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Notarbeauftragung mit Inventarerrichtung durch Nachlassgericht – Beschwerde

Notarbeauftragung und Beschwerde: Ein Blick in den Fall OLG Stuttgart

In einem komplexen und aufschlussreichen Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart (Az.: 8 W 238/20), trat ein Notar in die Arena des rechtlichen Auseinandersetzungen. Es ging um die Rolle und Pflichten eines Notars in Bezug auf die Aufnahme von Nachlassverzeichnissen. Das Gericht musste entscheiden, ob ein Notar das Recht hat, eine Beauftragung durch das Nachlassgericht abzulehnen.

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Die Ausgangslage: Notar lehnt Beauftragung ab

Zunächst wurde der Notar K. vom Nachlassgericht beauftragt, das Verzeichnis über den Nachlass der Erblasserin zu erstellen. In einer ungewöhnlichen Wendung bat der Notar darum, einen anderen Notar auszuwählen, da er bereits drei Nachlassverzeichnisse in Bearbeitung hatte.

Gibt es ein Recht auf „Nicht-Beauftragung“?

Im Kern der Auseinandersetzung stand die Frage, ob ein Notar das Recht hat, eine Beauftragung durch das Nachlassgericht abzulehnen. Nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) tritt ein beauftragter Notar an die Stelle des Nachlassgerichts, eine „Nicht-Beauftragung“ ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Allerdings könnte eine Ausnahme gemacht werden, wenn die Arbeitsbelastung des Notars dies rechtfertigt.

Die Beschwerde des Notars: eine Bewertung

Obwohl der Notar geltend machte, dass er bereits drei Nachlassverzeichnisse in Bearbeitung hatte und daher nicht in der Lage war, ein weiteres aufzunehmen, hielt das Gericht dies nicht für ausreichend, um die Entscheidung aufzuheben. Der Notar hätte, so das Gericht, weniger dringende Beurkundungsaufträge zurückstellen können.

Praxis des Nachlassgerichts: gerecht und nachvollziehbar

Dem Beschwerdeführer wurde entgegengehalten, dass die alphabetische Berücksichtigung bei der Beauftragung zu einer gerechten Verteilung führe und dass alle Notare in gleichem Maße mit der ungeliebten Aufgabe belastet würden. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Ermessensrichtlinie des Nachlassgerichts eine einfache Kontrolle ihrer Beachtung im Einzelfall ermöglicht.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart stellt einen wertvollen Einblick in die praktische Anwendung des Nachlassrechts dar. Es verdeutlicht die Pflichten und Verantwortlichkeiten von Notaren und bietet eine informative Perspektive auf die Auseinandersetzung zwischen den rechtlichen Anforderungen und der praktischen Arbeit im Alltag eines Notars. […]


Das vorliegende Urteil

OLG Stuttgart – Az.: 8 W 238/20 – Beschluss vom 02.12.2020

1. Die Beschwerde des Notars gegen den Beschluss des Amtsgerichts Reutlingen – Nachlassgericht – vom 22.05.2020 – A 33 IV 1071/19 – wird zurückgewiesen.

2. Der Notar trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 19.05.2020 hat die Beteiligte zu 5 – Alleinerbin der Erblasserin – bei dem Amtsgericht Reutlingen als Nachlassgericht einen Antrag „für ein notarielles Nachlassverzeichnis“ gestellt. Mit Beschluss vom 22.05.2020 hat das Nachlassgericht die Aufnahme des Verzeichnisses über den Nachlass der Erblasserin auf Notar K. übertragen. Mit Schreiben vom 08.06.2020, eingegangen bei dem Amtsgericht Reutlingen am 09.06.2020, hat der Notar das Nachlassgericht darum gebeten, einen anderen Notar auszuwählen, da er bereits drei Nachlassverzeichnisse in Bearbeitung habe und aus terminlichen und geschäftlichen Gründen nicht in der Lage sei, ein weiteres Nachlassverzeichnis aufzunehmen. Hilfsweise möge sein Schreiben als Beschwerde angesehen werden. Mit Schreiben vom 12.06.2020 hat das Nachlassgericht die Auswahl eines anderen Notars abgelehnt. Mit Schreiben vom 06.07.2020 hat der Notar mitgeteilt, dass er seine Beschwerde unverändert aufrecht erhalte. Mit Beschluss vom 09.07.2020 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde des Notars hat keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob das Rechtsmittel überhaupt zulässig ist, da es jedenfalls an seiner Begründetheit fehlt.

Soweit das Nachlassgericht allerdings § 2314 Abs. 1Satz 3 BGB als Grundlage für die angegriffene Entscheidung heranzieht, geht dies fehl. Die Befugnis des Nachlassgerichts, einen Notar auf Antrag des Erben mit der amtlichen Aufnahme des Inventars zu beauftragen (§ 2003 Abs. 1 BGB), bezieht sich allein auf die Inventarerrichtung gemäß §§ 1993 ff. BGB, durch die Nachlassgläubiger über die Möglichkeiten der Vollstreckung in den Nachlass aufgeklärt werden können. Das so errichtete Inventar ist nicht vollständig identisch mit dem amtlichen Nachlassverzeichnis im Sinne von § 2314 BGB (Lange in Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, BGB § 2314, Rn. 25), welches – im Gegensatz zum Inventar – auch Auskunft über den fiktiven Nachlass zu geben hat (Staudinger/Herzog (2015) BGB § 2314, Rn. 16 m.w.N.). Für die Aufnahme eines amtlichen Nachlassverzeichnisses, das auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten zu erstellen ist und das den Anforderungen des § 2314 BGB genügt, ist gemäß § 20 Abs. 1 BNotO jeder Notar zuständig, der von dem Erben – und nicht vom Nachlassgericht – frei auszuwählen und zu beauftragen ist (Weidlich, ErbR 2013, 134, 135 3a a.E.) und dessen Tätigkeit von dem Erben notwendigenfalls unter Ausschöpfung des Rechtsbehelfs nach § 15 Abs. 2 BNotO einzufordern ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Oktober 2016 – I-7 W 67/16 –, juris). Hieran hat sich durch das Gesetz zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare vom 26.6.2013 nichts geändert (Zimmermann, FamRZ 2014, 11, 14).

