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Grundbucheinsicht – verweigernde Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 213/17 – Beschluss vom 17.11.2017

Das Rechtsmittel des Beteiligten vom 11. September 2017 wird zurückgewiesen.

Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen.

Geschäftswert: bis 5.000,- €

Gründe

I.

Der Beteiligte hat am 17. Juli 2017 beantragt, ihm einen vollständigen Grundbuchauszug betreffend den aus dem Rubrum ersichtlichen Grundbesitz und den Vertrag, aufgrund dessen der Grundbesitz an Frau A…, die Mutter des gemeinsamen Sohnes, aufgelassen worden ist, zu überlassen. Anlass für seinen Antrag sei Regelung von Unterhalt bezüglich des gemeinsamen Sohnes, wozu auch die Einkommensverhältnisse der Kindesmutter relevant seien. Das Amtsgericht – die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle – hat den Antrag mit Beschluss vom 08. August 2017 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich das mit Schriftsatz vom 11. September 2017 eingelegte und als „Erinnerung“ bezeichnete Rechtsmittel des Beteiligten. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung gemäß Verfügung vom 18. September 2017 nicht abgeholfen und die Sache der Rechtspflegerin zur Entscheidung vorlegt. Diese hat am 18. September 2017 einen Nichtabhilfebeschluss erlassen und die Sache dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Senat behandelt das von dem Beteiligten eingelegte Rechtsmittel als Beschwerde und trifft eine eigene Entscheidung in der Sache. Den dem Beteiligten dadurch in kostenrechtlicher Hinsicht entstehenden Nachteil – das Erinnerungsverfahren ist kostenfrei, während das Beschwerdeverfahren nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 80 ff. FamFG kostenpflichtig ist – hat der Senat im Rahmen der Kostenentscheidung ausgeglichen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat die Rechtspflegerin das von dem Beteiligten mit Schriftsatz vom 11. September 2017 eingelegte und ausdrücklich als „Erinnerung“ bezeichnete Rechtsmittel entgegen der Vorschrift des § 12 c Abs. 4 Satz 1 GBO als Beschwerde behandelt, einen Nichtabhilfebeschluss erlassen und die Sache dem Senat als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

Nach § 12 c Abs. 4 Satz 1 GBO entscheidet, falls die Änderung einer Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle verlangt wird und dieser dem Verlangen nicht entspricht, die für die Führung des Grundbuchs zuständige Person; erst gegen ihre Entscheidung findet die Beschwerde statt (§ 12 c Abs. 4 Satz 2 GBO), über welche dann im Falle der Nichtabhilfe das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zu entscheiden hat. Die gemäß § 12 c Abs. 4 Satz 1 GBO als die für die Führung zuständige Person ist der Rechtspfleger, § 3 Buchstabe h RPflG (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2016, I-3 Wx 132/16, Rn. 8; Keller/Munzig, Grundbuchrecht – Kommentar, 7. Aufl. 2015, § 12 GBO Rn. 18, jeweils zitiert nach juris).

Dementsprechend hätte hier die Rechtspflegerin eine Entscheidung über die Erinnerung des Beteiligten treffen und abwarten müssen, ob gegebenenfalls eine Beschwerde gegen ihre Entscheidung eingeht, und sodann ein (Nicht-)Abhilfeverfahren (vgl. § 75 GBO) durchführen müssen.

Diese Umstände hindern eine Entscheidung durch den Senat jedoch nicht, weshalb der Senat die Sache nicht zur Entscheidung an die Rechtspflegerin zurückgibt, sondern eine eigene Sachentscheidung trifft.

Von einer Entscheidung der Rechtspflegerin über die Erinnerung des Beteiligten und ggfls. der anschließenden Durchführung eines Beschwerdeverfahrens konnte vorliegend ausnahmsweise abgesehen werden. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Rechtspflegerin in der Sache ohnehin nicht anders entschieden hätte, dass der Beteiligte gegen die Zurückweisung der Erinnerung sodann Beschwerde eingelegt hätte, mit der Folge, dass die Sache dem Senat dann als Beschwerdegericht zur Entscheidung angefallen wäre. Wenn aufgrund der gegebenen Begründungen verlässlich ausgeschlossen werden kann, dass die Rechtspflegerin einer Beschwerde gegen ihre eigene Entscheidung abgeholfen hätte, wäre eine Rückgabe der Sache an die Rechtspflegerin zur Entscheidung über die Erinnerung bloße Förmelei (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom 17. Juni 2016, I-3 Wx 132/16, FG Prax 2016, 251 ff.).

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung, an der er nach Prüfung festhält, bei der Beurteilung von Anträgen auf Grundbucheinsicht, zu der auch die Erteilung von Abschriften gehört (§ 12 Abs. 2, 1. Halbsatz GBO), von den nachfolgenden allgemeinen Grundsätzen aus (vgl. aus neuerer Zeit die Beschlüsse des Senats, FGPrax 2016, 251 ff. und 2017, 58 ff., jeweils m.w.Nachweisen):

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamtes ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann. § 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Für ein „berechtigtes Interesse“ genügt zwar nicht jedes beliebige Interesse, entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. In Zweifelsfällen ist auch zu berücksichtigen, dass der in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht Betroffene grundsätzlich vor der Gewährung von Einsicht nicht gehört wird und ihm gegen die Gewährung auch kein Beschwerderecht zusteht. In diesem Rahmen sind die berechtigten Belange des Antragstellers gegen das Interesse des Eigentümers, eine Einsicht in das Grundbuch zu verhindern, abzuwägen. Bei der sog. erweiterten Grundbucheinsicht darf zudem nicht aus dem Blick geraten, dass schuldrechtliche Verträge und Abreden nicht zu demjenigen Grundbuchinhalt gehören, auf dessen Publizität § 12 Abs. 1 GBO abzielt, und außerdem das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Vertragsparteien besonders intensiv berührt sein kann, so dass zur Rechtfertigung dieses Eingriffs eine strenge Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Einsicht vorliegt, geboten ist.

