OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 314/11 – Beschluss vom 20.12.2011
Die vorbezeichnete Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind zu je 1/2 Anteil eingetragene Eigentümer des eingangs bezeichneten Grundbesitzes, der in Abteilung II des Grundbuches mit einem Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsvermerk sowie in Abteilung III mit Grundpfandrechten belastet war; Zwangsversteigerungstermin war auf den 20. Juli 2007 anberaumt.
Zur Vermeidung der Zwangversteigerung schlossen die Beteiligte am 26. Juni 2009 zu Urkundenrolle Nr. 1098/2009 des Notars Dr. L. in Düsseldorf einen Vertrag, wonach die Beteiligte zu 3 den Beteiligten zu 1 und 2 einen Kredit von 282.000,- Euro gewähren sollte. Hiermit sollte u. A. die noch mit etwa 30.000,- Euro valutierende Grundschuld Abteilung III 11 mit dem von der Beteiligten zu 3 bis zum 30. Juni 2011 zur Verfügung zu stellenden Betrag abgelöst werden. Diese Grundschuld sollte sodann gelöscht werden, während die Grundschulden Abteilung III Nr. 9 und 10 der Besicherung des von der Beteiligten zu 3 gegebenen Kredits dienen sollten.
Die Beteiligten zu 1 und 2 machten der Beteiligten zu 3 zugleich unter Bezug auf den mit verlesenen Bestandteil der notariellen Urkunde (Anlage 2) – mit Bindung unwiderruflich bis zum Ablauf des 31. Juli 2011 – ein – nicht vor Ablauf des 30. Juni 2011 anzunehmendes – Angebot zum Kauf und auf Übertragung des Eigentums an dem eingangs bezeichneten Grundstück.
Für den Fall der Veräußerung des Grundbesitzes durch die Beteiligten zu 1 und 2 für mehr als 750.000,-. Euro sollte die Beteiligte zu 3 an einem Mehrerlös beteiligt werden.
In der Urkunde heißt es u. A.:
„IV. …
2. Annahmefrist
An dieses Angebot hält sich der Verkäufer unwiderruflich bis zum Ablauf des 31.07.2011 gebunden.
Während der Dauer der Bindungsfrist kann das Angebot von dem Anbietenden einseitig weder widerrufen noch inhaltlich abgeändert werden.
Zur Wirksamkeit der Annahme ist lediglich erforderlich, dass die Annahmeerklärung vor Ablauf der Annahmefrist vor einem deutschen Notar abgegeben wird, nicht dagegen der Zugang der Annahmeerklärung an den Verkäufer innerhalb der Frist. …
3. Erlöschen des Angebots
Das Angebot erlischt von selbst, ohne dass es eines Widerrufs bedürfte, wenn
a) die Annahmefrist abgelaufen ist
b) der gewährte Kredit des Kreditgebers an den Kreditnehmer gemäß Abschnitt II. dieser Urkunde nebst vertraglich geschuldetem Zins zurückgezahlt ist.
4. Bedingung der Annahme
a) Das Angebot kann nicht vor Ablauf des 30.06.2011 angenommen werden.
b) Das Angebot kann nur angenommen werden, wenn bei Annahme – soweit nicht schon entsprechende Erklärungen im heutigen Angebot enthalten sind – sich der Käufer wegen der Verpflichtung zur Zahlung des gesamten Kaufpreises der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft und den Notar anweist, ohne Nachweis der Fälligkeit vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen.
…
d) Die Annahme kann nur an der Notarstelle des amtierenden Notars erfolgen.
5. Vollmacht zur Vertragsabwicklung
Der Verkäufer erteilt hiermit dem Angebotsempfänger für den Fall der Annahme des Angebotes unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, … folgende Vollmachten:
– zur Vertretung des Verkäufers bei der Beurkundung der Auflassung, …
– Der Verkäufer erteilt ferner die in der ANLAGE 2 enthaltenen Belastungsvollmachten.
