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Bindung des Grundbuchamts an einen erteilten Erbschein

Eintragung eines Nacherbenvermerks

OLG München – Az.: 34 Wx 548/11 – Beschluss vom 27.02.2012

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) – Grundbuchamt – vom 23. September 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

Im Grundbuch sind die Beteiligten zu 2 und 3 als Grundstückseigentümer zu je 1/2-Anteil eingetragen. Mit notarieller Urkunde vom 8.7.2011 übertrug die Beteiligte zu 2 ihren Hälfteanteil auf die Beteiligte zu 3. Zugleich soll im Weg der Grundbuchberichtigung ein Nacherbenvermerk zugunsten des Beteiligten zu 1 eingetragen werden. Hiermit hat es folgende Bewandtnis:

Ursprünglich im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen war Frau Babette K. Ferner war eingetragen folgender Nacherbenvermerk:

„Nacherben des Fabrikdirektors Hermann K. sind dessen Töchter Annelore E. (die Beteiligte zu 3) und Hertha von S. …, Ersatzerben jeweils deren Abkömmlinge. Sind Abkömmlinge nicht vorhanden, so tritt an Stelle der weggefallenen Nacherbin die andere Nacherbin. Die Nacherben sind auf dasjenige gesetzt, was von der Erbschaft bei der Nacherbfolge übrig sein wird.“

Frau Babette K., die am 10.7.1981 verstorben ist, hat das Grundstück an ihre Enkelkinder Hermann von S. und Nicole von S. zu je 1/2-Anteil überlassen. Bei der Eigentumsumschreibung am 16.6.1978 wurde der Nacherbenvermerk im Grundbuch gelöscht. Der Hälfteanteil von Hermann von S. ging aufgrund Auflassung vom 3.9.1982 auf die Beteiligte zu 3 über. Zur begehrten Grundbuchberichtigung heißt es weiter in der Urkunde vom 8.7.2011 (I.4.), die Beteiligten seien sich darüber einig, dass die vorgenannten Übertragungen gegenüber Herrn Markus von S. – dieser ist der Sohn der vorgenannten Nacherbin Hertha von S. – als Nach-Nacherben relativ unwirksam seien. Zur Vermeidung eines Rechtsstreits soll im Wege der Berichtigungsbewilligung (III.) folgender Nacherbenvermerk eingetragen werden:

„Es wird bewilligt und beantragt, bei dem … Grundbesitz im Wege der Grundbuchberichtigung folgenden Vermerk einzutragen:

Nacherbfolge ist angeordnet. Frau Annelore E. (Beteiligte zu 3) ist Nacherbin des am 21.3.1955 verstorbenen Herrn Hermann K. Herr Markus von S. (Beteiligter zu 1) ist Nach-Nacherbe.“

Auf den Vollzugsantrag vom 6.9.2011 hat das Grundbuchamt am 23.9.2011 folgende Zwischenverfügung getroffen: Der Nachweis des Bestehens eines Nach-Nacherbenrechts des Beteiligten zu 1 könne mit dem vorliegenden Erbvertrag vom 24.4.1954 nicht erbracht werden. Dazu sei die Vorlage eines Erbscheins erforderlich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1. Dieser meint, das Grundbuchamt müsse die Eintragung des Nacherbenvermerks auf Bewilligung der Berechtigten vornehmen; eines Unrichtigkeitsnachweises, insbesondere in Form des verlangten Erbscheins, bedürfe es deshalb nicht. Die Eintragung eines Nacherbenvermerks als Berichtigung könne nicht nur aufgrund Unrichtigkeitsnachweises stattfinden. Ein Interesse Dritter oder der Öffentlichkeit sei nicht erkennbar, das einen Rechtsinhaber daran hindern könnte, sich durch Eintragung eines Nacherbenvermerks in der Verfügung über seine Rechte zu beschränken. Es sei auch anerkannt, dass die Eintragung nachträglich, d.h. nach Eintragung des Vorerben, stattfinden könne. Dies gelte, solange die Nacherbschaft noch bestehe. Auf die materielle Rechtslage komme es nur an, soweit das Grundbuchamt durch die Eintragung bewusst an einer Unrichtigkeit des Grundbuchs mitwirken würde. Dies sei weder behauptet noch sachlich der Fall. Die maßgebliche Wendung im Erbvertrag lasse sich sinnvoll nur als weitere Nacherbschaft, nicht als Ersatzerbeneinsetzung deuten, da sie offensichtlich von einem Versterben nach Erwerb des Grundbesitzes handele.

Das Grundbuchamt hat mit Verfügung vom 1.12.2011 nicht abgeholfen. Es hat darauf hingewiesen, die Eintragung werde zu Recht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht, da hinsichtlich des behaupteten Nacherbrechts wirkliche Zweifel bestünden, die nur durch weitere Ermittlungen über den Willen des Erblassers geklärt werden könnten. Auch nach Auffassung des zuständigen Nachlassgerichts bestehe ein Nacherbenrecht des Beteiligten zu 1 nicht.

II.

Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) erweist sich als statthaft und auch im Übrigen als zulässig (§ 71 Abs. 1, § 73 sowie § 15 Abs. 2 GBO). Im Ergebnis ist sie jedoch nicht begründet.

