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Erbscheinvorlage durch Nacherben im Grundbuchverfahren – Zweifel an Nachlasszugehörigkeit

Nacherben und Grundbuchverfahren: Ein Fall von Erbscheinvorlage

Die rechtliche Dimension von Erbschaften und Grundbucheintragungen ist ein komplexes Feld, das oft zu rechtlichen Auseinandersetzungen führt. Der vorliegende Fall, der vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken verhandelt wurde, beleuchtet die Thematik der Erbscheinvorlage durch Nacherben im Grundbuchverfahren und die damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 W 35/23   >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Oberlandesgericht Saarbrücken befasst sich mit der Erbscheinvorlage durch Nacherben im Grundbuchverfahren.
  • Beteiligte zu 1) legt Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken – Grundbuchamt ein.
  • Kernfrage: Kann die Beteiligte zu 1) trotz Übertragung ihrer Nacherbenanwartschaft an den Beteiligten zu 2) als Miteigentümerin eines Grundstücks gelten?
  • Grundbuchberichtigung: Nur wenn geänderte materielle Rechtslage korrekt wiedergegeben wird.
  • Erbschein im Grundbuchverfahren: Beweiskraft nur für das Bestehen des bezeugten Erbrechts.
  • Notarieller Vertrag von 2010: Beteiligte zu 1) veräußert ihre Nacherbenanwartschaft an Beteiligte zu 2), was Zweifel an ihrer Miteigentümerstellung aufwirft.
  • Ergebnis: Amtsgericht lehnt Grundbuchberichtigung zu Gunsten der Beteiligten zu 1) ab.

Die Kernproblematik

Die Beteiligte zu 1) legte Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken – Grundbuchamt – ein. Der Hauptstreitpunkt drehte sich um die Frage, ob die Beteiligte zu 1) trotz der Übertragung ihrer Nacherbenanwartschaft an den Beteiligten zu 2) immer noch als Miteigentümerin eines bestimmten Grundstücks betrachtet werden kann. Das Grundbuchamt argumentierte, dass aufgrund der Übertragung der Nacherbenanwartschaft der Beteiligte zu 2) in die vermögensrechtliche Rechtsstellung der Beteiligten zu 1) eingetreten sei, ohne selbst Nacherbe zu werden.

Die rechtlichen Feinheiten

Das Gericht stellte fest, dass das Grundbuch nur dann berichtigt werden darf, wenn es den geänderten materiellen Rechtszustand korrekt wiedergibt. Hierfür muss nicht nur die Unrichtigkeit des aktuellen Grundbucheintrags nachgewiesen werden, sondern auch die Richtigkeit der gewünschten Änderung. Das Gericht betonte, dass strenge Anforderungen an diesen Nachweis gestellt werden. Es müssen alle möglichen Zweifel an der Richtigkeit der gewünschten Änderung ausgeräumt werden.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Oberlandesgericht Saarbrücken entschied, dass das Amtsgericht die beantragte Grundbuchberichtigung zu Recht abgelehnt hatte. Aufgrund der im Jahr 2010 erfolgten notariellen Übertragung ihrer Nacherbenanwartschaft an den Beteiligten zu 2) bestanden erhebliche Zweifel daran, dass die Beteiligte zu 1) Miteigentümerin des betreffenden Grundstücks ist. Das Gericht betonte, dass ein Erbschein im Grundbuchverfahren nur Beweiskraft für das Bestehen des bezeugten Erbrechts hat. Andere Tatsachen, die nicht im Erbschein bezeugt sind, müssen vom Grundbuchamt selbstständig geprüft werden.

Schlussgedanken

Die rechtliche Komplexität von Erbschaften und Grundbucheintragungen wurde in diesem Fall deutlich. Die Übertragung von Nacherbenanwartschaften kann erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Beteiligten haben, insbesondere wenn es um die Eintragung im Grundbuch geht. Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung und Beratung in solchen Angelegenheiten.

Nacherben im Grundbuchverfahren – kurz erklärt


Ein Nacherbenvermerk im Grundbuch dient dazu, den gutgläubigen Erwerb eines Nachlassgrundstücks durch einen Dritten zu verhindern. Wenn ein Erblasser in seinem Testament oder Erbvertrag eine Vor- und Nacherbschaft anordnet, hat er die Möglichkeit, den Rechtsnachfolger für sein Vermögen über mehrere Generationen hinweg festzulegen. Ist im Testament eine solche Vor- und Nacherbschaft festgelegt und gehört zum Nachlass eine Immobilie, wird zur Absicherung der Nacherben ein Nacherbenvermerk im Grundbuch eingetragen. Dieser Vermerk stellt sicher, dass die Rechte des Nacherben nicht durch einen gutgläubigen Erwerb eines Dritten beeinträchtigt werden. In bestimmten Fällen kann der Nacherbe sogar das Grundstück vom Erwerber zurückfordern, wenn der Nacherbenfall eintritt.


