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Löschung einer altrechtlichen Dienstbarkeit von Amts wegen

OLG München – Az.: 34 Wx 359/13 – Beschluss vom 31.07.2014

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Grundbuchamt – vom 21. August 2013 aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, das ins Grundbuch des Amtsgerichts Augsburg von Augsburg Bl. 44809 in Abt. II Nr. 1 eingetragene Recht (Anerkenntnis, keine Wirtschaft oder ein lärmendes oder übelriechendes oder durch Rauch belästigendes oder feuergefährliches Gewerbe auf dem Grundstück zu betreiben oder Dampfmaschinen-, Gasmotoren- oder ähnliche Anlagen zu errichten) von Amts wegen zu löschen.

Gründe

I.

Der Beteiligte ist Eigentümer eines bebauten Grundstücks.

In Abt. II lfd. Nr. 1 des Grundbuchs ist – nach Umschreibung – eine Belastung mit folgendem Wortlaut eingetragen:

Der Besitzer hat für sich und seine Rechtsnachfolger anerkannt, daß auf dem Grundstück weder eine Wirtschaft noch ein lärmendes oder übelriechendes oder durch Rauch belästigendes oder feuergefährliches Gewerbe betrieben, noch auch eine Dampfmaschinen-, Gasmotoren- oder ähnliche Anlage errichtet werden darf, lt. Urk. des Not. … vom 10.5.1900 – RNr. 582 – und 04.02.1901 – RNr. 105 – eingetragen am 28.10.1901 und umgeschrieben am 11.04.1996.

Das ursprüngliche Grundbuchblatt oder sonstige Unterlagen zu diesem Recht, wie etwa die Bewilligung, sind weder beim Grundbuchamt noch beim Notariatsnachfolger noch im Staatsarchiv vorhanden.

Im April 2013 erkundigte sich der Beteiligte telefonisch beim Grundbuchamt, wie das eingetragene Recht gelöscht werden könne. Auf Nachfrage des Grundbuchamts teilte er mit Schreiben vom 13.8.2013 mit, dass er an der Löschung des Rechts weiterhin interessiert sei.

Das Grundbuchamt hat daraufhin mit Beschluss vom 21.8.2013 eine Amtslöschung abgelehnt. Soweit für die Zurückweisung erheblich, hat es ausgeführt, auch wenn das Recht nach Inkrafttreten des BGB eingetragen sei, handele es sich noch um eine altrechtliche Dienstbarkeit, da im Bezirk des Amtsgerichts A. Grundbücher erst später für angelegt erklärt wurden. Da die Grundlagenurkunden nicht auffindbar seien, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich aus diesen der Berechtigte ergebe. Möglicherweise habe es nach der früheren Gesetzeslage auch einer ausdrücklichen Verlautbarung des Berechtigten in der Eintragung nicht bedurft. Somit stehe die inhaltliche Unzulässigkeit der Eintragung im Sinne von § 53 GBO nicht fest.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 22.8.2013. Zumindest bei Umschreibung im Jahr 1956 bzw. 1996 sei eine unzulässige Eintragung entstanden, da die Belastung zu diesen Zeitpunkten nur jeweils unter Angabe eines Berechtigten hätte eingetragen werden dürfen.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen. Der Senat hat der (Stadt-) Gemeinde, in deren Gebiet das Grundstück liegt, als möglicher Betroffener Gelegenheit gegeben, zur Löschung Stellung zu nehmen. Diese hat mitgeteilt, dass weder im Liegenschaftsamt noch im städtischen Archiv Urkunden dazu vorhanden seien.

II.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Amtslöschung ist zulässig (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO). Der Beteiligte ist als Eigentümer des von der – nach seiner Ansicht unzulässigen – Eintragung betroffenen Grundstücks beschwerdeberechtigt (Hügel/Kramer GBO 2. Aufl. § 71 Rn. 213). Im Ergebnis ist das Rechtsmittel auch begründet.

1. Nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ist eine Eintragung von Amts wegen zu löschen, wenn sie sich nach ihrem Inhalt als unzulässig erweist. Dem Inhalt nach unzulässig ist eine Eintragung unter anderem dann, wenn das eingetragene Recht überhaupt nicht eintragungsfähig ist oder die Eintragung ein eintragungsfähiges Recht nicht mit dem gesetzlich allein zulässigen Inhalt wiedergibt, insbesondere den Berechtigten nicht ersehen lässt (Demharter GBO 29. Aufl. § 53 Rn. 42 ff.).

2. Zwar sind auch Eintragungen im Grundbuch auslegungsfähig. Zur Auslegung sind aber neben dem Eintragungsvermerk nur offenkundige Tatsachen und die zulässigerweise in Bezug genommenen Urkunden heranzuziehen (vgl. BGH NJW 1985, 385; NJW 2000, 3206; Demharter § 53 Rn. 4 m. w. N.). Daraus ergibt sich:

a) Trotz des Wortlauts („hat anerkannt“) wollte der Eigentümer des Grundstücks nicht nur ein Anerkenntnis im Sinne einer schuldrechtlichen Verpflichtung für sich und seine Rechtsnachfolger begründen, das Grundstück nicht in der bezeichneten Weise zu benutzen, beabsichtigt war erkennbar eine dingliche Belastung. Dafür spricht, dass das „Anerkenntnis“ unbegrenzt für die Zukunft, nämlich für (beliebig viele) Rechtsnachfolger gelten sollte, ferner die Tatsache, dass das Recht im Grundbuch eingetragen worden ist. Seiner rechtlichen Natur nach stellt sich die begründete Verpflichtung nicht als bloße Verfügungs-, sondern als Benutzungsbeschränkung dar. Solche Benutzungsbeschränkungen bilden den typischen Inhalt einer Dienstbarkeit, aufgrund derer der Eigentümer auf dem belasteten Grundstück gewisse Handlungen nicht vornehmen darf (§§ 1018, 1090 BGB; BayObLGZ 1953, 81/84; 1991, 139).

b) Die Eintragung gibt jedoch keinen gesetzlich zulässigen Inhalt wieder, denn der Berechtigte der Dienstbarkeit ist nicht bezeichnet.

Die (nicht vorhandene) Eintragungsbewilligung könnte zur Auslegung der Grundbucheintragung nur insoweit herangezogen werden, als die Bezugnahme überhaupt zulässig ist. Nach § 874 BGB kann bei der Eintragung eines Rechts, mit dem ein Grundstück belastet wird, zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden. Die Möglichkeit der Bezugnahme besteht indessen nicht für die Angabe des Berechtigten einer Dienstbarkeit, die der Kennzeichnung des Rechts selbst dient. Die fehlende Angabe im Grundbuch macht die Eintragung inhaltlich unzulässig (RG JW 1900, 527 Nr. 21; KGJ 23A, 134; BayObLGZ 1953, 81/83).

3. Daran ändert auch nichts, dass sich die Bestellung der Dienstbarkeit noch nach altem Recht beurteilt.

a) Das Grundbuch im Bezirk des damaligen Oberlandesgerichts A. war erst seit dem 1.5.1909 als angelegt anzusehen, von diesem Zeitpunkt an galt das bayerische Hypothekenbuch als Grundbuch im Sinne des BGB (BayObLGZ 1953, 81/83 f.). Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte zwar auch nach dem Inkrafttreten des BGB der Erwerb und Verlust von Eigentum sowie die Begründung eines anderen Rechts an einem Grundstück nach den bisherigen Gesetzen. Ein nach den Vorschriften des BGB unzulässiges Recht konnte aber ab dem 1.1.1900 ohne Rücksicht auf die Anlegung des Grundbuchs nicht mehr begründet werden (BayObLGZ 1953, 81/84 unter Verweis auf Art. 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EGBGB und Art. 177 bayAGBG [in der Fassung vom 9.6.1899]; siehe auch Hügel/Zeiser Alte Rechte Rn. 105).

