OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 61/20 – Beschluss vom 09.04.2021
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, von den geäußerten Bedenken gegen die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses abzusehen und über den Antrag auf dessen Erteilung unter Berücksichtigung der nachstehenden Ausführungen erneut zu entscheiden.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau des Erblassers. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Kinder des Erblassers und der Beteiligten zu 1.
Der Erblasser hatte, teils gemeinsam mit der Beteiligten zu 1, mehrere Verfügungen von Todes wegen errichtet. Zuletzt errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 am 15. Oktober einen notariellen Erbvertrag (UR Nr. 5424 für 2001), der von dem Beteiligten zu 4 als Notar beurkundet wurde. Darin hoben sie alle früheren Verfügungen von Todes wegen auf und regelten die Erbfolge neu.
Am selben Tag setzten die Eheleute ein von beiden unterzeichnetes handschriftliches Schreiben auf, das wie folgt lautet:
„Nachtrag zu dem Erbvertrag vom 15/10.01. (UR Nr. 5423 für 2001)
Ordnet jeder von uns Testamentsvollstreckung an.
Testamentsvollstrecker soll Notar … (der Beteiligte zu 4) sein.“
Der Beteiligte zu 4 hat Erteilung eines Testamentsvolltreckerzeugnisses beantragt.
Mit Beschluss vom 26. Nov. 2019 hat das Nachlassgericht den Antrag zurückgewiesen.
Es hat ausgeführt, Testamentsvollstrecker solle hier der den Erbvertrag beurkundende Notar sein. Dieser habe durch Verbindung des Erbvertrages mit der handschriftlichen Erklärung über die Anordnung der Testamentsvollstreckung und Benennung des Testamentsvollstreckers eine einheitliche Urkunde unter einheitlichem Aktenzeichen geschaffen, die in amtliche Verwahrung genommen worden sei. In einem solchen Fall sei die Benennung des Beurkundungsnotars wegen Verstoßes gegen § 7 BeurkG, § 125 BGB als unwirksam anzusehen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 4.
Er macht geltend, es treffe nicht zu, dass er den notariellen Erbvertrag mit dem handschriftlichen Nachtrag fest verbunden habe. Tatsächlich sei es so gewesen, dass ihn der Erblasser nach Beurkundung des Erbvertrages – und nachdem die Beteiligten das Notariat bereits verlassen hatten – angerufen und ihm mitgeteilt habe, man beabsichtige, ihn als Testamentsvollstrecker einzusetzen. Die Bitte, einen entsprechenden Zusatz in die Urkunde aufzunehmen, habe er zurückgewiesen und stattdessen dem Erblasser den Text einer Testamentsvollstreckerbestimmung diktiert. Die vom Erblasser in anderer inhaltlicher Form geschriebene und von beiden Eheleuten unterschriebene Urkunde sei später im Notariat abgegeben worden, wobei keinem der Beteiligtenaufgefallen sei, dass im Kopf eine „falsche“ UR-Nummer eingetragen gewesen sei. Dieser handschriftliche Nachtrag sei mit Schreiben vom 26. Okt. 2001 an die Standesämter Krefeld und Höhr-Grenzhausen übermittelt worden. Eine feste Verbindung beider Dokumente lasse sich den Original-Urkunden nicht entnehmen. Letztlich könne dahingestellt bleiben, ob die vom Amtsgericht (zu Unrecht) angenommene Verbindung bestanden habe. Denn auch dann wäre nicht von einer Unwirksamkeit der Testamentsvollstreckerbestimmung auszugehen. Die setze nämlich voraus, dass die Willenserklärung Bestandteil der Urkundstätigkeit des Notars geworden sei. Daran fehle es hier. Die Übergabe sei nach Abschluss der notariellen Beurkundung erfolgt. Daher erstrecke sich die Beweiswirkung der öffentlichen Urkunde nicht auf den Vorgang der Übergabe, so dass die Voraussetzungen der §§ 2232 S. 1 2. Alt. BGBG nicht vorlägen. Daran ändere auch die (zu Unrecht angenommene) spätere Verbindung nichts.
Mit weiterem Beschluss vom 2. April 2020 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt, der Erbvertrag und der Zusatz hinsichtlich der Testamentsvollstreckung seien durchgängig geöst und durch Schnur und notarielles Prägesiegel des Beteiligten zu 4 physisch verbunden (§ 44 BeurkG), wodurch der Beteiligte zu 4 eine einheitliche Urkunde geschaffen habe. Darauf, wie der handschriftliche Zusatz zustande gekommen sei, komme es nicht an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der Testamentsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 4 ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gem. § 68 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.
Die Beschwerde ist begründet, denn dem Beteiligten zu 4 ist das beantragte Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen, weil er durch letztwillige Verfügung des Erblassers und der Beteiligten zu 1, nämlich den privatschriftlichen „Nachtrag“ vom 15. Oktober 2001, wirksam zum Testamentsvollstrecker ernannt worden ist, § 2368 Abs. 1 BGB.
Der Wirksamkeit des „Nachtrags“ stehen §§ 7, 27 BeurkG iVm § 125 BGB nicht entgegen. Danach ist der Notar insoweit von der Mitwirkung an der Beurkundung einer letztwilligen Verfügung ausgeschlossen, als er darin zum Testamentsvollstrecker des Erblassers ernannt wird. Ein Verstoß gegen die genannten Vorschriften führt zur Unwirksamkeit des betroffenen Teils der Beurkundung, mithin der Ernennung zum Testamentsvollstrecker, und zu einer gem. § 125 BGB formnichtigen Willenserklärung.