#das_vorliegende_urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 35/23 – Beschluss vom 11.07.2023

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken – Grundbuchamt – vom 31. Mai 2023 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand der vorliegenden Grundbuchbeschwerde ist die Zurückweisung eines am 6. Oktober 2022 eingereichten Antrages der Beteiligten zu 1), mit dem diese ihre Eintragung als Eigentümerin zu ½ der in den Grundbüchern von Malstatt-Burbach Blatt …, Güdingen Blatt … und Brebach Blatt … eingetragenen Grundstücke (Bl. 55 ff. d.A.) nach dem Tode der vormaligen Eigentümerin, der am 3. Juni 2007 verstorbenen Frau P. (im Folgenden: Erblasserin), begehrt. Hierzu hat sie die beglaubigte Abschrift eines am 1. Juni 2022 erteilten Erbscheines vorgelegt, der sie und den Beteiligten zu 3) als Erben zu je ½-Anteil nach der Erblasserin ausweist (Bl. 67 d.A.) und ausgeführt, die Erblasserin sei von ihr und dem Beteiligten zu 3) als Nacherben beerbt worden; Vorerbin sei eine Frau B. gewesen, die am 9. April 2020 verstorben sei. Zuvor hatte der Beteiligte zu 2) mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 12. August 2022 einen – am 13. Oktober 2022 hinsichtlich der Grundstücksbezeichnung berichtigten – Antrag auf Grundbuchberichtigung gestellt (Bl. 28 ff., 45 d.A.) und darin unter Hinweis auf die Eigentümerstellung der Beteiligten zu 2) und zu 3) um Löschung mehrerer in den Abteilungen II und III des Grundbuches von Güdingen, Blatt … verzeichneter Belastungen sowie um deren Eintragung als Eigentümer des im Grundbuch von Brebach Blatt … eingetragenen Grundbesitzes gebeten. Zur Begründung hatte er sich auf einen notariellen Vertrag vom 25. November 2010 berufen (UR Nr. xxx Ka des Notars S., S. = Bl. 38 ff. d.A.), in dem die Beteiligte zu 1) ihre Nacherbenanwartschaft am Nachlass der Erblasserin an den Beteiligten zu 2) verkauft und mit sofortiger Wirkung übertragen hatte. Ausweislich eines am 27. April 2023 zu den Grundbuchakten gelangten Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 24. April 2023 (Bl. 85 ff. d.A.) begehrt die Beteiligte zu 1) darin die Eintragung eines Widerspruchs gegen das Eigentumsrecht der Beteiligten zu 2) und zu 3), u. a. hinsichtlich des hier gegenständlichen Grundbesitzes, mit der Begründung, der notarielle Vertrag vom 25. November 2010 sei sittenwidrig und nichtig.

Das Amtsgericht – Grundbuchamt – hat mit Verfügung vom 11. April 2023 die von dem Beteiligten zu 2) begehrten Eintragungen vollzogen (Bl. 110 d.A.); mit weiterer Verfügung vom selben Tage hat es die Beteiligte zu 1) durch ihren Verfahrensbevollmächtigten zur Rücknahme ihres Antrages aufgefordert und zur Begründung ausgeführt, angesichts der wirksamen Übertragung der Nacherbenanwartschaft an den Beteiligten zu 2) sei zwar in den Erbschein der Veräußerer (= die Beteiligte zu 1) aufzunehmen und nicht der Erwerber (= der Beteiligte zu 2), dieser sei allerdings durch einen auf den eingesetzten Nacherben lautenden Erbschein in Verbindung mit dem beglaubigten Übertragungsgeschäft hinreichend legitimiert und daher zusammen mit dem Beteiligten zu 3) in Erbengemeinschaft in das Grundbuch einzutragen (Bl. 111 d.A.). Unter Bezugnahme auf diese Begründung hat es sodann, nachdem keine weitere Stellungnahme einging, den Grundbuchberichtigungsantrag der Beteiligten zu 1) mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 113 d.A.) zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde (Bl. 117 ff. d.A.), in der sie erneut auf die ihres Erachtens gegebene Sittenwidrigkeit des notariellen Vertrages vom 25. November 2010 und den Fortbestand ihrer Erbenstellung verweist, und der das Amtsgericht mit Beschluss vom 26. Juni 2023 (Bl. 118 d.A.) nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Berichtigung des Grundbuches ist zulässig (§§ 71 ff. GBO), in der Sache jedoch nicht begründet. Das Grundbuchamt hat die Vornahme der von der Beteiligten zu 1) beantragten Eintragung zu Recht abgelehnt. Ungeachtet des Umstandes, dass auch nach ihrer Darstellung allenfalls die Eintragung der beiden in dem Erbschein genannten Beteiligten zu 1) und zu 3) in Erbengemeinschaft zu je ½ in Betracht käme (vgl. Demharter, Grundbuchordnung 32. Aufl., § 47 Rn. 21), sind die weiteren Voraussetzungen der begehrten Grundbuchberichtigung, hier: der Erwerb von Miteigentum an den betroffenen Grundstücken durch die Beteiligte zu 1) im Wege der (Nach-)Erbfolge, nicht nach Maßgabe der §§ 22, 29 GBO erwiesen.

