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Löschung einer Gesamtgrundschuld unter Miteigentümern

Familienzwist und Grundschulden: Ein Blick auf das OLG Saarbrücken Urteil zur Löschung von Grundschulden

In einer komplexen und familiär aufgeladenen Rechtsangelegenheit hat das Oberlandesgericht Saarbrücken ein Urteil gefällt, das weitreichende Implikationen für die Rechtsprechung im Bereich Grundschulden und Eigentumsverhältnisse haben könnte. Im Kern des Falles stand die Frage, ob ein schuldrechtlicher Anspruch auf Löschung einer dauerhaft einredebehafteten Grundschuld besteht. Der Kläger, ein Sohn, forderte von seinem Vater, dem Beklagten, die Zustimmung zur Löschung einer Gesamtgrundschuld auf einem Miteigentumsanteil. Das rechtliche Hauptproblem lag in der Anwendbarkeit des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, der besagt, dass im Grundbuch eingetragene Rechte nicht der Verjährung unterliegen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 88/21 >>>

Die Familienverhältnisse und die Grundschuld

Die Familie der Parteien ist zerstritten und hat bereits mehrere gerichtliche Verfahren durchlaufen. Der Kläger und seine Geschwister sind Bruchteilseigentümer zu je 1/3 an verschiedenen Miteigentumsanteilen eines Mehrfamilienhauses. Der Vater, der Beklagte, war ursprünglich Alleineigentümer und hatte eine Grundschuld zu seinen Gunsten eintragen lassen. Später übertrug er Miteigentumsanteile an seine Kinder, wobei die Grundschuld bestehen blieb.

Der Streit um die Löschung der Grundschuld

Der Kläger forderte die Löschung der Grundschuld und argumentierte, dass keine schuldrechtliche Sicherungsabrede für deren Eintragung existiert habe. Er behauptete, dass die Grundschuld lediglich eine isolierte Grundschuld (Primärgrundschuld) sei und ihm daher ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Herausgabe der Grundschuld an die Eigentümergemeinschaft zustehe.

Verjährung und rechtliche Grundlagen

Ein zentraler Punkt des Falles war die Frage der Verjährung. Der Kläger berief sich auf § 902 Abs. 1 BGB, wonach im Grundbuch eingetragene Rechte nicht der Verjährung unterliegen. Das Gericht stimmte dem Kläger zu und entschied, dass der Anspruch auf Löschung der Grundschuld nicht verjährt sei.

Die Kosten und die Revision

Das Gericht legte fest, dass der Kläger zwei Drittel und der Beklagte ein Drittel der Kosten des Berufungsverfahrens tragen müssen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde zugelassen.

Das Urteil des OLG Saarbrücken setzt einen wichtigen Präzedenzfall für ähnliche Fälle, in denen es um die Löschung von Grundschulden und die Anwendbarkeit des § 902 BGB geht. Es zeigt auch, wie komplex und emotional aufgeladen Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Familie sein können, besonders wenn es um wertvolle Vermögenswerte wie Immobilien geht.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 4 U 88/21 – Urteil vom 27.04.2023

Leitsatz

Die Regelung des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach im Grundbuch eingetragene Rechte nicht der Verjährung unterliegen, ist entsprechend anwendbar auf den schuldrechtlichen Anspruch auf den Verzicht auf bzw. auf Löschung einer dauerhaft einredebehafteten Grundschuld nach § 1169 BGB (§ 902 BGB analog i.V.m. §§ 1192, 1169 BGB).

1. Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 15.06.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (8 O 60/19) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Löschung der

a) im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von … Blatt … und

b) im Teileigentumsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von … Blatt …

jeweils in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Gesamtgrundschuld im Nennwert von 204.516,75 € auf dem Miteigentumsanteil von 1/3 des Klägers zu erteilen.

Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu zwei Dritteln, der Beklagte zu einem Drittel. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger.

3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus dem Tenor zu Ziff. 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 205.000 € abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen wird den Parteien nachgelassen, die jeweils gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren wird auf 204.516,75 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Familie der Parteien ist zerstritten und es werden seit Jahren eine Vielzahl gerichtlicher Verfahren geführt.

Im hiesigen Rechtsstreit begehrt der Kläger von dem Beklagten, seinem Vater, die Zustimmung zur Löschung einer Gesamtgrundschuld sowie die Hinterlegung des entsprechenden Grundschuldbriefs.

Der Kläger ist zusammen mit seinen Geschwistern D. G. und N. G. Bruchteilseigentümer zu je 1/3 an verschiedenen Miteigentumsanteilen jeweils verbunden mit Sondereigentum an dem mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstück ….

Der Beklagte war ursprünglich Alleineigentümer dieses Hausanwesens. Er bestellte am 05.06.1987 mit notarieller Urkunde des Notars S. in Neunkirchen (UR-Nr. 809/1987, Bl. 116 d.A.) eine Eigentümergrundschuld über 400.000 DM (= 204.516,75 €) zu seinen Gunsten. Es handelte sich um eine Gesamt-Briefgrundschuld betreffend bestimmte dort im Einzelnen aufgeführte Miteigentumsanteile, verbunden mit Sondereigentum, an dem Grundstück ….(Grundbuch von … Band 20 Blatt …, …, …, …, …, …, …, …, …).

Unmittelbar danach am selben Tag übertrug der Beklagte mit notarieller Urkunde des Notars S. in Neunkirchen (UR-Nr. 810/1987, Bl. 114 f. d.A.) im Wege der Schenkung dem Kläger sowie dessen Geschwistern verschiedene Miteigentumsanteile, jeweils verbunden mit Sondereigentum, an diesem Grundstück.

An den Kläger wurde u.a. 1/3 Miteigentumsanteil an 49/1000 Miteigentumsanteil mit Sondereigentum an der Wohnung im Erdgeschoss, im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichnet, und dem Kellerraum Nr. 2 (Band 20 Blatt …) sowie 1/3 Miteigentumsanteil an 50/1000 Miteigentumsanteil mit Sondereigentum an im Aufteilungsplan mit Nr. 13 und 14 bezeichneten Kellerräumen, WC und Gartenmöbel- und Geräteraum übertragen. Entsprechende Miteigentumsanteile wurden jeweils auch an die beiden Geschwister des Klägers übertragen.

In Ziffer III. Nr. 1 dieses Vertrags heißt es:

„Das Grundeigentum wird übertragen so wie es daliegt. Für Sachmängel, insbesondere für Größe und Beschaffenheit sowie für Freiheit von altrechtlichen Grunddienstbarkeiten wird keine Gewähr geleistet, jedoch wird Gewähr geleistet für Freiheit von allen übrigen Belastungen, soweit in dieser Urkunde nichts Anderes vereinbart ist.“

In Ziffer IV. war Folgendes vereinbart:

„Bei dem den drei Erwerbern zu je 1/3 übertragenen Grundbesitz, vorgetragen im Grundbuch von … Band 20 Blatt … und Band 20 Blatt … ist in Abt. III eine Grundschuld von DM 130.000,- eingetragen für die Dresdner Bank AG in Saarbrücken, abgetreten an die …bank in L.. Dieses Grundpfandrecht bleibt bestehen und wird mitübernommen. Ferner übernehmen die Grundstückserwerber die dieser Grundschuld zugrunde liegende persönliche Verbindlichkeit, die derzeit beziffert wird mit ca. DM 50.000,- samt Zinsen (…)“.

