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Umschreibung von Wohnungseigentum an Minderjährige aufgrund Vermächtnisses

OLG München – Az.: 34 Wx 200/12 – Beschluss vom 22.08.2012

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 4 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 17. April 2012 in Ziffer II dahingehend abgeändert, dass das Erfordernis der Bestellung eines Ergänzungspflegers entfällt.

II. Die Beschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

III. Der Geschäftswert der Beschwerde wird, soweit diese zurückgewiesen wird, auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1 und 4 sind Töchter der am 23.6.2011 verstorbenen Erblasserin Ingeborg H. und gemäß notariellem Testament vom 29.9.2008 Erbinnen je zur Hälfte. In ihrer letztwilligen Verfügung hatte die Erblasserin Vermächtnisse angeordnet.

Soweit hier erheblich überließen die Beteiligten zu 1 und 4 den Beteiligten zu 2 und 3, minderjährigen Kindern von Dr. Christo M. und der Beteiligten zu 1, zu notarieller Urkunde vom 5.3.2012 in Erfüllung dieser Vermächtnisse je zu hälftigem Miteigentum eine Eigentumswohnung mit Tiefgaragen-Doppelparker. Die Beteiligte zu 1 und deren Ehemann erklärten für ihre beiden Kinder die Auflassung; sie bewilligten und beantragten die Eintragung des Rechtsübergangs im Grundbuch. Die den minderjährigen Kindern überlassene Eigentumswohnung ist nicht vermietet und steht leer.

Die Urkunde enthält unter Buchstabe C. (Familiengerichtliche Genehmigung) folgende Erklärung:

Die Beteiligten gehen davon aus, dass die für die minderjährigen Kinder in dieser Urkunde enthaltenen Erklärungen von deren sorgeberechtigten Eltern für ihre Kinder ohne Bestellung eines Ergänzungspflegers abgegeben werden können, da die an die minderjährigen Kinder übereignete Wohnung unvermietet ist und somit die Erfüllung des Vermächtnisses für die Kinder rechtlich lediglich vorteilhaft ist.

Weiter gehen die Beteiligten davon aus, dass die Voraussetzungen für eine familiengerichtliche Genehmigungspflicht der Vermächtniserfüllung an die minderjährigen Kinder gemäß § 1643 Abs. 1 i.V.m. § 1821 Nr. 5 BGB nicht gegeben sind, weil vorliegend mangels zu erbringender Gegenleistung aus dem Vermögen der minderjährigen Kinder kein entgeltlicher Erwerb von Grundbesitz vorliegt. …

Das Grundbuchamt hat in diesem Zusammenhang am 17.4.2012 durch fristsetzende Zwischenverfügung aufgegeben, einen Ergänzungspfleger zu bestellen und eine familiengerichtliche Genehmigung für das Rechtsgeschäft einzuholen.

Hiergegen wendet sich das Rechtsmittel der Urkundsbeteiligten vom 30.5.2012, die, wie schon in der Urkunde niedergelegt, davon ausgehen, dass es weder eines Ergänzungspflegers noch einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

II.

Die gegen die Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO grundsätzlich statthafte, auf die einzelne Beanstandung beschränkte und beschränkbare Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO (vgl. Demharter GBO 28. Aufl. § 71 Rn. 1) ist vom Notar (vgl. § 15 Abs. 2 GBO; § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG) namens der Urkundsbeteiligten eingelegt worden. Dies sind die Beteiligten zu 1 und 4 als Erbinnen, die im Rahmen der Vermächtniserfüllung rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben haben, ferner die Beteiligten zu 2 und 3 als Auflassungsempfänger. An der Urkunde vom 5.3.2012 mitgewirkt hat zwar auch der Vater und Mitinhaber der elterlichen Sorge für die Beteiligten zu 2 und 3, dies allerdings nicht aus eigenem Recht, sondern namens seiner Kinder als deren (gemeinschaftlicher) gesetzlicher Vertreter (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB). Dieser selbst hat kein eigenes Antragsrecht (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GBO), ebensowenig als nicht unmittelbar Beteiligter ein eigenes Beschwerderecht (vgl. Demharter § 13 Rn. 42). Sachgerecht ist der Beschwerdeantrag deshalb dahin auszulegen, dass er von den (allen) Beteiligten zu 1 bis 4 eingelegt ist, von den Beteiligten zu 2 und 3 durch deren vertretungsberechtigte Eltern, nämlich der Beteiligten zu 1 sowie deren Ehemann.

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.

