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WEG-Grundbuchverfahren – Eintragungsvoraussetzungen bei Veräußerung von Wohnungseigentum

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 182/20 – Beschluss vom 30.10.2020

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt – Grundbuchamt – vom 8. Juli 2020 – wird aufgehoben.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 war Eigentümer eines 55,621/1.000 Miteigentumsanteils an dem vorgenannten Grundbesitz verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Haus-Nr. 38 im II. Obergeschoss links, Nr. 17 des Aufteilungsplanes, mit Kellerraum sowie eines 55,541/1.000 Miteigentumsanteils an dem im Grundbuch des Amtsgerichts Mönchengladbach von … Blatt … verzeichneten Grundbesitz der Gemarkung …, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Haus-Nr. 38 im II. Obergeschoss rechts, Nr. 18 des Aufteilungsplanes, mit Kellerraum. Es ist mit dinglicher Wirkung vereinbart und als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen, dass die Veräußerung von Wohnungseigentum der Zustimmung des Verwalters bedarf.

Mit notariellem Vertrag des Notars Dr. … vom 9. März 2020 (URNr. 453 für 2020), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, veräußerte der Beteiligte zu 1 den Grundbesitz an die Beteiligten zu 2 und 3.

Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2020 beantragten die Beteiligten u.a. Eigentumsumschreibung auf die Beteiligten zu 2 und 3 unter Beifügung einer Zustimmungserklärung des Verwalters … vom 15. April 2020. Zum Nachweis der Verwalterbestellung legten sie ein Protokoll der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 8. September 2016 unter dem Vorsitz des Verwalters … vor. Anwesend waren 944,59/1.000 Stimmanteilen. Im Protokoll heißt es:

„Die Bestellung der Verwaltung endet zum 31.12.2016; durch ein Versehen hat die Verwaltung jedoch keinen TOP zur Verwalterbestellung ab dem 01.01.2017 in die Tagesordnung aufgenommen. Herr … stellt daher den Antrag zur Geschäftsordnung, einen TOP 7 mit der Beschlussformulierung „Beschlussfassung über die Bestellung der Verwaltung ab dem 1. Januar 2017“ aufzunehmen. Der Antrag wird per mehrheitlichem Handzeichen angenommen.“

Unter „TOP 7“ wurde sodann … mit 944,59/1.000 Stimmanteilen ab dem 1. Januar 2017 erneut zum Verwalter bestellt.

Mit Zwischenverfügung vom 8. Juli 2020 hat das Grundbuchamt mitgeteilt, die Verwalterbestellung laut Protokoll der Eigentümerversammlung vom 8. September 2016 sei unwirksam. Es sei versäumt worden, die Wahl des Verwalters auf die Tagesordnung zu nehmen. Zwar sei dies mit den anwesenden Teilnehmern (944,59/1000) nachgeholt worden. Weil nicht alle Stimmenanteile anwesend gewesen seien, hätte dieser Tagesordnungspunkt aber nicht aufgenommen werden dürfen. Einer offensichtlichen Nichtigkeit der Bestellung müsse das Grundbuchamt nachgehen. Das Grundbuchamt hat den Beteiligten aufgegeben, eine ordnungsgemäße Verwalterbestellung in der Form des § 29 GBO sowie die Zustimmung des Verwalters zur Veräußerung in der Form des § 29 GBO bzw. die Genehmigung der bereits erfolgten Zustimmung nachzuweisen. Gegebenenfalls könnten auch alle Miteigentümer der Veräußerung zustimmen.