Der Kläger und seine Geschwister wurden am 17.08.1987 als Bruchteilseigentümer zu je 1/3 im Wohnungsgrundbuch Blatt … (Anlage K1, Bl. 5 d.A.) und im Teileigentumsgrundbuch Blatt … (Anlage K2, Bl. 14 d.A.) des Amtsgerichts Saarbrücken eingetragen.

Am selben Tag wurde die von dem Beklagten bestellte Briefgrundschuld über 400.000 DM in Abteilung III der vorgenannten Grundbücher eingetragen (Anlage K1, Bl. 12 d.A., Anlage K2, Bl. 21 d.A.).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.04.2019 (Anlage K3, Bl. 23 d.A.) forderte der Kläger den Beklagten auf, die Löschung der im Wohnungsgrundbuch Blatt … und im Teileigentumsgrundbuch Blatt … eingetragenen Grundschuld bis zum 15.05.2019 zu bewilligen. Zur Begründung führte er aus, die Grundschuld sei, wie dem Beklagten bekannt, „ohne wirksamen Sicherungsvertrag bestellt“ worden, weshalb der Beklagte den Sicherungsgebern zur Rückgewähr aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung verpflichtet sei. Da dieser Anspruch an die Eigentümergemeinschaft gemeinschaftlich zu erbringen sei, seien binnen gleicher Frist „entsprechende Löschungsbewilligungen in der Form des § 29 GBO zu Gunsten der Eigentümergemeinschaft beim Amtsgericht Saarbrücken zu hinterlegen (…)“. Hierauf reagierte der Beklagte nicht.

Der Kläger hat behauptet, er habe von der Grundschuld erst im Laufe der Zeit erfahren. Eine schuldrechtliche Sicherungsabrede als Grundlage für deren Eintragung habe nicht bestanden. Nach dem Vortrag des Beklagten, den der Kläger sich insoweit zu eigen gemacht hat, habe die Grundschuld jedenfalls nicht der Sicherung einer persönlichen Forderung des Beklagten gedient. Damit liege eine isolierte Grundschuld (Primärgrundschuld) vor.

Der Kläger hat hieraus geschlossen, ihm stehe ein durch die begehrte Löschungsbewilligung zu realisierender bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Herausgabe der Grundschuld an die Eigentümergemeinschaft zu. Er hat auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Senats vom 04.01.2021 (4 U 41/20, Bl. 226 d.A.) in einem gegen die Zeugin G., die Ehefrau des Beklagten, geführten Parallelrechtsstreit, betreffend die Wohnung Nr. 4 im selben Anwesen, Bezug genommen, in dem diese sich auf die vom hiesigen Beklagten behauptete familieninterne Vereinbarung berufen hatte. Das Landgericht sei dort – vom Senat bestätigt – davon ausgegangen, dass die behauptete Abrede hätte notariell beurkundet werden müssen. Dies müsse auch hier gelten, so dass eine – vom Kläger bestrittene – Sicherungsabrede nicht formfrei geschlossen werden könne, sondern gemäß § 311b BGB der – hier fehlenden – notariellen Beurkundung bedurft hätte.

Der Kläger hat die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede für nicht begründet erachtet und gemeint, der Klageanspruch sei gemäß § 902 Abs. 1 BGB unverjährbar.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, der Beklagte sei infolgedessen – wie mit dem Klageantrag zu Ziff. 2 geltend gemacht – auch zur Herausgabe des unter Rückgabeverzichts zu hinterlegenden Gesamtgrundschuldbriefs an die Eigentümergemeinschaft verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, die Zustimmung zur Löschung der

a) im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von … Blatt … und

b) im Teileigentumsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von …, Blatt …

jeweils in Abteilung III. Nr. 2 eingetragenen Gesamtgrundschuld im Nennwert von 204.516,75 € zu erteilen, indem er eine entsprechende Löschungsbewilligung in der Form des § 29 GBO zugunsten der Eigentümergemeinschaft, bestehend aus

a. P. G., ,

b. D. G., ,

c. N. G.,

bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Saarbrücken hinterlegt und dabei auf das Recht der Rücknahme verzichtet;

2. den Beklagten zu verurteilen, den Grundschuldbrief zu der

a) im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von … Blatt … und

b) im Teileigentumsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von …, Blatt …,

jeweils in Abteilung III. Nr. 2 eingetragenen Gesamtgrundschuld im Nennwert von 204.516,75 € bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Saarbrücken zugunsten der Eigentümergemeinschaft, bestehend aus

a. P. G., ,

b. D. G., ,

c. N. G., ,

zu hinterlegen und dabei auf das Recht der Rücknahme zu verzichten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Er hat sich darauf berufen, die Bruchteilseigentümer hätten ihr Wahlrecht gemäß § 262 BGB, dahingehend, ob die Rückgabe der Sicherheit durch Abtretung, Aufhebung/Löschung oder Verzicht erfüllt werden solle, nicht ausgeübt. Der Kläger mache dementsprechend keinen gemeinsamen Rückgewähranspruch aller Miteigentümer geltend. Er handele nicht im Interesse seiner Geschwister und auch nicht mit deren Zustimmung.

Der Beklagte hat behauptet, er habe die streitgegenständliche Grundschuld aufgrund einer vorherigen mündlichen Vereinbarung mit dem Kläger und dessen Geschwistern bestellt, um zu verhindern, dass diese zu Lebzeiten der Eltern über das Eigentum verfügen könnten. Die Eigentumsübertragung sei im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge erfolgt, um spätere steuerliche Nachteile zu vermeiden. Zweck der Grundschuld sei die finanzielle Absicherung des Beklagten und seiner Ehefrau im Alter gewesen. Die aus der Vermietung der Wohnungen erzielten Einnahmen seien im Einvernehmen aller Beteiligten auf ein Konto der Ehefrau des Beklagten geflossen. So sei es auch bei anderen Immobilien aufgrund identischer Abreden gehandhabt worden. Seit Herbst 2018 halte sich der Kläger nicht mehr an diese innerfamiliäre Vereinbarung, leite Mieteinnahmen aus diesen Wohnungen auf seine Privatkonten um und überziehe seine Eltern und seine Geschwister mit Rechtsstreitigkeiten. Die Sicherungsabrede zur Grundschuld bestehe demnach, solange der Beklagte lebe, sodass der Kläger weder einen Anspruch auf Herausgabe des Grundschuldbriefs noch auf Löschung der Grundschuld habe.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und hierzu vorgetragen, der Kläger habe bereits vor 21 Jahren die Löschung der streitgegenständlichen Grundschuld auf einer anderen Wohnung betrieben. Er hat gemeint, spätestens damals hätte der Kläger positive Kenntnis von deren Eintragung haben und ein entsprechendes Löschungsverlangen an den Beklagten richten müssen. Der Löschungsanspruch unterliege ebenso wie der Anspruch auf Herausgabe des Grundschuldbriefs der Regelverjährung von drei Jahren.

Seine ursprüngliche Behauptung, er habe gemäß notarieller Abtretungserklärung des Notars S. in Neunkirchen vom 08.07.1987, UR-Nr. ……..(Bl. 136 d.A.), die in den Grundbuchblättern …, …, …, …, …, …, …, … und … eingetragene Briefgrundschuld über den streitgegenständlichen Betrag von 400.000 DM an seine Schwester, Frau G. L., als Sicherheit für eine Zahlungsübernahme abgetreten und dieser den Grundschuldbrief übergeben, hat der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung des Beklagten vor dem Landgericht am 04.11.2020 korrigiert und erklärt, jener Vortrag sei auf die Situation im Jahr 1987 bezogen gewesen, als eine Finanzierung habe geklärt werden müssen; Frau G. L. habe „aktuell keine Rechte mehr an der Grundschuld oder an dem Grundschuldbrief“ (Bl. 173 d. A.).

Das Landgericht hat die Parteien informatorisch angehört und Beweis erhoben gemäß Hinweis- und Beweisbeschluss vom 19.08.2020 durch Vernehmung der Zeugen C. G., D. G. und Dr. N. G.. Mit dem am 15.06.2021 verkündeten Urteil (Bl. 275 ff. d.A.) hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Der Beklagte hat Berufung eingelegt. Er macht geltend, das Landgericht habe die Aktivlegitimation des Klägers rechtsfehlerhaft bejaht. Es habe nicht berücksichtigt, dass die Grundschuld auch auf weiteren Wohnungen laste, die im alleinigen Eigentum der Zeugen Dr. N. und D. G. stünden. Die Zustimmung der Geschwister zur Löschung der Gesamtgrundschuld liege – wie deren Zeugenaussagen eindeutig belegten – nicht vor.

Der Beklagte stützt seine Berufung ferner darauf, dass das Landgericht die Aussagen der Zeugen fehlerhaft gewürdigt und infolge dessen die behauptete innerfamiliär getroffene Vereinbarung nicht als erwiesen erachtet habe. Die Zeugen D. und Dr. N. G. hätten – wie auch die Zeugin C. G. – eindeutig bestätigt, dass die vom Beklagten behauptete Vereinbarung tatsächlich getroffen worden sei und nur der Kläger sich daran nicht mehr gebunden fühle.

Das Landgericht habe weiterhin nicht berücksichtigt, dass die Eintragung der Grundschuld im Grundbuch eine entsprechende Kenntnis des Klägers vermuten lasse. Er habe diese Vermutung nicht widerlegt, zumal er die Löschung der hier streitgegenständlichen Grundschuld unter Missbrauch einer Vollmacht betreffend die in seinem Alleineigentum stehenden Wohnung Blatt … und … im selben Hausanwesen im Jahr 1999 bewilligt habe. Das Landgericht habe unzutreffend und ohne ihm durch einen gerichtlichen Hinweis Gelegenheit zur Klarstellung seines Sachvortrags zu geben angenommen, jene Grundschuld hätte ein anderes Grundstück betroffen. Damit habe das Landgericht zugleich rechtsfehlerhaft verkannt, dass die Voraussetzungen für eine Verjährung des Klageanspruchs bereits im Jahr 1999 vorgelegen hätten.

Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung auch hinsichtlich des im Berufungsverfahren vom Kläger hilfsweise gestellten Klageantrags auf Erteilung der Löschungsbewilligung beschränkt auf den Miteigentumsanteil des Klägers.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 15.06.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Az. 8 O 60/19, die Klage einschließlich des mit Schriftsatz vom 22.12.2022 gestellten Hilfsantrags abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen; hilfsweise zu dem Klageantrag zu Ziff. 1, den Beklagten zu verurteilen, die Zustimmung zur Löschung der

a) im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von … Blatt … und

b) im Teileigentumsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von …, Blatt …,

jeweils in Abteilung III. Nr. 2 eingetragenen Gesamtgrundschuld im Nennwert von 204.516,75 € auf dem Miteigentumsanteil von 1/3 des Klägers durch eine entsprechende Löschungsbewilligung in der Form des § 29 GBO zu erteilen.

Der Kläger hält die Entscheidung des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens für richtig. Hilfsweise für den Fall, dass er entgegen der Auffassung des Landgerichts zur Geltendmachung eines Löschungsanspruchs sämtliche Miteigentumsanteile betreffend nicht befugt und berechtigt sei, beantragt er, den Beklagten zur Zustimmung zur Löschung der Gesamtgrundschuld, beschränkt auf den Miteigentumsanteil des Klägers, zu verurteilen.

Das Landgericht habe, so der Kläger, seine Prozessführungsbefugnis auf der Grundlage des § 432 BGB und den Löschungsanspruch in der Sache mit Recht bejaht, weil der Beklagte mit der Eintragung der Grundschuld seine vertragliche Pflicht auf Verschaffung lastenfreien Eigentums verletzt habe. Die behauptete anderweitige, mündlich getroffene Vereinbarung habe der Beklagte nicht bewiesen. Im Übrigen wäre ein etwaiger Sicherungsvertrag mit dem vom Beklagten behaupteten Inhalt, was das Landgericht übersehen habe, gemäß § 311b BGB nichtig.

Der Senat hat den Beklagten persönlich angehört und mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet (§ 128 Abs. 2 ZPO), in dem Schriftsätze bis zum 06.04.2023 eingereicht werden konnten. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 04.03.2020, 15.07.2020, 04.11.2020 und 11.05.2021 sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 15.06.2021 (Bl. 275 ff. d.A.) und die Sitzungsniederschriften des Senats vom 14.04.2022 (Bl. 377 ff. d.A.) und 24.11.2022 (Bl. 397 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und mithin zulässig.

Das Rechtsmittel ist insoweit begründet, als die Klage in beiden Hauptanträgen abzuweisen und lediglich auf den im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag des Klägers – gerichtet auf Zustimmung zur Löschung der Grundschuld beschränkt auf den Miteigentumsanteil des Klägers – zu erkennen war. Die angefochtene Entscheidung beruht insoweit auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen gebieten eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

1.

Soweit das Landgericht den Beklagten, der Formulierung des Klageantrags zu 1 entsprechend, zur Zustimmung zur Löschung der streitgegenständlichen Grundschuld verurteilt hat, „indem er eine entsprechende Löschungsbewilligung […] hinterlegt“, hat es verkannt, dass eine Willenserklärung keine hinterlegungsfähige Sache im Sinne von § 432 Abs. 1 Satz 2 BGB darstellt (vgl. zu Anwendbarkeit des § 894 ZPO OLG München, Beschluss vom 09.07.2018 – 34 W 223/17 – juris Rn. 28 für die Eintragungsbewilligung gemäß § 19 GBO; zur Löschungsbewilligung vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2. Teil, 16. Aufl. 2020, Rn. 2756).

