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Aufklärungs- und Belehrungspflicht bei Beurkundung eines Schenkungs-/Pflichtteilsverzichtsvertrags

OLG Hamm – Az.: 11 U 93/18 – Urteil vom 17.04.2019

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.05.2018 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den beklagten Notar auf Schadenersatz im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 17.01.1995 der Klägerin, ihres Ehemannes und der vier gemeinsamen Kinder in Anspruch.Mit dem Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 17.01.1995 übertrug der am 28.09.2015 verstorbene Ehemann der Klägerin das in seinem

Eigentum stehende landwirtschaftliche Anwesen mit einem angeschlossenen Beherbergungsbetrieb H Str.10 in N auf die Tochter I. Von der Übertragung ausgenommen war ein weiteres bebautes, zu dem Hof gehörendes Grundstück (Hof- und Gebäudefläche H Str.12, N), das dem Erblasser und der Klägerin als Altenteil dienen sollte. Im Gegenzug gewährte die Tochter I den Eltern ein unentgeltliches Wohnrecht in dem Haus H Str.10 bis zum 31.12.2000. Sie verpflichtete sich außerdem, an ihre Geschwister U, L und I2 bis zum 31.12.2000 jeweils einen Abfindungsbetrag in Höhe von 10.000,00 DM zu zahlen. Die Geschwister erklärten in dem Vertrag einen Pflichtteilsverzicht beschränkt auf den Schenkungsgegenstand. Regelungen dazu, ob die Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgen oder jedenfalls auf Pflichtteilsansprüche der Tochter I angerechnet werden sollte, wurden nicht getroffen.Mit Erbvertrag vom 03.06.2014 setzten sich die Klägerin und ihr Ehemann wechselseitig als Erben ein und bestimmten den Sohn U als Schlusserben. Der Schlusserbe ist nach dem Vertrag mit dem Vermächtnis belegt, im Schlusserbfall an die Töchter L und I2 einen Miteigentumsanteil von einem Drittel an dem im Grundbuch von N, Blatt ##01, verzeichneten und nunmehr von der Klägerin bewohnten Grundstück H Str.12, N zu übertragen. In dem Erbvertrag ist unter Zif.4 ausgeführt, dass die Klägerin und ihr Ehemann wegen der bereits erfolgten Übertragung der Hofstelle an die Tochter I davon ausgingen, dass die Tochter I vollständig abgefunden ist. Die Töchter L und I2 hatten am 31.05.2007 auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht verzichtet.

Nach dem Tod des Ehemannes der Klägerin nahm die Tochter I die Klägerin vor dem Landgericht Arnsberg in dem Verfahren zu Az.: 1 O 260/15 auf Zahlung des Pflichtteils nach ihrem verstorbenen Vater in Anspruch. Nachdem die Klägerin durch Teilurteil vom 04.05.2016 zur Erteilung von Auskunft über ihr Erbe durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses verurteilt worden war, ließ sie das geschuldete Verzeichnis über den Bestand der Erbschaft durch den Notar Taus X erstellen und zahlte den von der Tochter I errechneten Pflichtteil nebst Zinsen. Daraufhin erklärten die Klägerin und die Tochter I das Verfahren 1 O 260/15 vor dem Landgericht Arnsberg für erledigt.

Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin den Beklagten auf Schadenersatz in Höhe von insgesamt 19.465,50 EUR wegen des auf den Pflichtteil an die Tochter I gezahlten Betrages nebst Zinsen, der mit der Auskunftserteilung verbundenen Kosten für die Beauftragung des Notars und eines Sachverständigen zur Ermittlung der Verkehrswerte der zum Nachlass gehörenden Grundstücke in Anspruch genommen.

Sie hat behauptet, sie und ihr verstorbener Ehemann hätten bei der Beurkundung des Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrages die Vorstellung gehabt, dass die Schenkung kraft Gesetzes auf etwaige spätere Erb- und Pflichtteilsansprüche der Tochter I angerechnet werde. Hätte der Beklagte darüber aufgeklärt, dass dies nicht der Fall sei, hätten sie und ihr Ehemann die Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge verfügt oder zumindest die Aufnahme einer entsprechenden Anrechnungsbestimmung in den Vertragstext verlangt. Da der Wert der Schenkung den Pflichtteil übersteige, hätte sie bei Aufnahme einer Anrechnungsbestimmung an die Tochter I nach dem Tod ihres Ehemannes keine Zahlungen leisten müssen. Der Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt und geltend gemacht, er habe nicht den Auftrag gehabt, bei der Beurkundung des Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrages sicherzustellen, dass die Beschenkte sich den Wert des Schenkungsgegenstandes auf etwaige Pflichtteilsansprüche anrechnen lassen müsse. Der Wert der übertragenen Grundstücke sei ihm gegenüber mit 44.000,00 DM angegeben worden. Aufgrund der Verpflichtung der Tochter I, an die Geschwister jeweils 10.000,00 DM zu zahlen, sei er davon ausgegangen, dass der in dem Grundstück verkörperte Wert auf die vier Kinder gleichmäßig verteilt worden sei. Im Übrigen könne aufgrund des Vortrags der Klägerin dazu, welche Regelung die Eheleute im Falle einer Belehrung über die erbrechtlichen Konsequenzen des notariellen Vertrages getroffen hätten, die Kausalität zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden nicht festgestellt werden können.

Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung der Klägerin abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe zwar seine notariellen Pflichten aus § 17 BeurkG verletzt, weil er im Zusammenhang mit der Beurkundung des notariellen Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrages die Beteiligten nicht ausreichend über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehrt habe. Indes könne nicht festgestellt werden, dass der Klägerin durch die Pflichtverletzung ein kausaler Schaden entstanden sei. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass sie und ihr Ehemann im Falle einer ordnungsgemäßen Belehrung durch den Beklagten eine Anrechnungsbestimmung getroffen oder eine Pflichtteilsverzichtsvereinbarung mit der Tochter I vereinbart hätten. Die Vermutung des belehrungsgerechten Verhaltens streite nicht zu Gunsten der Klägerin, da auch im Falle der Belehrung durch den Beklagten verschiedene vernünftige Handlungsmöglichkeiten bestanden hätten. Die Klägerin habe erklärt, bei der Beurkundung der Schenkung im Jahre 1995 keine konkreten Vorstellungen über die Erbfolge oder darüber gehabt zu haben, ob die beschenkte Tochter später den Pflichtteil verlangen können solle. Es sei nur darum gegangen, Streit zwischen den Kindern untereinander und dem überlebenden Ehegatten um den Hof zu vermeiden. Der damaligen Intention der Eheleute hätte es ebenfalls entsprochen, (zunächst) keine Regelung bezüglich des Pflichtteils der Tochter I zu treffen.Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, aufgrund ihres eindeutigen schriftsätzlichen Vortrags, dass sie bei ordnungsgemäßer Belehrung durch den Beklagten auf die Aufnahme einer Anrechnungsbestimmung bestanden hätte, sei die persönliche Anhörung unzulässig gewesen. Das angefochtene Urteil beruhe allein auf dem Anhörungsergebnis und übergehe den entscheidungserheblichen schriftsätzlichen Vortrag. Auf der Grundlage des relevanten Sachvortrags und bei Beachtung des sich aus § 287 ZPO ergebenden Beweismaßes hätte das Landgericht zu ihren Gunsten die Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens annehmen müssen. Es habe nahe gelegen, dass sie und ihr Ehemann nach einer Belehrung des Beklagten über die Möglichkeit, eine Anrechnungsbestimmung nach § 2315 BGB zu treffen, hiervon Gebrauch gemacht hätten. Mit der Enterbung der Tochter I sei schon 1995 zu rechnen gewesen, weil die anderen Kinder nach dem Tod der Eltern noch etwas hätten bekommen sollen. Im Übrigen hätte nur durch die Aufnahme einer Anrechnungsbestimmung das Ziel erreicht werden können, den späteren Streit in der Familie um das Erbe zu vermeiden. In diesem Fall hätte die Tochter I angesichts des Wertes der übertragenen Hofstelle im Jahr 1995 von mindestens 300.000,00 DM davon abgesehen, Ansprüche wegen des Pflichtteils geltend zu machen.