Dem sind die Beteiligten zunächst mit Schriftsatz vom 16. Juli 2020 entgegengetreten. Sie haben angekündigt, Beschwerde einzulegen, sollte das Grundbuchamt die Zwischenverfügung aufrechterhalten. Nach Mitteilung des Grundbuchamts, dass es bei der Zwischenverfügung verbleibe, haben sie Beschwerde eingelegt. Sie machen geltend, der trotz fehlerhafter Einberufung gefasste Beschluss sei nach ganz herrschender Meinung nur anfechtbar, nicht nichtig. Dies gelte ungeachtet des Wortlauts des § 23 Abs. 2 WEG („gültig“), der an § 32 Abs. 1 S. 2 BGB angelehnt sei. Der Beschluss wäre nur dann nichtig, wenn bewusst Einladungsfehler gemacht worden wären, um einen Eigentümer von der Versammlung auszuschließen, was ohne weitere Anhaltspunkte nicht unterstellt werden könne und bislang nur in gravierenden Fällen angenommen worden sei. Derartige Anhaltspunkte seien hier nicht ersichtlich und vom Grundbuchamt auch nicht dargelegt worden. Zudem wäre es aufgrund der Mehrheitsverhältnisse auch ohne den Formfehler zu der Beschlussfassung gekommen. Sofern feststehe, dass es bei ordnungsgemäßer Ladung zu demselben Beschluss gekommen wäre, sei der Verstoß unbeachtlich. Folglich könne hier nicht von der Nichtigkeit der Verwalterbestellung ausgegangen werden, sondern allenfalls von deren Anfechtbarkeit. Nach überwiegender Ansicht sei ein anfechtbarer Beschluss vom Grundbuchamt so lange als gültig zu betrachten, wie er nicht durch rechtskräftigen Gerichtsentscheid aufgehoben worden sei.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt, es sei richtig, dass ein trotz fehlerhafter Einberufung gefasster Beschluss grundsätzlich nur anfechtbar und nicht nichtig sei. Allerdings könne es zur Nichtigkeit eines Beschlusses führen, wenn bei der Einladung das Mitwirkungsrecht eines Wohnungseigentümers bewusst umgangen worden sei. Die Bestellung eines WEG-Verwalters sei für jedes Mitglied einer WEG von einer derartigen Bedeutung, dass „es bei formgerechter Einladung vielleicht zu dem Schluss gelangt wäre, doch an der Versammlung teilzunehmen.“ Einem erfahrenen WEG-Verwalter wäre bewusst gewesen, dass das vorliegende Verfahren zur Nichtigkeit eines Beschlusses führen könne, weswegen er zur Neuwahl des WEG-Verwalters eine neue Versammlung einberufen hätte. Dass dies nicht geschehen sei, stelle das bewusste Ausschließen eines Mitglieds der WEG dar, was die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge habe. Es könne nicht unterstellt werden, dass es auch ohne den Formfehler zur Bestellung des Verwalters gekommen wäre. Dafür spreche zwar die Einstimmigkeit des gefassten Beschlusses. Allerdings lebe eine Versammlung von der Diskussion und dem Austausch von Argumenten. Es sei nicht auszuschließen, dass das nicht eingeladene Mitglied der WEG die übrigen Mitglieder beeinflusst hätte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel ist gem. §§ 71 Abs. 1, 72, 73 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 GBO als Grundbuchbeschwerde zulässig und nach der vom Amtsgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO.

Die Beschwerde hat auch in der Sache schon deshalb Erfolg, weil die Zwischenverfügung nicht hätte ergehen bzw. durch Nichtabhilfe hätte bestätigt werden dürfen und daher aus formellen Gründen aufzuheben ist.

Die Zwischenverfügung ist inhaltlich unzulässig, weil die Beteiligten bereits mit Schriftsatz vom 16. Juli 2020 in Verbindung mit der Email der Hausverwaltung vom selben Tage ernsthaft und endgültig zu erkennen gegeben haben, dass sie nicht gewillt waren, das vom Grundbuchamt gesehene Eintragungshindernis zu beseitigen. In diesem Fall geht das mit Erlass einer Zwischenverfügung beabsichtigte Verbesserungsverfahren ins Leere. Das Grundbuchamt hätte deshalb – auf der Basis seiner eigenen Rechtsauffassung – die Zwischenverfügung nicht aufrecht erhalten dürfen, sondern über den Eintragungsantrag unmittelbar entscheiden müssen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. ZWE 2020, 273 und Beschluss vom 18. Oktober 2019 – 3 Wx99/19 -, juris).

Vorsorglich sei – ohne Bindungswirkung – bemerkt:

In der Sache dürfte der Antrag der Beteiligten entgegen der vom Grundbuchamt in der angefochtenen Zwischenverfügung vertretenen Auffassung erfolgversprechend sein.