Ungeachtet dessen kann der Kläger die primär eingeklagte Zustimmung zur Löschung der im Rubrum näher bezeichneten Gesamtgrundschuld auf sämtlichen Miteigentumsanteilen gemäß dem Klageantrag zu Ziff. 1 nicht verlangen.

a.

Da der Kläger einen nach seiner Auffassung ihm zustehenden Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung geltend macht, ist er als prozessführungsbefugt zu betrachten. Die Frage seiner Berechtigung, in eigener Person ein solches Recht geltend zu machen, stellt sich als eine Frage der Aktivlegitimation dar, die im Rahmen der Begründetheit zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2015 – III ZR 434/13 – MDR 2015, 286, juris Rn. 17; siehe zur prozessualen Bedeutung des § 432 BGB auch Looschelders in: Staudinger, BGB, 2022, § 432 Rn. 76). Selbst wenn man die Berechtigung zur Geltendmachung des Anspruchs auf Gesamtlöschung als Problem der Prozessführungsbefugnis ansehen wollte, so hätte diese in der vorliegenden Konstellation keinen zwingend logischen Vorrang gegenüber der materiellrechtlichen Anspruchsinhaberschaft des Klägers, so dass die Unbegründetheit der (Haupt-)Klage festgestellt werden kann (vgl. Fritzsche in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2019, § 79 Rdn. 106, zu § 8 Abs. 3 UWG).

b.

Der Kläger verlangt die Löschung der Gesamtgrundschuld betreffend die drei Miteigentumsanteile ohne oder sogar gegen den Willen seiner beiden Geschwister, die mit ihm eine Eigentümergemeinschaft bilden. Ein Anspruch des Klägers auf Löschung der Grundschuld besteht jedoch (lediglich) auf der Grundlage einer vertraglichen Sonderrechtsbeziehung zwischen ihm und dem Beklagten und beschränkt sich in der Sache auf die Löschung der Belastung seines eigenen Miteigentumsanteils.

(1)

Wie das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich ein solcher Anspruch entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung nicht gemäß § 812 BGB aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Vielmehr steht dem Kläger unmittelbar aus dem mit dem Beklagten geschlossenen notariellen Schenkungsvertrag ein Anspruch auf Übertragung lastenfreien Eigentums zu.

Der Anspruch ist – nach Wahl des Klägers – darauf gerichtet, dass der Beklagte ihm die Grundschuld abtritt (§§ 1192 Abs. 1, § 1154 BGB), sie aufhebt (§§ 1192 Abs. 1, §§ 1183, 875 BGB) oder darauf verzichtet (§§ 1192 Abs. 1, § 1168 BGB). Bei der Aufhebung (grundbuchverfahrensrechtlich: Löschung) erlischt die Grundschuld. Hier hat der Kläger sein Wahlrecht im Sinne des Verlangens nach Löschung ausgeübt (§ 263 Absätze 1 und 2 BGB; zum Vorstehenden vgl. Rebhan in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BGB, Stand: 01.02.2022, § 1191 Rn. 108).

(a)

Nach der vertraglichen Vereinbarung vom 05.06.1987 war das Grundeigentum so zu übertragen, „wie es da liegt“. In Ziff. III. Nr. 1 dieses Vertrags haben die Parteien – mit Ausnahme etwaiger altrechtlicher Dienstbarkeiten sowie der in Ziffer IV. ausdrücklich bezeichneten Grundschuld zugunsten der Dresdner Bank AG, abgetreten an die …bank in L. – eine Lastenfreiheit für das übertragene Grundeigentum vereinbart, in dem der Beklagte „Gewähr geleistet (hat) für Freiheit von allen übrigen Belastungen, soweit in dieser Urkunde nichts Anderes vereinbart ist“.

(b)

Entgegen der Vereinbarung der Lastenfreiheit bestellte der Beklagte – unstreitig – am selben Tag noch vor Beurkundung der Eigentumsübertragung in einer gesonderten notariellen Urkunde eine Eigentümergrundschuld zu seinen Gunsten als Gesamt-Briefgrundschuld, die neben sieben weiteren Objekten auch das im vorliegenden Rechtsstreit betroffene Mit- und Sondereigentum betraf (Grundbuch von … Blatt … und Blatt …).

(c)

Infolgedessen steht dem Kläger ein vertraglicher Anspruch auf Löschung der ihn belastenden Grundschuld zu, allerdings – wie noch auszuführen ist – lediglich beschränkt auf seinen eigenen Miteigentumsanteil. Da es sich um einen Schenkungsvertrag handelte, würde der Schenker gemäß § 523 BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung wegen eines Rechtsmangels prinzipiell zwar nur im Fall einer arglistigen Täuschung haften. Allerdings hat der Beklagte mit der oben erwähnten Vereinbarung über die gesetzliche Rechtsmängelhaftung hinaus die Garantie dafür übernommen, dass das Eigentum lastenfrei übertragen werde.

(2)

Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass die Bestellung der Grundschuld auf einer vor der Beurkundung zwischen ihm und den Erwerbern des Grundeigentums mündlich getroffenen innerfamiliären Vereinbarung beruht hätte, wonach der Kläger und seine Geschwister von vornherein lediglich mit der streitgegenständlichen Grundschuld belastetes Miteigentum hätten erwerben sollen. Die Beweislast für eine solche Vereinbarung liegt beim Beklagten. Die notarielle Schenkungsurkunde vom 05.06.1987 ist eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO. Solche Urkunden erbringen vollen Beweis darüber, dass die Erklärung mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet, abgegeben wurde. Darüber hinaus besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vermutung der Vollständigkeit; es wird also vermutet, dass das, was im beurkundeten Text steht, der Vereinbarung entspricht und nur das vereinbart ist. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) – beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen. Da der Beklagte behauptet, abweichend von dem Inhalt der notariellen Urkunde sei die Bestellung der streitgegenständlichen Grundschuld mündlich vereinbart worden, muss er die durch den notariellen Vertrag begründete Vermutung widerlegen. Es reicht nicht, dass die Beweiswirkung erschüttert ist (BGH, Urteil vom 10.06.2016 – V ZR 295/14 –WM 2018, 475, juris Rn. 6).

Das Landgericht hat keine dem Beweismaß des § 286 ZPO entsprechende Überzeugung in Bezug auf eine dem notariellen Vertrag widersprechende Absprache gewonnen. Hieran ist der Senat im berufungsrechtlichen Prüfungsrahmen des § 529 ZPO gebunden. Der dagegen gerichtete Berufungsangriff des Beklagten bleibt ohne Erfolg:

(a)

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Geht das Eingangsgericht auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung aus, so bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen. Hierbei genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird, weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann (BGH, Urteil vom 12.03.2004 – V ZR 257/03, juris Rn. 11). Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO können sich aber auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Bewertungen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ergeben (BGH, Beschluss vom 04.09.2019 – VII ZR 69/17 –, juris Rn. 11; Beschluss vom 11.10.2016 – VIII ZR 300/15 –, juris Rn. 24; Wöstmann in: Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 529 Rn. 5). Die Darstellung der bloßen Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisergebnisse reicht hingegen nicht aus, um die erstinstanzliche Beweiswürdigung zu erschüttern. Es genügt nicht, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle der landgerichtlichen zu setzen (OLG München, Urteil vom 20.06.2012 – 17 U 1392/12, juris Rn. 6; Senat, Urteil vom 06.11.2014 – 4 U 189/13, juris Rn. 29).

(b)

Gemessen daran bleiben die Rügen der Berufung gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung ohne Erfolg.

Das Landgericht hat zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger und der Beklagte bei ihren informatorischen Befragungen diametral gegenüberstehende Aussagen getätigt und die Zeugen C. G., Dr. N. G. und D. G. die vom Beklagten behauptete Vereinbarung bestätigt haben. Es hat die Aussagen der Zeugen für sich genommen jeweils zwar als glaubhaft angesehen, jedoch aufgrund des offensichtlichen erheblichen Eigeninteresses der Zeugen am Ausgang des Verfahrens aufgrund der innerfamiliären Lagerbildung – der Kläger einerseits und der Beklagte sowie die Zeugen andererseits – keine dem Beweismaß des § 286 ZPO genügende Überzeugung davon bilden können, dass es die behauptete Vereinbarung tatsächlich gegeben habe. Dies ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte das Landgericht den Aspekt der – aufgrund der Vielzahl der zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten gerichtsbekannte und vom Beklagten auch nicht bestrittene – Lagerbildung in seine Beweiswürdigung einbeziehen.

Das Landgericht hat seine fehlende Überzeugungsbildung zudem in nicht zu beanstandender Weise auf den Widerspruch zwischen der Aussage des Beklagten und der Zeugin C. G. gestützt. Während der Beklagte die fehlende Aufnahme der Grundschuld in den Vertrag damit begründet hat, dass andernfalls die mit der gewählten Konstruktion bezweckte Steuereinsparung nicht möglich gewesen wäre, weil das Finanzamt „sonst stutzig geworden wäre“ (Bl. 257 d.A.), hat die Zeugin erklärt, das Ganze sei deshalb nur mündlich vereinbart worden, weil sie sehr großes Vertrauen in ihre Kinder gehabt hätten (Bl. 259 d.A.).

Angesichts all dieser Umstände ist dem Beklagten eine Beweisführung, die die durch den notariellen Vertrag begründete Vermutung widerlegt hätte, nicht gelungen.

Ob die behauptete mündliche Nebenabrede möglicherweise gemäß § 311b BGB beurkundungsbedürftig gewesen und ein etwaiger Formmangel nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt worden wäre, kann offenbleiben.

(3)

Der nach den vorstehenden Ausführungen begründete vertragliche Anspruch des Klägers verpflichtet den Beklagten jedoch nicht dazu, die Gesamtgrundschuld in Bezug auf sämtliche Miteigentumsanteile, also auch diejenigen der beiden Geschwister des Klägers, zu löschen.

(a)

§ 1011 BGB verweist für Ansprüche aus dem Miteigentum auf § 432 BGB. Bei Bruchteilsgemeinschaften im Sinne von § … BGB erstreckt sich die anteilige Berechtigung auch auf die der Gemeinschaft zustehenden Forderungen. Im Innenverhältnis gelten mangels gegenteiliger Abreden die §§ … ff. BGB, für das Außenverhältnis ist § 432 BGB maßgebend. Der einzelne Teilhaber könnte demnach auch hinsichtlich seines eigenen Anteils nicht Leistung an sich, sondern (nur) an alle fordern (Rüßmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 432 BGB (Stand: 24.07.2020) Rn. 10).

(b)

Vorliegend ist die Eigentümergrundschuld zu Gunsten des Beklagten nicht als Einzelgrundschuld am Gesamtgrundstück bestellt worden, sondern als Gesamtgrundschuld gemäß §§ 1132, 1192 BGB an den streitgegenständlichen Miteigentumsanteilen sowie an sieben weiteren Objekten. Steht ein – unteilbarer – Anspruch auf Aufhebung einer Grundschuld durch Löschungsbewilligung mehreren gemeinschaftlich zu, gilt § 432 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass der Grundschuldgläubiger den Anspruch durch die Erteilung der Löschungsbewilligung allein an einen der Berechtigten nicht erfüllen kann (vgl. Rebhan in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BGB, Stand: 01.02.2022, § 1191 Rn. 108). Dies führt im Streitfall indessen nicht dazu, dass der Kläger berechtigt wäre, die Gesamtgrundschuld an sämtlichen Miteigentumsanteilen löschen zu lassen. Denn in der hiesigen Konstellation gibt es keinen unteilbaren Anspruch mehrerer. Dem Mit- und Sondereigentum des Klägers und seiner Geschwister liegen Schenkungen zugrunde, die – wenngleich in einer notariellen Urkunde zusammengefasst – jeweils gesondert betrachtet werden müssen. Die einzelnen Vertragsverhältnisse sind rechtlich voneinander unabhängig und können zwischen dem Beklagten und dem jeweiligen Beschenkten durchaus unterschiedlich ausgestaltet sein. Dies gilt insbesondere für die hier streitrelevante Frage, inwieweit die jeweiligen Grundpfandrechtsschuldner sich – wie und wann auch immer, gegebenenfalls auch nachträglich – mit der Belastung ihres Miteigentumsanteils einverstanden erklärt haben. So ergibt sich aus den Zeugenaussagen der Geschwister des Klägers gerade, dass diese die vom Beklagten behauptete familieninternen Absprache akzeptieren (vgl. die Angabe des Zeugen D. G. Bl. 177 d.A.).

Vor diesem Hintergrund ist ein Anspruch des Klägers aus dem ihn betreffenden Schenkungsvertrag mit dem Beklagten darauf, dass dieser die im Grundbuch eingetragene Belastung auch auf den übrigen Miteigentumsanteilen ohne bzw. gegen den Willen der übrigen Miteigentümer zu löschen habe, nicht erkennbar.

2.

Der Kläger kann jedoch gemäß seinem im Berufungsverfahren zuletzt gestellten Hilfsantrag den Beklagten auf Zustimmung zur Löschung der Gesamtgrundschuld beschränkt auf seinen eigenen Miteigentumsanteil in Anspruch nehmen. Der Hilfsantrag konnte in zulässiger Weise gestellt werden. Er ist als sachdienlich anzusehen und kann aufgrund der ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen beschieden werden (§ 533 ZPO).

a.

Für diesen aus dem notariellen Schenkungsvertrag folgenden Anspruch ist der Kläger auch aktivlegitimiert.

