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Verbraucherschutzregelungen bei Grundstücksgeschäften – Anwendung auf Verbraucherverträge

OLG Celle Senat – Az.: Not 13/17 – Urteil vom 01.12.2017

Die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 7. Februar 2017, Az. …, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 22. August 2017, Az. …, wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 1.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2017 (Bl. 14 – 18 R d. A.) verhängte der Beklagte gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 500,00 €. Dem lagen (in chronologischer Reihenfolge) folgende Vorwürfe des Beklagten zugrunde:

1. Bei der Abwicklung des zur UR-Nr. 1 beurkundeten Grundstückskaufvertrags habe der Kläger gegen eine ihm erteilte Treuhandauflage verstoßen. Gemäß § 3 des Vertrags habe ein Teil des Kaufpreises auf einem Notaranderkonto hinterlegt werden und nicht vor dem 15. Juni 2013 ausgezahlt werden sollen. Tatsächlich habe der Kläger über den hinterlegten Betrag aber bereits am 13. Juni 2013 verfügt.

2. Bei der Beurkundung eines Kaufvertrags über Wohneigentum zur UR-Nr. 2 habe für den Verkäufer eine Notariatsmitarbeiterin des Klägers als vollmachtlose Vertreterin gehandelt. Bei der Notariatsmitarbeiterin habe es sich nicht um eine Vertrauensperson des Verkäufers gehandelt. Auch habe der Kläger nicht darauf hingewirkt, dass der Verkäufer eine solche Vertrauensperson benenne. Dadurch habe er gegen § 17 Abs.  2a Satz 1 BeurkG verstoßen. Darüber hinaus habe der Kläger mit dem vollmachtlos Vertretenen die mit einer solchen Vertretung verbundenen Risiken nicht im Vorwege erörtert und dadurch gegen seine betreuende Belehrungspflicht verstoßen.

3. Bei der Beurkundung eines Grundstücksübertragungsvertrags zur UR-Nr. 3 habe für die Übernehmerin eine Notariatsmitarbeiterin des Klägers als vollmachtlose Vertreterin gehandelt. Bei der Notariatsmitarbeiterin habe es sich nicht um eine Vertrauensperson der Übernehmerin gehandelt. Auch habe der Kläger nicht darauf hingewirkt, dass die Übernehmerin eine solche Vertrauensperson benenne. Dadurch habe er gegen § 17 Abs. 2a Satz 1 BeurkG BeurkG verstoßen. Darüber hinaus habe der Kläger mit der vollmachtlos Vertretenen die mit einer solchen Vertretung verbundenen Risiken nicht im Vorwege erörtert und dadurch gegen seine betreuende Belehrungspflicht verstoßen.

4. Bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags zur UR-Nr. 4 habe für die Verkäuferin eine Notariatsmitarbeiterin des Klägers als vollmachtlose Vertreterin gehandelt. Bei der Notariatsmitarbeiterin habe es sich nicht um eine Vertrauensperson der Verkäuferin gehandelt. Auch habe er nicht darauf hingewirkt, dass die Verkäuferin eine solche Vertrauensperson benenne. Dadurch habe der Kläger gegen § 17 Abs. 2a Satz 1 BeurkG und darüber hinaus gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG verstoßen.

Dem gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch des Klägers hat der Beklagte nicht abgeholfen und den Vorgang dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vorgelegt. Mit Bescheid vom 22. August 2017 (Bl. 19 – 27 d. A.) hat dieser den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Ergänzend hat der Präsident des Oberlandesgerichts darauf hingewiesen, dass die Regelung in § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG auch auf solche Verträge Anwendung finde, bei denen auf beiden Seiten Verbraucher beteiligt seien. Dementsprechend habe der Kläger auch bei Beurkundung der Verträge zu den UR-Nrn. 2 und 3 gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG verstoßen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des gegen ihn gerichteten Bescheids.

– Er habe nicht gegen den ihm erteilten Treuhandauftrag verstoßen. Er habe sich vielmehr streng an den in § 3 Ziffer 2 des Vertrags geregelten Auszahlungsvoraussetzungen orientiert. Der vom Landgericht angesprochene Fälligkeitszeitpunkt sei dort nicht aufgeführt und auch im Übrigen nicht Gegenstand der Verwahrungsanweisung.

– Er habe nicht in drei Fällen gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG verstoßen. Diese Vorschrift finde nur auf Verbraucherverträge im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB Anwendung. Unabhängig hiervon sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb sich eine Notariatsangestellte nicht als Vertrauensperson eigne.

– Er habe auch nicht gegen seine betreuende Belehrungspflicht verstoßen. Insoweit verkenne der Beklagte, dass die Belehrung auch anlässlich der Genehmigung des Rechtsgeschäfts erfolgen könne. Darüber habe er die Belehrung in den verfahrensgegenständlichen Fällen bereits vor Vertragsschluss vorgenommen.

Der Kläger beantragt, die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts Stade, Wilhadikirchhof 1, 21682 Stade, vom 7. Februar 2017, Geschäftsnummer: … in der Form des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 22. August 2017, Geschäftszeichen … aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Es bleibe bei den erhobenen Vorwürfen. Im Hinblick auf den ihm zur Last gelegten Treuhandverstoß blende der Kläger aus, dass der Hinterlegende ihm eine zusätzliche Verwahrungsanweisung erteilt habe. Auch die weiteren Ausführungen in der Klageschrift seien nicht geeignet, die erhobenen Vorwürfe zu entkräften.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Parteien haben mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2017 bzw. vom 24. Oktober 2017 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 101 Abs. 2 VwGO erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

I.

Die Anfechtungsklage ist zulässig. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO finden im notariellen Disziplinarrecht die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) entsprechende Anwendung. Gemäß § 3 BDG kommen ergänzend die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zum Tragen. Auf der Grundlage dieser Vorschriften ist die Anfechtungsklage statthaft, denn der Kläger begehrt die Aufhebung eines Verwaltungsakts im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO und § 35 Satz 1 VwVfG in der Gestalt der Disziplinarverfügung vom 7. Februar 2017. Der Kläger hat die Anfechtungsklage auch innerhalb der Monatsfrist des § 74 VwGO erhoben.

II.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Kläger verstieß im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Beurkundungen bzw. im Rahmen der nachfolgenden Abwicklung nicht gegen seine Amtspflichten.

1. Der Kläger verstieß nicht gegen seine Amtspflichten aus § 23 BNotO in Verbindung mit § 54a BeurkG in der bis 8. Juni 2017 gültigen Fassung (nachfolgend: BeurkG). Vielmehr beachtete er beim Vollzug des von ihm zur UR-Nr. 1 beurkundeten Vertrags die ihm in diesem Zusammenhang von den Parteien erteilten Treuhandauflagen.

Zur UR-Nr. 1 beurkundete der Kläger am 26. April 2013 einen Grundstückskaufvertrag über ein im Grundbuch von H. Blatt …4 eingetragenes Grundstück zum Kaufpreis von 159.000,00 €. Verkäufer waren Herr C. C. und Frau G. S.-O. Käuferin war Frau P. H.

In § 3 Nr. 1 des Vertrags heißt es unter anderem wie folgt:

„Der Käufer wünscht einen vorzeitigen Besitzübergang zum 15.06.2013. Im Hinblick auf die damit verbundenen Gefahren (ungesicherte Vorleistung) ist der Verkäufer dazu nur bereit, wenn ein Teil des Kaufpreises in Höhe von 115.000.00 EUR bis zum 15.06.2013 auf ein noch zu benennendes Anderkonto des amtierenden Notars gezahlt wird.“

In § 3 Nr. 2 des Vertrags heißt es sodann unter anderem weiter:

„Die Beteiligten weisen den Notar an, den hinterlegten Teil des Kaufpreises auszuzahlen, wenn die nachstehend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Restkaufpreis in Höhe von 44.000,00 € ist unter den namentlichen Voraussetzungen fällig, jedoch nicht vor dem 02.07.2013:

a) zur Sicherung des Anspruchs des Käufers … ist eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen …,

b) die zu diesem Vertrag erforderlichen Genehmigungen … liegen vor,

c) die zuständige Gemeinde hat bestätigt, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht nicht besteht oder nicht ausgeübt wird,

d) die Löschungsunterlagen für die nicht übernommenen Belastungen liegen entweder auflagenfrei oder aber mit der Maßgabe vor, hiervon gegen Zahlung eines Betrags, der insgesamt nicht höher als der vereinbarte Kaufpreis ist, Gebrauch zu machen.

Weitere Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreises, deren Eintritt jedoch vom Notar nicht zu überwachen ist, ist die vollständige Räumung des Hauses durch den Verkäufer.“ [Anmerkung: Hervorhebung durch den Senat]

a) Als der Kläger am 13. Juni 2013 über den hinterlegten Kaufpreis verfügte, lagen die in § 3 Nr. 2 des Vertrags aufgeführten Auszahlungsvoraussetzungen unstreitig bereits vollständig vor.

b) Entgegen der von der Aufsichtsbehörde vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Regelung in § 3 Nr. 1 des Vertrags nicht um eine gesonderte Verwahrungsanweisung der Käuferin. Dementsprechend verstieß der Kläger durch die Verfügung über den hinterlegten Kaufpreis vor dem 16. Juni 2013 auch nicht gegen eine ihm von der Käuferin erteilte Verwahrungsanweisung.

Die Bestimmung in § 3 Nr. 2 des Vertrags sollte erkennbar abschließenden Charakter besitzen. Dort regelten die Parteien zweierlei und zwar einmal sämtliche Voraussetzungen für die Auszahlung des hinterlegten Teilkaufpreises sowie darüber hinaus die weiteren Voraussetzungen für die Fälligkeit des Restbetrags gemäß § 271 BGB. Dass darüber hinaus auch der in § 3 Nr. 1 des Vertrags genannte Zeitpunkt für die vorzeitige Besitzübergabe unter die Auszahlungsvoraussetzungen fallen sollte, regelten die Parteien in § 3 Nr. 2 des Vertrags hingegen nicht.

§ 3 Nr. 1 des Vertrages betrifft nur die Voraussetzungen für einen vorzeitigen Besitzübergang. Danach hatten die Verkäufer den Besitz am Grundstück am 15. Juni 2013 zu übergeben, wenn bis zu diesem Zeitpunkt ein Teil des Kaufvertrags auf dem Anderkonto hinterlegt war und somit das für die Verkäufer mit der ungesicherten Vorleistung verbundene Risiko eine entsprechende Absicherung erfahren hatte. Hätte die Käuferin den Kaufpreis bis zum 15. Juni 2013 nicht gezahlt, hätte dies somit lediglich einer vorzeitigen Besitzübergabe entgegengestanden. Demgegenüber hätten die Verkäufer nicht verlangen können, dass der Kaufpreis auf das Anderkonto gezahlt wird und zwar auch nicht nach dem 15. Juni 2013. Auch hätten die Verkäufer allein aufgrund Fristablaufs nicht Zahlung an sich verlangen können. Weil § 3 Nr. 1 des Vertrags damit kein eigenständiges Forderungsrecht der Verkäufer begründen sollte, kommt in diesem Zusammenhang auch ein Rückgriff auf § 271 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.

Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die der Besitzübergabe vorgelagerte Räumung des Grundstücks durch die Verkäufer gemäß § 3 Nr. 2 des Vertrags nicht vom Kläger zu überwachen war. Dann gilt dies gleichermaßen für die Voraussetzungen der Räumung. Wenn aber die Voraussetzung insbesondere in Gestalt der Zahlung des Teilkaufpreises bis zum 15. Juni 2013 nicht vom Kläger zu überwachen war, dann kann es sich dabei auch nicht um eine vom Kläger zu überwachende Auszahlungsvoraussetzung handeln.

2. Der Kläger verstieß im Zusammenhang mit der Beurkundung des Vertrags zur UR-Nr. 2 nicht gegen seine Amtspflichten im Sinne von § 17 Abs. 2a Satz 1 und 2 BeurkG.

Am 12. Februar 2015 beurkundete der Kläger einen Kaufvertrag zwischen Herrn G. auf Verkäufer- und dem Ehepaar B. auf Käuferseite. Gegenstand des Kaufvertrags war die Veräußerung des im Wohnungsgrundbuch von B. Blatt …5 eingetragenen Wohneigentums zum Kaufpreis von 186.000,00 €.

Der Verkäufer wurde bei der Beurkundung vollmachtlos von einer Angestellten des Klägers vertreten.

a) Entgegen der von der Widerspruchsbehörde vertretenen Auffassung verstieß der Kläger hierdurch nicht gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG. Danach soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Verbrauchers von diesem persönlich oder durch eine Vertrauensperson vor dem Notar abgegeben werden.

Bei dem verfahrensgegenständlichen Grundstückskaufvertrag handelt es sich nicht um einen Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB. Danach ist ein Verbrauchervertrag ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute B. bei Abschluss des Vertrags als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB gehandelt haben könnten.

Außerhalb von Verbraucherverträgen findet § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG aber keine Anwendung.

Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 18. März 2010 (Az. Not 1/10, veröffentlicht in juris, Rn. 67) entschieden, dass § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG nur für Verbraucherverträge gilt (ebenso: Winkler, BeurkG, 18. Aufl., § 17, Rn. 98; Frenz in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl., § 17 BeurkG, Rn. 43; Armbrüster, BeurkG/DONot, 7. Aufl., § 17 BeurkG, Rn. 194; Grziwotz in: Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 2. Aufl., § 17, Rn. 72).

Daran hält der Senat fest. Die Auslegung der Bestimmung durch den Senat entspricht auch den Anwendungsempfehlungen der Bundesnotarkammer zur praktischen Umsetzung von § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG vom 1. August 2002 (abgedruckt im Rundschreiben 20/2003). Für eine Ausdehnung der Bestimmung auch auf andere Verträge gibt der Wortlaut der Bestimmung demgegenüber nichts her. Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes rechtfertigt nicht die Annahme, dass über den Verbrauchervertrag hinaus auch Verträge ohne Beteiligung eines Unternehmers unter die Vorschrift fallen sollen. Zwar beabsichtigte der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zunächst eine Ausdehnung dieser Vorschrift auch auf Verträge zwischen zwei Verbrauchern (vgl. BT-Drucks. 14/9266, Seite 50 und BT-Drucks. 14/9531, Seiten 5 und 6). Allerdings nahm der Gesetzgeber in der Folgezeit von einer entsprechenden Formulierung der Bestimmung („Insbesondere bei Verbraucherverträgen soll der Notar darauf hinwirken, dass …“) auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 27. Juni 2002 wieder Abstand (BT-Drucks. 14/9633, Seite 2). Die Gründe hierfür sind nicht zum Gegenstand einer Drucksache geworden, sodass auch eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm auf der Grundlage einer teleologischen Auslegung nicht in Betracht kommt. Nachdem allerdings insbesondere die zukünftige Reichweite von § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG-E explizit als Grund für die Anrufung des Vermittlungsausschusses angegeben worden war (vgl. BT-Drucks. 14/9531, Seiten 5 und 6), spricht die Endfassung des Gesetzes gegen die Annahme eines rein redaktionellen Versäumnisses. Vielmehr legt die letztlich in Kraft getretene Gesetzesfassung nahe, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift explizit auf Verbraucherverträge beschränken wollte (so auch Brambring unter Hinweis auf die nach Initiative der Bundesnotarkammer ausdrücklich erfolgte Beschränkung der Regelung auf Verbraucherverträge, ZfIR 2002, 597 ff [598]; ebenso: Schmucker, DNotZ 2002, 510 [517]).

b) Auch im Übrigen verstieß der Kläger nicht gegen seine Amtspflichten. Zwar soll der Notar das Beurkundungsverfahren auch außerhalb von Verbraucherverträgen gemäß § 17 Abs. 2a Satz 1 BNotO generell so gestalten, dass die Einhaltung der Pflichten nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 BeurkG gewährleistet ist. Auch soll dadurch unter anderem verhindert werden, dass der Notar planmäßig und systematisch die Beteiligten von der Beurkundung und damit auch der Belehrung durch die Heranziehung vollmachtloser Vertreter ausschließt (vgl. Winkler aaO, § 17, Rn. 36). Ein solches Verhalten ist mit den Amtspflichten eines Notars nicht zu vereinbaren (vgl. Senat, Beschluss vom 18. März 2010, Az. Not 1/10, veröffentlicht in juris, Rn. 60).

