OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 282/15 – Beschluss vom 17.06.2016
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, von den dort sowie im Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss vom 2. November 2015 geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.
Gründe
I.
Der in Rede stehende Grundbesitz, ein Wohnungseigentum, ist im Bestandsverzeichnis des Grundbuches zunächst mit den im hiesigen Beschlusseingang wiedergegebenen Angaben eingetragen; des weiteren ist wegen des Gegenstandes und des Inhalts des Sondereigentums auf Eintragungsbewilligungen aus dem Jahre 1985 Bezug genommen. Aus der Teilungserklärung, auf die sich die Bewilligungen beziehen, ist ersichtlich, dass seinerzeit die beiden sich heute auf dem Grundstück befindenden Gebäude noch errichtet werden sollten. Der Aufteilungsplan, auf den die Teilungserklärung verweist, sieht für das Wohnungseigentum Nr. 3 zwei Loggien vor: eine größere auf der von der O.-straße her gesehen linken Gebäudeseite im Anschluss an einen mit „Wohnen“ bezeichneten Raum sowie eine kleinere zur rechten Seite hin im Anschluss an einen mit „Schlafen“ bezeichneten Raum. Ferner ist eine (kleine) Küche als vom Wohnbereich abgeteilte Fläche vorgesehen.
Nach Angaben der Beteiligten zu 1. und 2. erfolgte die Bauausführung entgegen dem Aufteilungsplan. Nach einem als „Nachtrag“ bezeichneten, undatierten weiteren Grundriss, der vom Beteiligten zu 2.a) zur Grundakte gereicht worden ist, wurde einerseits unter Wegfall der Küchenfläche ein vergrößerter Wohn- und Schlafraum geschaffen; andererseits wurden in dem vorgesehenen Schlafraum eine zusätzliche Wand gezogen und die geplante Loggia durch eine Dachfläche mit Velux-Fenster ersetzt sowie von den beiden geschaffenen Räumen der eine als (größere) Küche gestaltet, der andere als Kinderzimmer beschrieben.
Eigentümerin des Grundbesitzes ist die Beteiligte zu 1. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 18. August 2015 (UR-Nr. 485 für 2015 des Verfahrensbevollmächtigten) veräußerte die Beteiligte zu 1. das Wohnungseigentum an die Beteiligten zu 2. (zu je ½ Anteil). Unter § 1 Nr. 1. wurde der Grundbesitz beschrieben, dessen Eigentümer der Verkäufer sei; hierbei wurde zunächst der Inhalt des Bestandsverzeichnisses übernommen, sodann folgte der Satz: „Tatsächlich ist nur 1 Loggia vorhanden.“ Unter § 6 Nr. 2. bewilligten und beantragten die Vertragsparteien die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des dem Käufer nach § 1 der Urkunde zustehenden Anspruches auf Übertragung des Eigentums an dem Kaufgegenstand. Außerdem bestellten die Beteiligten zu 2. – unter Ausnutzung der ihnen im Kaufvertrag von der Beteiligten zu 1. erteilten Belastungsvollmacht – mit weiterer notarieller Urkunde gleichfalls vom 18. August 2015 (UR-Nr. 486 für 2015 des Verfahrensbevollmächtigten) eine Grundschuld zugunsten der Beteiligten zu 3.
Mit Schriften vom 19. August 2015 haben die Beteiligten vorrangig die Eintragung des bestellten Grundpfandrechtes nebst Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung – sowie den Vollzug bestimmter Löschungen in Abt. III – und hernach die Eintragung der Vormerkung beantragt.
Durch die angefochtene Zwischenverfügung hat das Grundbuchamt im Kern beanstandet, der Erledigung dieser Anträge stehe entgegen, dass der tatsächliche Umfang des begründeten Sondereigentums nicht der Eintragung im Grundbuch und damit nicht dem Gegenstand von Kauf, Eigentumsübertragung und Belastung entspreche, weil es an einer zweiten Loggia fehle; dementsprechend sei eine Änderung der Teilungserklärung durch sämtliche Wohnungseigentümer erforderlich.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten mit ihrer am 16. Oktober 2015 bei Gericht eingegangenen Beschwerde.
