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Abhängigkeit der Auflassungsvollmacht vom Eintritt einer Bedingung

OLG Jena – Az.: 9 W 388/12 – Beschluss vom 20.08.2012

Der Antrag der Beteiligten zu 1) und 2), ihnen für die beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Greiz vom 12.07.2012 Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe

Den Beteiligten zu 1) und 2) kann Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil es der mit der Beschwerde beabsichtigten Rechtsverfolgung an hinreichender Erfolgsaussicht fehlt, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO. Das Grundbuchamt hat die Eintragung eines Amtswiderspruchs im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf die angefochtene Entscheidung des Grundbuchamts sowie auf den Senatsbeschluss vom 27.02.2012 in der Sache 9 W 58/12.

Die Eintragung eines Amtswiderspruchs in das Grundbuch setzt nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO voraus, dass das Grundbuchamt die betroffene Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen hat und durch die Eintragung das Grundbuch unrichtig geworden ist. Die letztere Voraussetzung liegt nicht vor.

Bei der am 02.04.2012 erfolgten Eintragung der Beteiligten zu 3) und 4) als Grundstückseigentümer ist dem Grundbuchamt eine Gesetzesverletzung unterlaufen. Geht es wie hier um die Eintragung des Eigentumswechsels auf Grund einer Auflassung, darf das Grundbuchamt nach dem sogenannten materiellen Konsensprinzip die Eintragung nur vornehmen, wenn die erforderliche dingliche Einigung vorliegt (§ 20 GBO) und dem Grundbuchamt in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO nachgewiesen ist. Dabei hat das Grundbuchamt nicht die materiellrechtliche Wirksamkeit der Einigung festzustellen, weil das in dem durch die Beweismittelbeschränkung des § 29 GBO geprägten Eintragungsverfahren gar nicht möglich ist. Daher genügt es, wenn dem Grundbuchamt die Einigung in der Form des § 29 GBO so nachgewiesen ist, wie sie sachlichrechtlich zur Herbeiführung der Rechtsänderung erforderlich ist (Demharter, GBO, 28. Aufl., § 20 Rn. 25). Die dingliche Einigung ergibt sich hier aus Ziff. VI.1. der notariellen Urkunde des Notars Uwe Lang vom 12.12.2011, Urkundenrolle Nummer 1169/2011; eine Ausfertigung dieser Urkunde, die die Auflassung enthält, hat der Notar mit Schriftsatz vom 26.03.2012, beim Grundbuchamt am 27.03.2012 eingegangen, eingereicht. Dieser Schriftsatz enthält u.a. auch den Antrag auf Eintragung der Beteiligten zu 3) und 4) als Eigentümer; die Ausführungen im Beschwerdeentwurf, die Eintragung sei ohne den nach § 13 Abs. 1 S. 1 GBO erforderlichen Antrag erfolgt, entbehren daher einer Grundlage.

