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Grundstückskaufvertrag – Beurkundungszwang für Reservierungsvereinbarung

AG München – Az.: 191 C 28518/15 – Urteil vom 01.07.2016

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.08.2015 sowie weitere 334,75 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer Reservierungsgebühr.

Der Beklagte war Eigentümer der Einzimmerwohnung Nr. 37 in der L. Straße … in … B., die er zum Kaufpreis von 141.000 € zum Verkauf anbot. Der Kläger interessierte sich für die Wohnung. Nach den ersten Verkaufsgesprächen unterzeichnete der Kläger und seine Ehefrau am 29.05.2015 eine Reservierungsvereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:

„1. Der Kaufpreis beträgt € 140.740,–. Darüber hinaus ist vom Käufer bei Kaufvertragsabschluss eine Provision an die Firmen M. Bauplanungs GmbH, B., und R. Immobilienbüro, B., in Höhe von insgesamt 7,14% inklusive gesetzlicher MwSt, somit € 10.049,00 zu bezahlen. Dem Käufer ist bekannt, dass eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Verkäufer und der Fa. M. GmbH besteht.

(…)

Sollte der notarielle Kaufvertrag aus Gründen, die der Käufer zu vertreten hat, zwischen den Parteien nicht zustande kommen, so steht der Betrag entsprechend Ziffer 3 als pauschalierter Schadenersatz dem Verkäufer zu.“

Der Kläger und seine Ehefrau zahlten die Reservierungsgebühr in Höhe von 3.000,00 € an den Beklagten. Die Reservierungsfrist wurde durch den Beklagten bis zum 22.07.2015 verlängert. Der Kläger bat den Beklagten per Email vom 29.07.2015 um eine Reduzierung des Kaufpreises und bot dem Beklagten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einen Kaufpreis von 110.000,00 €. Der Beklagte lehnte sämtliche Verhandlungen über den Kaufpreis ab und erklärte die Vertragsverhandlungen für gescheitert. Mit E-Mail vom 31.07.2015 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 15.08.2015 auf, die erhaltene Reservierungsgebühr in Höhe von 3.000 € zurückzuzahlen. Mit E-Mail vom 05.08.2015 lehnte der Beklagte jegliche Rückzahlung ab. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 01.09.2015 sowie vom 07.10.2015 wurde der Beklagte aufgefordert, die einbehaltene Reservierungsgebühr an den Kläger zurückzuzahlen. Der Beklagte ließ beide Schriftsätze unbeantwortet.

Der Kläger ist der Ansicht, die Reservierungsgebühr sei wegen Formnichtigkeit unwirksam. Die Vereinbarung übe einen unangemessen wirtschaftlichen Druck auf den Käufer aus und sei mangels notarieller Beurkundung nach § 125 BGB unwirksam. Darüber hinaus handele es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die den Käufer unangemessen benachteiligten.

Der Kläger beantragt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2015 zu zahlen.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Reservierungsvereinbarung keinem Formzwang unterliege, da sie in der vereinbarten Höhe keinen Druck zum Erwerb des Grundstücks ausübe. Bei der Reservierungsvereinbarung handele es sich um eine individualvertragliche Vereinbarung, auf die die §§ 305 ff. BGB nicht anzuwenden sei. Doch auch bei Annahme von AGB liege keine unangemessene Benachteiligung vor. Im Übrigen sei der Kläger nicht Anspruchsinhaber der Forderung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Das Amtsgericht München ist sowohl sachlich als auch örtlich zuständig, §§ 23 Nr. 1,71 Abs. 1 GVG, §§ 12, 13 ZPO.

II. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr in Höhe von 3.000€ aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu.

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert, da er Inhaber der geltend gemachten Forderung ist. Die Ehefrau des Klägers hat mit Abtretungsvereinbarung vom 27.10.2015 ihren Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr wirksam gemäß § 398 BGB an den Kläger abgetreten.

2. Der Beklagte hat durch die Leistung des Klägers die Reservierungsgebühr in Höhe von 3.000 € ohne Rechtsgrund erlangt.

a) Die von den Parteien unterzeichnete Reservierungsvereinbarung ist gemäß §§ 125 S. 1, 311 b Abs. 1 S. 1 BGB wegen Formnichtigkeit unwirksam, da keine notarielle Beurkundung erfolgte.

Die Reservierungsvereinbarung bedurfte der notariellen Beurkundung gemäß § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB. Der Beurkundungszwang soll die Parteien auf die Bedeutung des Geschäfts hinweisen und vor dem Eingehen übereilter Verpflichtungen schützen (Warnfunktion). Zudem soll eine sachkundige Beratung der Parteien sichergestellt werden (Beratungsfunktion). Daher erstreckt sich die Pflicht zur notariellen Beurkundung nach § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB auf die Gesamtheit aller Verträge und Vereinbarungen, sofern diese rechtlich eine Einheit bilden. Das ist dann der Fall, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien nicht für sich alleine gelten, sondern miteinander „stehen und fallen“ sollen (vgl. Grüneberg/Palandt, BGB, 75. Aufl., § 311 b Rn. 2, 32). Ein Kaufvertrag über eine Immobilie und eine in diesem Zusammenhang geschlossene Reservierungsvereinbarung bilden eine solche rechtliche Einheit, da die Vereinbarung zum Zwecke eines späteren Kaufvertrages geschlossen wird.

