OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 217/11 – Beschluss vom 03.01.2012
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, von den dort geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.
Gründe
I.
Als Eigentümer des im Beschlusseingang bezeichneten Grundbesitzes waren in Blatt 417 die Beteiligte zu 1. und ihr im Jahre 2008 verstorbener Ehemann, in Blatt 1944 allein letzterer verzeichnet. Ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 3. September 2008 ist der Ehemann beerbt worden von der Beteiligten zu 1. sowie von seinen vier Kindern zu je 1/5 Anteil. Des weiteren verlautbart der Erbschein, bezüglich der vier Kinder sei Nacherbfolge angeordnet, die mit dem Tode der Vorerben eintrete; Nacherben seien die Abkömmlinge der Kinder und ersatzweise die noch lebenden Kinder zu gleichen Teilen; Testamentsvollstreckung sei angeordnet. Das der Beteiligten zu 1. erteilte Testamentsvollstreckerzeugnis gleichfalls vom 3. September 2008 lautet dahin, die Beteiligte zu 1. sei zur Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des (mit Personaldaten näher bezeichneten) Ehemannes ernannt worden. Als Eigentümer des hier in Rede stehenden Grundbesitzes sind gegenwärtig in Blatt 417 die Beteiligte zu 1. zu ½ Anteil sowie diese und die vier Kinder in Erbengemeinschaft zur anderen Hälfte, in Blatt 1944 die fünf Miterben in Erbengemeinschaft eingetragen. In Abt. II ist in beiden Blättern jeweils unter lfd. Nr. 4 ein Testamentsvollstreckervermerk und unter lfd. Nr. 5 ein Nacherbenvermerk eingetragen.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 1. Februar 2011 veräußerte die Beteiligte zu 1., handelnd als Miteigentümerin und Erbin sowie als Testamentsvollstreckerin für den Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes, den Grundbesitz an den Beteiligten zu 2.
Mit Schrift vom 17. Mai 2011 hat der vertretende Notar (unter anderem) die Eigentumsumschreibung und die Löschung der vorbezeichneten Vermerke beantragt.
Daraufhin hat das Grundbuchamt mit als Zwischenverfügung bezeichnetem Schreiben vom 17. August 2011 mitgeteilt, den Anträgen könne nicht entsprochen werden, da nach Aktenlage die Verfügungsbefugnis der Testamentsvollstreckerin auch für die Nacherben nicht feststehe; sollte sie nicht auch nachweislich für die Nacherben gemäß § 2222 BGB handeln können, würden die Verfügungsbeschränkungen der im vorliegenden Fall nicht befreiten Vorerben auch für sie gelten, so dass die Nacherben, gegebenenfalls nach Bestellung eines Ergänzungspflegers, in der Form des § 29 GBO dem Vertrag zustimmen müssten, anderenfalls die Löschung des Nacherbenvermerks nicht erfolgen könne. Des weiteren hat das Grundbuchamt in der angefochtenen Zwischenverfügung unter Bezugnahme auf das vorstehend wiedergegebene Schreiben ausgeführt, nach dem erteilten Erbschein seien die Nacherben nicht durch eine Testamentsvollstreckung beschränkt und könnten daher nicht durch die Beteiligte zu 1. als Testamentsvollstreckerin vertreten werden; um die Anträge erledigen zu können, sei entweder die Ausfertigung eines Erbscheins, aus dem sich ergebe, dass Testamentsvollstreckung auch für die Nacherben angeordnet sei, oder eine Zustimmungserklärung der Nacherben in der Form des § 29 GBO zum Veräußerungsvertrag einzureichen.
Gegen diese Zwischenverfügung wendet sich der vertretende Notar mit seiner ersichtlich für die Beteiligten eingelegten Beschwerde. Dieser hat das Grundbuchamt mit – näher begründetem – Beschluss vom 6. September 2011 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakten Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 71 Abs. 1, 72, 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GBO als Beschwerde der Beteiligten zulässige Rechtsmittel, das nach der vom Grundbuchamt ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 75 GBO beim Senat zur Entscheidung angefallen ist, hat auch in der Sache Erfolg. Die angegriffene Zwischenverfügung kann – ungeachtet formeller Bedenken – jedenfalls deshalb keinen Bestand haben, weil das vom Grundbuchamt gesehene Eintragungshindernis nicht besteht.
Erklärt – wie hier – ein Testamentsvollstrecker als Veräußerer die Auflassung, hat das Grundbuchamt wegen § 20 GBO seine Verfügungsbefugnis zu prüfen (BayObLG Rpfleger 1986, S. 470 f.). Diese ist gemäß §§ 35 Abs. 2 GBO, 2368 BGB bei einem privatschriftlichen Testament, wie es im vorliegenden Fall gegeben ist, nur auf Grund eines Testamentsvollstreckerzeugnisses als nachgewiesen anzunehmen. Ist ein derartiges Zeugnis erteilt, ist das Grundbuchamt zu einer eigenen, ergänzenden oder berichtigenden Auslegung der Verfügungen von Todes wegen nicht berechtigt (OLG München ZEV 2010, S. 195 ff. m.w.Nachw.; BayObLG Rpfleger 1999, S. 25 f.; BayObLG FamRZ 1991, S. 984 ff.).
Im Falle der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft gelten die Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB für den Testamentsvollstrecker anerkanntermaßen jedenfalls dann nicht, wenn er zugleich für Vorerben und Nacherben eingesetzt ist; insbesondere sind dann ungeachtet des § 2113 Abs. 1 BGB entgeltliche Grundstücksverfügungen gegenüber dem Nacherben ohne dessen Zustimmung wirksam. Denn in diesem Fall vereinigen sich in der Person des Testamentsvollstreckers die beschränkte Verfügungsbefugnis des Vorerben und das Zustimmungsrecht des Nacherben (BGHZ 40, 115 ff.; BayObLG Rpfleger 1986, S. 470 f. sowie FamRZ 1991, S. 984 ff.; MK-Zimmermann, BGB, 5. Aufl. 2010, § 2205 Rdnr. 64 und § 2222 Rdnr. 9; Soergel-Damrau, BGB, Stand 2002/2003, § 2205 Rdnr. 58; Staudinger-Reimann, BGB, Neubearb. 2003, § 2205 Rdnr. 60; jeweils m.w.Nachw.).
Im einzelnen ist das Testamentsvollstreckerzeugnis so zu fassen, dass in ihm jeder von den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 2203 ff. als Regelinhalt abweichende Inhalt der konkret angeordneten Testamentsvollstreckung angegeben wird, soweit er für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten bedeutsam ist (BayObLG Rpfleger 1999, S. 25 f. m.w. Nachw.; MK-J-Mayer a.a.O., § 2368 Rdnr. 36). Deshalb ist zwar die besondere Form der Nacherbenvollstreckung gemäß § 2222 BGB im Testamentsvollstreckerzeugnis gesondert anzugeben; denn dessen Rechtsstellung unterscheidet sich vom „Normaltypus“ der Testamentsvollstreckung, weil sich seine Rechte und Pflichten im wesentlichen nicht aus den §§ 2203 ff. BGB, sondern als Beschränkung auf die Rechte des Nacherben gegenüber dem Vorerben aus den §§ 2216 ff. BGB ergeben (MK-Zimmermann a.a.O., § 2222 Rdnr. 2 und MK-J.Mayer a.a.O., § 2368 Rdnr. 37; Soergel-Damrau a.a.O., § 2222 Rdnr. 1 und Soergel-Zimmermann a.a.O., § 2368 Rdnr. 9; Staudinger-Reimann a.a.O., § 2205 Rdnr. 156/159, § 2222 Rdnr. 1 f./4). Anderes gilt jedoch bei der Anordnung einer „gewöhnlichen“ Testamentsvollstreckung für die Vor- und Nacherbschaft, bei der es sich im Grundsatz um zwei aufeinanderfolgende „ganz normale“ Testamentsvollstreckungen handelt (eingehend Staudinger-Reimann a.a.O., Rdnr. 158). Diese Form der Testamentsvollstreckung kann auch in einem einheitlichen Testamentsvollstreckerzeugnis verlautbart werden (BayObLGZ 1959, S. 128 ff., dort auch zur Abgrenzung von § 2222 BGB; Staudinger-Herzog, BGB, Neubearb. 2010, § 2368 Rdnr. 9; Bamberger/Roth-Siegmann/Höger, BGB, 2. Aufl. 2008, § 2368 Rdnr. 16). Wird mit anderen Worten bei Vor- und Nacherbschaft im Zeugnis allgemein verlautbart, dass Testamentsvollstreckung angeordnet sei, besagt dies gemäß § 2368 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass sie auch nicht in zeitlicher Hinsicht begrenzt sei, also auch nicht auf die Zeit der Vorerbschaft, mithin einheitlich für Vor- und Nacherbschaft (BayObLG FamRZ 1991, S. 984 ff.).
Im hier gegebenen Fall lässt das Testamentsvollstreckerzeugnis – im übrigen ebenso wie der Erbschein – zwar nicht das Bestehen einer Testamentsvollstreckung gemäß § 2222 BGB erkennen. Darauf kommt es aber, wie gezeigt, nicht maßgeblich an. Denn dem Testamentsvollstreckerzeugnis (wie auch dem Erbschein) kann infolge des Fehlens jeglicher Beschränkungen das Bestehen einer „gewöhnlichen“ Testamentsvollstreckung für Vor- und Nacherbschaft entnommen werden. Anhaltspunkte für die Beschränkung der Testamentsvollstreckung entweder auf die Vorerbschaft oder die Nacherbschaft sind dem Zeugnis (und auch dem Erbschein) nicht zu entnehmen.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen nicht an, § 131 Abs. 3 und 7 KostO, und am Beschwerdeverfahren sind allein die Beschwerdeführer beteiligt.
Angesichts dessen besteht auch kein Anlass für eine Wertfestsetzung von Amts wegen.
Ebensowenig gibt es einen Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO.