Eine juristische Auseinandersetzung um Notarkosten
In der Welt der Immobilien gibt es oft komplexe und verwirrende rechtliche Prozesse. Einer dieser Prozesse ist ein Fall, der vor dem LG Stendal (Az.: 23 OH 5/19) verhandelt wurde. Hier ging es um die Kostenrechnung eines Notars, die von den Antragstellern angefochten wurde.
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Übersicht
Das Problem mit dem Familienstand
Der Kern dieses Falles liegt in der vorzeitigen Beendigung eines Beurkundungsverfahrens für einen Grundstückskaufvertrag. Der Antragsteller, der den Notar beauftragt hatte, machte auf Nachfrage des Notars keine hinreichend konkreten Angaben zu seinem Familienstand. Infolgedessen wurde in den Vertragsentwurf „ledig“ als Familienstand aufgenommen. Bei der späteren Verlesung des Vertragsentwurfs stellte sich heraus, dass der Antragsteller nicht ledig, sondern verheiratet war, was zu erheblichen juristischen Komplikationen führte.
Der ungeklärte Familienstand führt zur Aufhebung des Beurkundungstermins
Aufgrund des falschen Familienstands im Vertragsentwurf war die Gültigkeit des Vertrags nicht gewährleistet, da die Zustimmung der Ehefrau des Antragstellers fehlte. Dies führte dazu, dass der Notar den Beurkundungstermin aufhob und einen neuen Termin anbot, bei dem der korrigierte Vertragsentwurf präsentiert werden sollte. Zu diesem neuen Termin ist es allerdings nie gekommen, da die Antragsteller das Mandat mit dem Notar beendeten.
Streitpunkt Notarkosten
Der Streit entbrannte, als der Notar die Antragsteller zur Zahlung der Kosten für den vorzeitig beendeten Beurkundungsprozess aufforderte. Die Antragsteller wehrten sich gegen diese Kostenrechnung und brachten den Fall vor Gericht.
Das Urteil
Das LG Stendal entschied schließlich gegen die Antragsteller und wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Kostenrechnung zurück. Das Gericht entschied, dass der Notar im Recht war, die Kosten für den vorzeitig beendeten Beurkundungsprozess in Rechnung zu stellen.
Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit, korrekte und vollständige Informationen bei rechtlichen Prozessen zur Verfügung zu stellen. Falsche oder fehlende Informationen können zu erheblichen Verzögerungen, Kosten und juristischen Auseinandersetzungen führen.
Das vorliegende Urteil
LG Stendal – Az.: 23 OH 5/19 – Beschluss vom 05.01.2021
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Kostenrechnung Notar/in vom 15.01.2018 (Re.-Nr. ……) wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Kostenrechnung des weiteren Beteiligten (nachfolgend Notar genannt) vom 25.06.2019 (Kostenrechnung-Nr.: ……….) und der vollstreckbaren Ausfertigung hierfür vom 07.08.2019, mit der der Notar die Antragsteller aus vorzeitiger Beendigung eines Beurkundungsverfahrens nach vollständiger Fertigung eines Entwurfs über einen Grundstückskaufvertrag als Gesamtkostenschuldner in Anspruch nimmt.
Der Antragsteller zu 2) beauftragte den Notar am 23.05.2019 mit der Fertigung eines Entwurfs über einen Grundstückskaufvertrag mit Finanzierungsvollmacht für die Immobilie ……. in …….. und vereinbarte zugleich einen Beurkundungstermin für den 13.06.2019.
Zu seinem Familienstand machte der persönlich am 23.05.2019 im Notariat erschienene Antragsteller zu 2) auch auf Nachfrage der Notariatsmitarbeiterin keine hinreichend konkreten Angaben. Daher wurde im Vertragsentwurf beim Familienstand des Antragstellers zu 2) „ledig“ aufgenommen. Der Vertragsentwurf wurde den Antragstellern mit Schreiben vom selben Tag per Post übersandt. Im Anschreiben wurde der Antragsteller zu 2) nochmals aufgefordert, Angaben zu seinem Personenstand zu machen.