Der Wirksamkeit der Auflassung steht nicht entgegen, dass sie für die Beteiligten zu 1) und 2) durch eine vollmachtlose Vertreterin erklärt wurde; vielmehr kann die mangelnde Vertretungsbefugnis durch Genehmigung, die nicht der Form des § 925 BGB bedarf, rückwirkend geheilt werden, §§ 177 Abs. 1, 182 Abs. 2 BGB (Demharter, a.a.O., § 20 Rn. 22 b) m.w.N.). Die Genehmigung ist auch dann formfrei, wenn die Vollmacht selbst in Abweichung von § 167 Abs. 2 BGB ausnahmsweise formbedürftig wäre (BGH NJW 1994, 1344 ff. m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat Rechtsanwältin W. die Genehmigung sämtlicher Erklärungen der für die Beteiligten zu 1) und 2) handelnden vollmachtlosen Vertreterin – mithin auch der Auflassung – durch notariell beglaubigte Erklärung vom 29.12.2011 erteilt. Damit ist insoweit das Nachweiserfordernis des § 29 Abs. 1 GBO erfüllt. Hierzu war Rechtsanwältin W. auf Grund der von den Beteiligten zu 1) und 2) am 23.11.1997 erteilten Vollmacht auch grundsätzlich berechtigt. Diese Vollmacht umfasst auch die Befugnis zur Veräußerung des Grundstücks; der Senat nimmt zur Auslegung der Vollmacht Bezug auf seinen Beschluss vom 27.02.2012. Auf der Grundlage der vorliegenden öffentlichen bzw. öffentlich beglaubigten Urkunden musste und durfte das Grundbuchamt zum Zeitpunkt der Eintragung – auf diesen Zeitpunkt kommt es für die Beurteilung an, ob eine Gesetzesverletzung bei der Eintragung vorliegt (Demharter, a.a.O., § 53 Rn. 22 m.w.N.) – entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) und 2) auch nicht davon auszugehen, dass die Vollmacht nichtig oder sonst unwirksam wäre. Die Rechtsanwältin W. von den Beteiligten zu 1) und 2) erteilte Vollmacht  ist notariell beurkundet und genügt damit ohne Weiteres den von der Rechtsprechung in Abweichung von § 167 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätzen hinsichtlich der Formbedürftigkeit unwiderruflicher Vollmachten für die Vornahme von Grundstücksveräußerungen (Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 167 Rn. 9 m.w.N.). Das Vorbringen der Beteiligten zu 1) und 2), bei dem zwischen ihnen und den Eheleuten L. geschlossenen Grundstückskaufvertrag vom 13.07.1997, der nicht zum Vollzug gekommen ist, handele es sich um ein Scheingeschäft bzw. dieser Vertrag sei aus anderen Gründe nichtig, ist für den Bestand der an Rechtsanwältin W. erteilten Vollmacht unerheblich. Der behauptete untrennbare Zusammenhang zwischen diesem Vertrag und der Vollmacht, der nach § 139 BGB auch die Nichtigkeit der Vollmacht nach sich ziehen könnte, ist aus den vorliegenden öffentlichen bzw. öffentlich beglaubigten Urkunden nicht zu ersehen. Insbesondere fehlt in der mehr als vier Monate später erteilten Vollmacht jeder Bezug auf den Kaufvertrag vom 13.07.1997. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Erteilung der Vollmacht nach ihrem Inhalt der Absicherung eines von den Eheleuten L. im Interesse der Beteiligten zu 1) und 2)  aufgenommenen Kredits in Höhe von 230.000,- DM diente, zu dessen Bedienung die Beteiligten zu 1) und 2) im Innenverhältnis zu den Eheleuten L. verpflichtet waren. Das würde auch dann gelten, wenn auch der Kaufvertrag vom 13.07.1997 entsprechend dem Vorbringen der Beteiligten zu 1) und 2) im Zusammenhang mit dem durch die Eheleute aufgenommenen Kredit gestanden haben sollte, was darüber hinaus ebenfalls nicht mit den Beweismitteln des § 29 Abs. 1 GBO nachgewiesen ist.

Bei der Eintragung ist dem Grundbuchamt gleichwohl eine Gesetzesverletzung unterlaufen, weil es – trotz entsprechenden Hinweises des Senats in dem Beschluss vom 27.02.2012 – nicht beachtet hat, dass die Vollmacht für Rechtsanwältin W. aufschiebend bedingt für den Fall des Verzugs der Beteiligten zu 1) und 2) mit der Bedienung des Kredits im Innenverhältnis zu den Eheleuten L. mit mehr als drei Monatsraten war und der Eintritt dieser Bedingung dem Grundbuchamt nicht durch öffentliche Urkunde nachgewiesen war, § 29 Abs. 1 GBO. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Auflassungsvollmacht – anders als die Auflassung selbst, § 925 Abs. 2 BGB – auch vom Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht werden kann. Lediglich zum Zeitpunkt der dinglichen Einigung muss sie unbedingt bestehen; daher ist dem Grundbuchamt der Bedingungseintritt in der Form des § 29 Abs. 1 GBO nachzuweisen (Bamberger/Roth, a.a.O., § 925 Rn. 13; Demharter, a.a.O., § 20 Rn. 22 jeweils m.w.N.). Daran fehlt es vorliegend. Der Hinweis des Grundbuchamts in der angefochtenen Entscheidung, Rechtsanwältin W. habe in der Genehmigungserklärung vom 29.12.2011 „den Bestand der Vollmacht“ und damit letztlich auch den Bedingungseintritt bestätigt, geht in mehrfacher Hinsicht fehl. Bei dem Bedingungseintritt handelt es sich um eine andere Voraussetzung für die Eintragung im Sinne von § 29 Abs. 1 S. 2 GBO (Demharter, a.a.O., § 29 Rn. 15 m.w.N.). Der Nachweis ist mithin durch öffentliche Urkunde zu führen; die Genehmigungserklärung erfolgte demgegenüber lediglich in Form einer öffentlich beglaubigten Urkunde. Abgesehen davon enthält die Genehmigungserklärung weder eine ausdrückliche noch eine inzidente Aussage über den Bedingungseintritt; die erklärte Vollmachtsbestätigung bezieht sich nämlich ausdrücklich auf die in Abschnitt VII. Ziff. 3 der Urkunde vom 12.12.2011 von der vollmachtlosen Vertreterin an eine Notariatsangestellte erteilte Vollmacht, Erklärungen zur Ergänzung oder Berichtigung abzugeben. Selbst wenn Rechtsanwältin W. eine entsprechende ausdrückliche Erklärung über den Eintritt des Verzugs in einer öffentlichen Urkunde abgegeben hätte, wäre der Bedingungseintritt damit nicht bewiesen, weil die öffentliche Urkunde Beweis nur für die Abgabe der Erklärung, nicht aber für deren inhaltliche Richtigkeit erbringt (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 415 Rn. 5 m.w.N.).