1. Nach §§ 106, 107 BGB bedarf ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, hier also seiner Eltern als Inhaber der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge (§ 1626 Abs. 1, § 1629 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB). Diese liegt vor.

a) Die Beteiligten zu 1 und 2 als Inhaber der elterlichen Sorge haben für die Beteiligten zu 3 und 4 die Grundbucherklärungen abgegeben. Auf die Frage der ausschließlich rechtlichen Vorteilhaftigkeit des Geschäfts (siehe dazu grundsätzlich BGH NJW 2010, 3643) kommt es dann nicht mehr an (Zorn FamRZ 2011, 776/778; ferner Sonnenfeld Rpfleger 2011, 475/477).

b) Der Übertragung des Wohnungseigentums (§ 925 BGB) liegt ein fälliger Vermächtnisanspruch nach §§ 2174, 2176 BGB zugrunde. Ein gesetzlicher Vertretungsausschluss nach § 181 BGB besteht schon deshalb nicht, weil die Eigentumsübertragung lediglich die Erfüllung der entstandenen Verbindlichkeit, nämlich des angefallenen Vermächtnisses, zum Gegenstand hat. Zu einer anderen Beurteilung käme der Senat nach seiner im Beschluss vom 23.9.2011 niedergelegten Rechtsauffassung (34 Wx 311/11 = NJW-RR 2012, 137) nur, wenn die Verbindlichkeit ihren Grund in einem vom Vertreter vorgenommenen Verpflichtungsgeschäft hätte (siehe Sonnenfeld Rpfleger 2011, 475/477), was hier nicht der Fall ist.

Der Senat hatte dies in seinem Beschluss vom 8.2.2011 (34 Wx 18/11 = Rpfleger 2011, 434) noch anders beurteilt, hieran jedoch später angesichts der aufgezeigten gesetzlichen Systematik (Sonnenfeld aaO.) nicht mehr festgehalten. Die revidierte Rechtsprechung des Senats hat Zustimmung (Röhl MittBayNot 2012, 111/113), aber auch Kritik erfahren (Keim ZEV 2011, 660; derselbe bereits in ZEV 2011, 563). So wird vorgebracht, dass beim Vermächtnisvollzug durch ein nachteiliges Erfüllungsgeschäft eine Gefahr für den vertretenen Vermächtnisnehmer bestehe, da vorher kein Verpflichtungsgeschäft von einem unabhängigen Vertreter genehmigt worden sei (Keim ZEV 2012, 660/661). Indessen hält der Senat nach erneuter Prüfung an seiner im Beschluss vom 23.9.2011 vertretenen Auffassung fest. Es greift die gesetzlich normierte Ausnahme vom Vertretungsverbot nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 BGB i.V.m. § 1629 Abs. 2 BGB ein (siehe Röhl MittBayNot 2012, 111/113). Die mit dem Insichgeschäft verbundene typische Gefährdung besteht nicht, wenn die Verbindlichkeit nicht durch ein Geschäft des Vertreters begründet wurde. Die Notwendigkeit, für den Vollzug des Geschäfts einen Ergänzungspfleger zu bestellen, erübrigt sich dann.

2. Im Übrigen ist die Beschwerde jedoch nicht begründet. Zwar ist bei Übertragung von Wohnungs- und Teileigentum grundsätzlich keine familiengerichtliche Genehmigung der Auflassung erforderlich (siehe BGH NJW 2010, 3643/3644, Rn. 17). Für den Fall der zugrunde liegenden Vermächtniserfüllung gilt nichts anderes (siehe auch Beschluss des Senats vom 23.9.2011, 34 Wx 311/11 unter II. 2.). Indessen ist – jedenfalls hier – die Besonderheit zu beachten, dass Wohnungs- (Teil-) Eigentum in Bruchteilen (je zu 1/2) übertragen wird, was – wie das Kammergericht zu Recht ausführt (KG vom 15.7.2010, 1 W 312/10, bei juris) – die Genehmigungspflicht nach § 1643 Abs. 1 i.V.m. § 1822 Nr. 10 BGB auslöst (zustimmend Bettin in Bamberger/Roth BGB 3. Aufl. § 1822 Rn. 26; MüKo/Wagenitz BGB 6. Aufl. § 1822 Rn. 65; siehe schon BGHZ 60, 385, für gesamtschuldnerische Übernahme der Kaufpreisschuld bei Erwerb eines Miteigentumsanteils). Dass die gesamtschuldnerische Haftung der Mitberechtigten (vgl. OLG Stuttgart OLGZ 1969, 232; Palandt/Bassenge BGB 71. Aufl. § 16 WEG Rn. 37) eine gesetzliche Folge aus § 16 Abs. 2 WEG darstellt, ist ebenso unerheblich wie die Wahrscheinlichkeit der Heranziehung und die Durchsetzbarkeit etwaiger Ausgleichsansprüche (vgl. BGHZ 60, 385/389). Es gilt vielmehr im Interesse des Mündels (Minderjährigen) ein abstrakter Maßstab. Es kann deshalb auch keine Rolle spielen, dass die Beteiligten zu 2 und 3 auf Erwerberseite zu 100 % das Wohnungs- und Teileigentum erwerben. Vielmehr ergibt sich die Problematik bei jedem der beiden Beteiligten gleichermaßen im Hinblick auf die Inanspruchnahme des anderen. Ebenso ist es unerheblich, ob sich die Rechtslage bei der Übertragung von Miteigentumsanteilen nach Bruchteilen (§§ 1008 BGB ff.; siehe Senat vom 23.9.2011) gleichermaßen oder doch grundlegend anders darstellt im Hinblick auf das Gemeinschaftsverhältnis nach §§ 741 ff. BGB (siehe Palandt/Bassenge § 1008 Rn. 8), das eine Bestimmung entsprechend § 16 Abs. 2 WEG nicht kennt.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Geschäftswert bemisst sich nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. § 78 Abs. 2 GBO) sind nicht erfüllt.

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