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Grundbucheintragung Hofzugehörigkeitsvermerks – Eintragungsfähigkeit Ausmärkergrundstücken

AG Wernigerode – Az.: SB-411 – Beschluss vom 04.01.2019

In der Grundbuchsache Stapelburg Blatt …

Beteiligte: Landwirtschaftsgericht Goslar,

werden die Ersuchen des Landwirtschaftsgerichts vom 24.08.2016 und 06.03.2018 um Eintragung eines Hofzugehörigkeitsvermerks zurückgewiesen.

Gründe

I. Sachverhalt

Das Grundbuchgericht ist mit Schreiben des Landwirtschaftsgerichts Goslar vom 24.08.2016 ersucht worden, auf dem Grundbesitz, eingetragen in den jeweiligen Grundbüchern eingetragenen Grundstücken von Darlingerode Blatt …, Flurstücke …, Stapelburg Blatt … Flurstücke … sowie auf dem im Grundbuch von Stapelburg Blatt … eingetragenen 2/3Miteigentumsanteil an dem dort eingetragenen Grundstück Flurstück … einen Vermerk gem. Höfeordnung, nach Maßgabe § 6 Abs. 1 HöfeVfO einzutragen, dass diese zu dem im Grundbuch von B. Blatt … (Amtsgericht G) eingetragenen Hof gehören (sogen. Ausmärkergrundstücke).

Mit Ersuchen vom 06.03.2018 hat das Landwirtschaftsgericht G… das Grundbuchgericht Wernigerode ersucht, sowohl das Ersuchen vom 24.08.2016 zu vollziehen, als auch, die Grundstücke, eingetragen in den Grundbüchern von Darlingerode Blatt … Flurstücke …, Stapelburg Blatt …, Flurstücke … sowie auf den im Grundbuch von Stapelburg Blatt … eingetragenen 2/3-Miteigentumsanteil an dem dort eingetragenen Grundstück Flurstück … (Amtsgericht Wernigerode) dem Grundbuch des Hofs B. Blatt … zuzuschreiben (abzuschreiben und dorthin zu übertragen).

II. Gründe

II.1 Prüfungskompetenz

Die Ersuchen des Landwirtschaftsgerichts vom 24.08.2016 und06.03.2018 sind gem. § 3 HöfeVfO, § 38 GBO gestellt worden. Das Ersuchen vom 24.08.2016 erfüllt nicht die formellen Voraussetzungen, weil es zwar unterschrieben, aber nicht mit dem Dienstsiegel des Gerichts versehen war (§ 29 Abs. 3 GBO).

Zudem ist insbesondere für letzteres Ersuchen eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Wernigerode, Grundbuchgericht nicht gegeben, sondern diejenige des Grundbuchgerichts, in dessen Zuständigkeitsbereich die Hofstelle liegt (§ 4 Abs. 2 GBO).

Bereits aus den vorgenannten Gründen konnte den Ersuchen nicht entsprochen werden.

Dem Grundbuchgericht ist in der Regel die Prüfungskompetenz behördlicher Ersuchen gem. § 38 GBO nur in bestimmten Fällen eröffnet1. Außerhalb dieser Regel trifft das Grundbuchgericht eine Prüfungs-kompetenz, wenn es davon ausgehen muss, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Prüfung von behördlichen Ersuchen gem. § 38 GBO (hier: Ersuchen des Landwirtschaftsgerichts gem. § 3 HöfeVfO) ist in der Regel darauf beschränkt, ob die ersuchende Behörde zur Stellung des Ersuchens befugt ist, ob das Ersuchen bezüglich Inhalt und Form den gesetzlichen Vorschriften entspricht und ob die durch das Ersuchen nicht ersetzten Eintragungserfordernisse gegeben sind (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.12.2002 – 20 W 352/02, Demharter, 28. Aufl., § 38, Rdnr. 73 jew. M. w. N.; weiter: Meikel /Krause, GBO 11. Aufl., Rn. 13 zu § 382).