Hier hat der Beteiligte zu 4 als Notar in Bezug auf den privatschriftlichen „Nachtrag“ keine Beurkundungstätigkeit entfaltet, § 2232 BGB. Er hat weder eine mündliche Erklärung des Erblassers betreffend die Ernennung zum Testamentsvollstrecker beurkundet (Var. 1), noch liegt eine Urkundstätigkeit nach § 2232 S. 1 Var. 2 BGB vor, wonach eine letztwillige Verfügung im Wege eines öffentlichen Testaments/Erbvertrages (§ 2276 Abs. 1 S. 2 BGB) auch in der Weise errichtet werden kann, dass der Erblasser dem Notar ein – offenes oder verschlossenes – Schriftstück mit dem Hinweis übergibt, es handele sich dabei um seinen letzten Willen und der Notar diesen Vorgang beurkundet, § 30 BeurkG.
Das Oberlandesgericht Bremen hat die Frage, ob ein Verstoß gegen §§ 7, 27 BeurkG vorliegt, wenn der Notar die testamentarische Erklärung des Erblassers beurkundet, dieser werde die Person des Testamentsvollstreckers in einer gesonderten handschriftlichen Niederschrift bestimmen, und der Notar das ihm im Anschluss übergebene entsprechende Schriftstück zusammen mit dem Testament in amtliche Verwahrung gibt, unterschiedlich beurteilt (NJW-RR 2016, 76, bejahend; NJW-RR 2016, 979, verneinend). In der letzten dieser beiden Entscheidungen hat es ausgeführt, da die Übergabe außerhalb der notariellen Beurkundung erfolgt sei, könne sich die Beweiswirkung der öffentlichen Urkunde nicht auf den Vorgang der Übergabe erstrecken. Damit fehle es an den Voraussetzungen des § 2232 S. 1 Var. 2 BGB, so dass kein einheitliches Testament und damit keine Beurkundung der Testamentsvollstreckerernennung erfolgt sei. Auch das Oberlandesgericht Köln (NJW-RR 2018, 457) hat weder einen direkten Verstoß gegen §§ 7, 27 BeurkG, noch eine zur Unwirksamkeit führende Umgehung angenommen in einem Fall, in dem der Erblasser im Anschluss an die notarielle Beurkundung seiner letztwilligen Verfügung ein handschriftliches Testament mit der Bestimmung des Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker errichtet hatte. Weder enthielt das notarielle Testament eine Verweisung auf die privatschriftliche Testamentsvollstreckerernennung, noch hatte der Urkundsnotar beide Schriftstücke zur amtlichen Verwahrung verbunden.
Der Senat vermag auch in der hier vorliegenden Vorgehensweise keine Umgehung der §§ 7, 27 BeurkG zu erkennen.
Eine Urkundstätigkeit, etwa durch Beurkundung einer Erklärung des Erblassers, dass der Testamentsvollstrecker durch gesonderte handschriftliche Niederschrift bestimmt werde, hat der Notar nicht entfaltet. Die handschriftliche Erklärung des Erblassers und der Beteiligten zu 1 nimmt zwar in ihrer Überschrift auf den notariellen Erbvertrag Bezug, umgekehrt enthält die notarielle Urkunde jedoch keine Bezugnahme auf eine zu erwartende privatschriftliche Erklärung, so dass der Notar insoweit nicht tätig geworden ist.
Es ist auch durch Verbindung des Erbvertrages und des Nachtrages nach § 44 BeurkG keine Urkundstätigkeit begründet worden. § 44 BeurkG stellt eine beurkundungsrechtliche Sollvorschrift dar, die eine Verbindung mehrerer Blätter einer (einzigen) Urkunde (Satz 1) oder beigefügter Dokumente (Satz 2) durch Schnur und Prägesiegel vorsieht; hängen Urkunden mit anderen Urkunden inhaltlich zusammen, sind sie hingegen nicht gem. § 44 BeurkG zu verbinden. Solche Urkunden können allerdings nach § 18 Abs. 2 DONot mit der Haupturkunde verwahrt oder dieser angeheftet werden, § 30 DONot (Regler, in BeckOGK BeurkG, Stand 1. Okt. 2020, § 44, Rdnr. 13). Danach ist eine solche Verbindung nicht nach § 44 BeurkG erforderlich, sondern nach § 18 DONot möglich und zwar (ausdrücklich) zur Aufbewahrung der Urkunde(n). Eine solche Verbindung führt nicht dazu, dass sodann eine einheitliche Urkunde vorliegt und sich die Urkundstätigkeit des Notars dann auch die der Haupturkunde angeklebte oder angeheftete und ihr verwahrte Urkunde erstreckt.
III.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG und entspricht so billigem Ermessen. Gerichtskosten fallen nicht an. Da die gerichtlichen Entscheidungen in beiden Instanzen entgegengesetzt ausgefallen sind, erscheint es angemessen, dass die Beteiligten die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten je selbst tragen.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Frage des Vorliegens einer Urkundstätigkeit oder eines Umgehungstatbestands bei der Bestellung des Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker erfordert, § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG.