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Bewilligungsmacht Wohnungseigentumsverwalters während Coronapandemie

OLG Nürnberg – Az.: 15 W 2283/21 – Beschluss vom 12.07.2021

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Regensburg vom 15.06.2021, Az. RB-21924-15, aufgehoben.

Gründe

I.

Die jeweiligen Eigentümer der Beteiligten zu 1 sind Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr., eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Regensburg von R., Band, Blatt bis . Mit notarieller Urkunde vom 06.05.2021, URNr. 1532/2021 und 1796/2021, bestellten diese für den jeweiligen Eigentümer des Grundstück Fl.Nr. 1 der Gemarkung R., eine Grunddienstbarkeit u.a. des Inhalts, dass die Berechtigten berechtigt sind, über den Innenhof des dienenden Grundstücks einen Kamin zu führen bzw. zu installieren. Die Eintragung der Grunddienstbarkeit wurde im Namen der Beteiligten zu 1 durch ihren Verwalter beantragt und bewilligt.

Mit Schreiben vom 11.06.2021 beantragte der Urkundsnotar den Vollzug der Urkunde.

Das Amtsgericht – Grundbuchamt – Regensburg erließ am 15.06.2021 eine Zwischenverfügung dahingehend, dass der beantragten Eintragung ein Hindernis entgegenstehe. Zur Bestellung eines Rechts an dem Grundstück sei die Bewilligung aller eingetragenen Betroffenen, also sämtlicher Wohnungseigentümer, erforderlich. Die Bewilligung durch den Verwalter genüge nicht, da in der Teilungserklärung keine entsprechende Öffnungsklausel enthalten sei.

Hiergegen legte der Urkundsnotar mit Schreiben vom 21.06.2021 Beschwerde ein. Gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 WEG sei der Verwalter kraft Gesetztes zur Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt. Die gesetzliche Vollmacht sei unbeschränkt und unbeschränkbar. Auf Öffnungsklauseln komme es nicht an.

Der Beschwerde half das Grundbuchamt mit Beschluss vom 29.06.2021 nicht ab.

II.

1.

Das gegen die Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO gerichtete Rechtsmittel ist als unbeschränkte Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO) statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 73, 15 GBO, §§ 7 Abs. 1, 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG).

Obwohl er anzugeben hat, für wen er die Beschwerde führt (BayObLG, Beschluss vom 02.08.1989 – BReg 2 Z 86/89 –, juris Rn. 13; Demharter, GBO, 30. Auflage, § 15 Rn. 20), beschränkt sich der Notar im vorliegenden Fall darauf, das Rechtsmittel einzulegen, ohne die Personen zu bezeichnen, für die er es einlegt. Fehlt eine solche Angabe, so sind – sofern sich, wie hier, aus den Umständen nichts anderes ergibt – als Beschwerdeführer alle Antragsberechtigten anzusehen (BGH, Beschluss vom 24.01.1985 – V ZB 5/84 –, juris Rn. 17; BayObLG, Beschluss vom 24.04.1985 – BReg 3 Z 30/85). Insofern ist zu berücksichtigen, dass aus § 15 GBO dem Notar kein eigenständiges Antragsrecht erwächst und somit auch keine Beschwerdebefugnis (BayObLG, Beschluss vom 02.08.1989 – BReg 2 Z 86/89 –, juris Rn. 12; OLG München, Beschluss vom 28.06.2017 – 34 Wx 421/16 –, juris Rn. 13; KG Berlin, Beschluss vom 11.02.2014 – 1 W 130/13 –, juris Rn. 9; Demharter a.a.O.).

2.

Die Beschwerde hat nicht schon aus formalen Gründen Erfolg. Das Grundbuchamt durfte vorliegend eine Zwischenverfügung erlassen.