Ein planmäßiges Vorgehen des Klägers kann unter Berücksichtigung der vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Stellungnahmen der Urkundsbeteiligten aber nicht festgestellt werden. Insbesondere hat sich der Vorwurf des Beklagten nicht bestätigt, der Kläger habe die Vertretung durch eine Mitarbeiterin praktisch als Normalfall empfohlen und dies auch ohne ausdrücklichen Wunsch der Beteiligten angeboten. Vielmehr heißt es in der an den Kläger gerichteten E-Mail des Geschäftsführers der vom Verkäufer beauftragten F. GmbH vom 8. Mai 2017 unter anderem (Bl. 36 d. A. …):

„Mit Ihrer E-Mail vom 29.12.2014 hatten Sie noch angefragt, ob Herr G. zu der Beurkundung anreisen werde. Nach Rücksprache mit Herrn G. hatte ich Ihnen erklärt, dass es Herrn G. nicht möglich sei, aus I. für die Beurkundung anzureisen.“

Ein systematisches Vorgehen hat auch der Beklagte dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht. Auch reichen die mit der Disziplinarverfügung beanstandeten drei Beurkundungen (zu den weiteren zwei Beurkundungen nachfolgend) insgesamt betrachtet noch nicht aus, um von einem systematischen Vorgehen bei der Heranziehung vollmachtloser Vertreter bzw. von Mitarbeitern des Notars als Vertreter im Rahmen der Beurkundungen zu sprechen.

Abgesehen von den Fällen eines planmäßigen oder systematischen Vorgehens begründet § 17 Abs. 2a Satz 1 BNotO aber kein generelles Verbot von Beurkundungen unter Heranziehung vollmachtloser Vertreter. Vielmehr bleibt eine solche Vorgehensweise zulässig, wenn sie im Einzelfall sachlich gerechtfertigt ist. Das kommt beispielsweise in Betracht, wenn der (später) vollmachtlos Vertretene selbst den Notar hierum bittet, etwa weil er sich im Ausland aufhält (vgl. Winkler aaO; Armbrüster aaO, Rn. 167). Zwar kann der Notar den Vertretenen in solchen Fällen nicht persönlich über die rechtliche Tragweite und die mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Risiken belehren. Das kann aber zumindest bei einfach gelagerten Fällen durch die rechtzeitige Übersendung eines Entwurfs kompensiert werden, verbunden mit der Bitte um Rücksprache im Fall von Änderungswünschen oder offenen Fragen (vgl. Winkler aaO).

Im vorliegenden Fall wurde der Verkäufer sowohl vom Kläger als auch von der verkäuferseits eingeschalteten Maklergesellschaft vor der Beurkundung in die Vertragsgestaltung eingebunden. Dabei erhielt er ausweislich seiner E-Mail vom 3. Februar 2015 nicht nur den vorläufigen Vertragsentwurf, sondern mit E-Mail des Klägers vom 10. Februar 2015 den letztlich maßgeblichen Entwurf einschließlich besprochener Änderungen und Ergänzungen.

Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei der Beurkundung des Kaufvertrags zur UR-Nr. 2 durch die von ihm gewählte Vorgehensweise vor oder bei der Beurkundung des Vertrags amtspflichtwidrig gehandelt haben könnte.