(1)

Einer Zustimmung der anderen Miteigentümer bedarf es nicht.

(a)

Ein Gläubiger kann nach §§ 1192, 1175 Abs. 1 S. 2 BGB auf eine Gesamtgrundschuld an einzelnen mithaftenden Grundstücken verzichten, so dass die Grundschuld an diesem Grundstück erlischt, während sie an den übrigen weiterbesteht. Eine Eigentümerzustimmung ist nicht erforderlich. Der Verzicht kann auch in der Form einer Teilfreigabe oder der Erteilung einer entsprechenden Löschungsbewilligung erfolgen. Dies gilt auch für eine Gesamtgrundschuld an Miteigentumsanteilen. Gemäß §§ 1192, 1175 Abs. 1 S. 2 BGB erlischt das Gesamtgrundpfandrecht an diesem einzelnen Grundstück (Anteil) ohne Zustimmung des (Mit-)Eigentümers (Neie in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BGB, Stand: 01.01.2023, § 1175 Rn. 12 ff.).

(b)

Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.03.2010 (V ZR 52/09). Dort hieß es (juris Rn. 8), der Eigentümer jedes von mehreren für eine Gesamtgrundschuld haftenden Grundstücken könne die Löschung der Gesamtgrundschuld auf seinem Grundstück verlangen, wenn entweder alle anderen zustimmten oder er von allen anderen diese Zustimmung verlangen könne; für eine Gesamtgrundschuld, für die mehrere Miteigentumsanteile haften, gelte nichts Anderes. Der Senat erachtet dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt als dem Streitfall insoweit nicht vergleichbar, als der hiesigen Gesamtgrundschuld keine einheitliche (schuld-)rechtliche Vereinbarung bzw. keine einheitliche Sicherungsabrede oder sonstige Verbindung zugrunde lag, die eine einheitliche Handhabung des Löschungsanspruchs geboten hätte. Wie ausgeführt, bietet der Vertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten keine rechtliche Grundlage dafür, dass der Kläger seinen Geschwistern die Löschung der sie betreffenden Belastungen gleichsam aufzwingen könnte. Ebenso wenig sind diese umgekehrt berechtigt, den Kläger an der Durchsetzung seines eigenen Vertragsanspruchs, bezogen auf den eigenen Miteigentumsanteil, zu hindern.

b.

Der Senat hat der Tenorierung gem. Ziff. 1 zugrunde gelegt, dass es sich bei dem vorliegenden, die Löschungsbewilligung ersetzenden Urteil um eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 29 Abs. 1 GBO handelt. Sowohl die materiellrechtliche Erklärung als auch die verfahrensrechtliche Löschungsbewilligung werden gemäß § 894 ZPO durch ein rechtskräftiges, den Berechtigten zur Löschung verpflichtendes Urteil ersetzt (BeckOGK/Enders, 1.10.2022, BGB § 875 Rn. 36; zu der – hier nicht erforderlichen – Zustimmung der übrigen Miteigentümer nach § 27 GBO bei vom Eigentümer gestatteten (Teil-)Löschung einer Gesamtgrundschuld an einem Miteigentumsanteil vgl. OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2018 – 18 W 42/18 –, juris).

c.

Dieser Anspruch ist nach Auffassung des Senats nicht verjährt; die vom Beklagten zuletzt auch gegen den Hilfsantrag des Klägers erhobene Einrede der Verjährung ist nicht begründet:

(1)

Für den vertraglichen Anspruch des Klägers auf Übertragung lastenfreien Eigentums, der sich aus der notariellen Urkunde vom 05.06.1987 ergibt, richtet sich die Verjährung grundsätzlich nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB i.V.m. § 196 BGB. Gemäß § 196 BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in zehn Jahren. Ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung kürzer als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, so wird die kürzere Frist von dem 01.01.2002 an berechnet.

(2)

Zum Stichtag 01.01.2002 (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB) war der Anspruch des Klägers – seine grundsätzliche Verjährbarkeit unterstellt – noch nicht verjährt: Gemäß § 195 BGB a.F. galt die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren, die mit Entstehung des Anspruchs am 05.06.1987 gemäß § 198 BGB a.F. zu laufen begann. Daher gilt gemäß der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB, wobei die Verjährungsfrist gemäß § 200 BGB mit der Entstehung des Anspruchs beginnt. Da jedoch die zehnjährige Verjährungsfrist nach § 196 BGB n.F. kürzer ist als die dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F., ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die kürzere Frist ab dem 01.01.2002 zu berechnen. Damit wäre der Klageanspruch mit Ablauf des 31.12.2011 verjährt gewesen, nachdem eine Hemmung der Verjährung nach § 204 BGB nicht ersichtlich ist und eine Klageerhebung erst im Jahr 2019 erfolgte.

Die Verjährung beginnt gemäß § 200 BGB grundsätzlich mit der Entstehung des Anspruchs, ohne dass es wie bei § 199 BGB für den Fall der regelmäßigen Verjährungsfrist auf eine – von den Parteien in beiden Instanzen streitig diskutierte – Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers ankäme (OLG Frankfurt, Urteil vom 07.06.2016 – 4 U 129/15, juris Rn. 25).

(3)

Allerdings folgt die Unverjährbarkeit des dem Kläger zustehenden Löschungsanspruchs aus einer entsprechenden Anwendung des § 902 BGB i.V.m. §§ 1192, § 1169 BGB.

(a)

Steht dem Eigentümer eine Einrede zu, durch welche die Geltendmachung einer Grundschuld bzw. Hypothek dauernd ausgeschlossen wird, so kann er verlangen, dass der Gläubiger auf die Grundschuld bzw. Hypothek verzichtet (§ 1192 i.V.m. § 1169 BGB). Auf eine solche dauernde Einrede kann sich der Kläger berufen. Sie ergibt sich, wie oben ausgeführt, unmittelbar aus dem Übertragungsvertrag vom 05.06.1987 (zu den Grundlagen dauerhafter – auch vertraglich begründeter – Einreden siehe Krause in: Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, Band 3: Sachenrecht, 5. Aufl. 2022, § 1169 Rn. 2).

(b)

Ob für Fälle der hier in Rede stehenden § 902 BGB zum Tragen kommt, ist streitig und bisher höchstrichterlich nicht geklärt (vgl. explizit BGH, Beschluss vom 16.02.2017 – V ZR 165/16 -, juris Rn. 5).

(aa)

Nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegen im Grundbuch eingetragene Rechte nicht der Verjährung. Die Verewigung von Ansprüchen aus eingetragenen Rechten hat den Zweck, den Bestand solcher Rechte dauerhaft zu sichern und zu verhindern, dass eingetragene Rechte nur als bloße rechtliche Hülse, d.h. ohne die Möglichkeit der Verwirklichung des ihnen wesenseigenen Rechtsinhalts, bestehen (BGH, Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 141/10; juris Rn. 8; MüKoBGB/H. Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 902 Rn. 1).

