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Testamentsauslegung durch das Grundbuchamt

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 279/16 – Beschluss vom 09.02.2017

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Wert: 5.000,00 €

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich nach einem Erbfall gegen eine Zwischenverfügung, mit welcher Bedenken gegen ihren Berichtigungsantrag aufgezeigt und sie zur Vorlage eines Erbscheines aufgefordert wurde.

Die Beteiligte und ihr Ehemann (im Folgenden: Erblasser) sind als Miteigentümer zu je ½ des auf Blatt …1 unter Nr. 2 (Flur … Flurstück …) verzeichneten Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen, der Erblasser zudem als alleiniger Eigentümer des auf Blatt …0 (Flur …, Flurstück …) verzeichneten Grundbesitzes.

Mit der Begründung, sie sei die alleinige Erbin ihres am 4. November 2015 verstorbenen Ehemannes geworden, hat die Beteiligte am 30. Mai 2016 beantragt, sie als alleinige Eigentümerin der Grundstücke einzutragen.

Die Eheleute hatten sich in einem notariellen Testament vom 5. April 2013 unter Ziff. II gegenseitig zum alleinigen Erben eingesetzt. Unter Ziff. III. hatten sie zu Schlusserben „für den Fall des Todes des übriggebliebenen Teils von uns oder für den Fall des gleichzeitigen Versterbens“ ihre unter Ziff. I namentlich aufgeführten drei Kinder eingesetzt.

Unter Ziff. IV. wurde wegen des Grundbesitzes „im Wege der reinen Teilungsanordnung“ das Recht zur nicht einvernehmlichen Auseinandersetzung für die Dauer von 15 Jahren nach dem Tode des Längstlebenden ausgeschlossen.

Unter Ziff. V. war eine Wiederverheiratungsklausel mit folgendem Inhalt enthalten:

„Wenn der Überlebende von uns wieder heiratet, behält er die Hälfte des Nachlasses als Vorerbe. Wegen des übrigen Nachlasses des Erstversterbenden tritt die Schlusserbfolge ein.“

Unter Ziff. VI. wurde dem Längstlebenden das Recht eingeräumt, die Einsetzung der Kinder frei zu ändern.

In Ziff. VII. war unter der Überschrift „Pflichtteil“ folgende Regelung enthalten:

„Wir wurden vom amtierenden Notar auf die derzeit noch geltenden gesetzlichen Pflichtteilsbestimmungen hingewiesen und bestimmen hierzu was folgt:

Sollten unsere Kinder beim Tode des erstversterbenden Elternteils gegenüber dem Überlebenden von uns gegen dessen Willen seinen Pflichtteilsanspruch durchsetzen, so soll jede zu seinem Gunsten in diesem Testament getroffene Verfügung unwirksam sein.

Das Kind soll auch dann beim Tode des zweitversterbenden Elternteils auf den Pflichtteil verwiesen werden.

Der dann verbleibende Erbteil soll den übrigen Erben zustehen.“

Auf Anregung des Grundbuchamtes, die Erben eintragen zu lassen, hatte die Beteiligte mit Schreiben vom 30. Mai 2016 beantragt, sie als Erbin als alleinige Eigentümerin im Grundbuch einzutragen. Hierauf forderte das Grundbuchamt sie am 6. Juni 2016 und am 11. Juli 2016 erfolglos zur Vorlage eines Erbscheines auf. Nachdem die Beteiligte der Notwendigkeit zur Vorlage eines Erbscheines widersprochen hatte, erging am 5. August 2016 die angefochtene förmliche Zwischenverfügung, in welcher das Grundbuchamt die seiner Ansicht nach bestehenden Hindernisse aufzeigte. Zur Begründung führte es aus, die Erbfolge könne nur durch Vorlage eines Erbscheines nachgewiesen werden, da die Wiederverheiratungsklausel einen Fall der Vor- und Nacherbschaft enthalte. Da im Falle der Wiederheirat der Überlebende Vorerbe der Hälfte des Nachlasses werde, stehe erst mit dem Ableben der Beteiligten fest, ob die Bedingung eintrete, im Übrigen solle die Schlusserbenregelung eingreifen. Da im Testament nicht geregelt sei, wer Nacherbe sein solle, könne die Erbfolge nur durch Vorlage eines Erbscheines nachgewiesen werden.