Die Höfeordnung sowie die HöfeVfO gelten im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Wernigerode (Sachsen-Anhalt) nicht. Das sie dennoch auf Grundstücke, die im Gerichtsbezirk belegen sind, angewendet werden soll, kann im Hinblick auf die beantragte bzw. ersuchte Eintragung nicht ohne eine rechtliche Prüfung bzw. Würdigung erfolgen.

Die eingangs ausgeführte Beschränkung der Prüfungskompetenz entfällt gerade in den Fällen, in denen die ersuchte Eintragung etwas verlautbaren würde, was rechtlich unzutreffend ist (Unrichtigkeit, Unvollständigkeit) 3. Das Grundbuchgericht darf eben nicht daran mitwirken, dass die Unrichtigkeit des Grundbuchs durch eine Eintragung eintritt (Meikel GBO, Rn 15 zu § 38 GBO); vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18.02.1988,- BReg 2 Z 36/87 -, juris4). Im vorliegenden Ersuchen auf Eintragung eines Hofzugehörigkeitsvermerks auf Grundbesitz in einem Land, in dem die Höfeordnung nicht gilt, handelt es sich nicht um einen Regelfall. Damit ist dem Grundbuchgericht die weitergehende Prüfungskompetenz eröffnet, nämlich über das formelle Ersuchen (Inhalt und Form) hinausgehend, die Eintragungsfähigkeit und das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen bzw. Grundlagen zu prüfen.

Hinzu kommt: Nach dem Ersuchen vom 06.03.2018 ist u.a. ein 2/3Miteigentumsanteil in das Grundbuch von B. Blatt … zu übertragen, wodurch die ausweislich der Abt. I im Grundbuch von Stapelburg Blatt … gebildeten bzw. eingetragenen Miteigentumsanteile nunmehr in beiden Grundbüchern jeweils im Bestandsverzeichnis eingetragen werden.

Diesbezüglich ist unabhängig von der Frage der Geltung der HöfeVfO die Reichweite des § 7 HöfeVfO betroffen, auf das sich das Ersuchen stützt, und damit auch diesbezüglich die Prüfungskompetenz des Grundbuchgerichts eröffnet, wie der Bundesgerichtshof deutlich gemacht hat (BGH, Beschluss vom 26.06.2014 – V ZB 1/12 -, juris).

Insgesamt stellt das Gericht fest, dass Sachverhalt, rechtliche Grundlagen der Eintragung bzw. deren Folgen aus der o.g. Regel herausfallen.

Über die hinweisende (informelle) Funktion des einzutragenden Vermerks, der die Zugehörigkeit der Grundstücke bzw. Miteigentumsanteile an dem Grundstück zu dem im Grundbuch von B eingetragenen Hof verlautbart, hinaus erhält er ggf. eine rechtsbegründende Funktion. Danach würde verlautbart, dass für den in den Grundbüchern eingetragenen Grundbesitz nunmehr das Recht der Höfeordnung und damit dem hier nicht anzuwendenden besonderen Erbrecht der Höfeordnung (Anerbenrecht) unterstellt wäre.

Die Höfeordnung enthält generell keine gesetzliche Bestimmung über sogenannte Ausmärkergrundstücke. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Gesetzgeber die Behandlung der Ausmärkergrundstücke der Praxis überlassen wollte. Ausmärkergrundstücke sind Grundstücke, die zu einem Hof gem. HöfeO gehören, aber in einem anderen Bundesland liegen (interlokales Recht), insbesondere auch dann, wenn in diesem Bundesland diese nicht gilt (vgl. BGHZ 22, 317, 327, 328).

Immerhin ist im Hinblick auf dieses partielle Recht erkannt worden, dass es staatsvertraglicher Vereinbarungen zu Ausmärkergrundstücken bedurfte5. Zwischen den ehemaligen Ländern Baden und Württemberg-Hohenzollern wurde eine staatsvertragliche Lösung gefunden. Nach Art. 1 des Staatsvertrages galt das Württembergische Anerbengesetz (WürttAnerbenG) auch für Ausmärkergrundstücke in Baden. An einer derartigen staatsvertraglichen Lösung fehlt es jedoch sowohl auf den Status von vor 1990 bezogen als auch zwischen den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Niedersachsen.