Während der Notar die Urkunde entsprechend dem Entwurf im Beurkundungstermin am 13.06.2019 verlas, erklärte der Antragsteller zu 2), dass er nicht ledig, sondern verheiratet sei. Diesbezüglich wies der Notar darauf hin, dass der Vertrag ohne die Zustimmung der Ehefrau schwebend unwirksam sei. Eine an den Beurkundungstermin unmittelbar anschließende Beurkundung der Grundschuld von der Antragstellerin zu 1) und dem nicht am Grundstückskaufvertrag Beteiligten CC könne daher mangels einer wirksamen Finanzierungsvollmacht nicht erfolgen. Der Antragsteller zu 2) erklärte, dass seine Ehefrau noch am selben Tag im Notariat erscheinen und ihre Zustimmung erteilen werde. Die Reaktion des Antragstellers zu 2) verstärkte beim Notar den Eindruck, dass die Ehefrau keine Kenntnis vom Verkauf des Objektes hatte und möglicherweise vom Antragsteller zu 2) unter Druck gesetzt werde, die Zustimmung zu erteilen. Der Notar erklärte, dass unter Berücksichtigung der Anfahrtszeit der Ehefrau, eine damit verbundene Vertragsänderung und die anschließende Beurkundung des Grundstückskaufvertrages zu den Geschäftszeiten an diesem Tag nicht zu realisieren sei. Zudem wies er darauf hin, dass er vor der Beurkundung von der Freiwilligkeit der Zustimmung der Ehefrau überzeugt sein müsse und derzeit dahingehend Bedenken bestünden.
Der Notar hob den Termin auf. Zugleich regte er an, einen neuen Beurkundungstermin zu vereinbaren, zu dem der Vertragsentwurf überarbeitet werden und die Ehefrau des Antragstellers zu 2) mit erscheinen könne.
Ein neuer Termin wurde von den Antragstellern nicht vereinbart. Mit Schreiben vom 18.06.2019 kündigten die Antragsteller das Mandatsverhältnis.
Daraufhin legte der Notar am 25.06.2019 die streitgegenständliche Kostenrechnung. Er berechnete eine 2,0 Gebühr aus einem Geschäftswert von 155.000,00 € in Höhe von 708,00 €, eine Dokumentenpauschale in Höhe von 3,60 €, eine Grundbuchabrufgebühr in Höhe von 16,00 € und eine Telekommunikations- und Postpauschale in Höhe von 20,00 €. Zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer in Höhe von 142,04 € ergab sich ein Bruttorechnungsbetrag in Höhe von 889,64 €.
Mit Schreiben vom 05.07.2019, bei Gericht eingegangen am 12.07.2019, beantragten die Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung.
Die Antragsteller meinen, dass die von ihnen begehrte Beurkundung des Grundstückskaufvertrags am Verhalten des Notars gescheitert sei, so dass eine Zahlungsverpflichtung nicht bestehe. Der Antragsteller zu 2) wendet darüber hinaus ein, dass der vom Notar gelieferte Entwurf nicht vollständig gewesen sei. Er habe vorab telefonisch mitgeteilt, dass er verheiratet sei. Zudem stellt der Antragsteller zu 2) die Entstehung der Dokumentenpauschale und der Grundbuchabrufgebühren in Abrede.
Der Notar verteidigt die angefochtene Kostenrechnung.
Die Kammer beteiligte den Präsidenten des Landgerichts sowie die Ländernotarkasse am Verfahren. Auf die diesbezüglichen Stellungnahmen vom 20.02.2020, 30.03.2020 und 27.10.2020 wird Bezug genommen.
II.
1.
Der Antrag ist nach § 127 Abs.1 S. 1 GNotKG statthaft.
2.
In der Sache haben die Einwände der Antragsteller aber keinen Erfolg.
a)
Die Kostenrechnung des Notars vom 25.06.2019 ist nicht zu beanstanden.
Die Abrechnung des Notars richtet sich nach einer Gebühr für die vorzeitige Beendigung des Beurkundungsverfahrens nach vollständiger Entwurfsfertigung.
Der Entwurf für einen Grundstückskaufvertrag wurde unstreitig vom Notar im Rahmen eines erteilten Beurkundungsauftrages erstellt.