3. Auch im Zusammenhang mit der Beurkundung zur UR-Nr. 3 verstieß der Kläger nicht gegen seine Amtspflichten.

Zur o. a. UR-Nr. beurkundete der Kläger am 2. März 2015 einen Grundstücksübertragungsvertrag zwischen den Eheleuten B1 auf Übergeber- und ihrer Enkeltochter Frau E. B1 auf Übernehmerseite. Die Übernehmerin wurde bei der Beurkundung vollmachtlos durch eine Angestellte des Klägers vertreten.

a) Auch in diesem Zusammenhang verstieß der Kläger nicht gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG. Auch bei diesem Vertrag handelte es sich nicht um einen Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB. Dementsprechend bestand auch keine Verpflichtung des Notars, auf eine Vertretung der Übernehmerin durch eine Vertrauensperson hinzuwirken. Im Übrigen kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden.

b) Aber auch ein Verstoß des Klägers gegen seine betreuende Belehrungspflicht im Sinne von § 17 Abs. 2a Satz 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 und 2 BeurkG ist nicht ersichtlich. Auch insoweit bestehen keine Anhaltspunkte für eine planmäßige Beurkundung unter Hinzuziehung vollmachtloser Vertreter. Vielmehr war die Übernehmerin ausweislich der vorliegenden Handakte des Klägers in D. wohnhaft und hatte dem Kläger gegenüber ausdrücklich erklärt, zum Beurkundungstermin nicht anreisen zu wollen. Das korrespondiert mit dem Schreiben der Eheleute M. und D. B1 vom 8. Mai 2017 (Bl. 35 d. A. …). Darin heißt es unter anderem:

„Wir haben Sie bereits bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, dass unsere Enkeltochter in D. studiere und nicht in der Lage sei, für eine Vertragsunterzeichnung mindestens zwei Tage für An- und Abreise ihr Studium zu unterbrechen. Nach unserer Erinnerung standen bei E. wichtige Prüfungen an… Nachdem wir noch einmal mit E. gesprochen hatten, hatten wir Sie dann angerufen und erklärt, E. habe sich für Ihren Vorschlag entschieden, weil sie unter keinen Umständen nach H. anreisen könne.“

Wie bereits ausgeführt, ist eine Beurkundung unter Heranziehung eines vollmachtlosen Vertreters außerhalb der Fälle eines planmäßigen oder systematischen Vorgehens nicht generell unzulässig. Eine solche Vorgehensweise kann gerechtfertigt sein, wenn die Abwesenheit des Vertretenen sachlich gerechtfertigt ist und der Notar die damit fehlende Belehrungsmöglichkeit durch den Notar in persona anderweitig nach Möglichkeit zu kompensieren sucht.

Diesen Anforderungen wurde der Kläger gerecht. So hatte er der Übernehmerin einen ersten Vertragsentwurf bereits mit Schreiben vom 26. Januar 2015 und eine weitere Fassung mit Schreiben vom 19. Februar 2015 zur Verfügung gestellt. Beide Schreiben waren mit dem Angebot verbunden, den Kläger bei etwaigen Fragen zu den Entwürfen jederzeit anzurufen. Dies lässt kein amtspflichtwidriges Verhalten des Klägers erkennen.

4. Auch bei der Beurkundung zur UR-Nr. 4 verstieß der Kläger nicht gegen seine Amtspflichten.

Zur o. a. UR-Nr. beurkundete der Kläger am 22. Januar 2016 einen Grundstückskaufvertrag zwischen Frau z. S.-W. auf Verkäufer- und der Samtgemeinde H. auf Käuferseite. Verkaufsgegenstand war ein Teilstück des im Grundbuch von H. Blatt …5 eingetragenen Grundstücks mit einer Größe von 303 m2 zum Kaufpreis von 303,00 €. Bei der Beurkundung wurde die Verkäuferin vollmachtlos durch eine Angestellte des Klägers vertreten.

