LG Stuttgart – Az.: 14 O 528/20 – Urteil vom 01.04.2021
1. Der Beklagte wird verurteilt, die auf seinem Grundstück, […] errichtete Garage, den Betonsockel sowie den darauf errichteten Metallgitterzaun zu entfernen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Rückbau einer Garage sowie eines Metallzauns.
Die Parteien sind Nachbarn. Der Beklagte ist Eigentümer des bebauten Grundstücks […] Nr. Y in […], die Klägerin ist Eigentümerin des bebauten Grundstückes Nr. X ebenda. Das Grundstück des Beklagten befindet sich unmittelbar an einer öffentlichen Straße, das Grundstück der Klägerin befindet sich, von der Straße aus gesehen, hinter dem Grundstück des Beklagten. Die Zufahrt zum Grundstück der Klägerin erfolgt über einen Weg auf einer ehemaligen Hoffläche zwischen dem Gebäude des Beklagten und dem bebauten Nachbargrundstück Nr. Z. Die Grundstücksgrenze zwischen dem Grundstück des Beklagten und dem Grundstück mit der Hausnummer Z teilt den Zufahrtsweg zum Gebäude der Klägerin etwa mittig. Für die örtliche Situation wird auf das Luftbild in Anl. K1 sowie den Lageplan Anl. K9 Bezug genommen.
Der Beklagte wurde im Februar 2016 als Eigentümer im Grundbuch (Grundbuch …) eingetragen. In Abteilung II finden sich folgende Eintragungen (Anl. K7):
„Überfahrtslast, siehe Servitutenbuch Blatt BL1
Geh- und Traglast siehe Servitutenbuch Bl. BL2
Bezüglich … siehe auch Überfahrtslast Servitutenbuch Bl. …“.
Im Servitutenbuch des Oberamts W., Gemeinde B. von 1884/85 finden sich folgende Eintragungen in Sütterlinschrift (Anl. zum Schriftsatz vom 22.2.2021, Bl. 41 d.A.):
– Bl. BL1, „Abschnitt 3 Weg-Rechte, 1. Ein-, Aus- und Ueberfahrts-Rechte“:
Zu „Parc. Nro. A“: Besitzer „… [Nachname der Klägerin]“, zu „Parc. Nro. B“ Besitzer „… [Nachname der Klägerin]“, ferner heißt zum Inhalt des Wegerechts: „Der Besitzer von Grundstück Nr. A und B hat am …weg zu jeder Zeit Ueberfahrts- und Uebergangs-Recht über die zum Gebäude Nr. C und D gehörigen, westlich von denselben gelegenen Hofräumen.“
In lateinischer Schrift heißt es darunter, dass Nr. A die heutige Hausnummer X sei, C die heutige Nummer Y und D die heutige Nummer ….
– Bl. BL2, „Abschnitt 3 Weg-Rechte, 3. Geh- und Tragrechte“ zum Inhalt des Wegerechts: „Der Besitzer der Gartenparz. Nr. … hat Geh- und Trag-Recht über den westlichen Hofraum der Gebäude Nr. C u. D, sowie über den westlichen Hofraum von Geb. Nr. B.
Ebenso hat der Besitzer der Garten-Parz. Nr. … ein Geh- und Trag-Recht über den westlichen Hofraum von Geb. Nr. C, D u. B sowie über den südlichen Hofraum von Geb. Nr. A“
Ausweislich eines Schreibens des Notariats W.- Grundbuchamt vom 18.8.1997 findet sich im Grundbuch auch betreffend das Grundstück der Klägerin ein Verweis auf Blatt BL1 des Servitutenbuchs. In diesem Schreiben werden auch die Hausnummern so zugeordnet, wie es sich aus den in lateinischer Schrift verfassten Eintragungen ergibt.
Ausweislich Nr. … des Grundbuchs von … ist das Grundstück mit der Hausnummer Z, also das dem Beklagten benachbarte Grundstück, mit Leitungsrechten zugunsten der Stadt W. belastet. Eine Belastung zugunsten der Klägerin ist aus dem Grundbuch nicht ersichtlich.
Die bestehende Zufahrtsstraße wäre, unter Berücksichtigung des auf dem Grundstück Nr. Z liegenden Anteils grundsätzlich breit genug, um eine Zufahrt zum Grundstück der Klägerin zu ermöglichen.
