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Kinder enterben – die rechtlichen Hintergründe

Das Thema Enterbung hat für nahezu jeden Menschen in Deutschland eine Relevanz, da schlussendlich jeder Mensch das Kind seiner Eltern ist. Ob diese letztlich etwas zu vererben haben oder nicht, ist für den Gesetzgeber zunächst erst einmal unerheblich, da sowohl die testamentarische Erbauseinandersetzung als auch die gesetzliche Erbfolge geregelt sind. Möchte der Erblasser zu Lebzeiten den Erben enterben, so gibt es für die Umsetzung dieses Wunsches auch Möglichkeiten. Bei dem sogenannten Pflichtteil jedoch verhält sich der Sachverhalt anders. Lesen Sie weiter, um die rechtlichen Hintergründe zu erfahren.

Das Wichtigste in Kürze


  • Enterbung von Kindern: Jeder Mensch in Deutschland kann potenziell enterbt werden, da gesetzliche Regelungen existieren.
  • Mögliche Gründe: Familienstreitigkeiten, Straftaten gegen den Erblasser, Verletzung der Unterhaltspflicht oder Verurteilungen zu langen Freiheitsstrafen.
  • Rechtliche Grundlagen: Ein Erblasser kann seine Kinder enterben, aber es gibt den Pflichtteilsanspruch, der dem Kind prinzipiell zusteht.
  • Pflichtteilsanspruch: Dies ist der hälftige Anteil des gesetzlichen Erbteils, der nur unter bestimmten schwerwiegenden Umständen entzogen werden kann.
  • Vorgehen zur Enterbung: Das Berliner Testament und das Negativtestament sind Methoden, um die Erbmasse zu beeinflussen oder bestimmte Personen von der Erbschaft auszuschließen.
  • Schenkungen zu Lebzeiten: Eine Methode, um die Erbmasse zu reduzieren, wobei der Pflichtteilanspruch und das Zehn-Jahres-Modell berücksichtigt werden müssen.
  • Reaktionen gegen Enterbung: Es gibt rechtliche Möglichkeiten, gegen eine Enterbung vorzugehen, z.B. durch Anfechtung des Testaments.

Mögliche Gründe für die Enterbung von Kindern

Kinder enterben
Kinder enterben: Rechtliche Aspekte und Pflichtteil erklärt. (Symbolfoto: hfuchs /Shutterstock.com)

Es kann eine wahre Vielzahl von Gründen dafür geben, dass Eltern ihre Kinder enterben möchten. Vom einfachen Familienkrach bis zu schweren Verfehlungen der Kinder ist hierbei alles denkbar. Zu den gängigsten Gründen gehören jedoch Straftaten, die durch Kinder begangen werden. Diese Straftaten müssen sich dann jedoch zwingend gegen den Erblasser richten. Auch ein Kind, das den eigenen Eltern oder auch sehr nahestehenden Verwandten nach dem Leben trachtet, kann durch die Eltern enterbt werden. Gleichermaßen verhält es sich auch, wenn die Kinder gegenüber den Eltern ihre Unterhaltspflicht bewusst verletzt haben oder wenn das Kind von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wurde respektive der Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung respektive einer Entzugseinrichtung angeordnet wurde.

Das Recht, Kinder zu enterben

Der Gesetzgeber gesteht einem Erblasser zwar grundsätzlich das Recht zu, die Kinder zu enterben, allerdings muss es hierfür auch einen Grund geben. Dem reinen Grundsatz nach kann jeder Erblasser mittels eines Testaments zwar frei darüber verfügen, wie sein Erbe aufgeteilt wird, allerdings steht dem Kind prinzipiell der sogenannte Pflichtteilsanspruch zu. Hier wird das Testament dann an seine Grenzen geführt. Als Pflichtteilsanspruch wird derjenige Anspruch verstanden, der dem Kind auf jeden Fall zusteht. Es handelt sich um den hälftigen Anteil an dem gesetzlich festgelegten Erbteil, der nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen dem Kind entzogen werden kann. Der Gesetzgeber hat in Deutschland festgelegt, dass die Gründe für die vollständige Enterbung des Kindes sowohl objektiv nachvollziehbar als auch sehr schwerwiegend sein müssen.

Alleinig der Umstand, dass ein Kind beispielsweise keinen Kontakt mehr zu den Eltern pflegt oder weil es sich nicht um seine Eltern kümmert, rechtfertigt noch nicht den Entzug des Pflichtteils. Gleichermaßen verhält es sich auch mit dem Umstand, dass das Kind einen groben Undank zeigt oder die Eltern bedroht respektive ihnen körperliche Misshandlungen zufügt. Alle diese Umstände bringen nicht automatisch die Konsequenz mit sich, dass das Kind vollständig enterbt wird. Wenn der Erblasser jedoch trotzdem eine vollständige Enterbung des Kindes wünscht, so ist eine andere Vorgehensweise erforderlich.