1.

Gemäß § 22 Abs. 1 GBO bedarf es zur Berichtigung des Grundbuchs der – im Falle der Erbfolge ohnehin regelmäßig nicht in Betracht kommenden, vgl. BayObLGZ 1994, 33 – Bewilligung des davon Betroffenen (§ 19 GBO) nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Dies erfordert zum einen eine Unrichtigkeit des Grundbuches im Sinne des § 894 BGB, außerdem muss die begehrte Berichtigung zum Ziel haben, die Übereinstimmung des Grundbuches mit der wirklichen Rechtslage wiederherzustellen (Demharter, a.a.O., § 22 Rn. 4; Schäfer in Bauer/Schaub GBO 4. Aufl., § 22 Rn. 1). Die Berichtigung des Grundbuchs aufgrund Unrichtigkeitsnachweises gemäß § 22 Abs. 1 GBO setzt mithin neben dem Nachweis der Unrichtigkeit voraus, dass auch die Richtigkeit der begehrten Eintragung – in der Form des § 29 GBO – nachgewiesen wird, denn das Grundbuch darf nur in der Weise berichtigt werden, dass es den geänderten materiellen Rechtszustand richtig wiedergibt (OLG München, FGPrax 2019, 6; BayObLGZ 1994, 158; Demharter, a.a.O., § 22 Rn. 37). An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen; es sind alle Möglichkeiten, bis auf ganz entfernte, auszuräumen, die der Richtigkeit der begehrten berichtigenden Eintragung entgegenstehen können (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 – V ZB 43/15, NJW 2016, 3242; Senat, Beschluss vom 7. Juli 2021 – 5 W 24/21, FGPrax 2021, 205; BayObLGZ 1995, 413; Demharter, a.a.O., § 22 Rn. 37). Der Unrichtigkeitsnachweis ist – von Fällen der Offenkundigkeit abgesehen – durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zu führen (§ 29 Abs. 1 GBO; BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 – V ZB 43/15, NJW 2016, 3242; Senat, Beschluss vom 7. Juli 2021 – 5 W 24/21, FGPrax 2021, 205; BayObLG, MittBayNot 1992, 397). Hiervon kann auch nicht mit der Erwägung abgesehen werden, die Beschaffung eines formgerechten Nachweises sei im Einzelfall unzumutbar; vielmehr bedarf es dann einer – ggf. durch Urteil im Erkenntnisverfahren zu erwirkenden – Berichtigungsbewilligung (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2022 – 5 W 11/22, Rpfleger 2022, 502; BayObLG, Rpfleger 1984, 463; OLG München, ZEV 2018, 486; Demharter, a.a.O., § 22 Rn. 42; Böttcher, in: Meikel, GBO 12. Aufl., § 22 Rn. 120). Allein der Nachweis der Erbfolge kann regelmäßig nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO).

2.