…“
Die Beteiligten zu 1 und 2 verkauften das Grundstück durch notariellen Vertrag vom 29. Juni 2001 des Notars Dr. Knoche in Ratingen für 1.200.000,- Euro an einen Dritten. Die Beteiligte zu 3 nahm sodann zu Urkundenrolle Nr. 1558/2011 des Notars Dr. L. am 01. Juli 2011 das Angebot aus der notariellen Urkunde vom 26. Juni 2009, zugleich als Bevollmächtigte der Beteiligen zu 1 und 2, zum Kaufpreis von 750.000,- Euro an.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben erfolglos (vgl. Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24. August 2011 – 14d O 131/11) versucht, im Wege der einstweiligen Verfügung die Anordnung der Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung zu erreichen, weil der notarielle Vertrag vom 26. Juni 2009 sittenwidrig sei.
Die Beteiligte zu 3 hat am 11./12. Oktober 2011 unter Bezug auf die vorgenannten Urkunden die „Eintragung der Eigentumsumschreibung“ sowie die Löschung der Auflassungsvormerkung (aus der Urkunde vom 26. Juni 2009), „sofern keine nachrangigen ohne Zustimmung des Käufers in grundbuchmäßiger Form erfolgten Eintragungen bestehen bleiben“, beantragt.
Das Grundbuchamt hat unter dem 10. November 2011 zur Erledigung bis zum 10. Dezember 2011 unter Androhung der Antragszurückweisung eine „Zwischenverfügung“ erlassen und ausgeführt, dem oben näher bezeichneten Antrag könne noch nicht entsprochen werden.
Die Auflassung sowie die Eintragungsbewilligung habe der Käufer unter Ausnutzung der in der Urkunde 1098/2009 erteilten Vollmacht erklärt. Die Voraussetzungen dieser nur „für den Fall der Annahme des Angebotes“ erteilten Vollmacht (Kapitel IV Ziffer 5), könne das Grundbuchamt ebenso wenig überprüfen wie die Wirksamkeit der Annahme des Angebots oder dessen Erlöschen durch Eintritt der auflösenden Bedingung. Das Angebot sei nämlich mehrfach befristet (Kapitel IV Ziffer 2), auflösend bedingt (Ziffer 3) und bedingt (Ziffer 4). Nicht dagegen enthalte die Urkunde eine Regelung dahin, dass die Vollmacht im Außenverhältnis (also dem Grundbuchamt gegenüber) unbedingt sei.
Hiergegen hat die Beteiligte zu 3, vertreten durch den Notar, mit Schrift vom 18. November 2011 Beschwerde eingelegt.
Sie hat geltend gemacht, der Antrag auf Eigentumsumschreibung sei begründet; Auflassung und Eintragungsbewilligung seien unter Ausnutzung der urkundlich erteilten Vollmacht wirksam erklärt; nach dem Wortlaut der Vollmacht sei Bedingung nur die Annahme des Angebots; diese Bedingung sei eingetreten. Sämtliche Bedingungen für die Annahme vom 01. Juli 2011 zu Urk.-R.-Nr. 1558/2011 seien ebenfalls erfüllt . Eine wirksame Annahme des Angebots setze die Vollmachterteilung – entgegen der Auffassung des Grundbuchamts – nicht voraus; das Grundbuchamt habe die Wirksamkeit der Annahme nicht zu prüfen. Abgesehen davon könne mit Blick auf das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24. August 2011 als gerichtsbekannt ausgeschlossen werden, dass der Käufer das Darlehen u. U. doch ordnungsgemäß zurückerhalten habe.
Die erbetene Rücknahme des Antrags auf Löschung der Auflassungsvormerkung sei nicht erforderlich, da der Antrag nur für den Fall gestellt sei, dass keine nachrangigen ohne Zustimmung des Käufers in grundbuchmäßiger Form erfolgten Eintragungen bestehen bleiben; im Hinblick auf das nachrangig eingetragene Recht Abteilung II/7 gelte der Antrag als nicht gestellt.
Mit Beschluss vom 23. November 2011 hat das Amtsgericht – Rechtspfleger – der Beschwerde „gegen die Zwischenverfügung vom 10.11.2011“ nicht abgeholfen, weil
wegen der auflösenden Bedingung des Angebots (Rückzahlung des von der Beteiligten zu 3 gewährten Kredits) der Bestand der Vollmacht und damit die Wirksamkeit der erklärten Auflassung nicht zweifelsfrei nachgewiesen sei. Die Wirksamkeit der Auflassung sei jedoch vom Grundbuchamt nach § 20 GBO stets zu prüfen; ein erloschenes Angebot könne nicht mehr angenommen werden.