1. Als Grundlage für ihren Antrag auf – grundsätzlich auch noch nachträglich zulässige (Demharter GBO 28. Aufl. § 51 Rn. 20) – Eintragung des Nacherbenvermerks (§ 51 GBO) ziehen die Beteiligten die Vorschriften über die Berichtigungsbewilligung (§ 19 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 GBO) heran. Die Berichtigungsbewilligung ist eine Unterart der Eintragungsbewilligung und Ausfluss des das Grundbuch prägenden Bewilligungsgrundsatzes (dazu Demharter § 22 Rn. 31; Hügel/Holzer GBO 2. Aufl. § 22 Rn. 69). Bei berichtigenden Eintragungen darf das Grundbuchamt deshalb neben der Berichtigungsbewilligung nicht auch noch den Nachweis der Unrichtigkeit verlangen (RGZ 73, 156). Ergibt sich aber aus den mit der Berichtigungsbewilligung vorgelegten Urkunden oder aus anderen dem Grundbuchamt bekannten Umständen, dass das Grundbuch durch die der Bewilligung entsprechende Eintragung unrichtig werden würde, kann dem Berichtigungsantrag nicht stattgegeben werden (BayObLGZ 1954, 225/230; 1980, 299/303).

Grundsätzlich genügt die schlüssige Darlegung, dass das Grundbuch unrichtig ist und durch die beantragte Eintragung richtig würde. Dann hat das Grundbuchamt die dazu vorgetragenen Tatsachen, deren Richtigkeit zu unterstellen ist, nicht nachzuprüfen. Es darf daher auch keine Beweise verlangen und den Eintragungsantrag nur ablehnen, wenn es auf Tatsachen gegründete sichere Kenntnis hat, dass eine Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht gegeben ist oder das unrichtige Grundbuch durch die beantragte Eintragung nicht richtig würde. Bloße – auch erhebliche und begründete – Zweifel genügen insoweit nicht. Das Grundbuchamt kann auch nicht verlangen, weitere Unterlagen vorzulegen (zu allem Demharter § 22 Rn. 31; Hügel/Holzer § 22 Rn. 72; weitergehend OLG Jena Rpfleger 2001, 125 mit Anm. Demharter FGPrax 2001, 54 ).

2. Ob dies gleichermaßen für die bewilligte Eintragung eines Nacherbenvermerks als Grundbuchberichtigung gilt, kann letztlich dahinstehen.

a) Es bleibt zunächst dahingestellt, ob der Erbvertrag vom 24.4.1954 nicht bereits einer Auslegung entgegenstände, wonach eine Nach-Nacherbfolge zugunsten des Beteiligten zu 1 angeordnet ist. So fällt schon auf, dass die maßgebliche Regelung nur einen Vermögensgegenstand, nämlich ein einzelnes Grundstück, betrifft, also keine Gesamtrechtsnachfolge vorsieht. Es erscheint auch denkbar, vielleicht sogar naheliegend, dass der Erblasser und seine Ehefrau die Sicherstellung des Rückfalls des fraglichen Grundstücks an die Familie der verstorbenen Tochter Hertha von S., wenn die andere Tochter – die Beteiligte zu 3 – keine Abkömmlinge hat, durch die Anordnung eines Vermächtnisses und des Anspruchs auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung sicherstellen wollten, nicht hingegen durch eine gestaffelte Nacherbschaft. Hieraus ergäbe sich indessen nicht unbedingt schon die sichere Kenntnis, dass mit dem bewilligten Nacherbenvermerk das Grundbuch unrichtig würde.

b) Entscheidend ist ein anderer Umstand: Es liegt – nach Einziehung des der Vorerbin erteilten Erbscheins vom 20.4.1955 – ein Erbschein (vom 3.3.1982) vor, der die Beteiligte zu 3 als Miterbin zu 1/2 und Abkömmlinge der 1979 verstorbenen Tochter als Miterben zu je 1/6 ausweist, indessen keine Nacherbschaft, wie dies bei einer weiteren Nacherbfolge (in Form der Nach-Nacherbfolge) der Fall wäre (siehe Seiler in Burandt/Rojahn Erbrecht § 2362 BGB Rn. 14). Der Erbschein trägt die Vermutung (§ 2365 BGB), dass andere als die angeführten Beschränkungen, soweit sie wie die Nacherbfolge im Erbschein aufzunehmen sind, nicht bestehen (Seiler in Burandt/Rojahn § 2365 BGB Rn. 4). Dies bindet nach allgemeinen Regeln das Grundbuchamt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO), und zwar auch hinsichtlich der Auslegung der letztwilligen Verfügung (BayObLG Rpfleger 1997, 156; Demharter § 35 Rn. 26). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Grundbuchamt neue, vom Nachlassgericht offenbar nicht berücksichtigte Tatsachen kennt, die die ursprüngliche oder nachträgliche Unrichtigkeit des Erbscheins in irgendeinem Punkt erweisen und dessen Einziehung erwarten lassen (vgl. etwa BayObLGZ 1990, 82/86; Demharter § 35 Rn. 26). Ein derartiger Fall liegt ersichtlich nicht vor. Vielmehr hat das Nachlassgericht sich mit der Einziehung des erteilten Erbscheins gerade unter dem Gesichtspunkt des Bestehens einer gestaffelten Nacherbfolge in einem schriftlichen, dem Grundbuchamt und dem Senat bekannten Vermerk vom 22.11.2011 ausführlich auseinander gesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Erbschein – weil nicht unrichtig – nicht einzuziehen ist. Darauf stützt sich auch für den Senat die Erkenntnis, dass das Grundbuch im Hinblick auf den gelöschten Nacherbenvermerk nicht unrichtig ist, vielmehr durch dessen bewilligte Eintragung erst unrichtig würde.

In einem derartigen Fall verbietet es dem Grundbuchamt das Legalitätsprinzip, daran mitzuwirken, das Grundbuch trotz erteilter Bewilligung durch die begehrte Eintragung unrichtig zu machen (Hügel/Holzer § 22 Rn. 72; § 1 Rn. 112 f.).

III.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.

Die Geschäftswertbemessung folgt aus § 131 Abs. 4 i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) sind nicht gegeben.

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