Das Grundbuchamt vertritt die Auffassung, dass die Eintragungsbewilligung des Verwalters der Beteiligten zu 1 nicht genügt, sondern die Bewilligungen aller Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft erforderlich sind. Es fordert daher die Beibringung von Bewilligungen nach § 19 GBO. Zwar darf grundsätzlich nicht durch Zwischenverfügung entschieden werden, soweit die Eintragungsbewilligung des unmittelbar Betroffenen noch nicht erklärt ist (Böttcher in Meikel, GBO, 11. Auflage § 18 Rn. 36). Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein Nichtberechtigter die Bewilligung für die Berechtigten abgibt und eine Heilung dieses Mangels mit rückwirkender Kraft entsprechend § 185 BGB, also durch Genehmigung des Berechtigten, erfolgen kann (BGH, Beschluss vom 15. 7. 2010 – V ZB 107/10; BayObLG, Beschluss vom 26.10.1970 – BReg. 2 Z 71/70; KG Berlin, Beschluss vom 14.01.2013 – 1 W 3/13, 1 W 4/13; Demharter, Grundbuchordnung, 30. Auflage, § 19 Rn. 72). Die nach Auffassung des Grundbuchamts fehlende Vertretungsmacht des Verwalters könnte vorliegend durch Genehmigung der Miteigentümer analog § 185 BGB geheilt werden.

3.

In der Sache hat die Beschwerde aber Erfolg. Das Grundbuchamt durfte die Eintragung der Grunddienstbarkeit nicht von der Vorlage der Bewilligung aller Wohnungseigentümer abhängig machen, da der Verwalter als der gesetzliche Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft die Bewilligung für diese aufgrund seiner unbeschränkten Vertretungsmacht wirksam abgegeben konnte.

Der Verwalter vertritt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern aktiv und passiv. Die Vertretungsmacht ist grundsätzlich unbeschränkt. Sie umfasst sowohl die außergerichtliche als auch die gerichtliche Vertretung. Sie greift für die Vertretung in Verfahren aller Gerichtsbarkeiten (Burgmair in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2021, WEG § 9b Rn. 5). Lediglich für den Abschluss von Grundstückskauf– und Darlehensverträgen benötigt der Verwalter nach § 9b Abs. 1 2. Hs. WEG im Außenverhältnis den Beschluss der Wohnungseigentümer.

Unter den Begriff des Grundstückskaufvertrags fallen sämtliche entgeltliche Verpflichtungsgeschäfte, aufgrund derer ein Grundstück, ein Miteigentumsanteil am Grundstück, eine Teilfläche an einem Grundstück, Wohnungs- oder Teileigentum selbst oder grundstücksgleiche Rechte erworben werden. Unerheblich ist, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft als Käuferin und Verkäuferin auftritt (Leidner in BeckOK WEG, Hogenschurz, 44. Edition Stand 02.04.2021, § 9b Rn. 15). Nicht von dieser Ausnahme erfasst sind allerdings dingliche Rechtsgeschäfte oder sonstige Abwicklungsmaßnahmen (BT-Drs. 19/22634, 43; Leidner a.a.O.). Vielmehr hat der Verwalter uneingeschränkte Vertretungsmacht für die Abgabe sämtlicher im Verkehr mit dem Grundbuchamt vorkommender Eintragungsbewilligungen (Walter Böhringer, ZfIR 2020, 773ff).

Ein Nachweis dieser Vertretungsmacht muss nicht geführt werden, da § 9b Abs. 1 S. 3 WEG die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht ausdrücklich anordnet. Daraus folgt, dass der Rechtsverkehr auf die Vertretungsmacht des Verwalters vertrauen kann. Der Vertragspartner muss sich nur über die Wirksamkeit der Verwalterbestellung versichern (Leidner a.a.O. Rn. 11).

Vorliegend ist die Bestellung des Verwalters der Beteiligten zu 1 durch Vorlage des Protokolls über die Eigentümerversammlung am 11.06.2015 Ziffer 6 belegt. Zwar endete die Verlängerung des Verwaltervertrages am 14.06.2020. Allerdings hat sich der Verwalter auf Art. 2 § 6 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie vom 27.03.2020 berufen, wonach der letzte bestellte Verwalter bis zu seiner Abberufung oder der Bestellung eines neuen Verwalters im Amt bleibt.

III.

Die Kostenfolge der zulässigen und begründeten Beschwerde ergibt sich aus dem Gesetz (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG). Für eine Kostenerstattungsanordnung zugunsten der Beschwerdeführer auf der Grundlage von §§ 81 ff. FamFG bestand kein Anlass. Die Staatskasse kommt in Grundbuchsachen grundsätzlich nicht als Beteiligter in Betracht, dem bei erfolgreicher Beschwerde die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers auferlegt werden könnten (Demharter, GBO, 31. Auflage, § 77 Rn. 33).

 

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