(bb)

Der Kläger macht keinen Anspruch „aus eingetragenem Recht“ im eigentlichen Sinne geltend. Sein Anspruch auf Löschung der Grundschuld resultiert aus dem Übertragungsvertrag vom 05.06.1987. Für schuldrechtliche Ansprüche gilt § 902 BGB nicht unmittelbar.

(aaa)

In der Literatur und obergerichtlichen Rechtsprechung wird vertreten, der aus dem Grundstückseigentum als solchem fließende dingliche Anspruch gegen den Grundschuldgläubiger auf Verzicht auf eine nach Erledigung des Sicherungszwecks stehengelassene Sicherungsgrundschuld (§§ 1192 Abs. 1, 1169 BGB) bzw. auf deren Aufhebung oder Übertragung sei von § 902 Abs. 1 S. 1 BGB erfasst und damit unverjährbar (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.08.2018 – 13 U 291/01, juris Rn.12; Krause in: Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, 5. Aufl. 2022, § 902 Rn. 5; MüKoBGB/H. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 902 Rn. 6; MüKoBGB/Lieder, ebenda, § 1169 Rn. 11; Staudinger/Picker (2019) Stand 31.12.2021 BGB § 902 Rn. 10; Artz in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, § 902 Rn. 5; Grüneberg/Herrler, BGB, 82. Aufl. 2023, § 902 Rn. 2 und § 1169 Rn. 2; Otte DNotZ 2011, 897 (908); Schäfer WM 2009, 1308 (1311 ff.)). Begründet wird dies damit, dass es sich um einen eigenständigen, neben etwaige schuldrechtliche Rückgewähransprüche tretenden dinglichen Anspruch aus dem Eigentum handele. Richtigerweise bestehe auch kein Anlass, die Anwendung des § 902 Abs. 1 S. 1 BGB auf solche Ansprüche unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 902 Abs. 1 S. 2 auszuschließen. Denn die Regelungen etwa des § 1169 BGB und des § 902 BGB verfolgten im Kern dasselbe Ziel, nämlich zu gewährleisten, dass das Grundbuch den Inhalt der eingetragenen Rechte zutreffend wiedergibt. Nur formale Rechtspositionen, aus denen keine durchsetzbaren Ansprüche mehr erwachsen können, sollten im Grundbuch nicht verzeichnet sein. § 902 Abs. 1 S. 1 BGB verhindere das Entstehen solcher leeren Rechtshülsen, indem er die Verjährung der aus den Rechten sich ergebenden dinglichen Rechtsverwirklichungsansprüche ausschließe. § 1169 BGB gebe dem Eigentümer einen Anspruch, die Beseitigung einer lediglich formalen Rechtsposition verlangen zu können. Das Ziel beider Vorschriften könne nur erreicht werden, wenn § 902 Abs. 1 S. 1 BGB auch die Verjährung eines Anspruchs aus § 1169 BGB ausschließe (Krause in: Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, 5. Aufl. 2022, § 902 Rn. 5). Im Ergebnis könne es zudem keinen Unterschied machen, ob das Grundbuch infolge einer unmittelbar dinglich wirkenden Einwendung gegen das Grundpfandrecht im eigentlichen, technischen Sinne unrichtig geworden und in diesem Fall gemäß § 898 BGB unzweifelhaft unverjährbar zu berichtigen sei oder ob es infolge einer Einrede eine ihrem materiellen Substrat nach unzutreffende Verlautbarung aufstelle und damit in einem untechnisch-effektiven Sinne nicht weniger unrichtig sei (MüKoBGB/H. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 902 Rn. 6).

(bbb)

Dem ließe sich entgegenhalten, dass der dingliche Anspruch auf Verzicht aus § 1169 BGB oder auf Aufhebung nicht begriffsnotwendig mit dem Eigentum an dem Grundstück verbunden ist, da er selbstständig abtretbar ist (zur Abtretbarkeit vgl. BGH, Urteil vom 30.06.1978 – V ZR 153/76, juris Rn. 18; dagegen Staudinger/Wolfsteiner (2019) BGB § 1169 Rn. 12 m.w.N.). Darin liegt ein durchaus gewichtiger Unterschied zum Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, der den Wesensgehalt des Eigentums konkretisiert und unter § 902 BGB fällt.Eine Gegenauffassung spricht sich daher für eine Verjährung innerhalb von zehn Jahren nach § 196 BGB aus (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 196 Rn. 2; Budzikiewicz ZGS 2002, 276 (277 ff.). Sie beruft sich neben dem Argument, der Bundesgerichtshof fasse nur solche Ansprüche unter § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, die sich unmittelbar aus dem Inhalt des Grundbuchs ergäben (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.1973 – V ZR 109/71 – juris Rn. 14 zu § 1004 BGB) zudem darauf, der Verzichtsanspruch nach §§ 1192 Abs. 1, 1169 BGB sei dem Grundbuch nicht zu entnehmen, sondern folge aus dem (regelmäßig nicht eingetragenen) Umstand, dass der Geltendmachung der Grundschuld eine dauernde Einrede entgegenstehe (Budzikiewicz ZGS 2002, 276, 277). Diskutiert wird in diesem Zusammenhang ein Herausgabeanspruch aus §§ 667, 681 Abs. 2 BGB, der womöglich erst mit Rückforderung der Grundschuld entstünde (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 196 Rn. 2).

(ccc)

Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Für die Anwendbarkeit des § 902 BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich dessen Zweck in den Blick zu nehmen, den Bestand der im Grundbuch eingetragenen Rechte dauerhaft zu sichern und zu verhindern, dass eingetragene Rechte nur als bloße rechtliche Hülse, d.h. ohne die Möglichkeit der Verwirklichung des ihnen wesenseigenen Rechtsinhalts, bestehen (BGH, Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 141/10; juris Rn. 8). Soweit der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB verneint hat, hat er dies mit dem in § 902 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommenden Gedanken begründet, wonach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht für Ansprüche gelte, die auf Rückstände wiederkehrender Leistungen oder auf Schadensersatz gerichtet seien, vor dem Hintergrund, dass das Grundbuch über sie keine Auskunft gebe und, wenn man insoweit die Verjährung zulasse, nicht unrichtig werde (BGH, Urteil vom 23.02.1973 – V ZR 109/71 – juris Rn. 16). In einer jüngeren Entscheidung (BGH, Urteil vom 14.01.2022 – V ZR 245/20, juris Rn. 19) hat der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Zustimmungsanspruch des Vormerkungsberechtigten aus § 888 Abs. 1 ZPO bejaht. Er hat hierzu ausgeführt, § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasse in seinem direkten Anwendungsbereich die der Verwirklichung des eingetragenen Rechts dienenden Ansprüche. Mit diesen Rechtsverwirklichungsansprüchen sei der Zustimmungsanspruch gemäß § 888 Abs. 1 BGB vergleichbar (BGH, Urteil vom 14.01.2022 – V ZR 245/20, juris Rn. 24).

