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Wirksamkeit notarieller Ehevertrag mit Globalverzicht

Ein Ehevertrag, der eine Frau kurz vor der Hochzeit von fast allen Ansprüchen nach einer Scheidung ausschließen sollte, ist nun für nichtig erklärt worden. Die Braut war bei der Unterzeichnung schwanger und verzichtete umfassend auf Zugewinn, Versorgungsausgleich und Unterhalt. Ein Gericht urteilte jetzt: Solch ein Pakt kann sittenwidrig sein.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 UF 166/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Zweibrücken
  • Datum: 18.06.2024
  • Aktenzeichen: 2 UF 166/23
  • Verfahrensart: Beschwerdeverfahren im Familienrecht
  • Rechtsbereiche: Familienrecht, Bürgerliches Recht (BGB)

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ehefrau, die die Scheidung sowie Ansprüche auf Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt beantragt hat und gegen die Abweisung ihrer Anträge in erster Instanz Beschwerde eingelegt hat, mit der Begründung, der Ehevertrag sei sittenwidrig.
  • Beklagte: Ehemann, von Beruf Geschäftsmann, der ebenfalls die Scheidung beantragt, aber die Zurückweisung der Anträge der Ehefrau gefordert hat und die Abweisung der Beschwerde beantragt hat, mit der Begründung, der Ehevertrag sei gültig.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Die Eheleute schlossen 1995, als die Ehefrau im dritten Monat schwanger war, einen notariellen Ehevertrag, der Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt ausschloss. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor; die Ehefrau gab eigene Karrierepläne auf, arbeitete im Betrieb des Ehemannes und kümmerte sich um Haushalt und Kinder, leidet heute unter schweren Erkrankungen und bezieht Erwerbsminderungsrente.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob der 1995 geschlossene Ehevertrag wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist und ob stattdessen die gesetzlichen Regelungen für die Scheidungsfolgen gelten.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat die erstinstanzliche Entscheidung im Punkt Zugewinnausgleich abgeändert und den Ehemann zur umfassenden Auskunft über sein Vermögen zu drei Stichtagen sowie zur Belegung dieser Auskunft durch zahlreiche Unterlagen verpflichtet. Im Übrigen wurde die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, auch bezüglich der Kosten.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass der Ehevertrag vom 28. April 1995 nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig sei, da er eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau vorsehe und bei Vertragsschluss eine unterlegene Verhandlungsposition der Ehefrau vorlag.
  • Folgen: Aufgrund der Nichtigkeit des Ehevertrages gelten die gesetzlichen Regelungen zu den Scheidungsfolgen, was bedeutet, dass Versorgungsausgleich durchzuführen ist und Ansprüche auf Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt dem Grunde nach bestehen. Das Amtsgericht muss nun die Höhe des Zugewinnausgleichs und des Unterhalts feststellen und abschließend über die Scheidung entscheiden.

Der Fall vor Gericht


Ehevertrag auf dem Prüfstand: OLG kippt umfassenden Verzicht wegen Sittenwidrigkeit bei Schwangerschaft

Ein Ehevertrag, der weitreichende finanzielle Ansprüche nach einer Scheidung ausschließt, ist nicht immer unumstößlich. Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat mit einem aktuellen Beschluss vom 18. Juni 2024 (Az.: 2 UF 166/23) einen solchen Vertrag aus dem Jahr 1995 für sittenwidrig und damit für nichtig erklärt.

Schwangere Frau unterschreibt Eheurvertrag am Holztisch, Geschäftsmann reicht ihr Stift
Schwangere Frau unterschreibt Ehevertrag: Schutz, Verzicht, rechtliche Klärung vor Geburt. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Entscheidung unterstreicht, dass ein pauschaler Ausschluss von Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichem Unterhalt insbesondere dann kritisch ist, wenn eine deutliche einseitige Benachteiligung eines Ehepartners bereits bei Vertragsschluss absehbar ist – hier verschärft durch eine bestehende Schwangerschaft.

Der Pakt vor dem Altar: Ein Vertrag mit weitreichenden Folgen

Im Zentrum des Streits stand ein Ehevertrag, den ein Geschäftsmann und Eigentümer eines Familienunternehmens mit seiner damaligen Verlobten am 28. April 1995 notariell beurkunden ließ. Zu diesem Zeitpunkt war die Frau im dritten Monat schwanger, was die ursprünglich später geplante Hochzeit vorverlegte.

Der Vertrag sah einen umfassenden Ausschluss zentraler Scheidungsfolgen vor:

  • Kein Versorgungsausgleich: Der Ausgleich der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften wurde für sämtliche Anrechte ausgeschlossen.
  • Gütertrennung statt Zugewinnausgleich: Es wurde vereinbart, dass ein Zugewinnausgleich – der gesetzliche Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Vermögenszuwachses – nicht stattfindet.
  • Verzicht auf nachehelichen Unterhalt: Grundsätzlich verzichteten beide Seiten auf „jeglichen nachehelichen Unterhalt“, selbst für den Fall der Not oder bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse. Eine Klausel begrenzte einen eventuell doch zustehenden Unterhalt auf 36 Monate und die Höhe auf das Gehalt einer Einzelhandelsangestellten.

Die Eheschließung folgte kurz darauf. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Die Frau, die vor der Ehe verschiedene berufliche Stationen und ein abgebrochenes Studium absolviert hatte, gab für die Beziehung Studienpläne auf. Sie arbeitete im Familienbetrieb ihres Mannes mit, hatte zeitweise Prokura, und kümmerte sich um Haushalt und Kinder. Später litt sie unter schweren psychischen Erkrankungen und bezieht seit 2020 eine volle Erwerbsminderungsrente.

Der Streit vor Gericht: Von der ersten Instanz zur Berufung

Nach der Trennung beantragte die Frau die Scheidung, Auskunft über das Vermögen ihres Mannes zum Zweck des Zugewinnausgleichs sowie nachehelichen Unterhalt. Der Mann beantragte ebenfalls die Scheidung, aber die Abweisung der Forderungen seiner Frau.

Das Amtsgericht Pirmasens schied die Ehe, stellte fest, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, und wies die Anträge auf Zugewinn und Unterhalt zurück. Die Begründung des Amtsgerichts: Der Ehevertrag sei wirksam. Die Frau sei bei Vertragsschluss weder unerfahren noch intellektuell unterlegen gewesen. Die Schwangerschaft habe keine Zwangslage begründet, und es sei nicht ausreichend dargelegt worden, dass der Mann die Heirat von der Vertragsunterzeichnung abhängig gemacht hätte.

Gegen diesen Beschluss legte die Frau Beschwerde beim OLG Zweibrücken ein. Sie argumentierte, der Ehevertrag sei sittenwidrig. Sie habe sich in einer wirtschaftlich, emotional und sozial abhängigen sowie unterlegenen Verhandlungsposition befunden. Der Vertrag stelle einen kompensationslosen „Globalverzicht“ dar, und der Mann habe die Eheschließung von der Unterzeichnung abhängig gemacht.

Der Mann verteidigte den Vertrag. Er sei nach notarieller Beratung geschlossen worden, um das Familienunternehmen vor Risiken aus dem Vermögen der Frau zu schützen und um zu verhindern, dass er für ihre BAföG-Schulden haften müsse.

Die Kernfrage für das Oberlandesgericht

Die zentrale juristische Frage für das OLG Zweibrücken lautete: Ist der 1995 geschlossene Ehevertrag wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig? Wäre dies der Fall, kämen die gesetzlichen Regelungen zu den Scheidungsfolgen zur Anwendung.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken: Vertrag nichtig, Ansprüche leben auf

Das OLG Zweibrücken gab der Beschwerde der Frau in wesentlichen Punkten statt. Der Ehevertrag vom 28. April 1995 wurde als sittenwidrig und damit als von Anfang an unwirksam eingestuft.

Konkret wurde der Mann verpflichtet, umfassend Auskunft über sein Vermögen zu drei relevanten Stichtagen zu erteilen: dem Tag des Vertragsschlusses (Anfangsvermögen), dem Tag der Trennung und dem Tag der Zustellung des Scheidungsantrags (Endvermögen). Diese Auskunft muss durch Vorlage zahlreicher, detailliert benannter Belege untermauert werden, darunter Kontoauszüge, Depotauszüge, Grundbuchauszüge, Bilanzen seines Unternehmens und vieles mehr.

Der Beschluss des Amtsgerichts wurde im Übrigen, einschließlich des Scheidungsausspruchs, aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht Pirmasens zurückverwiesen. Dort muss nun auf Basis der gesetzlichen Regelungen über den Zugewinnausgleich, den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt entschieden werden.

Die Urteilsgründe: Warum der Vertrag als sittenwidrig gilt

Das OLG Zweibrücken stützte seine Entscheidung auf eine umfassende Prüfung der Sittenwidrigkeit des Ehevertrags. Ein Vertrag verstößt gegen die guten Sitten, wenn er nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist.

Der rechtliche Rahmen: Vertragsfreiheit versus Schutzbedürftigkeit

Grundsätzlich können Ehegatten die gesetzlichen Regelungen der Scheidungsfolgen durch einen Ehevertrag abändern (Vertragsfreiheit). Diese Freiheit findet jedoch ihre Grenzen dort, wo der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung unterlaufen wird. Die richterliche Kontrolle greift umso stärker, je unmittelbarer der Vertrag in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.
Zu diesem Kernbereich zählen insbesondere:

  • Der Betreuungsunterhalt (Unterhalt wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder, § 1570 BGB).
  • Der Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB) und der Altersunterhalt (§ 1571 BGB).
  • Der Versorgungsausgleich, der als vorweggenommener Altersunterhalt betrachtet wird.

Der Zugewinnausgleich ist demgegenüber ehevertraglichen Regelungen am weitesten zugänglich.

Objektive Sittenwidrigkeit: Eine krasse Schieflage im Vertragstext

Das Gericht stellte fest, dass der Vertrag objektiv auf eine einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Antragstellerin abzielte.

  • Umfassender Ausschluss: Der Vertrag schloss sämtliche nachehelichen Ansprüche – Zugewinn, Versorgungsausgleich und alle Arten von Unterhalt – aus.
  • Benachteiligung beim Unterhalt: Der pauschale Ausschluss jeglichen nachehelichen Unterhalts umfasste auch den Betreuungsunterhalt. Angesichts der Schwangerschaft der Frau bei Vertragsschluss war laut OLG offensichtlich, dass sie durch diesen Verzicht erheblich benachteiligt würde, da es nahelag, dass sie die Kinderbetreuung übernehmen würde.
  • Benachteiligung beim Versorgungsausgleich: Auch der Ausschluss des Versorgungsausgleichs wirkte sich voraussichtlich einseitig zum Nachteil der Frau aus. Der Mann konnte mit Versorgungsanrechten aus seinem Unternehmen rechnen, während die berufliche Zukunft der Frau und ihre Möglichkeiten, eigene substanzielle Rentenanwartschaften über Kindererziehungszeiten hinaus zu erwerben, ungewiss waren. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des geplanten Ehezuschnitts (hier: Kinderbetreuung durch die Frau) keine hinreichende Alterssicherung aufbauen kann.
  • Keine Kompensation: Der Vertrag enthielt keinerlei Ausgleich oder Kompensation für diese weitreichenden Verzichte der Frau.

Obwohl der Ausschluss des Zugewinnausgleichs allein nicht ausschlaggebend war, trug er im Gesamtbild zur einseitigen Benachteiligung bei, da die Frau aufgrund ihrer Situation (abgebrochenes Studium, Schwangerschaft) objektiv schlechtere Aussichten auf eigenen Vermögenszuwachs hatte als der unternehmerisch tätige Mann.

Subjektive Sittenwidrigkeit: Eine ungleiche Verhandlungsposition

Neben der objektiven Unausgewogenheit sah das Gericht auch subjektive Umstände, die auf eine unterlegene Verhandlungsposition der Frau hindeuteten:

  • Lebensplanung am Mann ausgerichtet: Die Frau hatte ihre Studienpläne für die Beziehung und den Umzug zum Mann aufgegeben. Dies deutete darauf hin, dass sich der Mann in wesentlichen Fragen durchsetzte.
  • Schwangerschaft und Heiratsabsicht: Angesichts der Schwangerschaft und der bevorstehenden, deswegen vorverlegten Hochzeit sei es naheliegend, dass es der Frau schwerfiel, sich dem Wunsch des Mannes nach einem sie derart benachteiligenden Vertrag zu widersetzen. Das Gericht hielt es nicht einmal für notwendig aufzuklären, ob die Ehe explizit vom Vertragsabschluss abhängig gemacht wurde.
  • Falsche Motive des Mannes: Die vom Mann angeführten Gründe für den Vertrag (Schutz des Familienunternehmens vor Risiken aus dem Vermögen der Frau, Haftung für ihre BAföG-Schulden) überzeugten das Gericht nicht, sondern sprachen eher für eine subjektive Disparität. Die Annahme, die Frau müsse im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft für Unternehmensrisiken haften, ist rechtlich unzutreffend (§ 1363 Abs. 2 Satz 1 BGB stellt klar, dass auch in der Zugewinngemeinschaft die Vermögen getrennt bleiben). Wenn die Frau den Vertrag unter dieser irrigen Annahme unterschrieben hat, selbst nach notarieller „Beratung“, spricht dies für ihre unterlegene Position.

Gesamtwürdigung: Ein klares Verdikt

In der Gesamtschau der objektiven Benachteiligung durch den Vertragsinhalt und der subjektiv unterlegenen Verhandlungsposition der Frau bei Vertragsschluss gelangte das OLG Zweibrücken zu dem Ergebnis, dass der Ehevertrag sittenwidrig und somit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.

Einordnung und juristischer Hintergrund: Die Grenzen der Vertragsfreiheit

Diese Entscheidung des OLG Zweibrücken reiht sich ein in eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen.

§ 138 BGB: Der Anker gegen sittenwidrige Verträge

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) stellt in § 138 Abs. 1 klar: „Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.“ Diese Generalklausel dient als Korrektiv, um Verträge zu verhindern, die mit grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen unvereinbar sind. Bei Eheverträgen kommt sie dann zum Tragen, wenn die vertragliche Gestaltung die Lasten einseitig und unangemessen einem Ehepartner aufbürdet.

Die Kernbereichslehre: Schutz für fundamentale Scheidungsfolgen

Die von der Rechtsprechung entwickelte Kernbereichslehre ist entscheidend für die Beurteilung. Sie besagt, dass bestimmte Scheidungsfolgen, die existenzielle Bedeutung für einen Ehegatten haben können, einem ehevertraglichen Ausschluss nur sehr eingeschränkt zugänglich sind. Dazu gehören insbesondere der Unterhalt wegen Kinderbetreuung sowie der Alters- und Krankheitsunterhalt und der damit eng verbundene Versorgungsausgleich. Ein Verzicht in diesen Bereichen ist besonders kritisch zu prüfen.

Das Spannungsfeld: Autonomie versus Schutz

Eheverträge bewegen sich stets im Spannungsfeld zwischen der Privatautonomie (dem Recht, die eigenen Angelegenheiten vertraglich zu regeln) und dem Schutz des strukturell schwächeren Ehepartners. Gerichte müssen im Einzelfall abwägen, ob die Vertragsfreiheit dazu missbraucht wurde, einen Partner unangemessen zu benachteiligen, insbesondere wenn dieser sich bei Vertragsschluss in einer Zwangslage befand oder die Folgen des Vertrags nicht vollständig überblicken konnte.

