OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 132/16 – Beschluss vom 17.06.2016
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Geschäftswert: 5.000 €.
Gründe
I.
Mit Schrift seines Verfahrensbevollmächtigten vom 25. April 2016 hat der Beteiligte auf Übersendung eines unbeglaubigten Grundbuchauszuges für den im hiesigen Beschlusseingang bezeichneten Grundbesitz angetragen. Hierzu hat er im weiteren Verfahren ausgeführt: Ihm sei Ausbildungsförderung nach dem BAföG nur in gemindertem Umfang bewilligt worden mit der Begründung, der von ihm bewohnte Wohnraum im Hause … in Rheurdt stehe im Eigentum seiner Eltern. Diese Behauptung sei unwahr. Gegen den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid des Studierendenwerkes Dortmund habe er deshalb Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erhoben. Für die Richtigkeit seines klagebegründenden Vortrages habe er „Beweis durch Vorlage des aktuellen Grundbuchauszuges des Hauses … angetreten“. Mit Verfügung vom 18. April 2016 habe das Verwaltungsgericht ihm aufgegeben, diesen Grundbuchauszug vorzulegen. Hieran habe das Gericht mit weiterer Verfügung vom 9. Mai 2016 erinnert.
Auf den Antrag des Beteiligten hin hat das Grundbuchamt – Grundbuchführer – unter dem 26. April 2016 dem Verwaltungsgericht einen unbeglaubigten Grundbuchauszug mit dem ausdrücklichen Zusatz „nur für den internen Dienstgebrauch“ übermittelt und mit weiterem Schreiben vom selben Tage an den Beteiligten die Erteilung eines Grundbuchauszuges an ihn abgelehnt. Hiergegen hat sich der Beteiligte mit als Beschwerde bezeichnetem Schriftsatz vom 29. April 2016 gewendet. Der Grundbuchführer hat mit Vermerk vom 3. Mai 2016 erklärt, er helfe diesem Rechtsmittel nicht ab, und hat die Sache der zuständigen Rechtspflegerin vorgelegt. Zugleich hat das Grundbuchamt den Beteiligten über die Versendung des Grundbuchauszuges an das Verwaltungsgericht unterrichtet. Hierauf hat der Beteiligte entgegnet, mit diesem angeblichen Vorgang sei sein Antrag nicht erfüllt, denn er müsse selbst über den betreffenden Grundbuchauszug für das Verfahren beim Verwaltungsgericht verfügen, er müsse wissen, was genau zu dem Grundstück im Grundbuch stehe.
Durch die angefochtene Entscheidung hat das Grundbuchamt – Rechtspflegerin – ausgesprochen, der vom Beteiligten gestellte Antrag auf Erteilung eines vollständigen unbeglaubigten Grundbuchauszuges werde kostenpflichtig zurückgewiesen, weil es dem Antragsteller an einem berechtigten Interesse fehle. Des weiteren hat die Rechtspflegerin verfügt, die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf „zur Entscheidung über die Beschwerde“ zu übersenden.
Mit am 12. Mai 2016 beim Amtsgericht eingegangener Schrift seines Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tage hat der Beteiligte erklärt, er lege gegen den Beschluss der Rechtspflegerin Beschwerde ein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte Bezug genommen.
II.
Das Rechtsmittel des Beteiligten bleibt ohne Erfolg.
1.
Es ist gemäß §§ 12c Abs. 4 Satz 2, 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch im übrigen (§§ 72, 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GBO) zulässig.
Nach § 12c Abs. 4 Satz 1 GBO entscheidet, falls die Änderung einer Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle verlangt wird und dieser dem Verlangen nicht entspricht, die für die Führung des Grundbuchs zuständige Person; erst gegen ihre Entscheidung findet die Beschwerde statt (§ 12c Abs. 4 Satz 2 GBO). Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung des Urkundsbeamten im Schreiben vom 26. April 2016 an den Beteiligten niedergelegt, dessen Änderungsverlangen enthält der Schriftsatz vom 29. April 2016; ob es sich bei diesem der Sache nach um eine Erinnerung handelt oder nicht, kann im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen. Zu diesem Verlangen hat der Grundbuchführer mit Vermerk vom 3. Mai 2016 erklärt, es werde nicht abgeholfen. Somit ist die Rechtspflegerin als für die Führung des Grundbuchs zuständige Person zur Entscheidung über das Begehren des Beteiligten berufen gewesen.
Allerdings hat sie die Sache unmittelbar auf die fälschlich als Beschwerde bezeichnete Eingabe des Beteiligten vom 29. April 2016 hin dem Senat als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt, statt – wie es geboten gewesen wäre – den Eingang einer Beschwerdeschrift gegen ihre eigene Entscheidung abzuwarten und sodann ein Nichtabhilfeverfahren (vgl. § 75 GBO) durchzuführen. Diese Umstände hindern eine Entscheidung durch den Senat jedoch nicht. Eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin hat der Beteiligte später – mit Schriftsatz vom 12. Mai 2016 – ausdrücklich eingelegt, und von der Durchführung eines Nichtabhilfeverfahrens kann hier ausnahmsweise abgesehen werden, weil nach der Gesamtlage, insbesondere aufgrund der vom Grundbuchamt gegebenen Begründungen für die Zurückweisung des Antrages des Beteiligten, verlässlich ausgeschlossen werden kann, dass die Rechtspflegerin der Beschwerde gegen ihre eigene Entscheidung abgeholfen hätte.
2.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
a)
Ihr verhilft nicht bereits zum Erfolg, dass der angegriffene Beschluss der Rechtspflegerin nicht, wie es nach § 39 Abs. 1 FamFG erforderlich gewesen wäre, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist. Abgesehen davon, dass hierdurch die Rechtmäßigkeit des Beschlusses selbst nicht beeinträchtigt wird (vgl. Keidel – Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 39 Rdnr. 14 m.w.Nachw.), steht fest, dass sich das Unterbleiben der Belehrung vorliegend nicht ausgewirkt hat, weil der Beteiligte ein zulässiges Rechtsmittel eingelegt hat.
b)
In der Sache geht der Senat in ständiger Rechtsprechung, an der nach Überprüfung festgehalten wird, bei der Beurteilung von Anträgen auf Grundbucheinsicht, zu der auch die Erteilung von Abschriften gehört (§ 12 Abs. 2, 1. Halbs. GBO), von den nachfolgenden Grundsätzen aus (zuletzt: Beschluss vom 9. September 2015 in Sachen I-3 Wx 149/15 sowie Beschluss vom 7. April 2015 in Sachen I-3 Wx 61/15, jeweils mit zahlreichen Nachweisen).
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann. § 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Dabei genügt zwar nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers. Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. In Zweifelsfällen ist auch zu berücksichtigen, dass der in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht Betroffene grundsätzlich vor der Gewährung der Einsicht nicht gehört wird und ihm gegen die Gewährung auch kein Beschwerderecht zusteht. In diesem Rahmen sind die berechtigten Belange des Antragstellers gegen das Interesse des Eigentümers abzuwägen, eine Einsicht in das Grundbuch und gegebenenfalls die Grundakten zu verhindern.
Was die Fallgruppe der Mieter anbelangt, wird diesen ganz überwiegend dem Grundsatz nach ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht zugestanden, wobei allerdings verschiedene Phasen zu unterscheiden seien. Mietinteressenten müssten feststellen können, ob der Vermieter mit dem Eigentümer identisch sei, außerdem müssten sie die Risiken einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages bei Zwangsversteigerung abschätzen können, weshalb ihr Einsichtsrecht das gesamte Grundbuch – auch die Abt. III – umfasse. Nach Abschluss des Mietvertrages könne die Einsichtnahme regelmäßig nur ohne Abt. III des Grundbuchs gewährt werden; namentlich stehe dem wegen Eigenbedarfs gekündigten Mieter ein (uneingeschränktes) Einsichtsrecht in das Bestandsverzeichnis und die Abt. I zu (zu Vorstehendem: BeckOK GBO – Wilsch, Stand: 01.02.2016, § 12 Rdnr. 68 m. umfangr. Nachw.).
c)
Gemessen hieran, ist ein berechtigtes Interesse des Beteiligten an der Grundbucheinsicht in Form der Erteilung eines – unbeglaubigten – Grundbuchauszuges zu verneinen. Hierzu führen zwei Umstände, die den vorliegenden Fall maßgeblich prägen.
Zum einen macht der Beteiligte, bezogen auf den Grundbuchinhalt, kein eigenes Informationsinteresse, sondern lediglich ein Nachweisinteresse geltend. Zwar will er mit seiner Mutter einen Mietvertrag geschlossen haben, doch geht es ihm weder darum, die Risiken einer vorzeitigen Vertragsbeendigung einschätzen zu können, noch steht eine vermieterseitige Eigenbedarfskündigung in Rede. Der Beteiligte beruft sich allein auf Eintragungen zu einer Rechtsfrage, nämlich des Eigentums am Grundbesitz – zumindest, soweit das Haus Nr. 46 betroffen ist – und auch hierzu allein auf einen isolierten Gesichtspunkt, nämlich den Umstand, dass jedenfalls zwei bestimmte Personen – seine Eltern – nicht Eigentümer seien. In diesem Punkt behauptet der Beteiligte nun selbst, über gesicherte Kenntnis der Rechtslage zu verfügen. Aus diesem Grunde ist nicht erkennbar, weshalb er noch der Einsicht in den Grundbuchinhalt bezüglich des Bestandsverzeichnisses und der Abt. I. bedarf, noch weniger, welches berechtigte Interesse er an einer Einsicht in die Abteilungen II und III haben könnte. Sein Interesse geht vielmehr einzig dahin, mit einem Grundbuchauszug gegenüber einer staatlichen Stelle, dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, den Nachweis für die Richtigkeit seiner Behauptung zur Eigentümerstellung führen zu können. Hieran hat sich auch dadurch nichts geändert, dass das Grundbuchamt dem Verwaltungsgericht bereits einen unbeglaubigten (vollständigen) Grundbuchauszug übersandt hat. Selbst wenn man die Möglichkeit in Betracht zöge, dass das Verwaltungsgericht diesem Auszug anderweitige – das heißt nicht auf die Eigentümereintragung bezogene -, aus seiner Sicht entscheidungserhebliche Erkenntnisse entnehmen könnte, hätte es dem Beteiligten als dortiger Prozesspartei zu diesem von ihm in seinem Vorbringen bislang nicht berücksichtigten Gesichtspunkt rechtliches Gehör zu gewähren; die Argumentation des Beteiligten, er müsse schon deshalb jeglichen Inhalt des Grundbuchauszuges kennen, weil er wissen müsse, was das Verwaltungsgericht wisse, geht bereits im Ansatz von einem verfahrensfehlerhaften Vorgehen des Verwaltungsgerichts aus, für das er keine Anzeichen anführt. Zumindest angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob ein berechtigtes Interesse für die Grundbucheinsicht überhaupt daraus abgeleitet werden kann, dass ein anderer, zu dem der Antragsteller in rechtlicher Beziehung steht, Kenntnis vom Grundbuchinhalt hat, dies zumal, wenn es sich bei jenem anderen um eine staatliche Stelle handelt.