Früher befand sich neben dem Gebäude Nr. Y an der vorderen, zur Straße gelegenen Gebäudeecke, seit jeher ein Garten. An der hinteren, zum Grundstück der Klägerin weisenden Ecke, befand sich ursprünglich eine Mistgrube, die von einer Betonplatte abgedeckt war. Anstelle des früheren Gartens errichtete der Beklagte die streitgegenständliche Garage, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, ob die Grundfläche der Garage exakt der des früheren Gartens entspricht. Auf der früheren Betonplatte errichtete der Beklagte ein Betonfundament auf diesem wiederum den streitgegenständlichen Metallzaun.
Die Klägerin trägt vor, die Zufahrt zu ihrem Grundstück sei durch eine auf dem Grundstück des Beklagten lastende Dienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts gewährleistet.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Garage und der Zaun sie in der Ausübung der Dienstbarkeit beeinträchtigen würden. Sie trägt vor, dass die vordere, an der Kreuzung zur Straße gelegene Ecke des Gartens früher abgeschrägt gewesen sei, demgegenüber sei die jetzige Garage rechtwinklig, sodass deren Ecke weiter in den Zufahrtsweg hineinrage als der bisherige Garten. Darüber hinaus sei der Garten durch eine Hecke eingefasst gewesen, die es ermöglicht habe, eng an diesem vorbeizufahren, weil insbesondere der Seitenspiegel über der Hecke in den Garten habe hineinragen können. Nun müsse sie größeren Abstand von der Garagenwand halten. Auch habe die Betonplatte früher unproblematisch überfahren werden können, was jetzt durch den höheren Betonsockel samt Zaun ausgeschlossen sei. Zwar dulde der Eigentümer des Grundstücks Nr. Z derzeit, dass auch sein Grundstück teilweise überfahren werde, einen rechtssicheren Anspruch habe die Klägerin hierauf jedoch nicht.
Die Klägerin beantragt:
Den Beklagten zu verurteilen, die auf seinem Grundstück, […] errichtete Garage, den Betonsockel sowie den darauf errichteten Metallgitterzaun zu entfernen.
Der Beklagte beantragt, Klageabweisung.
Der Beklagte trägt vor, dass zugunsten des Grundstücks der Klägerin nur ein Geh- und Tragrecht bestehe, jedoch kein Überfahrtsrecht.
Er ist ferner der Ansicht, dass die Dienstbarkeit nicht beeinträchtigt sei, vielmehr sei diese durch den seit jeher an den streitgegenständlichen Stellen vorhandenen Garten bzw. durch die Betonplatte erloschen. Neben dem Garten hätten außerdem schon immer andere Utensilien gestanden. Er habe sowohl die Garage als auch den Sockel samt Zaun genau auf der Grundfläche des ehemaligen Gartens bzw. der Betonplatte errichtet. Den Zaun habe er deshalb errichtet, weil die Klägerin bzw. ihr Ehemann teilweise mit schweren Baufahrzeugen dort entlanggefahren seien, was zu Beschädigungen an seinem Gewölbekeller geführt habe. Darüber hinaus bestünde eine Dienstbarkeit auch zulasten des benachbarten Grundstücks Nr. Z.
Zur Vervollständigung im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.1.2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin kann vom Beklagten den Rückbau der Garage und des Zauns einschließlich des Betonsockels gemäß §§ 1027, 1004 Abs. 1 BGB verlangen.
I.
Das Grundstück des Beklagten mit der Hausnummer Y ist zulasten des Grundstücks der Klägerin mit der Hausnummer X mit einer Dienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts belastet.
Das Bestehen dieser Dienstbarkeit ist im Grundbuch eingetragen unter Verweis auf Bl. BL1 des Servitutenbuchs, wo diese ebenfalls eingetragen ist.
Das Gericht hat auch keine Zweifel, dass die alten Parzellenbezeichnungen neuerdings so lauten, wie in lateinischer Schrift im Servitutenbuch angegeben. Denn bereits zum Zeitpunkt von dessen Erstellung Ende des 19. Jahrhunderts war die Familie […, Nachname der Klägerin] laut Servitutenbuch bereits „Besitzerin“ der hier streitgegenständlichen Parzellen-Nr. A/B. Dass das Grundstück des Beklagten die Parzellen-Nr. C trug, bestreitet er selbst nicht.