Immer aber ist zu beachten, dass das Einsichtsrecht nicht losgelöst von dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs beurteilt werden kann. Daher bezieht sich § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO auf eine Einsicht wegen einer zu erwartenden Teilnahme am Rechtsverkehr im Zusammenhang mit im Grundbuch dokumentierten Rechtsverhältnissen. Dann muss sich aber das berechtigte Interesse, von Sonderfällen wie dem Einsichtsrecht der Presse abgesehen, gerade hierauf beziehen. Das gilt erst recht für eine erweiterte Einsicht. Mit anderen Worten besteht (abgesehen von dem Sonderfall der Presse) die Notwendigkeit rechtlicher Beziehungen zu einer am Grundstück berechtigten Person und dient das Einsichtsrecht nicht der Gewinnung vom Zweck des Grundbuchs losgelöster Informationen. Es mag zwar nachvollziehbar und zweckmäßig sein, sich insbesondere über die Grundbuchakten Informationen zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen Personen beschaffen zu wollen, die in keiner grundbuchlich verlautbarten rechtlichen Beziehung zu dem Grundstück stehen, jedoch ist das Grundbuch keine allgemeine Auskunftei (vgl. zu Vorstehendem OLG München MDR 2017, 30 m.w.Nachweisen; auf diese Entscheidung verweist auch der in dem Hinweis des Senats vom 27. September 2017 genannte, nicht veröffentlichte Beschluss des Senats vom 02. September 2017, Az.: I-3 Wx 182/17).

Gemessen an diesen allgemeinen Grundsätzen ergibt die Interessenabwägung in dem vorliegenden Fall, dass das von dem Beteiligten angeführte Interesse, sich zur Regelung von Unterhalt bezüglich des gemeinsamen Sohnes mit Frau A… Erkenntnisse aus dem Grundbuch zu verschaffen, nicht als berechtigtes Interesse im Sinne der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO anerkannt werden kann.

Der Beteiligte erstrebt in erster Linie eine sogenannte erweiterte Grundbucheinsicht gemäß §§ 12 Abs. 3 Nr. 1 GBO, 46 Abs. 1 GBV, nämlich über die in § 12 Abs. 1 GBO genannten Inhalte – das Grundbuch als solches, die im Grundbuch in Bezug genommenen Urkunden sowie noch nicht erledigte Eintragungsanträge – hinaus auch die Einsicht in den einer Auflassung und einer Eintragung der Kindesmutter als Eigentümerin in das Grundbuch zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrag.

Hier steht dem Beteiligten selbst kein im Grundbuch verlautbares oder der Verlautbarung fähiges Recht zu. Ein solches nimmt er für sich selbst auch nicht in Anspruch.

Gleiches gilt aber auch für seinen Sohn, dem gegenüber der Beteiligte unterhaltsverpflichtet ist.

Es mag sein, dass der Beteiligte dann grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht hat, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kindesmutter für seine eigene Unterhaltspflicht dem gemeinsamen volljährigen Sohn gegenüber von Bedeutung sind. Dass dies so ist, lässt sich allerdings nicht feststellen. Es fehlen insoweit jegliche konkrete und nachvollziehbare Darlegungen des Beteiligten. Vielmehr führt er allgemein die Relevanz der Einkommens- und Vermögensverhältnisse für die Regelung von Unterhalt des gemeinsamen Sohnes an. Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse der Mutter kommt hinzu, dass sich weder aus dem Grundbuch noch aus dem schuldrechtlichen Vertrag, der einer etwaigen Auflassung des in Rede stehenden Grundeigentums an die Kindesmutter zugrunde liegend könnte, nähere Erkenntnisse ergeben können.

Ebenso wenig ist die von dem Beteiligten nach dem Inhalt seiner Stellungnahme vom 20. Oktober in zweiter Linie begehrte sogenannte einfache Grundbucheinsicht (§ 12 Abs. 1 GBO) zu gewähren. Wie bereits ausgeführt, ist derzeit ein berechtigtes Interesse des Beteiligten an den sich möglicherweise aus dem Grundbuch ergebenen Vermögensverhältnissen der Kindesmutter nicht dargetan und ersichtlich. Erkenntnisse zu ihren Einkommensverhältnissen würden sich aus ihrer Eintragung als Eigentümerin des in Rede stehenden Grundeigentums sowie so nicht ergeben können.

III.

Wegen der fehlerhaften Verfahrensbehandlung durch das Amtsgericht wird gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG von der Erhebung von Kosten abgesehen.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 78 Abs. 2 GBO liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in den Vorschriften der §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG. Anhaltspunkte für eine tragfähige Schätzung des Wertes des von dem Beteiligten mit seinem Rechtsmittel verfolgten Interesses an einer Erleichterung seiner Rechtsverfolgung sind der Grundakte nicht zu entnehmen.

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