Sie beantragt, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 19.465,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.730,87 EUR seit dem 06.07.2017, aus 1.845,45 EUR seit dem 01.08.2017 und aus 13.889,18 EUR seit dem 22.08.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt mit näheren Ausführungen das Ergebnis des angefochtenen Urteils.

Der Senat hat die Klägerin persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk zur Sitzung vom 17.04.2019 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Klägerin stehen gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Schadenersatz aus § 19 Abs.1 S.1 BNotO zu. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Beklagte im Zuge der Beurkundung des Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrags vom 17.01.1995 zwar die ihm aus § 17 Abs.1 BeurkG obliegenden Aufklärungs- und Belehrungspflichten verletzt hat. Jedoch kann ein auf der Pflichtverletzung kausal beruhender Schaden nicht festgestellt werden.

a) Der Beklagte war im Zusammenhang mit der Beurkundung des Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 17.01.1995 gem. § 17 Abs.1 BeurkG verpflichtet, mit den Beteiligten die mit dem Vertrag im Zusammenhang stehenden erbrechtlichen Fragestellungen zu erörtern.

Nach § 17 Abs.1 BeurkG muss der Notar über die rechtliche Tragweite des beabsichtigten Geschäfts aufklären und sicherstellen, dass sich die Beteiligten über alle Rechtsfolgen bewusst sind, die mit dem Geschäft verbunden sind. Dabei muss der Notar bedenken, dass die Beteiligten entscheidende Umstände, auf die es bei Abschluss des Geschäfts ankommen kann, nicht kennen. Auf regelungsbedürftige Aspekte muss der Notar hinweisen, er darf nicht davon ausgehen, dass die Beteiligten offene Fragen von sich aus ansprechen (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 2005, 646 ‚Tz.28, zitiert nach juris).

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausgeführt, es sei ein Grundstück von der Übertragung auf die Tochter I ausgenommen worden, damit die anderen Kinder nach dem Tode der Eheleute I3 senior „auch noch etwas bekommen“. Angesichts dessen musste sich für den Beklagten die Frage aufdrängen, ob das nach Übertragung der Hofstelle verbleibende restliche Vermögen nach dem Tode der Erblasser unter den vier Kindern gleichmäßig verteilt werden oder ob die Tochter I mit der Übertragung der Hofstelle gänzlich abgefunden sein sollte. Da der Beklagte nicht erwarten konnte, dass die Beteiligten diese Frage von sich aus ansprechen, hätte er die Problematik mit den Beteiligten vor der Beurkundung des Vertrages erörtern und ihnen die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten (Übertragung der Hofstelle im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, Pflichtteilsverzichtserklärung der Tochter I, Aufnahme einer Anrechnungsbestimmung nach §§ 2315, 237 Abs.1 S.2 BGB) erläutern müssen. Erbrechtliche Fragen hat der Beklagte jedoch – unstreitig – vor der Beurkundung mit den Beteiligten nicht erörtert.

b) Es kann aber auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht mit dem Beweismaß des § 287 ZPO im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann im Falle der Erörterung der erbrechtlichen Fragen bereits im Januar 1995 eine Vertragsgestaltung gewählt hätten, nach der die Tochter I mit Pflichtteilsansprüchen ausgeschlossen gewesen wäre. Dies geht zu Lasten der für das Bestehen einer Kausalbeziehung zwischen Pflichtverletzung und Schaden darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin.