Allgemeine Auswirkungen und juristischer Kontext

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken hat Signalwirkung und bestätigt die Tendenz der Rechtsprechung, Globalverzichte in Eheverträgen kritisch zu hinterfragen.

Kein Freibrief für pauschale Ausschlussklauseln

Das Urteil verdeutlicht erneut, dass ein „Globalverzicht“, also der umfassende Ausschluss aller wesentlichen Scheidungsfolgen, juristisch hochproblematisch ist, wenn er zu einer evident einseitigen Lastenverteilung führt. Dies gilt umso mehr, wenn bereits bei Vertragsschluss absehbar ist, dass ein Ehepartner durch die geplante Rollenverteilung (z.B. Übernahme der Kinderbetreuung und dadurch bedingte berufliche Nachteile) auf die gesetzlichen Schutzmechanismen angewiesen sein könnte.

Die Bedeutung der Umstände des Vertragsschlusses

Die Umstände des Vertragsschlusses spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Sittenwidrigkeit. Eine Schwangerschaft, wirtschaftliche Abhängigkeit oder eine erkennbar unterlegene Verhandlungsposition können Indizien für eine subjektive Komponente der Sittenwidrigkeit sein, die zusammen mit einer objektiven Unausgewogenheit des Vertragsinhalts zur Nichtigkeit führen kann.

Notarielle Beratung ist kein Garant für Wirksamkeit

Auch wenn Eheverträge notariell beurkundet werden müssen und der Notar zur neutralen Beratung verpflichtet ist, schützt dies nicht automatisch vor der Sittenwidrigkeit. Eine notarielle Beratung kann eine unfaire Vertragsgestaltung nicht heilen, wenn die oben genannten Kriterien für eine Sittenwidrigkeit erfüllt sind. Das Gericht wies explizit darauf hin, dass selbst eine Beratung die unterlegene Position nicht beseitigt, wenn z.B. falsche Annahmen über rechtliche Konsequenzen (wie die Haftung für Schulden des Partners) zur Vertragsunterzeichnung führen.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken ist noch nicht rechtskräftig; eine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen. Sie zeigt jedoch klar die Linien auf, die die Rechtsprechung bei der Überprüfung von Eheverträgen zieht, und betont den Schutz desjenigen Ehepartners, der durch die eheliche Lebensgestaltung und einen unausgewogenen Vertrag erhebliche Nachteile erleiden würde.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das OLG Zweibrücken hat einen Ehevertrag für sittenwidrig erklärt, der während einer Schwangerschaft geschlossen wurde und alle wesentlichen Scheidungsfolgen (Unterhalt, Zugewinn, Versorgungsausgleich) ausschloss. Das Urteil verdeutlicht, dass Eheverträge unwirksam sein können, wenn sie eine Partei einseitig benachteiligen – besonders wenn die Schwächerstellung bereits bei Vertragsschluss erkennbar war, wie hier durch die Schwangerschaft und die absehbare Kinderbetreuungsrolle der Frau. Die Entscheidung unterstreicht, dass selbst eine notarielle Beurkundung keinen pauschalen „Globalverzicht“ auf wesentliche Rechte rechtfertigt, wenn er den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts verletzt.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann ist ein notarieller Ehevertrag mit umfassendem Verzicht sittenwidrig und damit ungültig?

Auch ein notariell beurkundeter Ehevertrag ist nicht automatisch in jeder Situation gültig. Er kann als „sittenwidrig“ angesehen werden und damit unwirksam sein, wenn er gegen die grundlegenden Werte von Fairness und Gerechtigkeit verstößt und eine Partei extrem und unzumutbar benachteiligt. Dies ist insbesondere bei umfassenden Verzichten auf wichtige Rechte wie Unterhalt oder Versorgungsausgleich (Rentenansprüche) der Fall.

Die Gerichte prüfen die Gültigkeit eines solchen Ehevertrags oft in zwei Schritten:

1. Die Situation bei Vertragsabschluss

Zuerst wird geprüft, ob der Vertrag bereits bei seiner Unterzeichnung auffällig einseitig war und ob eine Partei zu diesem Zeitpunkt unter Druck stand oder in einer Notlage war.

  • Extreme Benachteiligung beim Inhalt: Verzichtet ein Ehegatte auf nahezu alle Rechte, die ihm im Falle einer Scheidung zustehen würden (z.B. auf nachehelichen Unterhalt, auf den Ausgleich der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften und auf den Zugewinnausgleich), kann dies ein erstes Anzeichen für Sittenwidrigkeit sein.
  • Zwangslage oder Druck: Es wird betrachtet, unter welchen Umständen der Vertrag geschlossen wurde. War eine Partei finanziell oder persönlich vom anderen abhängig? Wurde der Vertrag sehr kurzfristig kurz vor der Hochzeit oder während einer Schwangerschaft abgeschlossen, als eine Partei in einer besonders verletzlichen Situation war? Gab es massiven Druck? Solche Umstände können darauf hindeuten, dass die freie Entscheidung stark eingeschränkt war.

2. Die tatsächliche Entwicklung der Ehe und die Auswirkungen bei der Scheidung

Selbst wenn der Vertrag bei Abschluss formal in Ordnung schien, kann er unwirksam werden, wenn sich die Ehe anders entwickelt hat als ursprünglich gedacht und das Festhalten am Vertrag bei der Scheidung zu einer unzumutbaren Härte führen würde.

  • Langjährige Ehe und Rollenverteilung: Hat ein Ehegatte, oft die Frau, im Vertrauen auf die Ehe und die Familie seine eigene Karriere aufgegeben oder stark eingeschränkt, um Kinder zu betreuen und den Haushalt zu führen, während der andere Ehegatte sein Vermögen und seine Rentenansprüche ausbauen konnte?
  • Unvorhersehbare Entwicklungen: Sind während der Ehe Umstände eingetreten, die bei Vertragsabschluss nicht absehbar waren (z.B. schwere Krankheit einer Partei, die sie arbeitsunfähig macht)?
  • Existenzielle Folgen: Würde die strikte Einhaltung des Vertrags dazu führen, dass ein Ehegatte bei der Scheidung ohne jegliche Absicherung dasteht und möglicherweise auf staatliche Sozialleistungen angewiesen wäre?

Das Gericht führt eine Gesamtabwägung durch. Es wird bewertet, wie schwer die anfängliche Benachteiligung war, wie die Ehe tatsächlich gelebt wurde und welche konkreten Folgen die Anwendung des Vertrags im Scheidungsfall hätte. Nur wenn diese Abwägung ergibt, dass das Ergebnis unerträglich ungerecht wäre und gegen das Gerechtigkeitsempfinden verstößt, wird der Vertrag als sittenwidrig und damit unwirksam angesehen.

Auch wenn der Notar eine beratende Funktion hat und über die Konsequenzen des Vertrags aufklären muss, kann die individuelle Zwangslage oder eine extrem unfaire Gestaltung dazu führen, dass der Vertrag trotz der notariellen Form später vom Gericht für unwirksam erklärt wird.


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Welche Rolle spielt eine Schwangerschaft beim Abschluss eines Ehevertrags mit Globalverzicht?

Eine Schwangerschaft kann eine wichtige Rolle bei der Bewertung eines Ehevertrags spielen, insbesondere wenn dieser weitreichende Verzichte enthält. Die Situation einer Schwangerschaft kann die Umstände beeinflussen, unter denen der Vertrag geschlossen wird, und damit seine spätere rechtliche Wirksamkeit mitbestimmen.

Warum die Schwangerschaft die Bewertung beeinflusst

Wenn ein Ehevertrag abgeschlossen wird, ist es rechtlich entscheidend, dass beide Partner ihre Entscheidungen frei und ohne unangemessenen Druck treffen können. Eine Schwangerschaft ist eine besondere Lebensphase, die oft mit großen Veränderungen, körperlichen Belastungen und emotionalen Herausforderungen verbunden ist.

Diese besondere Situation kann die Verhandlungsposition einer schwangeren Person beeinflussen. Sie kann zu einer verstärkten Abhängigkeit führen, etwa weil die finanzielle Situation unsicherer wird oder der Fokus stark auf der bevorstehenden Geburt und dem Kind liegt. Es kann auch ein zeitlicher Druck bestehen, die rechtlichen Verhältnisse vor der Geburt zu regeln. Solche Umstände können es erschweren, alle Konsequenzen eines Ehevertrags – besonders eines Vertrags mit Globalverzicht, bei dem auf wesentliche Rechte wie Unterhalt oder Versorgungsansprüche verzichtet wird – vollständig zu überblicken und frei abzuwägen.

Das Gesetz und die Gerichte prüfen in solchen Fällen genau, ob der Vertrag fair zustande gekommen ist und eine Seite nicht unangemessen benachteiligt. Wenn der Vertrag in einer Situation unterschrieben wurde, in der eine Person durch die Schwangerschaft besonders schutzbedürftig oder unter Druck stand, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass ihre freie Willensbildung beeinträchtigt war.

Gerichte können solche Verträge, die unter solchen Umständen abgeschlossen wurden und eine Seite stark benachteiligen, einer Wirksamkeitsprüfung unterziehen. Eine Schwangerschaft ist dabei ein wichtiger Faktor, der neben anderen Umständen (wie fehlende Beratung, Zeitdruck, Inhalt des Vertrags) berücksichtigt werden kann, um festzustellen, ob der Vertrag wirksam ist oder ob er so einseitig ist, dass er nicht wirksam sein kann oder zumindest nicht in allen Teilen angewendet wird. Es geht darum, ob die Vereinbarung für die schwangere Person unzumutbar belastend war.


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Was bedeutet ein „Globalverzicht“ in einem Ehevertrag und welche Konsequenzen hat er?

Ein „Globalverzicht“ in einem Ehevertrag ist eine Vereinbarung zwischen Ehepartnern, bei der sie auf bestimmte gesetzliche Ansprüche verzichten, die ihnen im Falle einer Scheidung zustehen würden. Stellen Sie sich vor, es gäbe einen Korb mit Rechten, die man bei einer Trennung normalerweise hätte – ein Globalverzicht bedeutet, dass man vereinbart, einen großen Teil oder sogar den gesamten Inhalt dieses Korbes nicht beanspruchen zu wollen.

Welche Ansprüche sind typischerweise betroffen?

Ein solcher Verzicht kann verschiedene wichtige Bereiche umfassen, die das finanzielle Leben nach der Ehe betreffen:

  • Zugewinnausgleich: Dieser Ausgleich findet statt, wenn die Ehe endet und die Ehepartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten. Dabei wird verglichen, wie viel Vermögen jeder Partner während der Ehe hinzugewonnen hat. Der Partner, der weniger hinzugewonnen hat, erhält die Hälfte der Differenz vom anderen Partner. Ein Globalverzicht oder ein spezifischer Verzicht auf den Zugewinnausgleich bedeutet, dass diese Vermögensaufteilung bei einer Scheidung nicht stattfindet.
  • Versorgungsausgleich: Hierbei geht es um den Ausgleich der Rentenanwartschaften. Während der Ehe erworbene Renten- und Pensionsansprüche (z.B. aus der gesetzlichen Rente, Betriebsrenten, private Altersvorsorge) werden grundsätzlich hälftig zwischen den Ehepartnern geteilt. Ein Verzicht darauf bedeutet, dass jeder Partner seine eigenen während der Ehe erworbenen Rentenansprüche behält und keine Ansprüche des anderen erhält.
  • Ehegattenunterhalt: Nach einer Scheidung kann unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Unterhalt bestehen, um den Lebensstandard nach der Ehe zu sichern. Ein Verzicht kann sich sowohl auf den Unterhalt während der Trennungszeit als auch auf den Unterhalt nach der Scheidung beziehen. Ein Globalverzicht schließt oft auch diese Unterhaltsansprüche aus, wobei hier die rechtliche Überprüfung im Einzelfall eine wichtige Rolle spielt, da ein vollständiger Ausschluss von Unterhalt nicht immer gültig ist, besonders wenn dadurch eine Seite stark benachteiligt wird (z.B. bei Betreuung von gemeinsamen Kindern).

Welche Konsequenzen hat ein Globalverzicht?

Die Hauptkonsequenz eines Globalverzichts ist, dass der verzichtende Ehepartner im Falle einer Scheidung erhebliche finanzielle Ansprüche verliert. Das bedeutet, dass er oder sie möglicherweise keinen Ausgleich für das während der Ehe gemeinsam aufgebaute Vermögen oder die erworbenen Rentenansprüche erhält und keinen oder nur eingeschränkten Anspruch auf nachehelichen Unterhalt hat.

Für den verzichtenden Partner kann dies weitreichende langfristige finanzielle Folgen haben, insbesondere wenn ein Partner während der Ehe zum Beispiel zugunsten der Kinderbetreuung oder des Haushalts seine eigene Berufstätigkeit reduziert oder aufgegeben hat. In solchen Fällen kann der Verzicht dazu führen, dass dieser Partner im Alter oder nach der Scheidung deutlich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung hat, während der andere Partner seine Ansprüche behält.

Es ist wichtig zu wissen, dass ein Ehevertrag mit einem Globalverzicht notariell beurkundet werden muss, um wirksam zu sein. Zudem prüft die Rechtsprechung sehr genau, ob solche umfassenden Verzichte im Einzelfall fair und nicht „sittenwidrig“ sind. Ein Verzicht, der einen Partner in eine extreme Notlage bringen würde (z.B. durch vollständigen Ausschluss des Unterhalts trotz Betreuung kleiner Kinder), kann ganz oder teilweise unwirksam sein. Dies zeigt, dass trotz eines Vertrages eine gesetzliche Fairnesskontrolle stattfinden kann.


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Welche Faktoren berücksichtigt ein Gericht bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags?

Wenn ein Gericht prüft, ob ein Ehevertrag sittenwidrig ist, geht es darum festzustellen, ob der Vertrag so einseitig und unfair ist, dass er gegen grundlegende Prinzipien der Gerechtigkeit in einer Ehe verstößt. Ein Gericht betrachtet dabei nicht nur den Vertragstext, sondern viele Umstände, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorlagen.

Die Umstände bei Vertragsabschluss im Blick

Gerichte schauen sich an, wie der Vertrag zustande gekommen ist. War zum Beispiel der Zeitpunkt sehr kurz vor der Hochzeit? Dies könnte darauf hindeuten, dass ein Partner unter Druck stand. Es wird auch geprüft, ob beide Partner alle Konsequenzen des Vertrags verstanden haben oder ob einer stark benachteiligt war und dies nicht überblicken konnte.

Das Ungleichgewicht zwischen den Partnern

Ein ganz wichtiger Punkt ist das wirtschaftliche und soziale Ungleichgewicht zwischen den Ehepartnern. Das Gericht betrachtet zum Beispiel:

  • Die finanzielle Situation: Wie viel Einkommen oder Vermögen hatte jeder Partner zum Zeitpunkt des Vertrags? Gab es große Unterschiede?
  • Bildung und Beruf: Welche beruflichen Möglichkeiten oder Karriereaussichten hatten die Partner? Gab es hier erhebliche Unterschiede?
  • Die geplante Rollenverteilung in der Ehe: Haben die Partner vor, dass einer die Hauptverantwortung für Kinder und Haushalt übernimmt und der andere die Karriere vorantreibt? Wenn der Vertrag dann die finanzielle Absicherung des hauptsächlich betreuenden Partners (z.B. durch Ausschluss von Unterhalt oder Versorgungsrechten) stark einschränkt, kann das ein Hinweis auf Sittenwidrigkeit sein.

