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Wertberechnung des Erbvertrags

Streit um Notarkosten: Oberlandesgericht Brandenburg klärt Bewertungsgrundlage für Erbvertrag

In einem aktuellen Beschluss hat das Oberlandesgericht Brandenburg die Beschwerde eines Notars gegen einen vorangegangenen Beschluss des Landgerichts Potsdam abgewiesen. Der Fall dreht sich um die Berechnung von Notargebühren für die Beurkundung eines Erbvertrags. Im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung steht die Frage, welche Vermögenswerte in die Bemessungsgrundlage für die Notarkosten einfließen dürfen. Konkret geht es um die Einbeziehung von Nießbrauch und Rückübertragungsanspruch aus einem vorangegangenen Grundstücksübertragungsvertrag in die Kostenrechnung für den Erbvertrag.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 W 80/22 >>>

Die Ausgangslage: Grundstücksübertragung und Erbvertrag

Der Beteiligte zu 1 hatte den Notar ursprünglich mit der Beurkundung eines Grundstücksübertragungsvertrags beauftragt. Im Rahmen dieser Beurkundung wies der Notar auf die Möglichkeit eines Erbvertrags hin. Der Grundstücksübertragungsvertrag und der Erbvertrag wurden am selben Tag beurkundet. Der Beteiligte zu 1 übertrug sein Grundstück an seine Söhne und behielt sich ein Nießbrauchsrecht sowie einen zeitlich begrenzten Rückübertragungsanspruch vor. Später beanstandete der Beteiligte zu 1 die Höhe der Notarkosten für den Erbvertrag.

Kern des Streits: Was gehört in die Bemessungsgrundlage?

Der Notar argumentierte, dass der Wert des Nießbrauchs und des Rückübertragungsanspruchs in die Bemessungsgrundlage für die Kosten des Erbvertrags einfließen müsse. Diese Auffassung stützte er auf § 102 I S. 1 GNotKG. Der Beteiligte zu 1 hingegen war der Meinung, dass diese Werte nicht berücksichtigt werden dürfen, da sie nicht vererbbar seien.

Die Entscheidung des Gerichts: Vererbbarkeit als Schlüsselkriterium

Das Oberlandesgericht Brandenburg schloss sich der Auffassung des Beteiligten zu 1 an. Es stellte klar, dass nur vererbbares Vermögen in die Bemessungsgrundlage für die Notarkosten einfließen dürfe. Da Nießbrauch und Rückübertragungsanspruch mit dem Tod des Berechtigten erlöschen und somit nicht vererbbar sind, dürfen sie nicht in die Kostenrechnung einbezogen werden.

Zusätzliche Überlegungen: Grundstückswert bleibt außen vor

Das Gericht ging auch auf die Frage ein, ob der Wert des übertragenen Grundstücks in die Bemessungsgrundlage einfließen sollte. Es kam zu dem Schluss, dass dies ebenfalls nicht der Fall sein sollte. Der Grund: Der Beteiligte zu 1 war zum Zeitpunkt der Beurkundung des Erbvertrags noch Eigentümer des Grundstücks, da die Eigentumsumschreibung noch ausstand. Allerdings wäre dies nur eine Frage der Zeit gewesen, und es wäre unangemessen, den Grundstückswert in diesem Fall zu berücksichtigen.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 7 W 80/22 – Beschluss vom 24.03.2023

Die Beschwerde des Notars gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 25.03.2022 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1. wendete sich ursprünglich mit seinem Kostenprüfungsantrag vom 25.08.2020 gegen zwei Notarkostenrechnungen des Beschwerdeführers vom 13.08.2020 betreffend einen Erbvertrag mit Pflichtteilsverzichtsvertrag URNr. …1/20, beurkundet am 23.07.2020 (nachfolgend Erbvertrag genannt) und vom 17.08.2020 betreffend einen Grundstücksübertragungsvertrag URNr. …2/20, beurkundet am 23.07.2020.

Der Beteiligte zu 1. beauftragte den Notar am 20.07.2020 mit Beurkundung eines Grundstücksübertragungsvertrags. In diesem Zusammenhang wies der Notar ihn auf die Möglichkeit der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamtes und die „Sinnhaftigkeit“ eines Erbvertrages hin. Der Notar beurkundete sodann den Grundstücksübertragungsvertrag, mit dem der Beteiligte zu 1. sein Grundstück an seine beiden Söhne verschenkte, sich ein Wohnrecht als Nießbrauch und einen zeitlich begrenzten Rückübertragungsanspruch vorbehielt. Den Wert des Grundstücks bezifferte der Notar mit 1.300.000 €. Anschließend erfolgte am selben Tag die Beurkundung des Erbvertrages. Der Notar berechnete die Gebühren für die Beurkundung des Erbvertrags, URNr. …1/20, aus einem Geschäftswert von 843.750,00 €. Diesem Geschäftswert legte er Teilwerte des Nießbrauchsrechts und des Rückforderungsrechts zugrunde; das Rückforderungsrecht bezifferte er mit 675.000 € (vgl. Blatt 13 GA). Von der Berücksichtigung des Wertes des Grundstücks hat er abgesehen. Der Beteiligte zu 1. beanstandete in beiden Rechnungen die jeweilige Höhe des Geschäftswertes als auch die Art und Weise der Beratung und Vorgehensweise durch den Beschwerdeführer. Nachdem der Notar und die Ländernotarkasse sich zu den Beanstandungen erklärt hatten, führte der Beteiligte zu 1. mit Schriftsatz vom 26.07.2021 (Blatt 68 GA) aus, dass er sich nicht gegen die Kostenrechnung zur Grundstücksübereignung wende und diese nicht beanstande, sondern gegen die Kostenrechnung für den Erbvertrag.

Der Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, dass das zuvor von ihm mit dem Grundstücküberlassungsvertrag verschenkte Grundstück nichts mehr in der Bemessungsgrundlage für die Kostenrechnung des Erbvertrags zu suchen habe. Die Rechnung sei neu zu erstatten.

Der Notar ist der Auffassung, dass für die Wertberechnung des Erbvertrags zu berücksichtigen sei, dass der Grundstücksübertragungsvertrag sowohl einen Nießbrauch zugunsten des Beteiligten zu 1. beinhalte, als auch unter bestimmten Voraussetzungen ihm die Möglichkeit der Rückübertragung des Grundstücks eröffne. Sinngemäß trägt er weiter vor, dass die Berücksichtigung von nicht vererblichen Nutzungsrechten geboten sei, weil die aus ihrer potenziellen Verwertbarkeit begründbaren Nutzungen, Früchte oder sonstige Vorteile zu berücksichtigen seien. Diese Auffassung finde in § 102 I S. 1 GNotKG eine maßgebliche Stütze, weil auch Nutzungs- und Rückforderungsrechte einen Vermögenswert haben; § 52 GNotKG. Deshalb seien der Wert des Nießbrauchs und der Wert des Rückforderungsrechts zu berücksichtigen. Von der Berücksichtigung des noch nicht das Eigentum gewechselten Grundstückes habe er abgesehen. Die Ländernotarkasse hält in ihrer Stellungnahme vom 28.06.2021 die Beanstandung des Beteiligten zu 1. für berechtigt. Weder fließe der Wert des übertragenen Grundstücks noch der Nießbrauch und das Rückforderungsrecht in die Wertberechnung ein. Sie führt aus, dass sich ihre Prüfungsabteilung, Leipziger Kostenspiegel, 3. Auflage 2021, in Rn. 19.14, nunmehr dahingehend positioniert habe, das übertragene Grundstücke nicht zu berücksichtigen seien, auch wenn der Testierende bis zum Vollzug des Übertragungsvertrags noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sei. Nur wenn für die Übertragung ein Entgelt gezahlt werde, sei dieses wiederum als Vermögenswert bei der letztwilligen Verfügung maßgebend. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 25.03.2022, dem Notar am 28.04.2022 formlos zugegangen, dessen Kostenrechnung vom 13.08.2020 für die Beurkundung des Erbvertrags vom 23.07.2020 zur URNr. …2/20 aufgehoben und dem Notar aufgegeben, die Kostenrechnung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu erstellen. Ferner hat es das übrige Kostenprüfungsgesuch des Antragstellers zurückgewiesen. Das Landgericht hat sich der Auffassung der Ländernotarkasse angeschlossen.