Soweit der Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit nicht nachgelassenem Schriftsatz erstmalig bestreitet, dass zugunsten des klägerischen Grundstücks jemals ein Überfahrtsrecht bestanden hätte, ist das Gericht – unabhängig von der Frage, ob das Vorbringen nicht ohnehin wegen § 296a ZPO zurückzuweisen ist, weil es bis zur mündlichen Verhandlung hätte vorgetragen werden müssen – hiervon nicht überzeugt. Die ehemalige Parzelle Nr. …, zu deren Gunsten das Geh- und Tragrecht gemäß Bl. … des Servitutenbuchs besteht, befindet sich, wie sich aus dem Plan in Anl. K10 ergibt, hinter dem Haus mit der Hausnummer … und damit von der Straße aus betrachtet hinter dem Grundstück der Klägerin. Dies erklärt auch zwanglos, warum die Dienstbarkeit zugunsten der Parzelle Nr. … nicht nur das Grundstück des Beklagten sondern insbesondere auch das Grundstück der Klägerin mit einem Geh- und Tragrecht belastet.
Den genauen Umfang der ursprünglichen Dienstbarkeit entnimmt das Gericht dem vom Notariat W.– Grundbuchamt stammenden Lageplan (Anl. K9).
II.
Die Dienstbarkeit ist, auch nicht im Umfang der Garage und des Zauns erloschen.
1.
Grundsätzlich bestimmt sich das Erlöschen von Rechten an einem Grundstück, die vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1.1.1900 entstanden sind, gemäß Art. 189 Abs. 3 EGBGB primär nach dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden alten Recht, vorliegend dem Zivilrecht des Königreichs Württemberg. Dessen Erlöschenstatbestände liegen hier allerdings nicht vor.
a)
Ein Erlöschen der streitgegenständlichen Dienstbarkeit nach altem Recht infolge eines gutgläubigen lastenfreien Erwerbs scheidet von vornherein aus. Nach altem Recht konnte ein lastenfreier Erwerb überhaupt nur bezogen auf solche Belastungen stattfinden, welche den Gebrauch und die Nutzungsziehung dem Eigentümer gänzlich oder zum großen Teil entzogen. Dies trifft auf gewöhnliche Dienstbarkeiten, wie auch das streitgegenständliche Geh- und Fahrrecht, nicht zu (vgl. Lang, Handbuch des im Königreich Württemberg geltenden Sachenrechts, 1876, Bd. I, § 94).
b)
Auch ein Erlöschen nach altem Recht durch Nichtgebrauch der Dienstbarkeit scheidet vorliegend aus.
Zwar käme altrechtlich ein Erlöschen durch Ersitzung durch den gutgläubigen Eigentümer des dienenden Grundstücks binnen 10 Jahren in Betracht, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit durch einen bestehenden Zustand faktisch ausgeschlossen ist. In diesem Fall ist auch eine (nur) teilweise Ersitzung möglich (Lang, a.a.O., § 95). Allerdings schied eine Ersitzung nach den obigen Regeln gemäß Art. 15 und 20 Gesetzes betreffend die vollständige Entwickelung des Pfand-Systems – Pfand-Entwicklungs-Gesetz – vom 21.5.1828 (Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, S. 361) in Verbindung mit Art. 65 des Pfand-Gesetzes vom 25.4.1825 (RegBl., S. 193) dann aus, wenn die Dienstbarkeit ins Güterbuch eingetragen war.
Zwar liegt dem Gericht nicht das Güterbuch, sondern nur das Servitutenbuch vor, allerdings bestimmte Ziffer 6 der Verfügung der Ministerien der Justiz und des Innern vom 6.12.1836 (RegBl. S. 670), dass zur Entlastung der Güterbücher getrennte Servitutenbücher anzulegen waren, auf die wiederum im Güterbuch Bezug zu nehmen war, mit dem Effekt, dass die Eintragungen im Servitutenbuch Eintragungen im Güterbuch gleichstanden.
Nachdem sich in dem vorliegenden Servitutenbuch Verweise auf die fraglichen Stellen des jeweiligen Güterbuchs finden, verbleibt beim Gericht kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Eintragungen im Servitutenbuch dem öffentlichen Glauben gemäß Art. 15 und 20 Pfand-Entwicklungs-Gesetz unterfallen.
2.
