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Kaufpreishinterlegung auf Notaranderkonto

Verstoß gegen Doppelabtretungsgebot

AG Plön – Az.: 72 C 111/18 – Urteil vom 30.11.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.522,16 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erfüllung eines abgetretenen Herausgabeanspruchs.

Der Beklagte war beurkundender Notar eines Grundstückskaufvertrages der Verkäufer K und D und der Käuferin N GmbH.

Der Kaufvertrag wurde zu seiner Urkundenrolle Nr. ###/2012 beurkundet. In dieser Grundstückskaufvertragssache sowie der daraus entstandenen Auseinandersetzung über die Auszahlung des Kaufpreises zwischen den Verkäufern, den Geschwistern K und D, vertrat der Kläger als Prozessbevollmächtigter den K.

Zwischen dem Kläger und den Prozessbevollmächtigten der Frau D entwickelte sich ab Ende Februar 2013 umfangreicher Schriftverkehr. Herr K verzog nach L und ließ sich in der Folgezeit in der Auseinandersetzung mit seiner Schwester durch andere Rechtsanwälte vertreten. Wegen der schwierigen Vermögenslage des K trat dieser mit schriftlicher Vereinbarung vom 14.08.2013 seine Herausgabeansprüche auf einen Anteil am Verkaufserlös, der bei dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt bereits hinterlegt war, an den Kläger ab.

Der Kläger zeigte dem Beklagten die Abtretung unter Übergabe des Originals der Abtretungsvereinbarung an, was der Beklagte mit E-Mail vom 28.08.2013 bestätigte; hinsichtlich des Wortlauts der Abtretungsvereinbarung wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen. Ende 2015 beantragte der Kläger, gegen Herrn K zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung den Erlass eines Mahnbescheids. Dieser wurde Herrn K am 27.11.2015 zugestellt. Herr K erhob über seine Prozessbevollmächtigten Widerspruch, eine Durchführung des streitigen Verfahrens beantragte der Kläger bislang nicht.

Der Beklagte zahlte auf übereinstimmende Weisung von Herrn K und Frau D im Vergleich aus dem Protokoll der Sitzung des Landgerichts Kiel zum Az. 5 O 79/17 den auf dem Hinterlegungskonto befindlichen Betrag an diese aus. Dies teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25.01.2018 mit. Mit Schreiben vom 29.01.2018 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung zum 08.02.2018 erneut zur Zahlung auf.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.522,16 € nebst 5% pa. über dem Basiszinssatz Zinsen seit dem 09.02.2018 an den Kläger zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die Zuständigkeit des hiesigen Gerichts mit der Begründung, der Klage lägen Amtshaftungsansprüche zugrunde.

Ferner meint er, der Anspruch des Klägers gegen Herrn K sei vorrangig; der Auszahlungsanspruch habe vom Vorliegen übereinstimmender Willenserklärungen des Herrn K und der Frau D abgehangen, eine solche Zustimmungserklärung der Frau D sei aber nicht erteilt gewesen; im Übrigen habe der Kläger auch nur die Abtretung angezeigt, nicht Auszahlung an sich verlangt. Ferner ist der Beklagte der Auffassung, die Abtretung sei unwirksam, weil der Kläger sich nicht auch den Kaufpreisanspruch des Herrn K zugleich habe abtreten lassen; insoweit verweist der Beklagte auf die Entscheidung BGH, Urteil vom 19.03.1998, IX ZR 242/97.