II.2 Hofvermerk bzw. Hofzugehörigkeitsvermerk (Ausmärkergrundstücke) – Eintragung und Rechtsfolgen

II.2.1 Funktion

Der Hofzughörigkeitsvermerk hat zunächst eine informelle Bedeutung, denn er soll den Eigentümer (ggf. den Erben, potentielle Hoferben) und diejenigen, die ein Rechtsinteresse haben, also in diesem Sinne Dritte, auf die (vermutliche) Zugehörigkeit zu einem Hof hinweisen (Publikationsfunktion).6 Auch für das Grundbuchgericht verbinden sich mit dem eingetragenen Vermerk verfahrensrechtlich zwingend zu beachtende Folgen7.

Der eingetragene Hofzugehörigkeitsvermerk begründet zugleich die widerlegbare Vermutung, dass die Grundstücke zum Hof gehören (§ 5 HöfeVfO) und damit dem gesetzlichen Sondererbrecht (§§ 4 ff. HöfeO) unterstehen (Beweisfunktion). Ob der Hofvermerk in der Regel deklaratorisch ist und nur in bestimmten Fällen konstitutive Wirkung hat, mag dahinstehen, zeigt jedoch verstärkend, dass der publizierte Hintergrund deutlich wird und damit erst recht die Rechtswirkungen, die durch die Zugehörigkeit zum Hof bestimmt sind. Diese sind für den Rechtsverkehr erheblich und können unterstellt werden; und das, auch wenn der Hofvermerk am öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht teilnimmt8.

Die Vermutungswirkung des Hofvermerks bzw. Hofzugehörigkeitsvermerks nach § 5 HöfeVfO stößt vorstehend jedoch an ihre Grenzen, weil zwischen Vermerk und Grundbuchinhalt, soweit er die Geltung von HöfeO und HöfeVfO inkludiert, ein offensichtlicher Widerspruch besteht, weil eben diese Vorschriften in Sachsen-Anhalt keine Wirkung im Rechtsverkehr und im Hinblick auf Grundbucheintragungen entfalten können.

Die HöfeO als partiell geltendes Bundesrecht ist nach Art. 8 Einigungsvertrag in Sachsen-Anhalt nicht in Kraft getreten. (Wöhrmann Einl Rn 46 f; MünchKomm/Leipold Einl Rn 154 mwNw; Bendel, AgrarR 1991, 1; Steffen, RdL 1991, 141; OLG Jena RdL 1999, 290). Dass das dennoch für Ausmärkergrundstücke, die zu einem Hof in Niedersachsen gehören und in Sachsen-Anhalt gelegen sind, gelten soll, ist von daher unbegründet.

Das Thüringische Oberlandesgericht Jena vertritt in seiner Entscheidung vom 07. August 20139 (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 07.08.2013 – 9 W 227/13 -, juris) indes die Auffassung, dass sich gewohnheitsrechtlich in Thüringen erneut bzw. neu die Übung herausgebildet habe, Ausmärkergrundstücke nach dem Recht zu behandeln, das für den Hof gilt.

Ob dies ggf. auch für Ausmärkergrundstücke in Sachsen-Anhalt gilt, die zu einem Hof in Niedersachsen gehören, ist nicht festgestellt. In dem betreffenden Verfahren ist dem Gericht lediglich ein Grundbuchauszug mit einem entsprechenden Eintrag vorgelegt worden, der als Indiz für sich erneut herausgebildetes Gewohnheitsrecht angenommen wird.

Dass die Entscheidung zudem unkritisch in der Kommentarliteratur als für die neuen Bundesländer zutreffend aufgenommen wird10, vermag nicht zu überzeugen, weil in der jeweiligen Kommentierung nur mit einem Satz eine rechtliche Auseinandersetzung nicht unterstellt werden kann. Wenn aber die Kommentarliteratur dies schon tut, so ist zu befürchten, dass die gerichtliche Praxis ohne eine eingehende Prüfung und Würdigung rezipiert. Ob hier von einem neu entstandenen Gewohnheitsrecht hinsichtlich der Annahme durch die Grundbuchgerichte ausgegangen werden kann, erscheint sehr zweifelhaft. Auch weil sich eine mögliche Eintragung von Hofzugehörigkeitsvermerken auf sehr wenige Fälle in den Gemarkungen, die unmittelbar an der Landesgrenze zu Niedersachsen liegen, reduziert.