Um einen solchen Rechtsverwirklichungsanspruch handelt es sich jedoch auch bei dem Anspruch auf Verzichtserklärung nach § 1169 BGB oder Aufhebung eines mit einer dauernden Einrede behafteten Grundpfandrechts: Unter der Prämisse, dass dieser grundsätzlich verjährbar wäre, würde in Kauf genommen, dass ein Recht für immer im Grundbuch eingetragen bleibt und den Eigentümer damit jedenfalls faktisch belastet, etwa wenn er eine Weiterveräußerung beabsichtigt und seinerseits kein lastenfreies Eigentum verschaffen kann. Demgegenüber ist ein schutzwürdiges Interesse des Grundschuldgläubigers oder des Rechtsverkehrs an der Aufrechterhaltung der formalen Grundbuchsituation nicht erkennbar. Dies spricht maßgeblich für eine analoge Anwendung des § 902 BGB. Allein dies gewährleistet die Bereinigung des Grundbuchs von Rechtspositionen, die – wie etwa im Fall der Sicherungsgrundschuld nach Erledigung des Sicherungszwecks – infolge dauerhafter Behaftung mit einer Einrede auf bloße Rechtshülsen reduziert sind (MüKoBGB/H. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 902 Rn. 6).

(ddd)

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Anspruch des Klägers auf Löschung der Grundschuld, an deren Geltendmachung der Beklagte mit Blick auf die dem Kläger vertraglich versprochene Lastenfreiheit dauerhaft gehindert ist, unverjährt besteht.

3.

Mit Erfolg wendet der Beklagte sich gegen seine Verurteilung gemäß dem Klageantrag zu 2.

Dieser Klageantrag war gerichtet auf die Hinterlegung des Grundschuldbriefs „zu der im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von …, Blatt … und im Teileigentumsgrundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Grundbuch von …, Blatt …, jeweils in Abteilung III. Nr. 2 eingetragenen Gesamtgrundschuld […] zugunsten der Eigentümergemeinschaft, bestehend aus, P. G. […],D. G. […],N. G.“ unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme. Obwohl die Hinterlegung gemäß § 372 BGB eine Berechtigung des Schuldners begründet („kann […] hinterlegen“), sind auch Konstellationen denkbar, in denen eine Pflicht zur Hinterlegung besteht. Eine solche kann sich insbesondere aus § 432 Abs. 1 Satz 2 BGB ergeben, wonach ein Mitgläubiger im Fall einer geschuldeten unteilbaren Leistung verlangen kann, dass der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt. In diesem Sinne hatte der Kläger zur Begründung seiner erstinstanzlichen Klageanträge zu 1. und 2. geltend gemacht, der Beklagte müsse die Löschung der Grundschuld bewilligen und den Grundschuldbrief „an die Eigentümergemeinschaft“ herausgeben (S. 4 der Klageschrift, Bl. 4 d. A.). Nachdem ein Anspruch des Klägers auf Löschung des Grundpfandrechts in Bezug auf sämtliche Miteigentumsanteile aber nicht besteht, ist zugleich einem etwaigen Hinterlegungsanspruch die Grundlage entzogen, wobei hinzukommt, dass der nach Ansicht des Klägers mit Rücknahmeverzicht zu hinterlegende Grundschuldbrief neben dem im vorliegenden Rechtsstreit betroffenen Mit- und Sondereigentum (Grundbuch von … Blatt … und Blatt …) sieben weitere Objekte betrifft (vgl. Bl. 116 d.A.).

Eine Hinterlegungsverpflichtung des Beklagten folgt auch nicht aus den vom Landgericht ohne nähere Erläuterung zitierten §§ 1192, 1144 BGB oder aus den §§ 1192, 1145 BGB. Soweit der Kläger auf den Hinweis des Senats, dass das verbriefte Gesamtgrundpfandrecht eine Reihe weiterer, hier nicht streitgegenständliche Grundstücke belastet (S. 2/3 der Sitzungsniederschrift vom 14.04.2022, Bl. 378/379 d. A.), erklärt hat, jedenfalls müsse dem Grundbuchamt der Grundschuldbrief zur Verfügung gestellt werden, um einen Vermerk zur Haftentlassung anzubringen (Schriftsatz vom 26.04.2022, Bl. 383 d. A.), wäre ein entsprechender Anspruch auf Vorlage des Briefs durch den Beklagten beim Grundbuchamt gerichtet und würde keine Pflicht zur Hinterlegung bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts begründen (vgl. zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Vorlage eines Grundschuldbriefs zur Berichtigung und Eintragung einer Pfandhaftentlassung OLG Brandenburg, Urteil vom 20.04.2011 – 4 U 45/10 –, juris).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die grundsätzliche Frage, ob ein Anspruch auf Verzicht bzw. Löschung einer dauerhaft einredebehafteten Grundschuld einen Anspruch aus eingetragenem Recht im Sinne des § 902 BGB darstellt, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beläuft sich auf insgesamt 204.516,75 € entsprechend dem Nennbetrag der Grundschuld. Bei einem Antrag auf Zustimmung zur Löschung einer Grundschuld bemisst sich der Gebührenstreitwert gem. § 48 GKG i.V.m. § 6 Satz 1 Alt. 3 BGB im Regelfall nach dem eingetragenen Nennwert, da sich die dingliche Belastung sowohl bei einem Verkauf als auch bei einer Beleihung in voller Höhe auswirkt; auf die Höhe der Valutierung kommt es grundsätzlich nicht an (BGH, Beschluss vom 16.02.2017 – V ZR 165/16 –, juris Rn. 7; Beschluss vom 12.09.2019 – V ZR 306/18 –, juris Rn. 2; Elzer in: Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, ZPO § 6 Rn. 19; Herget in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 3 Rn. 16.113). Für eine hiervon abweichende Beurteilung im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte weder ersichtlich noch vorgetragen. Dem Klageantrag zu 2 kommt darüber hinaus keine eigenständige Bedeutung für den Gebührenstreitwert zu. Der Streitwert einer (isolierten) Klage auf Herausgabe des Grundschuldbriefs bemisst sich grundsätzlich nach dessen Nennwert (OLG Frankfurt, Beschluss vom 31.03.2003 – 3 W 7/03 –, juris) bzw. gem. § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Verfügungsgewalt über das Dokument (OLG Köln VersR 1992, 256; BeckOK ZPO/Wendtland, 43. Ed. 1.12.2021, § 6 Rn. 5; Elzer in: Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, ZPO § 3 Rn. 23 Stichwort „Herausgabe“; Herget in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 6 Rn. 6). Vorliegend geht das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Herausgabe des Briefes jedoch nicht über das an der Löschung der Grundschuld heraus, sondern wird von diesem mitumfasst. Gegen die entsprechende Festsetzung des Streitwertes für das erstinstanzliche Verfahren mit Beschluss des Landgerichts vom 15.06.2021 (Bl. 289 d.A.) haben die Parteien keine Einwände vorgebracht.

 

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