Vorgehen zur Enterbung von Kindern

In gewisser Hinsicht stellt das sogenannte Berliner Testament eine Art Enterbung des Kindes dar, da im Todesfall des Erblassers zunächst der Ehepartner/Lebenspartner als alleiniger Erbe eingesetzt wird. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass der Ehepartner/Lebenspartner zunächst nur für den sogenannten ersten Erbfall fungiert. Sollte der Erbe versterben, so treten die Kinder als Erben ein. Die Enterbung des Kindes wird dadurch zwar nicht erreicht, allerdings kann die Erbmasse durch diese Vorgehensweise merklich verringert werden. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass der erste Erbe die Erbmasse aus dem Berliner Testament heraus frei nach seinem Willen nutzen kann.

Das Negativtestament

Eine weitere Möglichkeit, das Kind zu enterben, stellt das sogenannte Negativtestament dar. Im Gegensatz zu dem herkömmlichen Testament werden in dem Negativtestament ausschließlich diejenigen Personen benannt, die ausdrücklich nicht erben sollen. Sofern das Negativtestament auch den Pflichtteilanspruch tangiert, muss natürlich eine entsprechende rechtlich zulässige Begründung vorhanden sein.

Schenkungen zu Lebzeiten zur Verringerung der Erbmasse

Auch Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers können eine wirksame Methode darstellen, um die vorhandene Erbmasse zu verringern. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass der Pflichtteilanspruch von dieser Vorgehensweise unberührt bleibt und zudem auch das sogenannte Zehn-Jahres-Modell berücksichtigt werden muss. Zudem haben Erben mit einem Pflichtteilanspruch auch noch einen sogenannten Pflichtteilergänzungsanspruch, sodass sich der Pflichtteil durch die Schenkungen wieder erhöht. Der Gesetzgeber legt hierfür das sogenannte Abschmelzungsmodell zugrunde, welches auf den Zeitraum von zehn Jahren ausgelegt ist und den prozentualen Anteil festlegt. Der Grundgedanke dahinter ist, dass länger zurückliegende Schenkungen auch eine geringere Anrechnung auf den Pflichtteilanspruch haben.

Einen gesetzlichen Sonderfall stellen Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers dar, die Immobilien betreffen. Verschenkt der Erblasser zu seinen Lebzeiten eine Immobilie an einen Erbberechtigten und lässt sich ein sogenanntes Nießbrauchrecht eintragen, so kommt das Zehn-Jahres-Abschmelzungsmodell nicht zur Anwendung. Die Frist startet erst dann, wenn der zugrundeliegende Nießbrauchvertrag endet oder der Erblasser verstirbt. Pflichtteilsberechtigte können unter Umständen dann sogar einen 30-jährigen Anspruch auf den Pflichtteilergänzungsanspruch haben, wenn die Schenkung sehr lange zurückliegt. Der Pflichtteilergänzungsanspruch kommt jedoch dann nicht zur Anwendung, wenn der Erblasser zu seinen Lebzeiten die Immobilie verkauft und als Zahlung hierfür eine Leibrente erhält.

Die Leibrente ist darauf ausgelegt, dass sie bis zum Tode des Erblassers gezahlt wird. Rechtlich betrachtet wurde die Immobilie jedoch zu Lebzeiten des Erblassers verkauft, sodass Pflichtteilberechtigte keinen Ergänzungsanspruch haben. Eine weitere Alternative stellt die Verlagerung der Erbmasse ins Ausland dar. Dem reinen Grundsatz nach erfolgt die Erbauseinandersetzung auf der Grundlage des deutschen Erbrechts, auch wenn die Erbmasse ins Ausland verlagert wurde. Es gibt jedoch auch Länder, in denen die Erbauseinandersetzung auf der Rechtslage des jeweiligen Landes stattfindet. Die Verlagerung der Erbmasse ins Ausland kann zudem auch negative Konsequenzen nach sich ziehen, sodass dieser Schritt nicht ohne eine vorherige ausführliche Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt für Erbrecht realisiert werden sollte.

Verjährungsfrist des Pflichtteilanspruchs gemäß BGB

Pflichtteilanspruchsinhaber sollten auf jeden Fall wissen, dass der Anspruch innerhalb einer gesetzlich festgelegten Verjährungsfrist geltend gemacht werden muss. Gem. § 199 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Verjährungsfrist auf drei Jahre festgelegt. Sie beginnt mit dem Ende des Todesjahres von dem Erblasser, wenn das Kind von dem Todesfall Kenntnis hatte. Sollte das Kind jedoch überhaupt keine Kenntnis von dem Tod haben respektive erst sehr viel später davon erfahren, so wird die Verjährungsfrist auf 30 Jahre erweitert.