Mit seiner nicht weiter begründeten Beschwerde vom 14.05.2022, bei dem Landgericht am 18.05.2022 eingegangen, wendet sich der Notar gegen den Beschluss vom 25.03.2022. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11.07.2022 nicht abgeholfen.

II.

1.

Die gemäß § 129 I GNotKG zulässige Beschwerde ist unbegründet; allerdings nicht in Gänze mit der vom Landgericht vertretenen Auffassung. Der Beschwerdeführer hat den Geschäftswert für den Erbvertrag mit Pflichtteilsverzichtsvertrag (nachfolgend weiter: Erbvertrag) nicht am Wert des übertragenen Grundstückes bemessen, sondern am Nießbrauch und Rückübertragungsanspruch und hiervon einen Teilbetrag angenommen. Diese Frage hat das Landgericht mit einem Satz (Beschlussabschrift Seite 2 letzter Satz im ersten Absatz) beantwortet.

1.1.

Der Beschwerdeführer darf seiner Kostenrechnung nicht den Wert/Teilwert des Nießbrauchs oder den Wert des Rückübertragungsanspruchs der Kostenrechnung für den beurkundeten Erbvertrag zu Grunde legen.

Gemäß §§ 1, 3, 10 GNotKG hat der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Erstattung von Kosten (Gebühren und Auslagen) für die von ihm vorgenommene Amtshandlung; hier die Beurkundung des Erbvertrags mit Pflichtteilsverzichtsvertrag. Die Höhe der Kosten richtet sich gemäß § 3 I GNotKG nach dem Wert, den der Gegenstand des Verfahrens oder des Geschäfts (Geschäftswert) hat; ein Ausnahmetatbestand (z.B. Festgebühren, Betragsrahmengebühren oder Jahresgebühren) liegt nicht vor.

Für die Bestimmung des Geschäftswertes der Beurkundung des Erbvertrags ist § 102 GNotKG maßgebend, weil unter § 102 I bis III GNotKG tatbestandsmäßig auch Erbverträge nach § 2274 BGB fallen (vgl. Korintenberg, Gerichts- und Notarkostengesetz, 22. Auflage 2022, Rn. 12,- beck-online; Bormann/Diehm/Sommerfeldt/Pfeiffer, GNotKG, 4. Auflage, § 102, Rn. 2,- beck-online). Der Geschäftswert bei der Beurkundung des Erbvertrags ist danach der Wert des Vermögens über das verfügt wurde. Verfügt hat der Beteiligte zu 1. über sein gesamtes Vermögen.

