KG Berlin – Az.: 1 W 93/16 – Beschluss vom 20.09.2016
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) und begründet. Die Zwischenverfügung ist nicht gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO veranlasst. Das Grundbuchamt darf eine gemäß § 19 GBO, §§ 8, 5 Abs. 4 WEG zur Eintragung bewilligte Bestimmung der Gemeinschaftsordnung nur beanstanden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig würde, weil die Bestimmung unwirksam oder unbeachtlich ist (BayObLG, NJW-RR 1997, 1305; Demharter, GBO, 30. Aufl., Anh. § 3 Rn. 25). Als Prüfungsmaßstab kommen dabei die §§ 134, 138 BGB sowie § 242 BGB in Betracht. Die Gemeinschaftsordnung ist nicht an den §§ 305 ff. BGB zu messen (BayObLG, NJW-RR 1992, 83, 84; OLG Hamburg, NJWE-MietR 1996, 271, 272; Demharter, a.a.O., Anh. § 3 Rn. 26 m.w.N.; offengelassen von BGH, NJW 2012, 676, 677). Die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB liegen nicht vor und für eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen fehlt es an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 2815a).
zu Nr. I.1
Das Grundbuch wird durch die Eintragung der Regelung über die Vertragsstrafe in Teil II § 5 Nr. 1 Abs. 2 der notariellen Urkunde vom 30. Januar 2015 (UR-Nr. 3… /2… des Notars T… B… ) nicht unrichtig. Die Gemeinschaftsordnung kann für die Zuwiderhandlung gegen Pflichten, die – wie hier – das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffen (§ 10 Abs. 2 S. 1, 2 und Abs. 3 WEG), Geldstrafen vorsehen (BayObLGZ 1959, 457, 461 ff.). Die Höhe der Strafe verstößt weder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB), noch gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (§ 138 BGB). Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem Schriftsatz der Beteiligten vom 5. Oktober 2015 (S. 1 f.) verwiesen. Wohnungseigentümer werden die Namensmitteilung häufig nur dann (schuldhaft) unterlassen, wenn das Vermietungsverbot verletzt ist. Es ist unerheblich, ob die Anwendung der Strafklausel in Einzelfällen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen kann. Ohnehin ist das Grundbuchamt zu einer Inhaltskontrolle der Gemeinschaftsordnung anhand des § 242 BGB wegen der Beschränkung der Beweismittel im Eintragungsverfahren in der Regel nicht in der Lage und bleibt eine Überprüfung dem Wohnungseigentumsgericht im Verfahren nach § 43 WEG vorbehalten (BayObLG, NJW-RR 1997, a.a.O.; Demharter, a.a.O., Anh. § 3 Rn. 25; Schöner/Stöber, a.a.O., Rn. 210, 2857).
zu Nr. I.2
Die Vollmachtsregelung in Teil II § 15 Nr. 2 der UR-Nr. 3… /2… verstößt nicht eindeutig gegen § 134 BGB oder die §§ 138, 242 BGB, weil durch sie die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung der Wohnungseigentümer zu stark ausgehöhlt würde (vgl. BGH, NJW 2011, 679, 680; 1987, 650 f.) oder ein Verstoß gegen die unabänderlichen Strukturprinzipien des Wohnungseigentumsrechts vorläge (vgl. zu einer umfassenden Verwaltervollmacht OLG Frankfurt, NJW-RR 2015, 783, 784 f.). Die Voraussetzungen der Vollmacht – ein Wohnungseigentümer hat dem Verwalter keine zustellungsfähige Anschrift bekannt gegeben und eine solche kann auch trotz angemessenen Aufwands nicht ermittelt werden – stehen im Einklang mit den Ladungspflichten des Verwalters nach § 24 Abs. 1 WEG; der Verwalter muss im Fall der unbekannten Anschrift nur in zumutbarem Umfang Nachforschungen anstellen (vgl. BGH, NZM 2013, 653, 655). Vereinbarungen, dass das Stimmrecht eines nicht anwesenden und nicht anderweitig vertretenen Wohnungseigentümers vom Verwalter ausgeübt wird, werden als zulässig angesehen (vgl. OLG Düsseldorf, NZM 2003, 645; OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1986, 45 f.; Hügel/Elzer, WEG, § 25 Rn. 35), insbesondere um zu verhindern, dass die (erste) Versammlung wegen Beschlussunfähigkeit (§ 25 Abs. 3 WEG) nicht abgehalten werden kann. Die Vollmacht, Zustellungen und Ladungen entgegenzunehmen, geht nicht wesentlich über die gesetzlichen Befugnisse des Verwalters nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 45 WEG hinaus. Es steht auch nicht zweifelsfrei fest, dass die Bevollmächtigung zum Abschluss von Vereinbarungen unwirksam oder unbeachtlich ist; eine solche Regelung könnte das Ergebnis einer noch vertretbaren Interessenabwägung sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Wohnungseigentümer nach dem Gesetz – allerdings unter den strengeren Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG – Vereinbarungen verlangen können. Zudem erfasst die Vollmacht des Verwalters nur Vereinbarungen, die allein zwischen den Vertragspartnern wirken. Eine Verdinglichung gemäß § 10 Abs. 3 WEG ist ausgeschlossen, weil die Vollmacht im Grundbuchverfahren keine Verwendung finden kann. Weder ist in der erforderlichen Form des § 29 Abs. 1 GBO nachzuweisen, dass die Anschrift eines Wohnungseigentümers trotz angemessenen Aufwands nicht ermittelt werden konnte, noch dass eine Vereinbarung “im Gesamtinteresse der Wohnungseigentümer erforderlich oder zweckmäßig ist”.
zu Nr. I.4
§ 24 Abs. 3 WEG wird durch die Regelung in Teil II § 20 Nr. 4 der UR-Nr. 3… /2… nicht abbedungen. Das ergibt sich unmissverständlich aus Satz 2 der Bestimmung. Auch Satz 1 entspricht der Rechtslage (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 1519, 1520). Die Klausel trifft keine Aussage zur Fehlerfolge. Aus dem Begriff “Beschlussunfähigkeit”, der mit der gleichbedeutenden Formulierung “nicht beschlussfähig” in § 25 Abs. 4 WEG verwandt wird, ergibt sich nicht, ob ein Mangel bei der Einberufung der Versammlung zur Nichtigkeit (§ 23 Abs. 4 S. 1 WEG) oder zur bloßen Anfechtbarkeit (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG) dennoch gefasster Beschlüsse führt (vgl. dazu Hügel/Elzer, a.a.O., § 23 Rn. 10, 95, § 24 Rn. 49 f.). Auch das Fehlen der Beschlussfähigkeit nach § 25 Abs. 3 WEG bewirkt regelmäßig nur eine Anfechtbarkeit der Beschlüsse (BGH, NJW 2009, 2132, 2134; Hügel/Elzer, a.a.O., § 25 Rn. 51).