Gem. § 12 Abs. 1, Abs. 3 WEG i.V.m. dem als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Zustimmungserfordernis ist die Veräußerung des Wohnungseigentums unwirksam, solange nicht die Zustimmung des Verwalters erteilt ist. Die Beteiligten haben die Verwalterzustimmung durch Vorlage der Erklärung des F. G. vom 15. April 2020 nachgewiesen. Ein Nachweis in Bezug auf die Verwaltereigenschaft des … (zur Erforderlichkeit eines solchen Nachweises vgl. OLG München Rpfleger 2018, 370; OLG Frankfurt Rpfleger 2011, 152) liegt mit dem Protokoll der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 8. September 2016 unter dem Vorsitz des Verwalters … vor.

Zu Recht hat das Grundbuchamt allerdings darauf hingewiesen, dass die Verwalterbestellung verfahrensfehlerhaft erfolgt ist, weil die Wahl des Verwalters entgegen § 23 Abs. 2 WEG versehentlich nicht in die Tagesordnung aufgenommen worden war. Die Ergänzung der Tagesordnung während der laufenden Versammlung vermag diesen Fehler nicht zu korrigieren. § 23 Abs. 2 WEG sieht die Bezeichnung des Beschlussgegenstandes bei der Einberufung der Versammlung vor. Diese Regelung dient dazu, die Wohnungseigentümer vor überraschenden Beschlüssen zu schützen, damit sie sich anhand der Tagesordnung auf die Versammlung vorbereiten und entscheiden können, ob sie daran teilnehmen wollen (Engelhardt, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 23 WEG Rn. 16). Da einer der Wohnungseigentümer bei der Versammlung nicht anwesend war, hatte er infolge der unvollständigen Tagesordnung keine Gelegenheit zu entscheiden, ob er an der Verwalterbestellung mitwirken wollte.

Die fehlende Ankündigung der Verwalterbestellung in der Tagesordnung hat jedoch entgegen der Auffassung des Grundbuchamts nicht zur Folge, dass der Beschluss nichtig wäre. Vielmehr führt eine fehlerhafte (oder fehlende) Bezeichnung des Beschlussgegenstandes lediglich zu dessen Anfechtbarkeit (§ 23 Abs. 4 WEG), weil die Regelung in § 23 Abs. 2 WEG kein zwingendes Recht darstellt, sondern durch Vereinbarung abgeändert werden kann (vgl. BGH NJW 2012, 3571; NJW 1999, 3713; BayObLG Rpfleger 82, 100; Engelhardt, a.a.O., Rn. 20; Schultzky, in: Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB Sachenrecht, § 23 WEG Rn. 7).

Es liegt auch kein Fall vor, in dem wegen einer bewussten Umgehung des Mitwirkungsrechts eines Eigentümers ausnahmsweise Nichtigkeit anzunehmen wäre. Für den Fall der unterbliebenen Einladung eines Wohnungseigentümers hat der Bundesgerichtshof entschieden, diese führe nur in ganz besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen zur Nichtigkeit der in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse, etwa wenn der Wohnungseigentümer in böswilliger Weise gezielt von der Teilnahme ausgeschlossen werden solle (BGH NJW 2012, 3571; Emmerich, in: Bärmann/Pick, Wohnungseigentumsgesetz, 20. Auflage 2020). Anhaltspunkte dafür, dass hier ein derartiger besonders schwerwiegender Ausnahmefall vorliegen würde, sind nicht ersichtlich. Zwar musste den Anwesenden der Eigentümerversammlung bei der Ergänzung der Tagesordnung bewusst sein, dass der nicht anwesende Eigentümer hierdurch keine Gelegenheit erhielt, über seine Teilnahme an der Verwalterbestellung zu entscheiden. Es ist jedoch nichts dafür erkennbar, dass dies in böswilliger Weise geschehen wäre, um den ferngebliebenen Teilnehmer gezielt von der Teilnahme auszuschließen. Vielmehr geht aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung hervor, dass die Verwalterbestellung versehentlich nicht in die Tagesordnung aufgenommen worden war. Die Ergänzung der Tagesordnung erfolgte demnach ersichtlich in dem Bemühen, diesen Fehler zu korrigieren, ohne eine weitere Versammlung einberufen zu müssen. Dafür, dass es den Teilnehmern dabei darauf angekommen wäre, den nicht anwesenden Eigentümer von der Teilnahme an der Wahl auszuschließen, liegen keine Anhaltspunkte vor.

III.

Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG; deshalb erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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