Nach bisherigen Erkenntnissen ist die Praxis der Grundbuchgerichte in Sachsen-Anhalt zumindest uneinheitlich. Das Grundbuchgericht, Amtsgericht Haldensleben beispielsweise, steht der Eintragung von Hofzugehörigkeitsvermerken ablehnend gegenüber. (vgl. II.2.2)

Das Thüringische Oberlandesgericht hat sich im Übrigen zwar mit einem historischen Abriss zur Höfeordnung und damit dem partiell jeweils geltenden Rechts befasst, sich aber zur Frage des interlokalen Kollisionsrechts und den daraus resultierenden Folgen für das Entstehen bzw. Wiederaufleben des Gewohnheitsrechts nicht auseinandergesetzt.

II.2.2 Historischer Ausgang

Im Bezirk der heutigen Amtsgerichte Wernigerode (Land Sachsen-Anhalt) und Goslar (Land Niedersachsen) sind historisch in Bezug auf Höfe bzw. bäuerlichen Grundbesitz unterschiedliche Rechtsordnungen vorfindlich. So galt im Amt Harzburg (wozu heute die Gemarkung B gehört) bereits seinerzeit das im Herzogtum Braunschweig geltende Gesetz den bäuerlichen Grundbesitz betreffend, vom 28.03.1874, ergänzt durch Gesetz vom 28.03.1919 sowie die Grundbuchordnung betreffend im Herzogtum Braunschweig vom 11.03.187811. Im Königreich Preußen, Provinz Sachsen (wozu heute die Gemarkung Stapelburg gehört) gab es keine Landgüterordnung wie z.B. die für die Provinz Brandenburg vom 10.07.1883. Insoweit fehlt es schon vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches an einem hier geltenden Partialrecht bzw. einer dies annehmenden kollisionsrechtlichen Vorschrift. Inwieweit sich seinerzeit Gewohnheitsrecht entwickelt hatte, ist aus der gerichtlichen Praxis des Amtsgerichts Wernigerode sowie aus historischen Unterlagen bisher nicht feststellbar12. Ob die Fortgeltung nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches unterstellt werden kann, ist fraglich, würde aber jedenfalls vom Vorbehalt des Art. 64 EGBGB ausgehen.

Das Anerbenrecht ist abschließend in der Reichserbhofgesetzgebung von 1933 und der Gesetzgebung der folgenden Jahre niedergelegt (insbesondere im Reichserbhofgesetz -REG- vom 29.09.1933, RGBl. I, 685) worden und der landesrechtliche Vorbehalt des Art. 64 EGBGB war ohne Bedeutung.

Erneut galt dieser Vorbehalt zu Gunsten landesrechtlicher Vorschriften über das Anerbenrecht mit Art. II Kontrollratsgesetz Nr. 45 vom 20.02.1947 (ABl. KR 1947 S. 256), der die am 1.1.1933 in Kraft gewesenen Gesetze über die Vererbung von Liegenschaften wieder in Kraft gesetzt hat, soweit sie nicht anderen Vorschriften des Kontrollratsgesetzes widersprachen (galt hier!).

Darüber hinaus ermächtigte das KRG Nr. 45 (Art. XI Abs.1) die Militärregierungen, in ihren jeweiligen Zonen gesetzliche Bestimmungen zur Aufhebung oder Änderung der wieder in Kraft gesetzten früheren Anerbengesetzgebung zu erlassen.

Die britische Militärregierung machte von dieser Ermächtigung durch Erlass der VO Nr. 84 (Erbhöfe) Gebrauch. In der Anlage A zu dieser VO findet sich ein Verzeichnis der durch das KRG Nr. 45 wieder in Kraft gesetzten landesrechtlichen Gesetze und Verordnungen, in Anlage B die Höfeordnung vom 24.04.1947 und in Anlage C die Landbewirtschaftungsordnung (ABlMR BrZ 500 = VOBl BrZ 25). Das In-Kraft-Treten dieser VO erfolgte nach Art. IX zeitgleich mit dem KRG Nr.45 am 24.04.1947. Daraus folgt, dass das durch die VO Nr. 84 vom Kontrollrat wieder eingeführte Anerbenrecht aus der Zeit vor 1933 sofort wieder -zeitgleich- beseitigt und durch die HöfeO ersetzt wurde und dass das vor dem Jahr 1933 geltende Anerbenrecht im Gebiet der britischen Besatzungszone somit nie zur Geltung und Anwendung gelangte.