Der Begriff des Vermögens in § 102 I S. 1 GNotKG entspricht dem der Erbschaft bzw. des Nachlasses im Sinne des BGB. Er ist also der Inbegriff der vererbbaren Rechtsverhältnisse des Erblassers. Zum Vermögen gehört alles Bewertbare und Vererbbare (vgl. Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, § 102 Rn. 36, – beck-online; Toussaint/Uhl, Kostenrecht, 52. Auflage 2022, § 102, Rn 6, – beck-online). Nicht vererbliche Gegenstände werden nicht berücksichtigt (vgl. nur Bormann/Dieh/Sommerfeld/Pfeiffer, aaO, Rn. 4, mwN.). Nicht vererbbar sind indes vorliegend der Nießbrauch und Rückübertragungsanspruch aus dem Grundstücksübertragungsvertrag. Denn mit dem Tod des Berechtigten erlöschen die an seine Person gebundene Rechte (Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Auflage 2023, § 1922, Rn. 36). So ist die Rechtslage hier. Verstirbt der Beteiligte zu 1., erlöschen Nießbrauch und sein Rückübertragungsanspruch aus dem Grundstücksveräußerungsvertrag, weil es sich nicht um vererbliche Gegenstände seines Aktivvermögens handelt. Der Senat vermag keinen Ansatz zu erkennen, weshalb der Vermögensbegriff vorliegend der Modifizierung bedarf. Es liegt auf der Hand, dass die Erbschaft nur aus dem vererblichen Vermögen des Erblassers bestehen kann und er nur hierüber letztwillig verfügen kann.

1.2.

Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen selbst davon ausgegangen ist, dass das übertragene Grundstück wertmäßig nicht zu berücksichtigen sei, teilt der Senat diese Auffassung vorliegend im Ergebnis. Zwar gehörte zum Vermögen des Beteiligten zu 1. zum Zeitpunkt der Beurkundung des Erbvertrags noch das zuvor am selben Tag von ihm übertragene Grundstück, weil der Vollzug der Urkunde und damit die Eigentumsumschreibung noch ausstand. Nach § 102 I GNotKG wäre das Grundstück als Vermögen des Beteiligten zu 1. zum Zeitpunkt des Erbvertrags auch zu berücksichtigen. Jedoch wäre gleichermaßen die Gegenforderung, nämlich der Anspruch der Beschenkten auf Vollzug der Schenkung des Grundstücks zu berücksichtigen. Nach § 102 I Satz 2 GNotKG werden Verbindlichkeiten des Erblassers abgezogen, jedoch bis zur Hälfte des Werts des Vermögens.

Die Prüfabteilung der Ländernotarkasse (Leipziger Kostenspiegel, 3. Auflage 2021, Rn. 19.14) vertritt die Ansicht, dass das übertragene Grundstück für die Wertbemessung unberücksichtigt bleibt auch wenn der Testierende bis zum Vollzug des Übertragungsvertrags noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Ferner wird die Auffassung in der Literatur vertreten, wonach unvollzogene gegenseitige Verträge im Sinne von § 102 I GNotKG als vermögensneutral einzustufen seien, also nicht bzw. zu null zu bewerten seien (vgl. Diehn, Notarkostenberechnungen, 8. Auflage 2022, Rn. 1667a). Der Verfasser meint, dass es vor Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten nicht angemessen erscheint, Forderung und Gegenforderung jeweils nach § 102 I GNotKG zu bewerten.

Der Senat teilt diese Einschätzung für die Bewertung des Geschäftswertes des vorliegenden Erbvertrags. Es wäre nicht angemessen, wenn der Beschwerdeführer den Grundstückswert für die Bemessung des Wertes des Erbvertrages heranziehen würde. Hierbei wäre zu berücksichtigen, dass er die beiden Beurkundungen in einem engen Zusammenhang vorgenommen hat und es nur der Dauer der Grundbucheintragung – des Vollzugs der eigenen Urkunde – geschuldet war, dass der Beteiligte noch Eigentümer des Grundstücks war, als der Beschwerdeführer den Erbvertrag beurkundete. In den Fällen erscheint es jedenfalls unangemessen, wenn der Beschwerdeführer den Wert des Grundstückes oder einen Teilwert hiervon dem Geschäftswert zu Grunde legen würde.

2.

Es entspricht der Billigkeit, dem Beschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen, weil seine Beschwerde keinen Erfolg hat; § 84 FamFG (vgl. zur Frage wer die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens nach §§ 127 GNotKG zu tragen hat, Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 10.12.2018, 2 W 97/18,- juris, Rn 8).

 

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