Grundlage für die zu treffenden Feststellungen ist insbesondere das gem. § 141 ZPO gewonnene Ergebnis der persönlichen Anhörung der Klägerin. Auf das von dem schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin abweichende Anhörungsergebnis hat das Landgericht schon deshalb zu Recht abgestellt, weil die Parteien mit dem Geschehen näher verbunden sind als ihre Prozessbevollmächtigte, die den Sachverhalt aus „zweiter Hand“ berichten (vgl. BGH VersR 1969, 58: Lange NJW 2002, 476, 479).

Nach dem Vortrag der Klägerin ist davon auszugehen, dass die Klägerin und ihr Ehemann weder die Übertragung der Hofstelle im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vornehmen noch die Übertragung von einer Pflichtteilsverzichtserklärung der Tochter I abhängig machen wollten. Die Hofstelle sollte deshalb auf die Tochter I übertragen werden, weil diese mit ihrem Ehemann als einziges der vier Kinder der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes ein Interesse an der Übernahme und Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes zeigte. Konkrete Vorstellungen, was später in erbrechtlicher Hinsicht gelten sollte, hatten die Eheleute seinerzeit nicht. Von daher kann lediglich in Betracht gezogen werden, dass sich die Klägerin und der Erblasser bei einer entsprechenden Belehrung über die erbrechtlichen Folgen des Geschäfts für die Aufnahme einer Bestimmung nach §§ 2315, 2327 Abs.1 S.2 BGB zur Anrechnung der Schenkung auf etwaige Pflichtteilsansprüche der Tochter I entschieden hätten.

Der Senat kann jedoch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Feststellung treffen, dass der Vertrag vom 17.01.1995 bei gehöriger Aufklärung und Beratung durch den Beklagten nur unter Aufnahme einer solchen Anrechnungsbestimmung geschlossen worden wäre.

aa) Die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens streitet nicht zu Gunsten der Klägerin. Zwar kann im Falle eines Beratungs- und Aufklärungsfehlers der Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass die Beteiligten einem korrekt erteilten Rat gefolgt wären. Dies setzt aber voraus, dass nach der Lebenserfahrung lediglich ein bestimmtes Verhalten nahe gelegen hätte oder sämtliche vernünftigen Verhaltensmöglichkeiten identische Schadensbilder ergeben hätten (BGH WM 2008, 1753 Tz.14; BGHZ 123, 311 Tz.14, jeweils zitiert nach juris). Besteht dagegen nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit, sondern kommen verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht und bergen sämtliche gewisse Risiken in sich, ist für einen Anscheinsbeweis kein Raum (vgl. BGH WM 2008, 1753 Tz.14; BGHZ 123, 311 Tz.14, jeweils zitiert nach juris).

Im vorliegenden Fall ist nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Klägerin vor dem Landgericht und im Senatstermin vom 17.04.2019 davon auszugehen, dass aus Sicht der Klägerin und ihres Ehemannes im Januar 1995 zumindest zwei vernünftige Handlungsoptionen bestanden haben. Statt sich für die Aufnahme der Anrechnungsklausel zu entscheiden, hätten die Klägerin und der Erblasser auch in Kenntnis der Rechtslage darauf verzichten können mit der Folge, dass die Tochter I im Falle einer späteren Enterbung – ebenso wie die übrigen Kinder – auf den Pflichtteil gesetzt würde. Auch diese Option hätte sich aus damaliger Sicht vernünftig dargestellt, weil im Januar 1995 nur die Übertragung der Hofstelle im Focus der Beteiligten stand und der Hof etwaigen Streitigkeiten entzogen werden sollte, während die Erbfolge noch nicht zur Regelung anstand.