Mit ihrer Beschwerde vom 12. August 2016 hat sich die Beteiligte auf ihren bisherigen Vortrag bezogen, in welchem sie geltend gemacht hat, die Vollerbschaft sei für den Fall der Wiederverheiratung auflösend bedingt. Die Schlusserben seien als Nacherben eingesetzt, dies ergebe sich im Wege der Auslegung. Da der Fall der Wiederverheiratung nicht eingetreten sei, verbleibe es bei der Vollerbschaft.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit Beschluss vom 21. November 2016 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nach Nichtabhilfe bei dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO.

Sie ist gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zwischenverfügungen im Sinne des § 18 Abs. 1 GBO sind als selbständige Entscheidungen unbefristet mit der Beschwerde anfechtbar (Demharter, Grundbuchordnung 30. Aufl. 2016, § 18, Rdz. 55; Schöner/Stöber HRP Grundbuchrecht, 15. Aufl., 2012, Rdz. 469).

Dass auf dem angegriffenen Beschluss des Grundbuchamts das Datum der Übergabe an die Geschäftsstelle nicht vermerkt ist, hindert dessen Wirksamkeit nicht (OLG München, Beschluss vom 9. Jan. 2017 – 34 Wx 396/16, zitiert nach juris; Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 38 Rn. 93).

Die zulässige Beschwerde ist schon deshalb begründet, weil die Zwischenverfügung nicht hätte ergehen dürfen.

Sie ist inhaltlich unzulässig.

Die Beteiligte hat durch ihre Ausführungen gegenüber dem Grundbuchamt ernsthaft und endgültig zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt war, den vom Grundbuchamt geforderten Erbschein beizubringen. Schon aus diesem Grund hätte das Grundbuchamt – auf Basis seiner eigenen Rechtsauffassung – die Zwischenverfügung nicht erlassen dürfen, sondern hätte über den Eintragungsantrag zu entscheiden gehabt (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt in ZEV 2016, 707 m.N.).

Für das weitere Verfahren sei – vorsorglich und ohne Bindungswirkung – folgendes bemerkt:

In der Sache dürfte der Berichtigungsantrag der Beteiligten in der vorliegenden Form im Ergebnis wohl nicht erfolgreich sein.

Nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen notariellen Testaments – das vom Grundbuchamt selbst auszulegen ist (vgl. Zweibrücken, FGPrax 2011, 176) – wird man die Beteiligte bis zu ihrer eventuellen Wiederheirat als auflösend bedingte Vollerbin und aufschiebend bedingte Vorerbin anzusehen haben. Dabei kann hier dahinstehen, wie die Wiederverheiratungsklausel letztlich dogmatisch einzuordnen ist (vgl. dazu Staudinger/Avenarius, § 2100, 33 m.N.; P/Weidlich, § 2269, 18 und Weidlich, Anmerkung zu Celle ZEV 2013, 40,41 m.N.; BGHZ 96, 198; KG FamRZ 2017, 66).

Da die Beteiligte – soweit ersichtlich – bislang nicht wieder geheiratet hat, dürfte hier zum Nachweis in Bezug auf diese Bedingung eine entsprechende eidesstattliche Versicherung genügen (Hügel, BeckOK, § 51 GBO, 56 m.N.; BGH FGPrax 2016, 244 „für den Nachweis ausreichende Erklärung in der Form des § 29 GBO“).