Wer als Erblasser gänzlich auf Nummer sicher gehen möchte, dass das Kind auch tatsächlich enterbt wurde, sollte die Berechtigung zum Enterben des Kindes mittels einer sogenannten Feststellungsklage gerichtlich feststellen lassen.

Reaktionen und Abwehrmöglichkeiten gegen Enterbung

Gegen die Enterbung gibt es rechtliche Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Zu nennen ist hier zunächst erst einmal die Anfechtung des Testaments gem. § 2078 BGB. Sollte der Testator das Testament auf der Grundlage eines Irrtums oder aufgrund einer Drohung verfasst haben, so kann es angefochten werden. Gleichermaßen verhält es sich auch, wenn das Testament aufgrund von Formfehlern seine rechtliche Wirkung nicht entfaltet oder wenn die Testierfähigkeit des Erblassers angezweifelt wird. Ein weiterer Anfechtungsgrund ist gegeben, wenn das Testament gegen gültiges Recht verstößt oder sittenwidrig ist. Es muss allerdings beachtet werden, dass die Beweislast hierfür stets diejenige Person zu tragen hat, die das Testament anfechten möchte. Gelingt die Beweisführung, so verliert das Testament seine rechtliche Gültigkeit und die Enterbung ist aufgehoben.

Unterschiede zwischen Enterbung und Pflichtteilsentzug

Wird ein Pflichtteilsberechtigter enterbt, verbleibt ihm dennoch der Anspruch auf den Pflichtteil. Das bedeutet, dass er trotz Enterbung einen bestimmten Anteil des Erbes beanspruchen kann. Dieser Pflichtteil ist gesetzlich festgelegt und kann nicht durch ein einfaches Testament oder einen Erbvertrag entzogen werden. Möchte der Erblasser jedoch sicherstellen, dass der Pflichtteilsberechtigte auch diesen Pflichtteil nicht erhält, muss eine spezielle Verfügung getroffen werden, die als Pflichtteilsentzug bezeichnet wird. Der Pflichtteilsentzug muss in der Regel begründet sein und bestimmten gesetzlichen Anforderungen genügen.

Wie wirkt sich die Enterbung auf die Erbschaftssteuer aus?

Enterbte Angehörige haben bei der Geltendmachung des Pflichtteils die gleichen Freibeträge wie als Erben. Das bedeutet, dass enterbte Kinder bei der Erbschaftsteuer einen Freibetrag von 400.000 Euro haben und Ehepartner einen Freibetrag von 500.000 Euro. Im Falle einer Enterbung erhalten Ehegatten die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also ein Achtel des Nachlasses. Wenn es neben dem Ehegatten noch Erben der 2. Ordnung (also Eltern und Geschwister des Erblassers) gibt, dann erbt der Ehegatte die Hälfte des Nachlasses. Trotz Enterbung erhalten Berechtigte ihren Pflichtteil vom Nachlass, welcher sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beläuft. Der genaue Wert des Pflichtteils hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Nachlasswert und der gesetzlichen Erbquote.

Fazit

Die Enterbung eines Kindes ist in Deutschland zwar erschwert, sie ist jedoch dem reinen Grundsatz nach möglich. Der Entzug des Pflichtteils ist jedoch an gewisse Rahmenbedingungen geknüpft, die erfüllt sein müssen. Ein Erblasser sollte dementsprechend taktisch klug vorgehen und sich im Zweifel zunächst erst einmal rechtsanwaltlich beraten lassen.

FAQs

  • Was ist der Unterschied zwischen Enterbung und Pflichtteilsentzug? Die Enterbung betrifft zunächst nur einmal den gesetzlichen Erbteil und tangiert den Pflichtteil nicht. Soll das Kind vollständig enterbt werden, so muss der Pflichtteilentzug ebenfalls durchgeführt werden. Für diesen Schritt sind jedoch Gründe erforderlich, die als objektiv nachvollziehbar und schwerwiegend gelten.
  • Welche Rolle spielt das Berliner Testament bei der Enterbung? Durch das Berliner Testament kann die Erbmasse merklich verringert werden, da das Kind lediglich als zweiter Erbnehmer nach dem Tod des ersten Erbnehmers erbt.
  • Wie kann man sich als Kind gegen eine ungerechtfertigte Enterbung wehren? Das Testament kann angefochten werden, wenn die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

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