Es geht darum, ob der Vertrag die Lasten der Ehe und die Folgen einer möglichen Scheidung so ungleich verteilt, dass dies bei der Gesamtbetrachtung aller Umstände als grob unfair erscheint. Stellt sich heraus, dass eine Seite durch den Vertrag massiv schlechter gestellt wird und dies nicht durch besondere Umstände gerechtfertigt ist, kann das Gericht den Vertrag für sittenwidrig erklären. Dies ist aber immer eine Einzelfallentscheidung, die von der genauen Situation der Eheleute abhängt.


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Kann ein Ehevertrag auch teilweise unwirksam sein, oder ist er im Falle der Sittenwidrigkeit immer komplett nichtig?

Ja, ein Ehevertrag muss im Falle der Sittenwidrigkeit nicht immer komplett unwirksam sein. Es ist oft möglich, dass nur einzelne Teile des Vertrags ungültig sind.

Gerichte prüfen Eheverträge sehr genau, insbesondere wenn sie einen Ehepartner stark benachteiligen. Wenn dabei festgestellt wird, dass bestimmte Vereinbarungen im Vertrag – also einzelne Klauselnsittenwidrig sind, führt das nicht automatisch dazu, dass der ganze Vertrag wertlos ist.

Stattdessen werden diese speziellen, sittenwidrigen Klauseln für unwirksam erklärt. Das bedeutet, dass diese konkreten Vereinbarungen nicht gelten.

Für die Bereiche, die durch die unwirksame Klausel abgedeckt waren (zum Beispiel Regelungen zu Unterhalt oder Rentenansprüchen), können dann wieder die gesetzlichen Standardregeln gelten. Es wird also so behandelt, als hätte es die unwirksam erklärte Vereinbarung nie gegeben.

Das Ziel dieser gerichtlichen Prüfung ist es, eine extreme und unfaire Benachteiligung eines Ehepartners zu verhindern. Andere Teile des Ehevertrags, die nicht sittenwidrig sind, können grundsätzlich weiterhin gültig bleiben.

Die genauen Folgen hängen aber immer stark vom Einzelfall, den konkreten Inhalten des Ehevertrags und der Entscheidung des Gerichts ab.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Versorgungsausgleich

Der Versorgungsausgleich ist ein Ausgleichsverfahren bei Scheidung, bei dem die während der Ehe erworbenen Renten- und Pensionsansprüche (z. B. aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Betriebsrenten oder privaten Altersvorsorgen) zwischen den Ehepartnern hälftig geteilt werden. Ziel ist es, die Altersvorsorge beider Partner fair zu gestalten, insbesondere wenn zum Beispiel ein Partner wegen Kinderbetreuung oder aus anderen Gründen weniger Rentenansprüche erworben hat. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs bedeutet, dass jeder Partner seine eigenen Altersansprüche behält, ohne Ausgleich durch den anderen. Rechtliche Grundlage ist § 1587 BGB und folgende.

Beispiel: Frau A hat wegen Kinderbetreuung keine Rentenansprüche erworben, ihr Mann war berufstätig und baute erhebliche Rentenansprüche auf. Beim Versorgungsausgleich erhält Frau A die Hälfte der während der Ehe von ihrem Mann angesparten Ansprüche.


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Zugewinnausgleich

Der Zugewinnausgleich ist ein gesetzlicher Vermögensausgleich bei Scheidung, der erfolgt, wenn die Ehe im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft geführt wurde. Er berücksichtigt, wie viel Vermögen jeder Ehepartner während der Ehe hinzugewonnen hat, und gleicht die Differenz aus. Wer während der Ehe weniger Vermögen aufgebaut hat, erhält die Hälfte der Differenz vom Partner mit dem höheren Zugewinn. Ein ehevertraglicher Verzicht auf den Zugewinnausgleich bedeutet, dass diese Vermögensaufteilung nicht stattfindet. Die Rechtsgrundlage ist in den §§ 1363 ff. BGB geregelt.

Beispiel: Herr B baute während der Ehe seine Selbstständigkeit gewinnbringend aus, Frau B arbeitete neben der Kinderbetreuung nur geringfügig. Ohne Zugewinnausgleich würde sie keinen Ausgleich für ihren Beitrag an der Familie erhalten.


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Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB)

Sittenwidrigkeit bedeutet, dass ein Vertrag oder Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt, also gegen grundlegende Wertvorstellungen von Treu und Glauben und Gerechtigkeit. Gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist ein sittenwidriges Rechtsgeschäft nichtig, das heißt rechtlich unwirksam, als hätte es nie bestanden. Ein Ehevertrag kann sittenwidrig sein, wenn er eine Partei extrem und unzumutbar benachteiligt, insbesondere wenn Vertragsinhalt, Beweggrund und Zweck des Geschäfts zusammen betrachtet werden und gegen die Wertordnung verstoßen. Diese Prüfung erfolgt sowohl objektiv (Inhalt des Vertrags) als auch subjektiv (Verhandlungsposition der Parteien).

Beispiel: Ein Ehevertrag, der einen Ehepartner vollständig von jeglichen Unterhalts- und Rentenansprüchen ausschließt, obwohl er durch Kinderbetreuung beruflich eingeschränkt wurde, kann sittenwidrig sein und ist dann nichtig.