Unabhängig vom Zweck des Beurkundungszwangs, hat eine Beurkundung in jedem Fall dann zu erfolgen, wenn das in der Vereinbarung versprochene Entgelt 10 bis 15 % der vereinbarten Provision übersteigt (vgl. BGH Urteil vom 02.07.1986, Az.: IVa ZR 102/85). Daraus ergibt sich, dass ein Vergleich zwischen Maklerprovision und Reservierungsvereinbarung anzustellen ist, und nicht etwa, wie von der Beklagtenpartei angenommen, die Reservierungsgebühr ins Verhältnis zum Kaufpreis zu setzen ist. Der Formzwang gilt auch für einen Vertrag, mit dem über die Vereinbarung eines empfindlichen Nachteils ein mittelbarer Zwang ausgeübt werden soll, Immobilien zu erwerben oder zu veräußern.

Vorliegend macht die Reservierungsgebühr 29,7 % der Maklerprovision aus. Die maßgeblichen Grenzwerte sind damit weit überschritten. Auch übte die Zahlungsverpflichtung in Höhe von 3.000 € einen unangemessenen Druck auf den Kläger aus, die Immobilie zu erwerben. Durch die Verpflichtung, wonach der Verkäufer den Zahlbetrag einbehalten darf, wenn es nicht zum Abschluss des Kaufvertrages kommt, wird der Kläger in seiner Entscheidungsfreiheit erheblich eingeschränkt, da er nutzlose Aufwendungen zu befürchten hat. Durch das unterzeichnete Vertragsstrafeversprechen wurde der Kläger mittelbar zum Kaufvertragsschluss gedrängt (vgl. BGH Urteil vom 02.07.1986, Az.: IVa ZR 102/85).

b) Darüber hinaus ist die Reservierungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da der Kläger unangemessen benachteiligt wird.

aa) Bei der Vereinbarung über die Zahlung der Reservierungsgebühr handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, die die Beklagtenpartei der Klagepartei bei Abschluss gestellt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt keine Individualabrede im Sinne des § 305 b BGB vor, da die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen nicht ausgehandelt wurden. Ein Aushandeln einzelner Vertragsbedingungen ändert an dem Vorliegen von AGB grundsätzlich nichts. Vorliegend hat die Beklagtenpartei den Kerngehalt seiner Bedingungen nicht ernsthaft zur Disposition gestellt und der Klagepartei keine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen und Verhandlungsspielraum eingeräumt.

bb) Die Vereinbarung über die Reservierungsgebühr stellt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB dar. Eine unangemessene Benachteiligung ist dann anzunehmen, wenn der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerechtfertigt ist.

Die dabei erforderliche Interessenabwägung führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Pflicht zur Zahlung der Reservierungsgebühr bzw. der ausnahmslose Ausschluss der Rückzahlung dieses Entgelts bei Nichtzustandekommen des Kaufvertrags über die Wahrung schutzwürdiger Interessen des Beklagten hinausgeht und aus diesem Grund eine unangemessene Benachteiligung der Klagepartei vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2010 – III ZR 21/10; BGH, Urteil vom 10. Februar 1988 – IVa ZR 268/86, BGHZ 103, 235, 239f).

Der Beklagte sicherte sich durch die Vereinbarung eine erfolgsunabhängige Vergütung. Dieser Leistung des Klägers stand kein gleichwertiges Äquivalent entgegen. Vom Wortlaut der Vereinbarung bestand seitens des Beklagten keine Unterlassungspflicht, die Wohnung einem Dritten anzubieten und an diesen zu veräußern. Die Klagepartei zahlt damit einen nicht ganz unerheblichen Betrag, ohne dafür die Gewähr zu haben, das fragliche Objekt erwerben zu können. Diese Tatsache begrenzt den Nutzen der Vereinbarung für den Kläger in unangemessener Weise (BGH a.a.O.).

Für diese Beurteilung ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, welche Rechtsnatur der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung zukommt und ob bei der vorliegenden Konstellation die Anwendung maklerrechtlicher Grundsätze gerechtfertigt ist (vgl. BGH Urteil vom 23.09.2010, Az.: III ZR 21/10). Entgegen der Auffassung des Beklagten finden die vorgenannten Grundsätze nicht nur auf Reservierungsvereinbarungen im Rahmen von Maklerverträgen Anwendung, sondern auch im vorliegenden Fall zwischen zwei Privatpersonen. Dies gilt dann umso mehr, wenn zwischen Makler und Verkäufer eine wirtschaftliche Verflechtung besteht.

III. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB, da sich der Beklagte mit der Zahlung seit dem 16.08.2015 in Verzug befand. Dem Beklagten wurde eine Zahlungsfrist bis zum 15.08.2015 gesetzt.

Die von der Klagepartei geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten sind schlüssig dargetan und ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB. Gerechtfertigt ist ein Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, was sich bei einem Streitwert von 3.000,00 € auf 334,75 € beläuft.

IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

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