Mit weiterem Beschluss vom 2. November 2015 hat das Grundbuchamt diesem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ergänzend ausgeführt, unter Berücksichtigung der rechtlichen Bedeutung eines Aufteilungsplanes sowie sämtlicher vorgenommener Änderungen (über den Wegfall einer Loggia hinaus) handele es sich im vorliegenden Fall nicht um eine nur unwesentliche Planabweichung; selbst wenn man jedoch von einer insgesamt geringfügigen Abweichung ausgehe und sich der Auffassung anschließe, in einem derartigen Fall sei das Sondereigentum entsprechend der tatsächlichen Bauausführung entstanden, bedürfe es vor jeder weiteren Eintragung zumindest der Berichtigung des Aufteilungsplanes und des Grundbuchs nach § 22 GBO.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der hiesigen Grundakte und der die Teilungserklärung enthaltenden Grundakte zu Blatt 8785 Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 71 Abs. 1, 72, 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GBO als Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten ist nach der vom Grundbuchamt ordnungsgemäß – und eingehend begründeten – Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen (vgl. § 75 GBO). Es hat auch in der Sache Erfolg. Die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes ist zwar unter formalen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, doch besteht das von ihm gesehene Eintragungshindernis nicht. Die Vollzugsreife der gestellten Anträge setzt weder eine vorherige Berichtigung des Grundbuchs noch eine vorherige Änderung der Teilungserklärung voraus.
1.
a)
Das hier in Rede stehende Wohnungseigentum ist auch hinsichtlich des Sondereigentums entstanden.
Die Entstehung von Sondereigentum wird grundsätzlich nicht dadurch gehindert, dass die tatsächliche Aufteilung des errichteten Gebäudes von der nach dem Aufteilungsplan vorgesehenen abweicht. Ein in dem Aufteilungsplan vorgesehenes Sondereigentum gelangt nur dann nicht wirksam zur Entstehung, wenn es gegen sonstiges Sondereigentum und gegen das Gemeinschaftseigentum nicht mehr eindeutig abgrenzbar ist; mit anderen Worten muss die Art und Weise der Planabweichung es unmöglich machen, die errichteten Räume einer in dem Aufteilungsplan ausgewiesenen Raumeinheit zuzuordnen (BGH NJW 2004, 1798 ff.; BGHZ 177, 338 ff.; BGH NJW 2011, 3237 ff.; BGH NJW 2016, 473 ff.).
Hier ist auch unter Berücksichtigung der Abweichungen vom Aufteilungsplan eindeutig, welche Räume zur Einheit Nr. 3 gehören und welche nicht.
b)
Das Sondereigentum ist auf der Grundlage der neuesten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur seiner Lage, sondern auch seiner Größe nach in den vom Aufteilungsplan vorgegebenen Grenzen entstanden.
Bei der Auslegung von Grundbucheintragungen ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Eintragung sowie der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergeben. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen zur Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Grundstücksrechts nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind. Danach ist für die Abgrenzung des Sondereigentums nicht die tatsächliche Bauausführung, sondern der Aufteilungsplan maßgeblich. Letzterer soll sicherstellen, dass dem Bestimmtheitsgrundsatz des Sachen- und Grundbuchrechts Rechnung getragen wird, indem er die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe des Sondereigentums und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich macht (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WEG), der Eintragungsbewilligung beizufügen ist (a.a.O.) und durch die Bezugnahme der Eintragung auf die Eintragungsbewilligung (§ 7 Abs. 3 WEG) zum Inhalt des Grundbuchs wird. Bei Grundstücken ergibt sich der Grenzverlauf aus der dem Liegenschaftskataster zugrundeliegenden Liegenschaftskarte. Dieselbe sachenrechtliche Abgrenzungsfunktion wie das Liegenschaftskataster erfüllt bei der Aufteilung im Wohnungseigentum der Aufteilungsplan, der an die Stelle der Vermessung und katastermäßigen Erfassung tritt; dieser sachenrechtlichen Abgrenzungsfunktion entsprechend regelt er aber grundsätzlich auch nur die räumliche Abgrenzung und nicht die Nutzung der Räumlichkeiten, weshalb es sich bei Bezeichnungen im Aufteilungsplan wie etwa „Wohnen“, „Schlafen“ oder „Kind“ in aller Regel um bloße Nutzungsvorschläge handelt. Demgegenüber hat der tatsächliche Besitzstand bei der Auslegung der Eintragung außer Betracht zu bleiben, weil er als Umstand außerhalb des Grundbuchs nicht für jedermann erkennbar ist. Im vorstehenden Zusammenhang ist auch unerheblich, in welchem Ausmaß die tatsächliche Bauausführung vom Aufteilungsplan abweicht. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreitete Auffassung, Sondereigentum entstehe ausnahmsweise in den von der tatsächlichen Bauausführung vorgegebenen Grenzen, wenn diese nur unwesentlich vom Aufteilungsplan abweiche, hat der BGH ausdrücklich abgelehnt (BGH NJW 2016, 473 ff. m.w.Nachw.; BGH ZMR 2013, 452 f.).
Nach diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, erscheint bereits zweifelhaft, ob im gegebenen Fall überhaupt eine Planabweichung im rechtlich erheblichen Sinne, das heißt gemessen an der sachenrechtlichen Abgrenzungsfunktion des Aufteilungsplans, vorliegt. Das ist hinsichtlich der geänderten Nutzungen (Schlafen, Küche, Kind) sicherlich nicht der Fall. Es gilt aber auch im Hinblick auf die gezogene Zwischenwand, da sich diese vollständig innerhalb der Sondereigentumseinheit befindet. Anders verhält es sich jedoch auch nicht bezüglich der Verlegung der Küche; selbst wenn hierfür eine Verlegung von Rohren und Zuleitungen innerhalb von im Gemeinschaftseigentum stehenden Wänden erforderlich gewesen sein sollte, gibt ein Aufteilungsplan über derartige Umstände keinen Aufschluss und soll es auch nicht. Zweifelhaft könnte das Vorliegen einer relevanten Planabweichung allenfalls wegen des Wegfalls der kleineren Loggia im heutigen Kinderzimmer sein. Immerhin hat hierdurch einerseits das Gebäudedach als Gemeinschaftseigentum tatsächlich einen anderen Verlauf, als im Plan vorgesehen, und spricht andererseits alles dafür, dass die Größe des Sondereigentums bei einem „normal“ abfallenden Dach mit Veluxfenster geringer ist als unter Einbeziehung der Grundfläche der Loggia.
Letztlich kommt es indes auf diese Erwägungen nicht entscheidend an. Denn selbst wenn mit Blick auf die zweite Loggia eine rechtliche relevante Abweichung der tatsächlichen Bauausführung vom Aufteilungsplan vorliegen sollte, ist – wie zuvor gezeigt – das Sondereigentum nach Maßgabe des zur Eintragung in das Grundbuch gelangten Aufteilungsplans entstanden, und zwar unabhängig davon, ob man die Abweichung als wesentlich oder unwesentlich ansieht.
2.
Das so beschriebene Wohnungseigentum ist nach den materiell-rechtlichen Erklärungen der Beteiligten verkauft worden, und dieses soll aufgelassen und belastet werden. Nicht hingegen beziehen sich Kauf, Auflassung und Belastung auf das Sondereigentum in den Grenzen der tatsächlichen Bauausführung.