Auch könne nicht geprüft werden, ob der Kredit nicht vollständig zurückgezahlt worden und das Angebot damit – entsprechend der auflösenden Bedingung -erloschen ist; eine Regelung, die das Grundbuchamt von der Prüfungspflicht entbindet, sei bei der Auflassung nicht enthalten.
Da der Bestand der Vollmacht und damit die Wirksamkeit der Auflassung nicht nachgewiesen sei, könne die Eintragung des Eigentumswechsels nicht erfolgen. Auch aus dem beigefügten Urteil des Landgerichts Düsseldorf ergebe sich nicht, dass die Vollmacht zum Zeitpunkt der Auflassung noch bestand. Zum Einen sei der zugrunde gelegte Tatbestand des Urteils kein geeigneter Nachweis nach § 29 GBO, zum Anderen könne aus einer erfolgten Zahlung zwingend der Schluss auf die Nichtzahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht gezogen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte Bezug genommen.
II.
1.
Es mag unterstellt werden, dass es sich bei der in der Ausführungsverfügung des Rechtspflegers als „Zwischenverfügung“ bezeichneten rechtlichen Äußerung des Grundbuchamts vom 10. November 2011 um eine Zwischenverfügung im Rechtssinne (§ 18 GBO) und nicht nur um – nicht der Anfechtung unterliegende – rechtliche Hinweise nach § 139 ZPO handelt.
Unter dieser Prämisse ist das Rechtsmittel der Beteiligten gemäß §§ 71 Abs. 1, 72, 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GBO als Beschwerde zulässig und nach der vom Grundbuchamt ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO. Der Ablauf der gesetzten Frist berührt die Zulässigkeit nicht (vgl. Demharter, GBO 27. Auflage 2010 § 18 Rdz. 55). Gegenstand der Beschwerde ist nur das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis (BayObLG 1986, 212; Demharter, a.a.O. § 71 Rdz. 74).
2.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Zwischenverfügung vom 10. November 2011 hat keinen Bestand.
a)
aa)
Die Zwischenverfügung ergeht auch im Grundbuchverfahren durch förmlichen Beschluss. Dieser muss gemäß § 38 Abs. 2 FamFG die Beteiligten, ihre gesetzlichen Vertreter und ihre Bevollmächtigten sowie die an der Entscheidung mitwirkenden Gerichtspersonen, eine Beschlussformel und eine Begründung enthalten (Zeiser in BeckOK – Hügel GBO Stand 01.09.2011 § 18 Rdz. 30; für das Vereinsregisterverfahren: Senat FGPrax 2010, 247, für das Registerverfahren im Übrigen: vgl. I-3 Wx 293/11 vom 06. Dezember 2011 ; OLG Schleswig ZiP 2011, 662 ; Keidel/Heinemann, FamFG 17. Auflage 2011 § 382 Rdz. 25; a. A. Krafka in Münchner Kommentar 3. Auflage 2010 § 382, Rdz. 23).
bb)
Dem genügt die Verfügung des Grundbuchamts vom 10. November 2011 nicht. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die nachfolgende Nichtabhilfeentscheidung förmlich einwandfrei durch Beschluss ergangen ist.
b)
Abgesehen von dem zu beanstandenden förmlichen Mangel war das Grundbuchamt zum Erlass bzw. zur Bestätigung seiner „Zwischenverfügung“ vom 10. November auch inhaltlich nicht berechtigt.