Ein zwingender Grund, die Tochter I – anders als die Geschwister – allein wegen der Hofübertragung gänzlich von der Erbfolge ausschließen zu  können, bestand für die Eheleute I3 Anfang des Jahres 1995 nicht. Der spätere, sich erst 2014 entwickelnde Streit mit der Tochter war nicht absehbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Tochter I mit der Übertragung des Hofes im Vergleich zu den übrigen Kindern tatsächlich einen messbaren und nicht auf andere Weise auszugleichenden wirtschaftlichen Vorteil erhalten hatte, der es aus Gerechtigkeitsvorstellungen innerhalb der Familie geboten hätte, die Tochter I vollständig aus der Erbfolge ausklammern zu können, sind nicht mit Substanz dargetan. Die Tochter I ist mit der Übernahme des Hofs erhebliche Verbindlichkeiten eingegangen. Sie hat die auf den Grundstücken liegenden Lasten übernommen, sie hat an ihre Geschwister Abfindungen in Höhe von jeweils 10.000,00 DM gezahlt, den Eltern an dem Gebäude H Str.10 ein befristetes unentgeltliches Wohnrecht gewährt und die (wirtschaftliche) Verantwortung für den Hof nebst Beherbergungsbetrieb übernommen. Dass der Wert des Hofes diese insgesamt zu betrachtenden Leistungen der Tochter I deutlich überstieg, ist nicht ersichtlich, der von der Klägerin behauptete Wert der Hofstelle zum 17.01.1995 von 300.000,00 DM wird ohne jeden objektiven Anknüpfungspunkt in den Raum gestellt. Die Aufnahme der Anrechnungsklausel wäre auch keine verlässliche Möglichkeit gewesen, um einen späteren Streit in der Familie um das Erbe zu verhindern. Selbst wenn im Jahr 1995 der Wert des Hofes nach der Vorstellung der Klägerin und ihres Ehemannes einen möglichen Pflichtteil der Tochter I überstiegen hätte, war nicht abzusehen, wie sich die Verhältnisse bei dem Tod der Ehegatten darstellen würden. Die Anrechnungsbestimmung war vielmehr grundsätzlich geeignet, das Streitpotential zu vervielfältigen, weil im Zweifel nicht nur der Nachlass sondern auch die frühere Schenkung zu bewerten ist.

bb) Davon, dass sich die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann jedenfalls überwiegend wahrscheinlich für die Aufnahme der Anrechnungsklausel in den Vertrag vom 17.01.1995 entschieden hätten, ist der Senat nach dem Ergebnis der Anhörung der Klägerin nicht überzeugt. Die Angaben der Klägerin dazu, ob und welche Vorstellungen sich die Eheleute anlässlich der Übertragung der Hofstelle im Hinblick auf die erbrechtliche Stellung der Tochter I gemacht haben, sind im vorliegenden Verfahren inkonsistent und zum Teil widersprüchlich geblieben. Die Bildung einer tragfähigen Überzeugung, in welcher Weise die Klägerin und ihr Ehemann verfahren wären, ist nicht möglich. Zwar hat die Klägerin vor dem Senat erklärt, man habe den Gedanken gehabt, dass die Tochter durch die Übertragung in dem Sinne abgefunden sei, dass sie jedenfalls nichts mehr hätte verlangen sondern nur noch freiwillig bedacht hätte werden können, was den Gedanken nahelegt, die Eheleute hätten sich für die Aufnahme einer Anrechnungsklausel entschieden. Im Verhandlungstermin vor dem Landgericht hat die Klägerin jedoch ausgeführt, seinerzeit mit ihrem Ehemann keine konkreten Vorstellungen entwickelt zu haben, ob die Tochter I später den Pflichtteil ihres Erbes verlangen können sollte, was dafür spricht, dass die Eheleute bei der Beurkundung des Vertrages keine Regelungen zur Erbfolge getroffen hätten. Schriftsätzlich hat die Klägerin vortragen lassen, die Tochter I habe nach der Übertragung des Hofes weder gesetzliche noch gewillkürte Erbin werden sollen (Schriftsatz v. 17.05.2018, Bl.38 d.A.), was im Widerspruch zu ihrem späteren Vorbringen steht, dass im Jahr 1995 auch die Einsetzung der Tochter I zur Alleinerbin denkbar gewesen wäre. Wie die Klägerin und ihr Ehemann bei der Beurkundung des Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrages im Januar 1995 bei pflichtgemäßer Aufklärung und Belehrung verfahren wären, bleibt deshalb für den Senat offen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr.10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.

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