a) Auch bei dieser Beurkundung verstieß der Kläger nicht gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG. Entgegen der vom Beklagten in der angefochtene Disziplinarverfügung vertretenen Auffassung handelte es sich bei diesem Vertrag nicht um einen Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB. Zwar kann im Grundsatz auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB auftreten. Voraussetzung ist aber, dass das Rechtsgeschäft in Ausübung einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit vorgenommen wird, § 14 Abs. 1 BGB. Hierfür bestehen im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte. Auch wenn eine gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit nicht notwendigerweise mit einer Gewinnerzielungsabsicht einhergehen muss, setzt sie aber jedenfalls ein selbstständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus (vgl. BGH NJW 2006, 2250). Hierfür ist nichts ersichtlich. Bei dem von der Gemeinde H. erworbenen Grundstück handelt es sich dem in der Handakte des Klägers befindlichen Lageplan zufolge um eine kleine Fläche neben dem Handwerksmuseum entlang des M. Dieses Grundstück wird im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblattes als Erholungsfläche bezeichnet. Bezüge zu irgendeiner gewerblichen Tätigkeit der Gemeinde lässt der Erwerb des kleinen Teilstücks nicht erkennen.

Dies wird bestätigt durch die Stellungnahme der Samtgemeinde H. vom 2. Mai 2017 (Bl. 34 d. A. …). Darin heißt es unter anderem:

„… gerne bestätigen wir Ihnen …, dass dem Abschluss des Vertrags vom 22.01.2016, Ihre Urkunde Nr. 4, keine fiskalische Tätigkeit der Samtgemeinde zugrunde lag. Die mit diesem Vertrag erworbene Fläche dient der Erweiterung des auf dem benachbarten Grundstück befindlichen Heimatmuseums, welches ebenfalls im Eigentum der Samtgemeinde steht. Die mit dem Erwerb geplante Erweiterung des Heimatmuseums dient allein dem Gemeinwohl und keinerlei fiskalischen Interessen der Sematgemeinde.“

Handelt es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag aber nicht um einen Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB, findet § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG hierauf keine Anwendung (s. o.).

b) Abermals ist auch ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2a Satz 1 BNotO nicht erkennbar. Die Verkäuferin war zum damaligen Zeitpunkt in H1/W. wohnhaft und zu einer Anreise nicht bereit. Das ergibt sich auch aus dem vorzitierten Schreiben der Samtgemeinde H. vom 2. Mai 2017:

„Im Übrigen hatte uns seinerzeit die Verkäuferin, Frau z. S.-W., erklärt, dass sie altersbedingt in keinem Fall in der Lage sei, an der in H. geplanten Beurkundung teilzunehmen und dafür aus H1 anzureisen.“

Auch angesichts des geringen Kaufpreises kann dem Fernbleiben der Verkäuferin ein sachlicher Grund nicht abgesprochen werden. Damit kann dem Kläger auch in diesem Fall nicht der Vorwurf einer planmäßigen Beurkundung mit vollmachtlosen Vertretern gemacht werden.

Im Übrigen bemühte sich der Kläger nach Kräften, die Verkäuferin in den Entwurf der Urkunde frühzeitig einzubinden. Mit Schreiben vom 27. November 2015 übersandte der Kläger der Verkäuferin einen ersten Vertragsentwurf und bat sie zugleich, ihm etwaige Änderungs- oder Ergänzungswünsche mitzuteilen. Nachdem die Verkäuferin durch ihren Ehemann am 20. Januar 2016 ihr Einverständnis mit dem übersandten Vertragsentwurf mitgeteilt hatte, nahm der Notar sodann die Beurkundung vor. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 96 Abs. 1 BNotO, § 3 BDG, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 96 Abs. 1 BNotO, § 3 BDG, § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Der Senat hat von einer ausdrücklichen Zulassung der Berufung abgesehen. Die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 liegen nicht vor. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist der Senat gemäß § 124a Satz 2 VwGO nicht befugt.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 111g Abs. 1 BNotO in Verbindung mit § 52 Abs. 1, § 3 GKG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass Gegenstand des angefochtenen Bescheids nicht nur die Verpflichtung zur Zahlung der Geldbuße ist. Vielmehr enthält der Bescheid zusätzlich die Feststellung eines amtspflichtwidrigen Verhaltens und damit eine weitergehende immaterielle Beschwer. Eine solche isolierte Feststellung (wie sie etwa auch mit einem Verweis verbunden ist) bewertet der Senat regelmäßig mit 1.000,00 €. Aus diesem Betrag und der Höhe der festgesetzten Geldbuße folgt der Gegenstandswert.

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