Der Rechtsstreit wurde mit Termin vom 19.06.2018 mündlich verhandelt. Mit Zustimmung der Parteien wurde durch Beschluss vom 09.11.2018 in das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO gewechselt. Dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprach der 22.11.2018.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist das hiesige Gericht zuständig. Zwar ist dem Beklagten insoweit beizupflichten, dass sich durch die Abtretung die Rechtsnatur des zugrunde liegenden Anspruchs nicht ändert. Indes handelt es sich bei diesem nicht um eine Pflicht, die der Amtshaftung des Notars unterliegt. Bei dem Auszahlungsanspruch betreffend das bei dem Beklagten geführte Hinterlegungskonto handelt es sich um einen rein zivilrechtlichen Anspruch, der dem Zedenten gegen den Beklagten zustand. Vorliegend wird dieser Anspruch durch den Kläger geltend gemacht. Es geht in der Sache nicht um die – zweifelsfrei hoheitliche – Tätigkeit des Beklagten im Rahmen der Urkundstätigkeit im Sinne der §§ 1, 20 bis 22 BNotO, sondern um eine solche der Rechtsbetreuung. Die Ausübung eines öffentlichen Amtes stellt eine solche nicht dar (Reinert in BeckOK BGB, 48. Edition, Stand: 01.01.2018, § 839, Rn. 37). Eine sachliche Zuständigkeit der Landgerichte in erster Instanz gem. Art. 34 S. 3 GG, § 40 Abs. 2 VwGO, § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG besteht mithin nicht.

Die Klage ist aber unbegründet.

Dem Kläger steht der aus abgetretenem Recht geltend gemachte Auszahlungsanspruch nicht zu. Die Abtretung ist unwirksam.

Voraussetzung für die wirksame Abtretung eines Auszahlungsanspruchs gegen den Notar ist entweder, dass hinsichtlich des Auszahlungsanspruchs im Zeitpunkt der Abtretung bereits Auszahlungsreife besteht oder, dass neben dem Auszahlungsanspruch auch solche Ansprüche abgetreten werden, von denen der Auszahlungsanspruch abhängig ist (Doppelabtretungsgebot). Dazu zählen in Fällen, in denen – wie vorliegend – die Gläubiger eines Kaufpreisanspruchs den Kaufpreis bei dem Notar hinterlegen insbesondere unerfüllte Kaufpreisansprüche (BGH Urteil vom 19.03.1998, Az. BGH IX ZR 242/97, Rn. 14ff., zitiert nach juris).

Dies folgt aus dem Gebot der Rechtssicherheit, sowie aus dem Zweck des § 401 Abs. 1 BGB. Über die in jener Norm genannten Rechte hinaus gehen in entsprechender Anwendung der Vorschrift auch andere unselbständige Sicherungsrechte sowie Hilfsrechte, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind, zusammen mit dem Hauptanspruch auf den Zessionar über. Der Anspruch gegen den Notar ist im Verhältnis zur Kaufpreisforderung ebenfalls als ein solches Nebenrecht einzuordnen. Die Einschaltung des Notars zur Abwicklung des Kaufpreises dient dem Zweck sicherzustellen, dass die Ansprüche der Parteien Zug um Zug erfüllt werden. Die Vertragspartner sollen vor rechtlichen Nachteilen geschützt werden, die mit Inhalt und Zweck der getroffenen Regelung nicht vereinbar sind. Der Auszahlungsanspruch gegen den Notar entsteht im Zuge der Vertragsabwicklung; er hängt daher, solange die Kaufpreisforderung noch nicht erloschen ist, eng und unmittelbar mit ihr zusammen. Der Anspruch gegen den Notar wird nur deshalb begründet, weil der Verkäufer von seinem Vertragspartner nicht Zahlung an sich verlangen kann; er ergänzt die vertragliche Forderung. Daher darf, solange die Kaufpreisforderung noch besteht, diese nicht im Wege der Abtretung von dem Auszahlungsanspruch gegen den Notar getrennt werden (BGH a.a.O., Rn. 16 m.w.N.).

Zwar war vorliegend zum Zeitpunkt der Abtretung des Auszahlungsanspruchs an den Kläger der Kaufpreis – unstreitig – durch Zahlung auf das Notaranderkonto des Beklagten durch Erfüllung erloschen. Indes lag eine Auszahlungsreife des eingezahlten Betrages dennoch nicht vor. Es kommt nämlich – anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall – vorliegend für die Auszahlungsreife über die Erfüllung des Kaufpreisanspruchs hinaus auf übereinstimmende Willenserklärungen von Herrn K und Frau D an; dies ist unstreitig.

Dem Gebot der Rechtssicherheit kann unter Beachtung der vom BGH aufgestellten Grundsätze in einem solchen Falle nur genügt werden, wenn nicht nur der – vom Bedingungseintritt abhängige – Auszahlungsanspruch, sondern auch die Weisungsermächtigung, sowie der Auseinandersetzungsanspruch mit weiteren Gläubigern an den Notar abgetreten wird. Ansonsten wäre es an den Gläubigern, trotz der Abtretung über die abgetretene Forderung zu verfügen; es wäre in ihrer Hand die Bedingung eintreten zu lassen und damit die Auszahlungsreife herbeizuführen oder nicht, obwohl der Zedent nicht mehr Inhaber der Forderung ist. Dies wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 15). Die übereinstimmende Weisung des Zedenten und der Frau D war vorliegend Bedingung für das Entstehen des Auszahlungsanspruchs. Da die übereinstimmende Weisung unstreitig im Zeitpunkt der Abtretung nicht erteilt war, lag eine Auszahlungsreife nicht vor.

Aus der Abtretungsurkunde (Bl. 9 d. A.) lässt sich auch im Wege der Auslegung eine Abtretung des Weisungsrechts und des Auseinandersetzungsanspruchs mit der weiteren Gläubigerin nicht erkennen. Die Urkunde ist insoweit eindeutig. Gegenstand der Abtretung sind „Ansprüche auf Herausgabe des auf dem Hinterlegungskonto des Notars G mir zustehenden Kaufpreisanteils in der Kaufvertragssache […] in Höhe eines Teilbetrags von € 3.522,18 €“. Weiter heißt es, dass der Kläger eine Auszahlung „bei Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen“ an sich verlangen könne.

Hieraus lässt sich eine Abtretung des Weisungsrechts und des Auseinandersetzungsanspruchs nicht ableiten. Beide haben der Geltendmachung eines etwaigen Herausgabeanspruchs in zeitlicher Hinsicht zwingend vorauszugehen, da sie Bedingung für das Entstehen desselben ist. Die Vereinbarung stellt eindeutig darauf ab, dass die Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen müssen. Die Ermächtigung, die Auszahlungsvoraussetzungen herbeizuführen – also die Weisung zu erteilen und sich mit Frau D hinsichtlich ihrer Weisung auseinanderzusetzen – ist von der Abtretung nicht umfasst.

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, im Zeitpunkt der Abtretung hätte jedenfalls hinsichtlich des ihm abgetretenen Betrages Auszahlungsreife bestanden, weil der Betrag, der sich auf dem streitgegenständlichen Konto befunden hat jeweils hälftig Herrn K und Frau D zugestanden habe, so vermag er mit diesem Einwand nicht durchzudringen. Unabhängig von der Frage der fehlenden Weisungsbefugnis ist – anders als der Kläger meint – der Auszahlungsanspruch nicht in dieser Art in zwei unabhängige Teile trennbar. Es ist unstreitig, dass eine Auszahlung von einer übereinstimmenden Weisung von Herrn K und Frau D abhing. Es handelt sich mithin um eine diesen als Gesamtgläubigern zustehende einheitliche Forderung, die nur im Innenverhältnis hälftig aufzuteilen ist. Eine Trennung der Forderungen wie sie der Kläger vornehmen will, wirkt aufgrund der Abrede der ursprünglichen Parteien gegenüber dem Beklagten nicht.

Nach alldem ist die durch Herrn K an den Kläger vorgenommene Abtretung des Auszahlungsanspruchs gegen den Beklagten wegen Verstoßes gegen das Doppelabtretungsgebot unwirksam. Der Kläger kann daher nicht aus abgetretenem Recht die Auszahlung an sich verlangen.

Mangels Vorliegens eines Hauptanspruchs kann der Kläger auch die geltend gemachten Nebenforderungen nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB nicht verlangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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