Danach hat das Amtsgericht die beantragte Grundbuchberichtigung hier zu Recht abgelehnt. Angesichts der im Jahre 2010 erfolgten, notariell belegten Veräußerung ihrer Nacherbenanwartschaft an den Beteiligten zu 2) bestehen zumindest durchgreifende Zweifel daran, dass die durch Erbschein als Nacherbe legitimierte Beteiligte zu 1) Miteigentümerin des in Rede stehenden Grundbesitzes ist. Infolgedessen ist hier nicht im Sinne des § 29 GBO erwiesen oder offenkundig, dass die beantragte Umschreibung zu ihren Gunsten, auch umgedeutet in ihre Eintragung mit dem Beteiligten zu 3) in Erbengemeinschaft zu je ½ (zur Möglichkeit der Umdeutung eines Antrages analog § 140 BGB BayObLGZ 1953, 333; 1983, 118; KG DNotZ 1968, 95; Böttcher, in: Meikel, a.a.O., § 13 Rn. 27), zur Richtigkeit des Grundbuches führen würde.

a)

Aus dem von der Beteiligten zu 1) in Bezug genommenen Erbschein allein (Abschrift Bl. 67 d.A.; zur Vorlage im Grundbuchverfahren BGH, Beschluss vom 20. Mai 1981 – V ZB 25/79, NJW 1982, 170), der diese neben dem Beteiligten zu 3) als hälftige Miterbin ausweist, kann aufgrund weiterer, dem Grundbuchamt positiv bekannt gewordener Umstände – hier: der mit notarieller Urkunde vom 25. November 2010 (Bl. 38 ff. d.A.) erfolgten Veräußerung der Nacherbenanwartschaft der Beteiligten zu 1) an den Beteiligten zu 2) – nicht mit der erforderlichen Gewissheit auf ihre Miteigentümerstellung geschlossen werden. Denn gemäß § 35 Abs. 1 GBO entfaltet ein Erbschein im Grundbuchverfahren über die Vermutungswirkung des § 2365 BGB hinaus volle Beweiskraft nur für das Bestehen des bezeugten Erbrechts; auf andere als die darin bezeugten Tatsachen erstreckt sie sich nicht (vgl. KG, FamRZ 2021, 70; OLG München, RNotZ 2016, 185; Demharter § 35 Rn. 27 und 29; Weidlich, in: Grüneberg, BGB 82. Aufl., § 2365 Rn. 1 f.). Der gesetzliche Inhalt des Erbscheins ist strikt dahin begrenzt, dass er das Erbrecht des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen hat (BGH, Beschluss vom 8. September 2021 – IV ZB 17/20, NJW 2021, 3727; vgl. RG, Beschluss vom 11. Oktober 1906 – IV 286/06, RGZ 64, 173, 178). Hinsichtlich der Umschreibung eines Grundstücks auf den Erben ist der Erbschein daher nur dann als Umschreibungsgrundlage zu verwenden, wenn das Grundstück zum Nachlass gehört; diese Frage ist, da sich aus dem Erbschein selbst nichts dafür ergibt, vom Grundbuchamt selbständig zu prüfen (Krause/Weber, in: Meikel, a.a.O. § 35 Rn. 42; Güthe/Triebel, Grundbuchordnung für das Deutsche Reich 6. Aufl., § 35 Rn. 18; vgl. auch BayObLG, JFG 3, 312, 313). Dass die von dem Antrag der Beteiligten zu 1) betroffenen Grundstücke zum Nachlass gehören und in ihr Miteigentum gefallen sind, ist danach nicht erwiesen. Wie das Grundbuchamt zutreffend ausführt, hat die urkundlich belegte Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts auf den Beteiligten zu 2) zur Folge, dass dieser als Erwerber in die vermögensrechtliche Rechtsstellung der Beteiligten zu 1) eingetreten ist, ohne dadurch selbst Nacherbe geworden zu sein. Denn die Rechtsstellung des (Nach-)Erben ist höchstpersönlicher Natur; sie kann rechtsgeschäftlich nur durch Verfügung von Todes wegen durch den Erblasser vermittelt werden (Lieder, in: MünchKomm-BGB 9. Aufl., § 2100 Rn. 61; Schneider in: jurisPK-BGB 10. Aufl., § 2100 Rn. 26; KG, NJW-RR 1999, 880; vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1971 – III ZR 46/68, BGHZ 56, 115, 118). Der Erbwerber der Nacherbenanwartschaft wird daher mit Eintritt des Nacherbfalls nur vermögensrechtlicher Gesamtnachfolger des Erblassers, während der Veräußerer formal weiter als Nacherbe fungiert und als solcher auch in den Erbschein aufzunehmen ist (BayObLG, FamRZ 2002, 350; OLG Schleswig, ZEV 2010, 574; OLG Köln, ZEV 2018, 138; OLG München, NJW-RR 2018, 71; Staudinger/Avenarius (2019) BGB § 2100, Rn. 84; Schneider, in: jurisPK-BGB a.a.O., § 2100 Rn. 26). Dementsprechend geht das Grundbuchamt vollkommen zu Recht davon aus, dass im Nachgang zu der notariell beurkundeten Veräußerung ihrer Nachebenanwartschaft nunmehr allein aus dem in dem Erbschein bezeugten Erbrecht der Beteiligten zu 1) nicht zugleich auch auf ihr Miteigentum an dem vormaligen Grundbesitz der Erblasserin geschlossen werden kann.

