Alles über das Vorausvermächtnis – was ist das und wie funktioniert es?
Wussten Sie, dass es neben dem einfachen Vermächtnis auch das sogenannte Vorausvermächtnis gibt? Im Gegensatz zum einfachen Vermächtnis, bei dem das Erbe erst nach dem Tod des Erblassers an die Erben übergeht, geht das Vorausvermächtnis bereits zu Lebzeiten des Erblassers auf die Erben über. In diesem Artikel erfahren Sie alles über das Vorausvermächtnis – was ist das und wie funktioniert es?
Bevorzugung eines Miterben
Wenn es um das Erbe bzw. das Vermächtnis geht, dann hat der Erblasser für gewöhnlich zu Lebzeiten bereits sehr genaue Vorstellungen im Zusammenhang mit der erbberechtigten Person. Auf der Grundlage des deutschen Erbrechts, welches im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB() gesetzlich verankert ist, gibt es diesbezüglich jedoch Einschränkungen. Für den Erben bringen diese Einschränkungen in der gängigen Praxis gewisse Probleme mit sich, da ein Erbe für gewöhnlich lediglich vollumfänglich ausgeschlagen werden kann. Überdies gibt es für den Erblasser auch Einschränkungen dahingehend, wenn einer ganz bestimmten Person durch das Erbe ein Vermögensvorteil verschafft werden soll. Das sogenannte Vorausvermächtnis bringt jedoch in vielerlei Hinsicht einige Vorteile mit sich und trägt auch dafür Sorge, dass die begünstigte Person auch tatsächlich den angedachten Vermögensvorteil erhält.
Erteil plus weitere Zuwendung
Durch ein Vorausvermächtnis erhält die begünstigte Person zusätzlich zu dem eigentlichen Erbteil noch eine weitere Zuwendung. In der gängigen Praxis handelt es sich hierbei um spezielle Gegenstände. Das Vorausvermächtnis kann jedoch nur dann erteilt werden, wenn es sich bei der begünstigten Person um einen sogenannten Miterben handelt. Es müssen diesbezüglich jedoch einige Kriterien beachtet werden.
Wo liegt der Unterschied zwischen einem einfachen Vermächtnis und einem Vorausvermächtnis
Von einem einfachen Vermächtnis wird dann gesprochen, wenn der Erblasser ganz klar definierte Vermögenswerte einer bestimmten Person vermachen will. Für gewöhnlich besitzt diese begünstigte Person im Sinne des BGB keinen Erbanspruch, allerdings wünscht der Erblasser die besondere Zuwendung an diese Person ausdrücklich. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in dem § 1939 BGB wieder. Damit ein derartiges einfaches Vermächtnis seine rechtliche Wirkung entfalten kann ist es zwingend erforderlich, dass der Erblasser diesen Willen mittels eines Testaments oder auch einer letztwilligen Verfügung zum Ausdruck bringt. Sollte eine Person allerdings einen gesetzlichen Erbanspruch besitzen und als Miterbe diesen Erbanspruch teilen muss, so ist das Vorausvermächtnis für den Erblasser nicht selten die bessere Lösung. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich in dem § 2150 BGB wieder.
Dem reinen Grundsatz nach besitzt das Vorausvermächtnis einen erberweiternden Charakter. Der Erblasser ist mittels eines derartigen Vermächtnisses in der Lage, das Erbe an eine bestimmte Person in gewissem Ausmaß umzuschichten. Dies ist in der gängigen Praxis dann besonders sinnvoll, wenn ein Großteil der Erbmasse aus vermögensrelevanten Gegenständen besteht. Diejenigen Wertgegenstände, die mittels eines Vorausvermächtnis einem bestimmten Erbnehmer zugesprochen werden, werden dann nicht Bestandteil der Erbmasse.
Die Besonderheiten bei einem Vorausvermächtnis
Rechtlich betrachtet kann sehr eindeutig eine Abgrenzung zwischen dem Vorausvermächtnis und dem einfachen Vermächtnis vorgenommen werden. Auch die Abgrenzung zu den Teilungsanordnungen und auch den Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers zugunsten erbberechtigter Personen können sehr gut gezogen werden.
Die Besonderheiten im Überblick
- die begünstigte Person besitzt bereits einen Erbanspruch als Miterbe oder Alleinerbe
- der Anspruch auf die Erfüllung des Vorausvermächtnis besteht unmittelbar und nicht erst mit der Erbauseinandersetzung
- es erfolgt keine Anrechnung auf die bestehende Erbmasse
- durch das Vorausvermächtnis werden Pflichtteile nicht geschmälert
Vereinfacht ausgedrückt kann gesagt werden, dass mittels einer Vorausvermächtnis ein bestimmter Erbnehmer im Vergleich zu den anderen etwaig vorhandenen Erbnehmern ausdrücklich begünstigt wird. Diese Begünstigung bezieht sich auf Vermögensteile, die der Erblasser der bestimmten Person zukommen lassen möchte. Der große Unterschied zu einer Schenkung besteht jedoch in dem Umstand, dass keine Anrechnung auf die Erbmasse erfolgt. Dies unterscheidet das Vorausvermächtnis auch von der Teilungsanordnung.