In der sowjetischen Besatzungszone wurde durch die Militärverwaltung (SMAD) keine abweichende Regelung getroffen, so dass nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 45 die landesrechtlichen Vorschriften über das Anerbenrecht13 auch hier in Kraft gesetzt worden sind. Danach sind aber diese Vorschriften ausdrücklich aufgehoben und gegenstandslos geworden (mit der Verfassung der DDR vom 07.10.1949, den Bodenreformgesetzen, der Regierungserklärung der UdSSR vom 20.09.1955 oder spätestens mit Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der DDR am 01.01.1976.14

Die HöfeO als partiell geltendes Bundesrecht ist nach Art. 8 Einigungsvertrag nicht in Kraft getreten (MünchKomm/Leipold Einl Rn 154 mwNw).

II.2.3 Gewohnheitsrecht und interlokales Recht

Gewohnheitsrecht entsteht aufgrund dauernder und ständiger, gleichmäßiger und allgemeiner und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannter Übung (Bestätigung BVerfG, 1981-05-13, 1 BvR 610/77, BVerfGE 57, 121). Die Annahme von Gewohnheitsrecht erfordert, dass sich zu einer bestimmten Rechtsfrage durch ständige Übung ein Rechtsbewusstsein der beteiligten Kreise gebildet hat und die Gerichte diese Rechtsüberzeugung teilen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 11. November 1997 VII E 6/97, BFHE 184, 237, BStBl II 1998, 121, m.w.N.; Kolbe, ebenda).

Das vom BGH in seiner Entscheidung15 befürwortete Gewohnheitsrecht erfordert in seiner Anwendung zwei verschiedene (auf Art. 64 EGBGB beruhende) landesrechtliche Kollisionsregeln: Eine des Rechtsgebietes, in dem die Hofstelle belegen ist, wonach es sein Anerbenrecht auch auf Ausmärkergrundstücke anwendet (hier: Niedersachsen), und zum anderen eine zweite, nämlich diejenige des Bundeslandes, in dem das Ausmärkergrundstück belegen ist, wonach es das Ausmärkergrundstück dem für den Hof selbst anwendbaren Anerbenrecht unterstellt (hier: Sachsen-Anhalt). Eine der beiden Kollisionsregeln alleine wäre ohne Ergänzung durch die andere wirkungslos (Staudinger BGB, 12. Aufl., Art. 64 EGBGB Rn.163). In einem Bundesland, das selbst kein Anerbenrecht kennt, kann sich daher auch keine gewohnheitsrechtliche Regel entwickeln bzw. entwickelt haben, wonach die auf seinem Gebiet liegenden Ausmärkergrundstücke dem Anerbenrecht des Nachbarlandes, in welchem die Hofstelle liegt, unterstellt sind (ebenda Rn.164; wie auch Rn. 14816).

Ob Gewohnheitsrecht neu begründet bzw. entstanden ist, war und ist zudem aus Sicht der Übung der Beteiligten zu bewerten.

Dabei mag die Überzeugung der Landwirte, die in Niedersachsen einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, der als Hof der Höfeordnung unterstellt ist, von dem im Lande geltenden Höferecht geprägt sein, wie sie es gewohnt waren, aber ohne Grundstücke in Sachsen-Anhalt dazu erworben zu haben. Die Überzeugung der Gerichte folgt dem, soweit sie – ob Landwirtschaftsgericht oder Grundbuchamt – dem Geltungsbereich der Höfeordnung angehören, erst recht nach der bezogenen Entscheidung des Thüringischen Oberlandesgericht.