aa)
Eine Zwischenverfügung soll es dem Antragsteller ermöglichen, Eintragungshindernisse vor einer endgültigen Zurückweisung des Antrags zu beheben. Dies ist aus rechtsstaatlicher Sicht geboten, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu genügen (vgl. Senat FGPrax 2010, 249; Keidel/Heinemann, a.a.O. § 382 Rdz. 20). Diese Zielrichtung impliziert, dass in der Zwischenverfügung die Hindernisse, die der Eintragung entgegen stehen, klar zu benennen (OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 103; BayObLG Rpfleger 1997, 15; Zeiser, a.a.O.) und die zur Beseitigung des Hindernisses geeigneten Mittel anzugeben sind (Demharter, GBO 27. Auflage 2010 § 18 Rdz. 31 mit Nachweisen; Zeiser in BeckOK-Hügel, GBO Stand 01.09.2011 § 18 Rdz. 32; vgl. auch Senat I- 3 Wx 114/111 vom 25.05.2011 und I-3 Wx 233/10 vom 06.10.2010 BeckRS 2010, 26120). Bei mehreren Möglichkeiten der Beseitigung sind alle aufzuführen (Zeiser, a.a.O. mit Rspr.-Nachweisen).
bb)
Dem genügt die Verfügung vom 10. November 2011 auch in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss nicht. Denn darin vertritt das Grundbuchamt zwar die Auffassung, wegen einer auflösenden Bedingung sei der Bestand der Vollmacht und damit die gemäß § 20 GBO stets zu prüfende Wirksamkeit der Auflassung nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Es könne nicht geprüft werden, ob der Kredit nicht vollständig zurückgezahlt worden sei und das Angebot deshalb erloschen sei.
Das Grundbuchamt sagt aber nicht, welche konkreten Maßnahmen es zum Zwecke der Beseitigung des aufgezeigten Hindernisses von dem Adressaten der Verfügung erwartet.
c)
Die Zwischenverfügung kann aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil der Notar mit seiner Beschwerdeschrift vom 18. November 2011 seine Rechtsauffassung bekräftigt hat, wonach die Vollmachtserteilung eine wirksame Annahme des Angebots nicht voraussetze und ihrem Wortlaut nach nicht unter der Bedingung des Nachweises stehe, dass der Kredit nebst Zinsen nicht gemäß Abschnitt II der Angebotsurkunde zurückgezahlt und der Nachweis in grundbuchtauglicher Form nur schwer zu führen sei.
Damit hat der die Beschwerdeführerin vertretende Notar ernsthaft und endgültig zu erkennen gegeben, dass er sich nicht in der Lage sieht bzw. nicht gewillt ist, die Beurkundungs- bzw. Bewilligungsbasis seines Eintragungsantrags in einem der Rechtsauffassung des Grundbuchamts entsprechenden Sinne anzupassen. In diesem Falle ist aber für eine Aufrechterhaltung der Zwischenverfügung kein Raum mehr, sondern über den Eintragungsantrag zu entscheiden (Senat, Beschluss – I-3 Wx 228/11- vom 07.10.201, BeckRS 2011, 24062).
d)
Hinsichtlich des Antrags auf Löschung der Auflassungsvormerkung erscheint unklar, ob das Grundbuchamt die Auffassung der Beteiligten zu 3 teilt, wonach der Antrag im Hinblick auf das nachrangig eingetragene Recht Abteilung II/7 als nicht gestellt gelte.
Jedenfalls fehlt es in diesem Punkt an einer Nichtabhilfeentscheidung des Grundbuchamts, sodass dem Senat insoweit eine Entscheidung nicht angefallen ist.
Überdies dürfte es sich bei diesem Anheimstellen einer Antragsrücknahme nicht um eine förmliche Entscheidung des Grundbuchamts in Gestalt einer Zwischenverfügung handeln (vgl. BGH NJW 1980, 2521; OLG Hamm Rechtspfleger 1975, 134; Zeiser, a.a.O. Rdz. 50).
Hiernach war die angefochtenen „Zwischenverfügung“ vom 10. November 2011 aufzuheben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
3.
Zur weiteren Bearbeitung ist darauf hinzuweisen, dass die vom Grundbuchamt angenommenen Zweifel am Bestand des Angebots derzeit nicht gerechtfertigt erscheinen. Denn zumindest solange die Beteiligten zu 1 und 2 am Verfahren nicht beteiligt worden sind, sie demnach keine Gelegenheit hatten, zur Rückzahlung des Kredits Stellung zu nehmen, sind Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten zu 1 und 2 den Kredit zurückgezahlt haben könnten (und dies zu Erlöschen des Angebots geführt haben könnte), nicht ersichtlich.