In der Grundschuldbestellungsurkunde haben die Beteiligten den Belastungsgegenstand ohnehin ausschließlich in Übereinstimmung mit der Eintragung im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs beschrieben. Aber auch aus § 1 Nr. 1. des Kaufvertrages ergibt sich nichts Anderes. Grundsätzlich entspricht es den vernünftigen Interessen beider Vertragsparteien, eine wirksame Eigentumsübertragung zu erzielen. Bezöge sich nun die Einigung der Beteiligten zu 1. und 2. lediglich auf das Sondereigentum gemäß tatsächlicher Bauausführung, bliebe dieser Gegenstand gegenüber dem Sondereigentum, wie es rechtlich entstanden ist, zurück, mag die Abweichung auch nur geringfügig sein. Dann aber wäre die Auflassung insgesamt unwirksam; da unzweifelhaft der gesamte Miteigentumsanteil übereignet werden soll, hätte sie die gemäß § 6 Abs. 1 WEG unzulässige Entstehung eines – wenngleich kleinen – isolierten Sondereigentumsanteils zur Folge (vgl. hierzu BGH NJW 2016, 473 ff. – Tz. 29). Auch die Hinzufügung im Kaufvertrag, tatsächlich sei nur eine Loggia vorhanden, muss nicht zwingend dahin verstanden werden, die Vertragsparteien hätten ausschließlich Sondereigentum im Umfang mit einer (der größeren) Loggia verkaufen und übereignen wollen. Vielmehr lässt sich diese Klausel auch zwanglos so deuten, die Vertragsparteien seien sich, da ihnen beiden das Vorhandensein lediglich einer Loggia bekannt sei, einig, dass die Beteiligten zu 2. im Verhältnis zur Beteiligten zu 1. aus dem gegenwärtigen Fehlen einer zweiten Loggia keinerlei Rechte sollen herleiten können.
3.
Aus dieser Lage ergibt sich für das Grundbuchverfahren die Vollzugsreife der Eintragungsanträge.
Das ergibt sich nach den vorangegangenen Ausführungen für die Anträge und Eintragungsbewilligungen im Zusammenhang mit Grundpfandrecht und Auflassungsvormerkung ohne Weiteres. Aber auch der zu sichernde Anspruch ist nach Gläubiger, Schuldner, Inhalt und Gegenstand eindeutig bestimmt und damit vormerkungsfähig (zur diesbezüglichen Prüfung durch das Grundbuchamt: Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, Anh. § 44 Rdnr. 87 m.w.Nachw.).
Schließlich ist auch das Erfordernis der Voreintragung des Betroffenen, § 39 Abs. 1 GBO, erfüllt. Diese Voraussetzung ist von der Prüfungskompetenz des Grundbuchamtes – selbstverständlich – umfasst (und nach dem Eindruck des Senats resultieren die vom Grundbuchamt geltend gemachten Bedenken zumindest auch, wenn nicht in erster Linie aus dem vorgenannten rechtlichen Gesichtspunkt). Auch trifft es zu, dass es für die Voreintragung des Betroffenen nicht genügt, dass allein die Person des Berechtigten aus dem Grundbuch ersichtlich ist; vielmehr muss, da die Eintragung ein einheitliches Ganzes bildet, auch das betroffene Recht in allen seinen Rechtsbeziehungen so eingetragen sein, wie es der materiellen Rechtslage entspricht (Demharter a.a.O., § 39 Rdnr. 14 m.w.Nachw.). Jedoch folgt aus den Darstellungen oben unter 1. und 2., dass das Grundbuch im vorliegenden Fall materiell-rechtlich nicht unrichtig ist (vgl. auch BGH NJW 2016, 473 ff. – Tz 17 -, wo in einem Fall der Divergenz zwischen Aufteilungsplan und Bauausführung eine Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB ausdrücklich verneint wurde). Hiervon zu trennen sind die Fragen, ob die Beteiligten zu 2. mit dem Wohnungseigentum einen Anspruch auf Herstellung eines plangerechten Zustandes oder auf Anpassung von Teilungserklärung und Aufteilungsplan gegen die übrigen Eigentümer erwerben; das ist für das Grundbuchverfahren ohne Belang.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Es besteht kein Grund, die Beteiligten entgegen der Regel der §§ 25 Abs. 1, 22 Abs. 1 GNotKG mit Gerichtskosten für ihr erfolgreiches Rechtsmittel zu belasten, und eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet bereits deshalb aus, weil am Beschwerdeverfahren nur sie selbst beteiligt sind.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO liegen nicht vor.
Angesichts dessen erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung.