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Grundbuchverfahren – Ausnutzung eines Rangvorbehalts durch den Grundstückskäufer

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 449/10 – Beschluss vom 14.07.2011

Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Eintragungsantrag vom 14.10.2010 nicht aus den Gründen der Zwischenverfügung vom 21.10.2010 zurückzuweisen.

Gründe

Die Antragsteller zu 1) und 2) haben am …2010 zu UR-Nr. …/2010 des Verfahrensbevollmächtigten einen Kaufvertrag mit Auflassung geschlossen, durch den die Antragsteller zu 2) den hier betroffenen Grundbesitz von dem Antragsteller zu 1) erworben haben. In dem Vertrag ist eine Finanzierungsvollmacht enthalten, mit der der Verkäufer den Käufern Vollmacht erteilt, “ ihn bei der Bestellung von Grundpfandrechten in beliebiger Höhe zu Gunsten beliebiger Gläubiger mit beliebigen Zins- und Zahlungsbedingungen zu vertreten und alle hierzu erforderlichen Erklärungen abzugeben einschließlich der Unterwerfung des jeweiligen Eigentümers unter die sofortige Zwangsvollstreckung gem. § 800 ZPO in den Grundbesitz.“

Ferner bewilligten und beantragten die Antragsteller zu 1) und 2) in der Urkunde die Eintragung einer Auflassungsvormerkung für die Antragsteller zu 2) sowie die Eintragung eines Rangvorbehalts für Grundpfandrechte bis zur Höhe des Kaufpreises nebst bis zu 20 % Jahreszinsen und einer einmaligen Nebenleistung von 10 %. Daran anschließend heißt es: „Dieser Rangvorbehalt gilt nur für solche Grundpfandrechte, die unter persönlicher Mitwirkung des Käufers bestellt sind.“

Am …2010 erfolgte die Eintragung der Auflassungsvermerkung samt Rangvorbehalt in Blatt … Abt. …, lfde. Nr. …

Zu UR-Nr. …/2010 des Verfahrensbevollmächtigten bestellten die Antragsteller zu 2) am 12.10.2010 im eigenen Namen und “ aufgrund ihnen in der in der Urkunde des amtierenden Notars vom ….2010, UR.-Nr. …/10 erteilten Vollmacht für Herr A “ eine Buchgrundschuld in Höhe von 272.000,00 € nebst 12 % Zinsen zu Gunsten der Beteiligten zu 3). Im Rahmen der zu der Rangbestimmung der Grundschuld getroffenen Regelung wurde die Eintragung der Grundschuld unter teilweiser Ausnutzung des hierzu eingetragenen Rangvorbehalts bewilligt und beantragt.

Unter dem 14.10.2010 hat der Verfahrensbevollmächtigte auch im Namen der Gläubigerin beantragt, die Grundschuld an zunächst rangbereitester Stelle unter teilweiser Ausnutzung des hierzu eingetragenen Rangvorbehalts im Grundbuch einzutragen.

Mit Zwischenverfügung vom 21.10.2010 gab die Grundbuchrechtspflegerin als Eintragungshindernis an, die im Kaufvertrag enthaltene Vollmacht zur Bestellung von Grundpfandrechten ermächtige den Käufer nicht zur Ausnutzung des Rangvorbehalts.

Dagegen richtet sich die durch den Verfahrensbevollmächtigten unter dem 27.10.2010 eingelegte Beschwerde, mit der u. a. geltend gemacht wird, daraus, dass der Rangvorbehalt ausschließlich durch Finanzierungsgrundpfandrechte der Käufer ausgenutzt werden dürfe, ergebe sich auch die Befugnis zur Ausnutzung des Rangvorbehalts.

Mit Beschluss vom 02.11.2010 hat die Grundbuchrechtspflegerin der Beschwerde „des Notars B“ nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, die Vollmacht der Käufer reiche nicht aus zur Ausnutzung des Rangvorbehalts, da sie hier ausdrücklich nur zur Bestellung von Grundpfandrechten und der dinglichen Zwangsvollstreckungsunterwerfung erteilt worden sei, aber keine Ausführungen zur Ausnutzung des Rangvorbehalts enthalte. Daher sei die Vollmacht eindeutig und kein Raum für eine Auslegung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Bewilligung eines Rangvorbehalts im Kaufvertrag. Auch sei die Ausnutzung des Rangvorbehalts keine zur Eintragung der Grundschuld erforderliche Erklärung. Der Hinweis des Notars, dass sich die Bevollmächtigung aus dem Gesamtzusammenhang ergebe und die Bank ohne Ausnutzung des Rangvorbehalts nicht auszahle, stelle die wirtschaftlichen Gesichtspunkte über das Grundbuchverfahrensrecht, insbesondere die Notwendigkeit von zweifelsfreien Erklärungen entsprechend dem Bestimmtheitsgrundsatz. Im Übrigen sei bei Zweifeln über den Umfang einer Vollmacht der geringere Umfang anzunehmen soweit der größere Umfang nicht beweisbar sei.

Die Beschwerde, über die nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG in Verbindung mit § 72 GBO nach der hier erfolgten Nichtabhilfeentscheidung nach § 75 GBO das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist zulässig ( §§ 71 Abs. 1, 73 GBO). Trotz der abweichenden Formulierung in dem Beschwerdeschreiben vom 27.10.2010 und dem Nichtabhilfeschluss vom 02.11.2010 ist davon auszugehen, dass nicht der Verfahrensbevollmächtigte selbst der Antragsteller ist, sondern die von ihm vertretenen Beteiligten zu 1) bis 3). Bei fehlender Angabe, in wessen Namen Beschwerde eingelegt wird, sind als Beschwerdeführer, falls sich aus den Umständen nicht zweifelsfrei etwas anderes ergibt, alle Antragsberechtigten anzusehen (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 15, Rdnr. 20).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Zwischenverfügung vom 21.10.2010 ist schon formell fehlerhaft, da sie nicht – wie erforderlich- das Mittel zur Beseitigung des Eintragungshindernisses angibt (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 18, Rdnr. 31; Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdnr. 450, 451). Sie ist aber auch inhaltlich unzutreffend.

Das Grundbuchamt ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass es den Umfang der Finanzierungsvollmacht – wie auch sonst einer Vollmacht- selbständig zu prüfen hat, auch wenn der Urkundsnotar die Vollmacht für ausreichend angesehen hat (vgl. Demharter, aaO., § 19 Rdnr. 74 m. w. N.). Für die Auslegung einer Vollmacht gelten generell die für Grundbucherklärungen aufgestellten Grundsätze. Es ist also auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (OLG München FGPrax 2006, 101).

Der Inhalt der Finanzierungsvollmacht in der Urkunde vom …2010 ist hinsichtlich der Ausnutzung des Rangvorbehalts nicht eindeutig, weil dieser nicht ausdrücklich als von der Vollmacht umfasst aufgeführt wird.

Daraus, dass die Ausnutzung des Rangvorbehalts nicht ausdrücklich als zum Inhalt der Vollmacht gehörig angegeben worden ist, folgt aber auch keine Eindeutigkeit in dem von der Grundbuchrechtspflegerin angenommenen Sinn. Dies ergibt sich aus der in der Urkunde vom ….2010 unter der Überschrift „AUFLASSUNGSVORMERKUNG/AUFLASSUNG“ im 3. Absatz enthaltenen Regelung, die festlegt, dass der vereinbarte Rangvorbehalt nur für solche Grundpfandrechte gilt, die unter persönlicher Mitwirkung des Käufers bestellt werden, was auch das Handeln des Käufers auf Grund der Finanzierungsvollmacht umfasst. Diese Regelung wäre sinnlos, wenn die Vollmacht nicht auch die Bestellung von Grundpfandrechten unter Ausnutzung des Rangvorbehalts umfassen würde.

Darüber hinaus ist –unabhängig von dieser besonderen Regelung im hier vorliegenden Fall- in Rechtsprechung (Oberlandesgericht Düsseldorf Rpfleger 2000, 156) und Literatur (Demharter, aaO., § 45, Rdnr. 41; Hügel/Zeiser: GBO, 2. Aufl., § 45, Rdnr. 79; Meikel/Streck: Grundbuchrecht, 10. Aufl., § 45, Rdnr. 193; Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdnr. 2148, Fußn. 40) anerkannt, dass die Auslegung einer Finanzierungsvollmacht mit dem Inhalt, alle im Zusammenhang damit stehenden „erforderlichen Erklärungen“ für den Verkäufer abzugeben, auch die Ausübung eines Rangvorbehalts durch den Käufer umfasst. Die Auffassung der Rechtspflegerin, die den Begriff der „Erforderlichkeit“ auf die rechtlichen Erfordernisse der Bestellung einer Grundschuld beschränkt, berücksichtigt nicht die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Wie in der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zutreffend ausgeführt wird, erfordert die Erfüllung der Verpflichtung des Verkäufers zur Mitwirkung bei der Belastung des Kaufgegenstandes zur Kaufpreisfinanzierung die Verschaffung der ersten Rangstelle, da dies nach allgemeiner Praxis der Gläubigerbanken Voraussetzung der Finanzierungsdarlehen ist.

Dagegen ist bereits aus der Erteilung der Finanzierungsvollmacht einschließlich der Befugnis zur Unterwerfung unter die dingliche Zwangsvollstreckung im Zusammenhang mit den der Sicherstellung des Verkäufers dienenden Regelungen des Sicherungszweckes ersichtlich, dass keine weitere Mitwirkung der Verkäuferseite bei dem Vertragsvollzug vorgesehen war, also auch nicht im Rahmen der Grundschuldbestellung und ihrer Rangbestimmung.

Auf Grund des Erfolges der Beschwerde bedurfte es weder einer Kostenentscheidung, noch einer Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

 

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