Da es nicht zur geplanten Beurkundung gekommen ist, weil die Antragsteller das Beurkundungsverfahren vorzeitig durch Rücknahme des Beurkundungsauftrages beendeten, richtet sich die Gebührenfestsetzung nach Nr. 21302 KV GNotKG mit einem Gebührensatzrahmen von 0,5 – 2,0, mindestens jedoch beträgt die Gebühr 120,00 Euro. Rahmengebühren sind gem. § 91 Abs. 1 GNotKG vom Notar im Einzelfall unter Berücksichtigung des Umfangs der erbrachten Leistung nach billigem Ermessen zu bestimmen. War der Entwurf bei Abbruch des Beurkundungsverfahrens bereits vollständig, so ist gem. § 92 Abs. 2 GNotKG die Höchstgebühr festzusetzen. Danach hat der Notar zu Recht die Höchstgebühr von 2,0 angesetzt, weil er bereits einen die Beurkundung vorbereitenden und vollständigen Vertragsentwurf gefertigt hatte.
Die Gebühr hat der Notar beanstandungsfrei auf der Grundlage des von den Antragstellern angegebenen Kaufpreises berechnet.
b)
Soweit der Antragsteller zu 2) einwendet, dass der Vertragsentwurf nicht vollständig gewesen sei, dringt er mit diesem Einwand nicht durch.
Wann der Entwurf vollständig im Sinne von § 92 Abs. 2 GNotKG erstellt ist, richtet sich vor allem nach dem Beurkundungsauftrag (KG Berlin, Beschluss vom 16.08.2018 – 9 W 91/16). Vollständig ist ein Entwurf nicht erst dann, wenn er vollständig dem Inhalt entspricht, der anschließend beurkundet werden soll. Vielmehr impliziert schon der Wortlaut („Entwurf“), dass es sich nur um ein rudimentäres Gerüst der späteren Urkunde handelt, welches keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat. (Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, Teil 1: Justiz, Anwaltschaft, Notariat Kostenverzeichnis Teil 2 Notargebühren KV GNotKG Nr. 21300-21304 Rn. 55).
Demnach muss es sich bei dem Entwurf noch nicht um die zu beurkundende Endfassung des Rechtsgeschäfts handeln. Maßgeblich ist, dass ein grundsätzlich beurkundungsfähiger Entwurf als in sich abgeschlossenes Regelungswerk in verlesungsfähiger Form vorliegt, der als Grundlage einer Verhandlung und Beurkundung dienen kann, selbst wenn im Termin noch Änderungen und Ergänzungen anzubringen gewesen wären (KG Berlin, Beschluss vom 16.08.2018 – 9 W 91/16; LG Düsseldorf Beschluss vom 09.01.2017 – 25 T 250/16; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.02.2016 – 2 W 1/16).
Enthält der Entwurf alle erforderlichen Bestandteile des zur Beurkundung begehrten Rechtsgeschäfts, so ist er vollständig.
Bei dem Entwurf eines Grundstückskaufvertrages ist in der Regel von einer Vollständigkeit auszugehen, wenn er zumindest die Vertragsteile, den Grundbesitz, die Belastungen, die Fälligkeitsregelung, die Besitzübergabe, die Rechts- und Sachmängelhaftung und die Grundbucherklärung enthält (LG Stendal, Beschluss vom 07.08.2018 – 23 OH 1/17). Gemessen an diesen Erfordernissen greift der Vorwurf eines unvollständigen Vertragsentwurfs nicht. Der vom Notar gefertigte Entwurf entspricht vielmehr inhaltlich den oben genannten Mindestanforderungen.
Das Fehlen rein tatsächlicher Angaben (z.B. Anschrift, Familienstand), die der Notar nicht selbst feststellen kann und die von den Beteiligten vor der Beurkundung beizubringen sind, steht der vollständigen Fertigung nicht entgegen, weil die Verwendbarkeit des Entwurfs für die Beteiligten dadurch nicht beeinträchtigt wird (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16. August 2018 – 9 W 91/16). Nichts anderes gilt, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Anschrift und die Angabe zum Familienstand fehlerhaft sind. Diese Angaben können im Beurkundungstermin korrigiert werden und stehen der Beurkundung nicht entgegen.
Aus denselben Gründen steht der Vollständigkeit des Entwurfes nicht entgegen, dass die in dem Entwurf aufgenommene Kostentragungspflicht nicht dem Mandanteninteresse entsprach.
Ist der Entwurf nach Auffassung des Auftraggebers nicht vollständig, so muss er dem Notar seine Änderungswünsche mitteilen und ihm Gelegenheit geben, sie entweder in den Entwurf einzuarbeiten oder sie spätestens in der Beurkundungsverhandlung zu berücksichtigen. Geben die Beteiligten dem Notar zu einem von ihm gelieferten Entwurf keine Gelegenheit, diesen entsprechend ihren Vorstellungen nachzubessern – spätestens in der Beurkundungsverhandlung – so schulden sie die Gebühr für eine vorzeitige Beendigung des Beurkundungsverfahrens in voller Höhe und ohne Abstriche nach § 92 Abs. 1 GNotKG. Letztlich müssen die Vertragsteile ihre endgültigen Vorstellungen vom Vertragsinhalt in der Beurkundungsverhandlung vortragen.
c)
Soweit die Antragsteller gegen die Kostenrechnung einwenden, dass die Rücknahme des Beurkundungsauftrages auf einem Verhalten des Notars beruhe und daher ihm anzulasten sei, mit der Folge, dass sie keine Gebühren für die vom Notar erbrachten Leistungen schulden, dringen sie mit diesem Einwand nicht durch.
Eine vom Notar zu vertretende Rücknahme des Beurkundungsauftrags liegt vor, wenn er eine für den Fortgang des Beurkundungsverfahrens erforderliche Tätigkeit ohne anerkennenswerten Grund verweigert (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.05.2019 – 20 W 265/17). Das ist etwa der Fall, wenn der Notar gegenüber dem Auftraggeber die weitere Beratung oder die Übernahme von Änderungswünschen ohne sachlichen Grund ablehnt.
Persönliche Differenzen zwischen den Beteiligten und dem Notar rechtfertigen grundsätzlich auf Seiten des Auftraggebers keine kostenfreie Zurücknahme des Beurkundungsauftrags und auf Seiten des Notars keine kostenpflichtige Zurückweisung des Beurkundungsauftrags oder Feststellung einer vorzeitigen Beendigung des Beurkundungsverfahrens. Etwas anderes kann nur in extremen Ausnahmefällen gelten, bei denen aufgrund des persönlichen Verhaltens des Notars einem Beteiligten eine Beurkundung bei diesem Notar nicht mehr zugemutet werden kann (Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, Teil 1: Justiz, Anwaltschaft, Notariat Kostenverzeichnis Teil 2 Notargebühren KV GNotKG Nr. 21300-21304 Rn. 19).
Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen lag die Rücknahme des Beurkundungsauftrags durch die Antragsteller nicht in der Person des Notars begründet.
Der von den Beteiligten geschilderte Verfahrensablauf einschließlich des Beurkundungstermins lässt kein Fehlverhalten des Notars erkennen, welches die Antragssteller berechtigt hätte, aufgrund eines Verhaltens des Notars von einer Beurkundung bei diesem abzusehen.
Denn der Notar hat offensichtlich nach dem ergebnislosen Verlauf der Beurkundungsverhandlung weder eine weitere Beratung noch Änderungswünsche noch einen neuen Beurkundungstermin abgelehnt. Der Notar bot den Antragstellern an, den Vertragsentwurf zu überarbeiten und einen neuen Beurkundungstermin zusammen mit der Ehefrau des Antragstellers zu 2) zu vereinbaren.
Auch sofern einige Angaben der Beteiligten in dem vom Notar übermittelten Entwurf nicht zutrafen, stellt dies keinen Umstand dar, der die Antragsteller dazu berechtigte, von der Beurkundung aus Gründen, die in der Person des Notars liegen, abzusehen.
Ein Ausnahmefall, der die Antragssteller ausnahmsweise zur Rücknahme des Beurkundungsauftrages unter Wegfall der Gebührenschuld berechtigen würde, ist nicht ersichtlich.
d)
Die vom Antragsteller zu 2) ohne Begründung in Abrede gestellte Entstehung der Dokumentenpauschale sowie der Auslagen für die Grundbuchabrufgebühren sind nicht zu beanstanden. Die Auslagenposten sind plausibel, zumal der Notar den Beteiligten Vertragsentwürfe ausgehändigt hat und gem. § 21 BeurkG das Grundbuch einsehen soll.
3.
Gerichtsgebühren waren in Ermangelung eines Gebührentatbestandes nicht zu erheben. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 130 Abs. 3 S. 1 GNotKG i. V. m. § 81 FamFG.10.