Für das Grundstück in der ehemaligen Vorstadt rechts der Wertach regelt sich die Bestellung des Rechts nach Augsburger Stadtrecht, subsidiär gilt Gemeines Recht (Völderndorff, Civilgesetzstatistik des Königreichs Bayern, 2. nach der Organisation der Gerichte von 1879 bearbeitete Auflage 1880, S. 18 und 283; Peißl, Civilgesetzstatistik des Königreichs Bayern 1863, S. 108). Das Partikularrecht enthält – abgesehen von Licht- und Fensterrechte betreffenden Gerechtigkeiten (Recht der Stadt Augsburg Abt. V, IV.8.b nach Weber, Darstellung der sämtlichen Provinzial- und Statutarrechte Bayerns, Band IV 1. Teil S. 484) – keine Regelungen zur Dienstbarkeit (Weber S. 339 ff.). Die Dienstbarkeit regelt sich daher nach dem Gemeinen Recht. Danach war es – ebenso wie nunmehr nach §§ 1018 und 1090 BGB – möglich, Dienstbarkeiten entweder zu Gunsten eines bestimmten herrschenden Grundstücks als Grunddienstbarkeiten (Präsidialservituten) oder mit einem ähnlichen Inhalt zu Gunsten einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person als beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (irreguläre Personalservituten) zu bestellen (BayObLGZ 1970, 226/229 m. w. N.). Ebenso konnte aber eine Dienstbarkeit nach dem Gemeinen Recht auch zugunsten ganzer territorialer oder personaler Kreise, insbesondere zugunsten von Gemeinden, bestellt werden, wenn die der Dienstbarkeit zugrunde liegende Berechtigung zur Befriedigung eines konkret begrenzten Bedürfnisses diente und den Charakter der Dauer in sich trug (BayObLGZ 1962, 341/346 m. w. N.).

Wenn auch die durch das Recht begründeten Befugnisse bei diesen Arten von Dienstbarkeiten die gleichen sein können, so unterscheiden sie sich doch hinsichtlich des Berechtigten. Die Grunddienstbarkeit ist als subjektiv dingliches Recht mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden, die beschränkte persönliche Dienstbarkeit steht hingegen einer bestimmten Person zu und ist grundsätzlich nicht übertragbar oder vererblich. Wesentlich für die Kennzeichnung der Dienstbarkeit im Grundbuch ist daher neben der Bezeichnung des Rechts nach seiner Art und seinem Inhalt bei Grunddienstbarkeiten die Angabe des herrschenden Grundstücks, bei beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten die Angabe der berechtigten Person (BayObLGZ 1953, 81/85).

b) Der Eintragung im Grundbuch ist der Berechtigte und damit die Natur der eingetragenen Belastung nicht zu entnehmen, wobei dahinstehen kann, ob dieser auch in der ursprünglichen Eintragung fehlte oder erst Folge späterer Übertragungen war. Die Bezugnahme auf die Bewilligungsurkunde(n) genügte nach dem oben Ausgeführten nicht, auch wenn diese möglicherweise zur Auslegung der Dienstbarkeit hätten beitragen können. Die Eintragung ohne Angabe des Berechtigten ist daher rechtlich bedeutungslos und genießt nicht den Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs. Sie ist von Amts wegen zu löschen (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO).

4. Das Grundbuchamt ist anzuweisen, die Löschung des Rechts vorzunehmen. Der Senat hat die Stadt A. als nach den historischen Gegebenheiten in Frage kommende Rechtsinhaberin angehört. Weitere Berechtigte sind nicht bekannt, deren Kreis nicht sinnvoll bestimmbar. Denn nicht notwendigerweise beschränkt er sich auf unmittelbare Anlieger. Im Übrigen führt die Löschung wegen Unzulässigkeit der Eintragung nicht dazu, dass das Recht materiellrechtlich entfallen würde, insbesondere da die Dienstbarkeit notariell rechtswirksam bestellt worden und ohne Eintragung wirksam sein kann (BayObLGZ 1953, 81/86).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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