Unabhängig von etwaigen Erlöschenstatbeständen nach altem Recht ist jedoch gemäß Art. 184 Satz 2 EGBGB seit Inkrafttreten des BGB zugleich auch § 1028 BGB anzuwenden.
Gemäß § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB erlischt eine Dienstbarkeit insoweit, wie ihre Ausübung durch eine Anlage verhindert wird, deren Beseitigung nicht mehr verlangt werden kann, weil der Beseitigungsanspruch verjährt ist. Die maßgebliche Verjährungsfrist beträgt gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB analog 30 Jahre, wenn die Verwirklichung des Rechts aus der Dienstbarkeit insgesamt gefährdet ist und nicht nur eine Störung einer bestimmten Nutzung vorliegt (BGH NJW 2014, 3780).
a)
Bei dem ehemaligen Garten handelt es sich um eine Anlage im Sinne der Vorschrift, nämlich um eine dauerhafte, von Menschenhand geschaffene Einrichtung. Auch dass es sich bei diesem im Wesentlichen um Pflanzen handelt, steht nicht entgegen (vgl. auch § 907 Abs. 2 BGB, BGH NJW 2014, 3780), wobei es darauf schon deswegen nicht ankommen dürfte, weil der Garten, wie auf dem Foto B4 zu sehen, von einem Bordstein eingefasst war.
Der Garten liegt auch im Bereich der Dienstbarkeit. Die Dienstbarkeit verläuft, wie auf dem Lageplan K9 ersichtlich von der Grundstücksgrenze bis direkt ans Wohnhaus des Beklagten. Lediglich in der Mitte zwischen den heutigen Häusern Nr. Y und … findet sich eine Aussparung an einer mit „Aborte“ beschriebenen Stelle, sodass sich für die Dienstbarkeit die Form eines „C“ ergibt. Auf dem Foto B4 ist zu erkennen, dass der Garten, der – wohl auf der Höhe der ehemaligen Aborte befindliche – Schuppen mit Thujahecke und der Zaun nunmehr eine einheitliche Gerade bilden. Die C-Form, wie sie aus dem Lageplan Anl. K9 ersichtlich ist, wird dadurch zu einem Rechteck.
Die 30-jährige Verjährungsfrist ist auch verstrichen, nachdem zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sich der Garten an dieser Stelle seit jeher befand.
Allerdings bedeutet der Untergang der Dienstbarkeit im Umfang des ehemaligen Gartens nicht, dass der Beklagte nunmehr unbelastet von der Dienstbarkeit die streitgegenständliche Garage errichten konnte. Denn maßgeblich ist nicht, ob der Grundriss flächenmäßig mit dem Anteil übereinstimmt, für den die Dienstbarkeit erloschen ist, sondern die von der Anlage ausgehende Störung der Dienstbarkeit. Denn einerseits soll der Eigentümer eine bestehende Anlage, für die die Dienstbarkeit erloschen ist, weiter erhalten dürfen, aber andererseits soll verhindert werden, dass der Eigentümer die Dienstbarkeit scheibchenweise durch kleinere Veränderungen letztlich aushöhlt (so auch OLG Hamburg, Urteil v. 8.4.1998 – 13 U 52/95).
Gemessen an diesen Grundsätzen beeinträchtigt die Garage die Dienstbarkeit in einer anderen Form als der bisherige Garten. Denn sowohl auf dem von Klägerseite eingereichten Luftbild K1 als auch auf dem von Beklagtenseite eingereichten Luftbild B2 lässt sich erkennen, dass der Garten an der vorderen Ecke leicht abgeschrägt ist, wohingegen die Garage, wie auf Anlage K6 ersichtlich, rechtwinklig ist, sodass jedenfalls die, von der Straße aus betrachtet, vordere rechte Ecke über den bisherigen Gartenbereich hinausragt und damit auf eine Weise in den Weg hinein, wie es der bisherige Garten nicht getan hat.
Unabhängig davon hat die Klägerin auch vorgetragen, dass die Einfriedung des ehemaligen Gartens niedrig genug gewesen sei, um diesen beim Vorbeifahren dergestalt zu schneiden, dass der Spiegel über die Einfriedung in den Garten hineinragte. Dass dies zutreffend ist, ergibt sich für das Gericht aus dem von Beklagtenseite eingereichten Fotografie B4. Darauf ist jedenfalls im Bereich zur Straße hin zu erkennen, dass Palisaden, welche nach dem Vortrag des Beklagten den ehemaligen Garten abgrenzen, nicht bündig mit dem Bordstein abschließen, der den Zufahrtsweg abgrenzt, sondern nach hinten, in Richtung des Gebäudes des Beklagten versetzt sind, sodass für den Seitenspiegel zusätzlicher Spielraum bestand.
Dass dort andere Utensilien gelagert worden sein sollen – auf dem Bild sind eine lose Palisade, eine Mülltonne und eine Gehhilfe zu erkennen – steht nicht entgegen, da es sich hierbei, mangels Dauerhaftigkeit der Konstruktion, nicht um eine Anlage im Sinne von § 1028 BGB handelt.
b)
Selbiges gilt im Ergebnis auch in Bezug auf den streitgegenständlichen Zaun.
Zwar ergibt sich aus den Lichtbildern, dass der Zaun exakt auf der Fläche der ehemaligen Bodenplatte errichtet wurde.
Allerdings ist bezüglich des Zauns bereits fraglich, ob die Dienstbarkeit überhaupt erloschen ist. Denn der Beklagte macht selbst geltend, dass er sich zur Einzäunung gezwungen sah, um die Klägerin daran zu hindern, die Betonplatte zu überfahren, weil dadurch Schäden an seinem Gewölbekeller aufträten. Daraus ergibt sich allerdings im Umkehrschluss, dass die Dienstbarkeit gerade ausgeübt wurde. Für ein Erlöschen aufgrund Nichtausübung ist dann kein Raum.
Selbst wenn man zugunsten des Beklagten unterstellen wollte, dass die Dienstbarkeit hinsichtlich der Betonplatte erloschen ist, schränkt der Zaun das offenkundig zuvor trotzdem weiter mögliche Überfahren der Platte ein, denn genau das zu verhindern, war Anlass für die Errichtung des Zauns. Gleichzeitig verhindert der Zaun auch das Betreten in Ausübung des Gehrechts.
3.
Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb des Grundstücks durch den Beklagten gemäß § 892 BGB ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.
Insbesondere ist die Dienstbarkeit vorliegend gemäß der, jedenfalls für den hier relevanten, ehemals württemberg-badischen Landesteil von Baden-Württemberg (vgl. § 31 Abs. 3 AGBGB) geltenden, Vorschrift des § 31 Abs.1 AGBGB-BW ins Grundbuch eingetragen.
Der in der Grundbucheintragung enthaltene Verweis auf das Servitutenbuch gemäß § 3 Abs. 2 EGB-VO-BW in Verbindung mit § 21 der GBVO-BW ist auch wirksam.
Zwar ergibt sich die Wirksamkeit der Verweisung nicht aus §§ 145, 146 GBO, da diese Vorschriften nur gestatten, alte Grundbücher weiter zu führen, nicht jedoch neue Grundbuchblätter entgegen den in der Grundbuchordnung vorgesehenen Vorgaben anzulegen. Das vorliegende Grundbuch wurde indes im Dezember 2010 in ein elektronisches Grundbuch umgeschrieben, sodass spätestens mit dieser Umschreibung allein das formelle Grundbuchrecht des Bundes vorrangig und abschließend (Art. 31 GG) maßgeblich gewesen ist.
Allerdings ist eine verfassungskonforme Auslegung von Bundesrecht entgegenstehendem Landesrecht gleichwohl möglich und geboten, mit der Folge, dass die Bezugnahme auf ein Servitutenbuch der Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 874 BGB gleichsteht (vgl. BGH NJW-RR 2012, 346 mwN.).
II.
Der Beklagte ist als Eigentümer der Garage und des Zauns auch Störer der Dienstbarkeit im Sinne von §§ 1027, 1004 BGB.
Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass die ihr zur Verfügung stehende Zufahrtsbreite auf dem Grundstück des Beklagten lediglich 1,15 m betrage und ihr deshalb die Zufahrt erschwert sei.
III.
Die Klägerin ist auch nicht zur Duldung der Störung verpflichtet. Insbesondere handelt sie nicht treuwidrig, wenn sie vorliegend den Rückbau begehrt.
1.
Eine Duldungspflicht der Klägerin besteht zunächst nicht gemäß §§ 1027, 1004 Abs. 2, 1023 BGB, im Hinblick auf den streitgegenständlichen Metallzaun.
Zwar ist der Dienstbarkeitsberechtigte gemäß § 1020 BGB zur schonenden Ausübung der Rechte aus der Dienstbarkeit verpflichtet und kann insofern auch nicht verlangen, dass eine schonungslose Nutzungsmöglichkeit bestehen bleiben müsste (BeckOGK-BGB/Kazele, Stand: 1.2.2021, § 1027, Rn. 26). Ob eine solche schonungslose Nutzung vorliegt, wie sie der Beklagte in Form der von der Klägerin bestrittenen Schäden an seinem Gewölbekeller behauptet, kann hier jedenfalls im Ergebnis offen bleiben. Denn auch aus § 1023 Abs. 1 BGB ergibt sich für den Beklagten kein Recht, den Metallzaun aufzustellen.
§ 1023 Abs. 1 BGB sieht vor, dass eine Dienstbarkeit, die dem Eigentümer des dienenden Grundstücks beschwerlich ist, verlegt werden kann, wenn die neue Stelle gleichermaßen geeignet ist. Vorliegend will der Beklagte aber überhaupt nicht, dass die Klägerin ihr Geh- und Fahrrecht auf einem anderen als dem ursprünglich vorgesehenen Teil seines Grundstücks ausübt, sondern er beabsichtigt, sein Grundstück von der darauf lastenden Dienstbarkeit dadurch teilweise zu befreien, dass er ihre Ausübung unmöglich macht. Hierauf besteht kein Rechtsanspruch (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2014, 401, 403).
2.
Ferner ist die Klägerin auch nicht im Zusammenhang mit dem durchgeführten Baugenehmigungsverfahren zur Duldung der Garage verpflichtet.
Im Ausgangspunkt wird eine Baugenehmigung gemäß § 58 Abs. 3 LBauO-BW unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt, sodass der Beklagte allein aus deren Erteilung keinen Vertrauensschutz im Sinne eines Bestandsschutzes der Garage für sich ableiten kann.
Auch aus der Angrenzerbenachrichtigung lässt sich keine Duldungspflicht der Klägerin ableiten, sodass im Ergebnis offen bleiben kann, ob die Klägerin dem Bauvorhaben tatsächlich zeitnah widersprochen hat. Denn ein solcher Widerspruch wäre nur dann relevant, wenn die Klägerin verpflichtet wäre, die Garage gemäß §§ 1027, 912 Abs. 1 BGB analog als Überbau zu dulden (zur Anwendbarkeit des Überbaurechts auf Dienstbarkeiten: BGH NJW 2008, 3123). Dies ist jedoch nicht der Fall, da dem Beklagten zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Baut ein Eigentümer nämlich im Grenzbereich, so trifft ihn eine besondere Pflicht, sicherzustellen, dass der zu bebauende Grund auch ihm gehört und er folglich zur Bebauung berechtigt ist. Unterlässt er dies, handelt er grob fahrlässig (so für den Überbau auf ein Nachbargrundstück: OLG München, Urteil v. 12.9.2012 – 20 U 1600/12; BGH NJW-RR 2009, 24). Für den hiesigen Fall des Überbauens einer Grunddienstbarkeit gilt gemäß § 1027 Abs. 1 BGB nichts Anderes.
Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte auch im unmittelbaren Grenzbereich im obigen Sinne gebaut, weil die Interessenlage insoweit vergleichbar ist. Denn entscheidend ist, dass sich der Eigentümer beim Bauen im Grenzbereich der Gefahr eines Überbaus in besonderem Maße bewusst sein muss, anders als der Eigentümer, der hauptsächlich auf seinem Grund baut und daher, im Ausgangspunkt zurecht, davon ausgeht, hierzu gemäß § 903 BGB auch berechtigt zu sein, aber gleichwohl die Grundstücksgrenze überschreitet (vgl. BGH NJW-RR 2009, 24, Tz. 13). Vorliegend hat der Beklagte die Garage auf einem Teil des Grundstücks errichtet, der ursprünglich komplett von der streitgegenständlichen Dienstbarkeit erfasst war. Frei von der Dienstbarkeit war der für den Bau der Garage genutzte Grundstücksteil nur insoweit, als die Dienstbarkeit bereits gemäß § 1028 Abs. 1 BGB wegen des dort früher befindlichen Gartens erloschen war. Damit stellte sich für den Beklagten die Situation gerade nicht so dar, dass er grundsätzlich darauf vertrauen konnte, gemäß § 903 BGB zur Bebauung berechtigt zu sein. Sondern im Gegenteil hätte er sich in besonderem Maße vergewissern müssen, dass die Garage nicht weiter im Widerspruch zur Dienstbarkeit steht als dies bereits zuvor der frühere Garten getan hat, da nur insoweit ein Recht des Klägers zur Bebauung, infolge des Erlöschens der Dienstbarkeit, überhaupt in Betracht kam. Dass der Beklagte dieser Pflicht genügt hätte, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.