Die Grundbuchgerichte in Sachsen-Anhalt, einem Land in dem das Höferecht nicht gilt, bleiben kraft der aus § 3 HöfeVfO abgeleiteten Befugnis der Landwirtschaftsgerichte außen vor. Das kann nicht richtig sein.

Im Hinblick auf die Eintragung eines Hofzugehörigkeitsvermerks kann eine umfassende Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen des Gerichts aus vorgenannten Gründen (Zi. II.1) nicht ausgeschlossen werden.

Dass bei den Grundbuchgerichten in Sachsen-Anhalt, als Beteiligte, sich eine ebensolche Überzeugung herausgebildet haben soll, ist höchst zweifelhaft, und zwar zunächst aus den folgenden Gründen:

– einmal, weil es nur einige wenige Ersuchen von Landwirtschaftsgerichten in den letzten 28 Jahren gab (hier: im Amtsgericht Wernigerode sind nur zwei Ersuchen in den letzten zehn Jahren eingegangen)17,

– dann, weil die Bewertung des geltenden Rechts und damit der Zulässigkeit der Eintragung unklar bzw. unsicher waren,

– und mit der Entscheidung des Thüringischen Oberlandesgerichts eine erste Entscheidung vorgelegen hat, die Beachtung in der Kommentarliteratur gefunden hatte.

So werden sich in den betreffenden Amtsgerichtsbezirken sicher sehr vereinzelt Eintragungen finden. Ob diesen eine gewonnene Rechtsüberzeugung in ständiger Übung zugrunde gelegt werden kann, erscheint zweifelhaft.

Dagegen spricht u.a. auch, dass die Eintragung von Hofzughörigkeitsvermerken nach Erhebung bzw. Nachfrage vom Amtsgericht Haldensleben18 abgelehnt wird.

Es mangelt sowohl an der Häufigkeit, die eine übliche Praxis entstehen lassen kann und zudem kann auch nicht festgestellt werden, dass sich zu den Ausmärkergrundstücken eine regelmäßige Praxis entwickelt hat. Das heißt: von ständiger, gleichmäßiger und allgemein verbindlich anerkannter rechtsnormbasierter Übung kann zudem auch keine Rede sein.

Auch hat sich eine ständige Rechtsprechung, auf deren Beibehaltung vertraut werden könnte, nicht entwickelt.

Die sich schon aus dem Vorgenannten abzeichnende geringe praktische Bedeutung des Höferechts und dazu der ggf. einbezogenen Ausmärkergrundstücke wird im Hinblick auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft noch mehr deutlich. Die im Geltungsbereich des Höferechts und diesem unterstellte Zahl landwirtschaftlicher Betriebe ist verschwindend gering. Zudem hat sich in allen diesen Regionen eine ausgeprägte Gewohnheit der Betriebsübergabe entwickelt.19

Durch zwischenstaatliche Regelungen zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist auch interlokales Recht nicht begründet worden, so dass die Anwendbarkeit des in den Höfevorschriften geregelten Anerbenrechts, was durch Eintragung eines Hofzugehörigkeitsvermerks verlautbart würde, der Praxis überlassen bleibt und im Einzelfall zu entscheiden ist.

Aus den vorgenannten Gründen war die Eintragung des Hofzughörigkeitsvermerks auf Ersuchen des Landwirtschaftsgerichts als unzulässig abzulehnen bzw. das Ersuchen zurückzuweisen.

 

Fußnoten

1)

Meikel/Krause GBO 11. Aufl., § 38 Rn. 13.

2)

LG Halle (Saale), Beschluss vom 20.02.2008 – 2 T 467/07-juris.

3)

aaO. Rn 11 zu Unvollständigkeit: „Weiß das Grundbuch, dass ein nach § 38 GBO gestelltes Ersuchen unvollständig und damit unrichtig ist, darf das Grundbuchamt keine Eintragung vornehmen, nach der das Grundbuch unrichtig.“ Leitsatz, Landgericht Halle (Saale), Beschluss vom 20.02.2008 – 2 T 467/07 -, juris.

