisprobleme im Hinblick auf § 726 ZPO und die Urkundenvorlage in öffentlicher Form auszuschließen. Wie bereits kurz angeführt, dürften hier kaum Nachweisprobleme anzuführen sein. Es würde die Vorlage einer schriftlichen Kündigungserklärung nebst Zustellungsnachweis genügen. Der Fristablauf dürfte von jedermann leicht – ab Zugangsdatum – zu berechnen sein.
Selbst wenn ein wirksamer Nachweisverzicht vorliegt, würde dies nichts daran ändern, dass hier von einem aufschiebend bedingten Anspruch auszugehen wäre. Der Notar wäre insoweit nur befreit, vor Erteilung der Vollstreckungsklausel sich den Eintritt der Bedingungen in der Form des § 726 ZPO nachweisen zu lassen. Auch müssten dann nicht die ansonsten in der Klausel zu bezeichnenden Nachweisungen im Rahmen von § 750 Abs. 2 ZPO zugestellt und dem Vollstreckungsgericht als besondere Vollstreckungsvoraussetzungen belegt werden.
Erteilt der Notar, wie im hier zu bescheidenden Fall, aber die vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde noch am Tag der Beurkundung der Verhandlung über die Grundschuldbestellung, so ist bereits auch für diesen selbst erkennbar, dass die Bedingungen die die Vollstreckung voraussetzen, nicht eingetreten sind. Er bescheinigt hier die Vollstreckungsreife eines Titels wider eigener Kenntnis.
Daran aber kann aus hiesiger Sicht keine Rechtsfolge geknüpft werden. Die so erteilte Vollstreckungsklausel dürfte nach hiesiger Auffassung vielmehr auch aus diesem Grunde bereits auf einem so schwerwiegenden Fehler beruhen, dass von der Nichtigkeit der Klausel auszugehen ist.
Daran ändert auch nicht, dass im Rahmen der Beantragung der Anordnung der Zwangsversteigerung von der Antragstellerseite mit dem Titel auch die spätere Kündigung und der Zugangsnachweis vorgelegt werden und das Vollstreckungsgericht den Ablauf der 6 Monatsfrist feststellen könnte.
Denn grade dies würde zu einer Durchbrechung der Trennung zwischen Klausel- und Vollstreckungsverfahren führen. Das Vollstreckungsgericht würde damit Umstände, die bei Erteilung der Vollstreckungsklausel definitiv nicht vorgelegen haben können, in Bezug auf die erteilte Vollstreckungsklausel prüfen. Die Vollstreckungsklausel soll ja grad dem Vollstreckungsgericht gegenüber die vollstreckungsreife des Titels bescheinigen.
Insoweit lebt die nichtige Vollstreckungsklausel auch nicht auf oder wird ex nunc nach Eintritt sämtlicher Bedingungen wirksam.
Das Vollstreckungsgericht hat hier aus den vorbezeichneten Gründen die Anordnung der Zwangsversteigerung zurückgewiesen. Im Hinblick auch auf die erheblichen Zweifel an der Zulässigkeit des Nachweisverzichts wird im Falle einer erteilten Vollstreckungsklausel auch die Zustellung und Vorlage der Urkunden, die zu einer ergänzenden Vollstreckungsklausel im Sinne von § 726 ZPO geführt haben, gemäß der Vorschrift über die besondere Vollstreckungsvoraussetzung gem. § 750 Abs. 2 ZPO gefordert.