Weiter dürfte das Testament so zu verstehen sein, dass bei Wiederheirat der Beteiligten für eine Hälfte des Nachlasses sofort Schlusserbfolge und für die andere Hälfte des Nachlasses Vor- und Nacherbschaft eintritt, wobei Nacherben dann (auch) die Schlusserben sind.

Nach der Regelung unter Ziff. VII des Testaments ist allerdings wohl auch die Rechtsstellung der Kinder als Nacherben insoweit bedingt, als sie nur dann gelten soll, wenn nicht das jeweilige Kind beim Tode des erstversterbenden Elternteils gegenüber dem überlebenden Elternteil gegen dessen Willen seinen Pflichtteilsanspruch durchgesetzt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (FGPrax 2016, 244) gilt, wenn das Testament eine bedingte Erbfolge in Form von Pflichtteilsstrafklausel oder Verwirkungsklausel enthält, regelmäßig das Erfordernis eines Erbscheins. Denn grundsätzlich sei der Erblasserwille zu ermitteln, um festzustellen, ob ein sanktionsbewehrtes Verhalten im Sinne der Verwirkungsklausel vorliegt Die dabei erforderliche Berücksichtigung der Gesamtumstände sei im Grundbuchverfahren regelmäßig nicht möglich; denn das Grundbuchamt dürfe bei der Berichtigung des Grundbuchs auf Grund eines öffentlichen Testaments regelmäßig nur das Testament, in der Form des § 29 GBO abgegebene Erklärungen und offenkundige Umstände berücksichtigen.

Hier allerdings dürfte – trotz der genannten Strafklausel – zu erwägen sein, ob nicht ausnahmsweise die Vorlage eines Erbscheins deshalb und solange entbehrlich ist, wie keines der Kinder nach dem Tode des Erblassers in irgendeiner Form solche (Pflichtteils-) Ansprüche überhaupt geltend gemacht hat. Denn wenn und solange es daran fehlt, steht ohne weiteres fest, dass ein sanktionsbewehrtes Verhalten im Sinne der hier in Rede stehenden (Verwirkungs-)Klausel nicht vorliegt. Auch insoweit kommt daher die Vorlage einer für den Nachweis ausreichenden Erklärung in der Form des § 29 GBO in Betracht.

Soweit der überlebende Ehegatte aufgrund einer Wiederverheiratungsklausel (aufschiebend bedingter) Vorerbe ist, wird er von der wohl überwiegenden Meinung als befreiter Vorerbe angesehen (Weidlich, a.a.O. m.N.; Litzenburger, a.a.O., 36; Staudinger/Avenarius, a.a.O.; Staudinger/Baldus, § 2269, 43f.), es sei denn, das Testament enthält Anhaltspunkte dafür, dass der Überlebende nicht befreit sein sollte (vgl. insoweit z.B. zuletzt OLG Köln, Beschluss vom 10. Nov. 2016 – 2 Wx 534/16 nach juris). Ob das Testament hier solche Anhaltspunkte enthält, die weiteren Aufschluss geben (so z.B. Ziff. VI, wonach der Längstlebende – zwar – nach dem Tode des Ersten berechtigt sein soll, die Einsetzung der Kinder frei zu ändern, im Übrigen – aber – die Erbeinsetzung unwiderruflich sein sollte, oder Ziff. V. selbst, wonach bei Wiederheirat hinsichtlich des halben Nachlasses ohne weiteres Schlusserbfolge eintreten sollte), kann derzeit ebenso dahinstehen wie die Frage, ob dies im Wege der Auslegung durch das Grundbuchamt beantwortet werden kann oder ein Erbschein erforderlich ist. Denn die Beteiligte hat bislang nicht auf Eintragung einer etwaigen Befreiung angetragen.

Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, §§ 22 Abs. 2, 25 Abs. 1 GNOtKG.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 3 GNotKG. Ein höheres Interesse der Beteiligten an der Berichtigung ist nicht feststellbar.

 

 

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