b)

Von der Beteiligten zu 1) geäußerte, auf § 138 BGB gestützte Zweifel an der Wirksamkeit des notariellen Vertrages vom 25. November 2010, die auch Gegenstand eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 24. April 2023 sind (Bl. 85 ff. d.A.), belegen im vorliegenden Grundbuchverfahren nicht die Unwirksamkeit der Veräußerung der Nacherbenanwartschaft und damit das (Mit-)Eigentum der Beteiligten zu 1) kraft ihrer durch den Erbschein bezeugten Rechtsstellung. Denn die Erkenntnismöglichkeiten des Grundbuchamtes beschränken sich auf die im Eintragungsverfahren einzureichenden Unterlagen und die beim Grundbuchamt offenkundigen Umstände (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 GBO; vgl. OLG München, NJW-RR 2016, 1419; FamRZ 2019, 868; BayObLG, NJW-RR 1997, 100), und nur ganz ausnahmsweise wird eine solche Prüfung auf dieser Grundlage die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts eindeutig oder zumindest mit einem erheblichen Grad von Wahrscheinlichkeit zutage fördern (vgl. OLG Zweibrücken, MittBayNot 1994, 44; OLG Schleswig, FGPrax 2013, 22; Kössinger, in: Bauer/Schaub a.a.O., § 19 Rn. 90 ff.). Auch im hier zu entscheidenden Fall ist eine solche abschließende Beurteilung des notariellen Vertrages unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit schon mangels Kenntnis des gesamten Sachverhalts und aller ihn prägenden Umstände allein aufgrund der im Grundbuchverfahren vorzunehmenden, gehörigen Prüfung nicht möglich. Die unabhängig von einem – behaupteten – auffälligen (objektiven) Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erforderlichen subjektiven Voraussetzungen – Ausbeutung einer Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche im Falle des § 138 Abs. 2 BGB, sonst aber zumindest weitere sittenwidrige Umstände, wie etwa verwerfliche Gesinnung oder die Ausnutzung der schwierigen Lage oder auch Unerfahrenheit des Partners für das eigene übermäßige Gewinnstreben (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1995 – V ZR 265/93, BGHZ 130, 101), sind weder für die Beteiligte zu 1) noch für den Beteiligten zu 2) bei Abschluss des Vertrages vom 25. November 2010 festzustellen; insoweit fehlt es an einem Nachweis in der Form des § 29 GBO. Dessen ungeachtet, würde der mit der Beschwerde geltend gemachte Nichtigkeitsgrund – die Sittenwidrigkeit wegen eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung – grundsätzlich nur das Verpflichtungsgeschäft und nicht ohne weiteres auch die in dessen Vollzug vereinbarte Abtretung der Nacherbenanwartschaft erfassen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2011 – V ZR 208/09, NJW-RR 2011, 880). Selbst eine – unterstellte – Nichtigkeit des Kaufvertrages würde deshalb lediglich zu einem bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückabtretung führen, jedoch nicht das Übertragungsgeschäft ungeschehen machen, das vorliegend zur Folge hat, dass die Beteiligte zu 1) mit dem Nacherbfall nicht in die Eigentümerstellung der Erblasserin in Bezug auf den betroffenen Grundbesitz eingetreten ist.

3.

Einer ausdrücklichen Kostenentscheidung bedurfte es im Hinblick auf die gesetzlich geregelte Kostenfolge (§ 22 Abs. 1 GNotKG) nicht. Die Entscheidung über die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf den §§ 36 Abs. 1, 46 Abs. 1, 61 GNotKG; der Senat schätzt den Wert der betroffenen Grundstücke unter Berücksichtigung des in der notariellen Urkunde vom 25. November 2010 vereinbarten Kaufpreises mangels anderer belastbarer Anhaltspunkte auf 50.000,- Euro.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 78 Abs. 2 Satz 1 GBO) nicht zuzulassen.

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