Dem Erben steht es aber gemäß § 1993 BGB frei, die Inventarerrichtung durch einen vom Nachlassgericht beauftragten Notar (§ 2003 BGB) zu beantragen, ohne dass dies weiterer Voraussetzungen bedarf. Die Errichtung eines Inventars ist auch neben der Errichtung eines amtlichen Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB möglich. Nachdem die Alleinerbin mit ihrem Antrag vom 19.05.2020 auf das Auskunftsverlangen der Pflichtteilsberechtigten hingewiesen hatte, bestanden zwar Zweifel, ob eine Inventarerrichtung im Sinne von §§ 1993 ff. BGB von ihr tatsächlich gewollt war. Indes hat sie nach Aufklärung durch den Senat gemäß Beschluss vom 25.08.2020 von ihrem Antrag vom 19.05.2020 nicht Abstand genommen.

Ob dem Notar ein Beschwerderecht gegen seine Beauftragung durch das Nachlassgericht nach § 2003 BGB zusteht, ist zweifelhaft. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 2019 – I-3 Wx 102/19) ist dies grundsätzlich nicht der Fall, da nicht nachteilig in eine materielle Rechtsstellung des Notars eingegriffen werde (ebenso unter Berufung auf diese Entscheidung: Klinck in jurisPK-BGB 9. Aufl., § 2003, Rn. 9; Horn in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 2003, Rn. 4). Die Entscheidung begründe überhaupt erst eine Rechtsstellung des Notars, indem ihm die Aufgabe der Errichtung eines Inventars nach § 2003 BGB übertragen werde. Der gemäß § 2003 BGB beauftragte Notar erfülle eine Aufgabe des Nachlassgerichts und trete an dessen Stelle; einen Anspruch auf „Nicht-Beauftragung“ habe er grundsätzlich nicht. Allerdings könne nach dieser Auffassung etwas anderes gelten, wenn im Einzelfall Gründe vorlägen, die es geboten erscheinen ließen, von einer Übertragung der Inventarerrichtung abzusehen, wie dies etwa bei einer Arbeitsüberlastung des Notars in Betracht komme.

Der Senat lässt die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels dahinstehen, weil die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Da die Zurückweisung der Beschwerde keine weitergehenden Folgen als ihre Verwerfung hat und Interessen der Beteiligten nicht entgegenstehen, kann unabhängig von der Zulässigkeit der Beschwerde eine Sachentscheidung über sie ergehen (BGH NJW-RR 2006, 1346; Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 572 ZPO, Rn. 20; Ball in Musielak/Voit, 17. Aufl. 2020, ZPO § 572 Rn. 11).

Die Auswahl des mit der Aufnahme des Inventars zu beauftragenden Notars liegt im Ermessen des Nachlassgerichts (Klinck in jurisPK a.a.O., § 2003, Rn. 5). Das Nachlassgericht hat hierzu ausgeführt, die Übertragung solcher Notaraufgaben nach alphabetischer Reihenfolge vorzunehmen, um alle Notare gerecht und abwechselnd zu berücksichtigen. Dies lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Gerichtsbekannt wird die Errichtung eines Inventars oder eines amtlichen Nachlassverzeichnisses von Notaren ungern ausgeführt. Der oben zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Oktober 2016 – I-7 W 67/16 – ging voraus, dass die Erbin bei 27 Notaren erfolglos versucht hatte, ein Nachlassverzeichnis erstellen zu lassen. Durch die Praxis des Nachlassgerichts werden alle Notare in gleichem Maße mit der unbeliebten Aufgabe belastet. Zudem ermöglicht die von dem Nachlassgericht gewählte Ermessensrichtlinie eine leichte Kontrolle ihrer Beachtung im Einzelfall. Der Einwand des Beschwerdeführers, die alphabetische Berücksichtigung führe zu einer ungerechten Verteilung und sei nicht nachvollziehbar, geht daher fehl. Eine Überprüfung der von dem Nachlassgericht gewählten Ermessensrichtlinie auf ihre Zweckmäßigkeit ist im Beschwerdeverfahren nicht vorzunehmen. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, das Nachlassgericht habe bei seiner Auswahl gegen seine eigenen Ermessensrichtlinien verstoßen.

Auch der Einwand des Beschwerdeführers, er habe bereits drei Nachlassverzeichnisse in Bearbeitung und sei aus terminlichen und geschäftlichen Gründen nicht in der Lage, ein weiteres Nachlassverzeichnis aufzunehmen, rechtfertigt nicht die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. Gemäß § 15 Abs. 1 BNotO darf der Notar seine Urkundstätigkeit, zu der auch die Inventarerrichtung gehört, nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Die aktuelle Bearbeitung von drei anderweitig beauftragten Nachlassverzeichnissen rechtfertigt die Amtsverweigerung nicht. Einer akuten Überlastung kann der Beschwerdeführer durch die Hintanstellung weniger dringlicher Beurkundungsaufträge entgegenwirken. Auch die verfahrensgegenständliche Errichtung des Inventars erfordert kein unverzügliches Tätigwerden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Auf die gemäß GNotKG KV Nr. 19116 anfallende Gebühr wird hingewiesen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 FamFG).

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