4)

Orientierungssatz:

„1. Das Grundbuchamt hat zwar ein Eintragungsersuchen nicht dahin zu prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen eine Behörde zu dem Ersuchen befugt ist, tatsächlich vorliegen; hierfür trägt allein die ersuchende Behörde die Verantwortung (so auch BayObLG München, 1985-11-07, BReg 2 Z 22/85, BayOBLGZ 1985, 372). Eine Ausnahme hiervon ist jedoch zu machen, wenn das Grundbuchamt weiß, dass die beantragte Eintragung unrichtig sein würde. Das Grundbuchamt darf eine solche Eintragung nicht vornehmen (vergleiche BGH, Beschluss vom 28.04.1961 – V ZB 17/60, BGHZ 35, 135).

2. Vergleiche zu Leitsatz 1 RG, Urteil vom 23.04.1932, V 325/31, RGZ 136, 148-152.“

5)

Staatsvertrag zwischen den Ländern Baden und Württemberg-Hohenzollern über die Behandlung land- und forstwirtschaftlicher Grenzgrundstücke, in Kraft getreten am 1. 6. 1951 (Gesetz v. 27. 6. 1951, BadGVBl., S. 99; Gesetz v. 2. 7. 1951, WürttHoRegBl., S. 75), außer Kraft getreten mit Ablauf des 31. 12. 2000 (durch das Dritte Gesetz zur Bereinigung des baden-württembergischen Landesrechts v. 18. 12. 1995, GBl. 1996, 29).

6)

Lüdtke-Handjery/von Jeinsen HöfeO, Rn. 3 zu § 5 HöfeVfO.

7)

aaO. Rn. 3 zu § 5 HöfeVfO.

8)

aaO Rn.10 zu § 5 HöfeVfO.

9)

Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 07. August 2013 – 9 W 227/13 –, juris

10)

Lüdtke-Handjery/von Jeinsen HöfeO, § 1 Rn. 7;

11)

Ggf. auch das Höfegesetz für die Provinz Hannover vom 09.08.1909.

12)

Zumindest fanden sich bisher aus Umschreibungen, die Altrechte bzw. Blätter mit Eintragungen in Sütterlin- ober Kurrentschrift enthalten, teilweise unter Heranziehung der Archivakten der ehemaligen Amtsgerichte Wernigerode (Königreich Preußen Provinz Sachsen), Blankenburg (Harz) (Herzogtum Braunschweig) keinerlei Hinweise darauf.

13)

Insbesondere die kollisionsrechtlichen Regelungen, Art. 64 EGBGB.

14)

Staudinger, BGB zu Art. 64 EGBGB, Rn. 121 [Anmerkung: im Folgenden Rn 121 weitgehend zitiert]

15)

BGHZ 22, 317ff.

16)

Staudinger BGB, EGBGB Art. 64 Rn. 148: „Dagegen ist es fraglich und letztlich zu verneinen, dass ein Gebiet, das selbst kein Anerbenrecht hat (so Bayern, Berlin, Saarland), eine Regel entwickelt habe, wonach die in seinem Gebiet liegenden Ausmärkergrundstücke dem Anerbenrecht des Nachbarlandes, in welchem der Hof liegt, unterstellt sind (vgl hierzu auch Pritsch JZ 1957, 347, insbes. Fn 3).

Denn es bedarf zur Geltung des Anerbenrechts des anderen Bundeslandes streng genommen noch einer annehmenden Kollisionsregel des Landes des betreffenden Ausmärkergrundstücks, was aber deshalb zu verneinen ist, weil dieses ja für seine eigenen geschlossenen Höfe gerade kein Anerbenrecht kennt.“

17)

In Bezug auf Grundbucheintragungen bzgl. landwirtschaftlicher Flächen bzw. Betriebe tendiert die Zahl der Flächen bzw. Grundstücke, die als Ausmärkergrundstücke betroffen sind, gegen Null. vgl. …

18)

Amtsgerichtsbezirke an der Landesgrenze zu Niedersachsen, hier neben dem Amtsgericht Wernigerode im Landgerichtsbezirk Magdeburg, nur die Amtsgerichte Halberstadt, Oschersleben, Haldensleben.

19)

Staudinger BGB, Artikel 64 Rn. 14; wie auch zur Berechtigung des Anerbenrechts: Rn. 15 – 15a.

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