Was das Nachweisinteresse des Beteiligten anbelangt, ist sodann weitergehend zu berücksichtigen, dass der Beteiligte dieses allein aus einem rechtsförmigen Verfahren, einem gerichtlichen Rechtsstreit, herleitet. Dann aber kann jenes Interesse nicht weitergehen, als die den Beteiligten in jenem Verfahren von Rechts wegen treffenden Nachweispflichten oder Nachweisobliegenheiten. Bei dem hier in Rede stehenden Urkundsbeweis und der Belegenheit der Urkunde bei einer öffentlichen Behörde werden diese durch § 432 ZPO geregelt, der über § 98 VwGO im Verwaltungsgerichtsprozess entsprechend anzuwenden ist; § 99 VwGO trifft Sonderregelungen nur für das Verhältnis des Verwaltungsgerichts zu um Vorlage oder Auskunft ersuchten Behörden in bestimmten Fällen. Gemäß § 432 Abs. 1 ZPO wird der Beweis, falls sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers in den Händen einer öffentlichen Behörde oder eines Beamten befindet, durch den Antrag angetreten, die Behörde oder den Beamten um Mitteilung der Urkunde zu ersuchen; diese Vorschrift ist aber nach § 432 Abs. 2 ZPO auf Urkunden, die die Parteien nach den gesetzlichen Vorschriften ohne Mitwirkung des Gerichts zu beschaffen imstande sind, nicht anzuwenden. Jedenfalls mit dem vorliegenden Beschluss des Senats kann der Beteiligte gegenüber dem Verwaltungsgericht dartun, dass er aus sich heraus nicht imstande sei, einen Grundbuchauszug zu beschaffen. Alsdann reicht für einen zulässigen Beweisantritt sein Antrag, das Verwaltungsgericht möge das Grundbuchamt um Übersendung eines Grundbuchauszuges ersuchen; sein (nach Darlegung des Beteiligten) bereits erfolgter Beweisantritt wäre in diesem Sinne auszulegen. Hieraus folgt zugleich, dass die Antragsbegründung des Beteiligten das Verhältnis von Grundbuchamt und dem Gericht, das auf den Grundbuchauszug für die Entscheidung eines bei ihm anhängigen Rechtsstreits möglicherweise angewiesen ist, sozusagen auf den Kopf stellt: Nicht weil das Gericht von ihm eine bestimmte Urkunde übersandt bekommen möchte, hat der Beteiligte ohne weiteres ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht, sondern umgekehrt bestimmen die Grenzen seines berechtigten Interesses, ob er in der Lage ist, sich den Grundbuchauszug selbst zu beschaffen, oder in seinem Beweisantritt das Gericht darauf verweisen muss, sich den Auszug vom Grundbuchamt seinerseits zu beschaffen. Die Aufforderung des Verwaltungsgerichts vom 18. April 2016 beruht ersichtlich darauf, dass dieses davon ausgegangen war, die Voraussetzungen des § 432 Abs. 2 ZPO lägen vor, was je nach Fassung des Beweisantritts durch den Beteiligten nachvollziehbar erscheint.
Nach alledem kommt es auf Fragen der Erledigung des Beweisantritts nicht mehr an.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Tragung der Gerichtskosten folgt unmittelbar aus den gesetzlichen Regelungen (vgl. §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG), und eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet schon deshalb aus, weil am Beschwerdeverfahren nur der Beteiligte teilgenommen hat.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO liegen nicht vor.
Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG; Anhaltspunkte für eine tragfähige Schätzung des Wertes des Einsichtsinteresses sind der Grundakte nicht zu entnehmen.