3.
Die Rückbaupflicht des Beklagten ist auch nicht gemäß § 275 Abs. 2 BGB ausgeschlossen (zur kumulativen Anwendbarkeit von § 275 Abs. 2 BGB und § 912 Abs. 1 BGB: BGH NJW 2008, 3123), weil die vorzunehmende Interessenabwägung vorliegend zulasten des Beklagten ausfällt.
Zwar dürfte der Rückbaupflicht insbesondere der Garage einen nicht nur unerheblichen Aufwand bedeuten, allerdings ist zulasten des Beklagten zu berücksichtigen, dass ihm, wie oben ausgeführt, jedenfalls grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Demgegenüber hat die Klägerin ihrerseits ein nicht unerhebliches Interesse, ihr Grundstück mit Fahrzeugen erreichen zu können, sodass dieses Interesse und die Rückbaupflicht des Beklagten in keinem groben Missverhältnis zu einander stehen. Im Gegenteil dürfte das Interesse der Klägerin am Rückbau der Garage in gleichem Maße steigen, wie das Interesse des Klägers, die Garage nicht zurückbauen zu müssen.
4.
Auch wird das Rückbauverlangen im Hinblick auf Garage und Zaun nicht dadurch treuwidrig, dass der vorhandene Weg grundsätzlich breit genug wäre, würde die Klägerin den zu Hausnummer Z gehörenden Grundstücksteil mitnutzen.
a)
Dass der Klägerin ein entsprechendes Nutzungsrecht am Nachbargrundstück überhaupt zusteht, ist nicht ersichtlich.
Auszüge aus dem Servitutenbuch oder dem Güterbuch, aus denen sich eine Dienstbarkeit ergeben würde, liegen dem Gericht nicht vor.
Auch aus dem Grundbuch ergibt sich nichts. Zwar vermittelt § 891 Abs. 2 BGB, anders als etwa § 15 Abs. 1 HGB keine negative Publizität des Grundbuchs (Palandt/Herrler, 80. Aufl. 2021, § 891 Rn. 7; BeckOGK-BGB/Hertel, Stand 1.10.2019, § 891 Rn. 49), allerdings ist der Beklagte insoweit beweisfällig geblieben.
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung angebotene Zeuge … war auch nicht zu vernehmen, da dieser Vortrag jedenfalls gemäß § 296 Abs. 2 ZPO wegen Verspätung zurückzuweisen war. Der Beklagte hat auch trotz ausdrücklichem Hinweis des Gerichts nicht dazu vorgetragen, weshalb ihm die Benennung dieses Beweismittels nicht schon im Rahmen der Klageerwiderung möglich war, in der er den Vortrag der Klägerin, auf dem Nachbargrundstück bestehe keine Dienstbarkeit, bereits pauschal bestritten hat, ohne Beweis anzubieten.
b)
Die Klägerin braucht sich auch nicht auf ein gegenüber dem Nachbargrundstück mit der Hausnummer Z bestehendes Notwegerecht gemäß § 917 BGB verweisen zu lassen und zwar schon deshalb nicht, weil sie dadurch entschädigungspflichtig würde. Die Dienstbarkeit dient gerade dazu, zu verhindern, dass die Klägerin auf einen Notweg beschränkt wäre.
IV.
Die Verurteilung des Beklagten zum Rückbau von Garage, Betonsockel und Zaun ist schließlich auch verhältnismäßig, da weniger einschneidende Alternativen für die Beseitigung der Störung der Dienstbarkeit nicht ersichtlich sind.
V.
Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze geben, entsprechend den obigen Ausführungen hierzu, keinen Anlass, die Verhandlung wieder zu eröffnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.