Die Eintragung eines Amtswiderspruchs in das Grundbuch hat gleichwohl zu unterbleiben, weil derzeit davon auszugehen ist, dass das Grundbuch durch die Eintragung der Beteiligten zu 3) und 4) nicht unrichtig ist. Anders als die Gesetzesverletzung muss die Unrichtigkeit des Grundbuchs als weitere Voraussetzung für die Eintragung eines Amtswiderspruchs allerdings nicht feststehen. Da der Widerspruch ein vorläufiges Sicherungsmittel ist und seine Eintragung auch im Weg der einstweiligen Verfügung (§ 899 BGB) erfolgen kann, bei der die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen ist, gilt für die Eintragung des Amtswiderspruchs nichts anderes. Es reicht also eine überwiegende Wahrscheinlichkeit geringeren Grades als beim Vollbeweis. Dabei muss die Annahme der Unrichtigkeit auf konkrete Tatsachen gestützt sein; wenn ebenso viel für die Richtigkeit wie für die Unrichtigkeit des Grundbuchs spricht, kommt ein Amtswiderspruch nicht in Betracht. Die Vermutungswirkung des § 891 BGB entfällt nicht schon dadurch, dass die Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen wurde (Demharter, a.a.O., § 53 Rn. 28; Bauer/von Oefele, GBO, 2. Aufl., § 53 Rn. 85; Hügel, GBO, 2. Aufl., § 53 Rn. 32; Meikel, GBO, 10. Aufl., § 53 Rn. 84 jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Fall ergeben sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte dafür, dass zum Zeitpunkt der dinglichen Einigung die aufschiebende Bedingung für die Auflassungsvollmacht – Verzug der Beteiligten zu 1) und 2) mit der Rückzahlung des Kredits im Innenverhältnis gegenüber den Eheleuten Lehmann mit mehr als drei Monatsraten – nicht eingetreten war. Auch die Beteiligten zu 1) und 2) haben hierzu nichts vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Zu entsprechendem Vortrag und dessen Glaubhaftmachung, etwa durch die Vorlage entsprechender Belege sind sie, weil ihre eigene Zahlungsverpflichtung betroffen ist, ohne Weiteres in der Lage.

Nur vorsorglich – der Beschwerdeentwurf macht Sittenwidrigkeit wegen eines groben Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Grundstückswert nach § 138 Abs. 1 BGB nur hinsichtlich des Kaufvertrages vom 13.07.1997, nicht aber hinsichtlich des Vertrages vom 12.12.2011, in dem die hier vollzogene Auflassung erklärt wurde, geltend – weist der Senat darauf hin, dass ein derartiger Nichtigkeitsgrund nur das schuldrechtliche Grundgeschäft, nicht aber das dingliche Erfüllungsgeschäft, also die Auflassung beträfe (BGH NJW-RR 2011, 880 f. m.w.N.). Da das Grundbuchamt nach § 20 GBO nur die dingliche Einigung zu prüfen hat, fehlt es insoweit bereits an einer Gesetzesverletzung. Im Übrigen würde die – unterstellte – Nichtigkeit des Kaufvertrages lediglich zu einem bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückauflassung, nicht aber zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.

 

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