Streit soll vermieden werden
Kein Erblasser hat ein gesteigertes Interesse daran, dass sich die Erben nach dem Tod des Erblassers streiten. Aus diesem Grund kann das Vorausvermächtnis als wirksames Mittel eingesetzt werden, um gewisse erbrechtliche Angelegenheiten bereits frühzeitig zu klären. Der Erblasser schafft hierdurch mittels eines Testaments oder einer letztwilligen Verfügung klare Verhältnisse und weist jedem Erbnehmer oder auch einzelnen Erbnehmern gewisse Gegenstände aus seinem Besitz direkt im Vorfeld zu. Die anderen Erben haben dementsprechend auch keinen Anspruch auf einen wirtschaftlichen Ausgleich. Die Besonderheit liegt dann auch in dem Umstand, dass die begünstigte Person unmittelbar, nachdem das Vorausvermächtnis festgelegt wurde, einen direkten Anspruch auf die Herausgebe der Vermögenswerte besitzt. Diese Vermögenswerte sind dann auch nicht Bestandteil der Erbauseinandersetzung.
Eine begünstigte Person hat die Möglichkeit, zielgerichtet ausgeschlagen zu werden. Die begünstigte Person muss durch die zielgerichtete Ausschlagung nicht auf das gesamte Erbe an sich verzichten sondern erklärt nur den Verzicht auf die Vermögenswerte, die im Zuge des Vorausvermächtnis ihr zugedacht wurden. Bei einer Teilungsanordnung ist dies so in dieser Form ausdrücklich nicht möglich.
Pflichtteilsansprüche werden nicht geschmälert
In der gängigen Praxis kann auch das Vorausvermächtnis durchaus Probleme mit sich bringen. Ein gutes Beispiel für derartige Probleme stellen die Pflichtteilsansprüche von erbberechtigten Personen dar, welche durch den Erblasser mittels Testament oder letztwilliger Verfügung nicht bedacht worden sind. Diese Personen besitzen, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen es vorschreiben, etwaig einen Pflichtteilsanspruch. Durch das Vorausvermächtnis wird dieser Anspruch nicht geschmälert bzw. können diese Ansprüche nicht umgangen werden. Sollte eine pflichtteilsberechtigte Person von dem Erblasser ein einfaches Vermächtnis erhalten haben, so erfolgt ein Abzug des Vermögens, welches durch das Vermächtnis zugesprochen wurde, auf den Pflichtteilsanspruch. Durch eine Ausschlagung des Vermächtnisses kann die pflichtteilsberechtigte Person jedoch den vollen Pflichtteilsanspruch geltend machen. An dieser Stelle wird dann auch noch einmal der Unterschied zwischen einem einfachen Vermächtnis und einem Vorausvermächtnis deutlich. Diejenige begünstigte Person, welche mittels eine Vorausvermächtnis von dem Erblasser bedacht wurde, muss für den vollen Pflichtteilsanspruch das Vorausvermächtnis nicht ausschlagen.
Die Erbschaftssteuer muss gezahlt werden und es gibt Anfechtungsmöglichkeiten
Das Vorausvermächtnis unterliegt der vollen Erbschaftssteuer. Dementsprechend ist jede Person, welche auf diese Art und Weise von dem Erblasser bedacht wurde, auch die entsprechende Steuerlast tragen. Die finale Höhe ist dabei jedoch von Faktoren wie Freibeträge, Steuerklasse etc. abhängig zu machen. Überdies muss auch erwähnt werden, dass ein Vorausvermächtnis gem. § 2078 BGB angefochten werden kann. In diesem Punkt unterscheidet sich das Vorausvermächtnis nicht nennenswert von dem herkömmlichen Testament. Als Grund für die Anfechtung kann der Irrtum oder auch die Drohung herangezogen werden. In Verbindung mit dieser Thematik ist auch der § 2079 BGB interessant. Eine Anfechtung ist auch gem. § 2082 BGB denkbar, wobei die Verjährungsfrist von einem Jahr beachtet werden muss.
Die Besonderheiten bei der Anfechtung
Die Anfechtung von einem Vorausvermächtnis unterliegt jedoch gewissen Besonderheiten. Eine Besonderheit ist, dass die anfechtende Person diesbezüglich eine sogenannte Anfechtungserklärung abgeben muss. Eine derartige Anfechtungserklärung unterliegt jedoch keiner gesetzlich vorgeschriebenen besonderen Form und sie muss auch nicht, wie bei der Testamentsanfechtung, dem regional zuständigen Nachlassgericht zugesandt werden. Eine Anfechtung von einem Vorausvermächtnis wird grundsätzlich immer dem Vermächtnisnehmer zugestellt. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in dem § 143 Abs. 4 BGB wieder. Eine derartige Anfechtung kann selbstverständlich vollständig in Eigenregie durchgeführt werden, da es keine gesonderten Formvorschriften gibt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Vermächtnisnehmer mit diesem Schritt nicht einverstanden ist und sich entsprechend zur Wehr setzen wird. In derartigen Fällen ist es dementsprechend überaus ratsam, sich der Hilfe eines erfahrenen Rechtsanwalts für Erbrecht zu bedienen.
Fazit
Wenn Sie Ihren Nachlass regeln, können Sie über ein Vorausvermächtnis nachdenken. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, einen Miterben zu bevorzugen. Vermögenswerte, die Sie als Vorausvermächtnis festlegen, werden bei der Aufteilung Ihres Nachlasses nicht auf den Erbteil angerechnet. Allerdings unterliegt das Vorausvermächtnis der Erbschaftssteuerpflicht. Falls Sie sich dafür entscheiden, können Sie das Vorausvermächtnis auch wieder ausschlagen – ohne dabei Ihren Erbteil zu verlieren.