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Globalverzicht

Ein Globalverzicht ist eine vertragliche Vereinbarung, bei der ein Ehepartner auf nahezu alle wesentlichen Ansprüche bezüglich der finanziellen Scheidungsfolgen verzichtet. Das umfasst häufig den Verzicht auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt. Der Begriff beschreibt also einen umfassenden Verzicht „aus einem Guss“, der alle oder viele dieser Rechte ausschließt. Solche Vereinbarungen sind besonders kritisch, da sie zu einer erheblichen Benachteiligung eines Partners führen können und deshalb gerichtlich genau geprüft werden. Ein Globalverzicht muss ausdrücklich und notariell beurkundet sein, ist aber nicht automatisch wirksam.

Beispiel: Ein Ehevertrag, der festlegt, dass im Falle der Scheidung keiner der Partner Unterhalt oder Ausgleich für Rentenansprüche verlangen kann, ist ein Globalverzicht.


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Kernbereichslehre

Die Kernbereichslehre ist ein rechtlicher Grundsatz aus der Rechtsprechung, der besagt, dass bestimmte fundamentale Ansprüche aus dem Scheidungsfolgenrecht – sogenannte Kernbereichsansprüche – nur eingeschränkt durch Eheverträge ausgeschlossen werden dürfen. Zu diesen Kernbereichen gehören insbesondere der Betreuungsunterhalt (für Kinderbetreuung), der Krankheitsunterhalt, der Altersunterhalt sowie der Versorgungsausgleich. Das bedeutet, dass Vertragsverzichte in diesen Bereichen sehr kritisch geprüft und häufig für unwirksam erklärt werden, wenn sie zu einer unangemessenen Benachteiligung führen. Die Leitlinie schützt also die wirtschaftlich und sozial schwächere Partei.

Beispiel: Ein Ehevertrag, der den Unterhalt für ein Ehekind betreuenden Partner vollständig ausschließt, verstößt gegen die Kernbereichslehre und ist daher in diesem Punkt unwirksam.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 138 Abs. 1 BGB (Sittenwidrigkeit): Diese Generalklausel erklärt Rechtsgeschäfte für nichtig, wenn sie gegen die guten Sitten verstoßen, also eine krasse Ungerechtigkeit oder eine eklatante Benachteiligung eines Vertragspartners bewirken. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Ehevertrag wurde als sittenwidrig beurteilt, da er eine evidente und einseitige Lastenverteilung zugunsten des Mannes enthält und damit gegen grundlegende Gerechtigkeitsvorstellungen verstößt.
  • Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts (insbesondere §§ 1570, 1571, 1572 BGB und Versorgungsausgleich): Die Kernbereichslehre schützt existenzielle Unterhaltsansprüche, insbesondere Betreuungs-, Alters- und Krankheitsunterhalt sowie den Versorgungsausgleich, vor uneingeschränktem Verzicht durch Eheverträge. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Vertrag schloss den Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt, insbesondere Betreuungsunterhalt, pauschal aus, was aufgrund der Schwangerschaft der Frau und ihrer Rolle als Kinderbetreuerin unzumutbar war und die Schutzwürde dieser Kernbereiche verletzte.
  • Zugewinnausgleich (§§ 1363 ff. BGB): Der gesetzliche Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Vermögenszuwachses kann grundsätzlich durch Ehevertrag ausgeschlossen oder modifiziert werden, unterliegt jedoch der Überprüfung auf Sittenwidrigkeit. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl der Ausschluss des Zugewinnausgleichs allein rechtlich zulässig sein kann, verstärkte dieser im Zusammenspiel mit den anderen Verzichtserklärungen die einseitige Benachteiligung der Frau.
  • Notarielle Beurkundung (§ 15 Abs. 2 EheG): Eheverträge müssen notariell beurkundet werden, um rechtlich wirksam zu sein; die notarielle Beratung soll die Vertragsparteien über Rechtsfolgen aufklären. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die notarielle Beurkundung des Ehevertrags schützt nicht vor Sittenwidrigkeit, insbesondere da die Frau aufgrund falscher Annahmen und ihrer schwachen Verhandlungsposition nicht ausreichend geschützt war.
  • § 1363 Abs. 2 Satz 1 BGB (Gütertrennung in der Zugewinngemeinschaft): Regelt, dass das Vermögen der Ehegatten getrennt bleibt, auch wenn Zugewinnausgleich besteht, und begrenzt die Haftung für Schulden des Partners. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die vom Mann behauptete Notwendigkeit des Vertrags zum Schutz vor Haftung für BAföG-Schulden der Frau oder für Unternehmensrisiken wurde vom Gericht als unbegründet zurückgewiesen, was die unterlegene Position der Frau bei Vertragsschluss verdeutlicht.
  • Verhandlungsposition und Umstände des Vertragsschlusses (subjektive Sittenwidrigkeit): Eine unterlegene Verhandlungsposition, etwa durch Schwangerschaft, finanzielle oder emotionale Abhängigkeit, kann die Nichtigkeit eines Vertrages wegen Sittenwidrigkeit begründen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Schwangerschaft der Frau und ihr Verzicht auf Studienpläne sowie die vorverlegte Hochzeit führten zu einer erkennbaren Zwangslage, die eine freie und gerechte Willensbildung beeinträchtigte und die Sittenwidrigkeit des Vertrags bestätigte.

Das vorliegende Urteil


OLG Zweibrücken – Az.: 2 UF 166/23 – Beschluss vom 18.06.2024


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