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Erdgasnetzbetreiber – Beschränkt persönliche Dienstbarkeit – Entfernung eines Gartenhauses

LG Oldenburg – Az.: 9 O 446/19 – Urteil vom 11.07.2019

1. Die Beklagten werden verurteilt, das auf ihrem Grundstück … (Flurstück 110/19 der Flur 35, Gemarkung … – eingetragen im Grundbuch von …, Blatt 7441), errichtete Gartenhaus aus dem Schutzstreifen von 8 m Breite (4 m links und 4 m rechts der Leitung, gemessen von der Rohrachse) der im südlichen Grundstücksbereich verlaufenden Gashochdruckleitung zu entfernen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin der Klägerin tragen die Beklagten.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehrt die Entfernung eines Gartenhauses.

Die Klägerin ist Betreiberin von Gasverteilungsnetzen gemäß § 3 Nr. 7 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) unter anderem im Bereich Ems-Weser-Elbe. Hierzu gehören auch die Gasverteilernetze in der Netzregion … . Die Beklagte sind je zur Hälfte Miteigentümer des Hausgrundstückes … . Das Grundstück ist bebaut mit einem Wohnhaus und einem Gartenhaus. Dieses Gartenhaus befindet sich auf dem Schutzstreifen der Gashochdruckleitung, die über den südlichen Teil des Grundstückes verläuft. Das Erdgasleitungsrecht ist abgesichert durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die gemäß Bewilligung vom 29.07.1992 im Grundbuch eingetragen wurde. In Abt. II Nr. 1 des im Tenor näher bezeichneten Grundbuchblattes ist bestimmt:

„Beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Erdgasleitungsrecht) für die … . Gemäß Bewilligung vom 29.07.1992 eingetragen am 06.10.1992 in Blatt 4578, übertragen am 22.02.2006 nach Blatt 6811, mit dem belasteten Grundstück übertragen am 07.05.2012 nach Blatt 7236 und von dort mit dem belasteten Flurstück 110/19 Flur 35 zur weiteren Haft hierher übertragen am 21.06.2013.“

Die Eintragungsbewilligung vom 29.07.1992 enthält folgende Regelung:

„Die …, ist berechtigt, in dem Grundbuch (damalige Grundbuchbezeichnung) in einem Grundstücksstreifen von 8,0 m Breite eine Gasleitung (Erdgas) mit den erforderlichen Armaturen einschließlich Steuerkabel zu verlegen, zu betreiben und zu unterhalten sowie das Grundstück zur Durchführung dieser Arbeiten nach jeweiliger Rücksprache mit dem betroffenen Landwirt zu betreten und notfalls zu befahren. Die Überlassung dieses Rechts an Dritte ist gestattet.

In den vorgenannten Schutzstreifen (4 m rechts und 4 m links der Leistung, gemessen von der Rohrachse) dürfen keine Baulichkeiten errichtet und keine tiefwurzeligen Bäume gepflanzt werden; auch sonst ist alles zu unterlassen, was die Leitung beeinträchtigt. Eine zeitgemäße landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Fläche muss sichergestellt bleiben.“

Durch Ausgliederungsvertrag vom 09.05.2006 (Ur-Nr. 336/2006 des Notars … in …) wurde der gesamte Unternehmensbereich „Resort Netz“ – bestehend aus den Bereichen Stromverteiler-, Gasverteiler-, Wasserversorgungs- sowie Telekommunikationsnetz, Straßenbeleuchtung und dem Betrieb der ZAW Zentrale Aus- und Weiterbildungsstätte – von der … Aktiengesellschaft auf die Klägerin als aufnehmende Gesellschaft ausgegliedert.

Die Klägerin trägt vor, um Gefährdungen von Mensch und Umwelt auszuschließen, müsse zunächst die Gasleitung selbst geschützt werden, da die aus Stahl bestehende Gasleitung mit einem hohen Druck betrieben werde. Sie müsse daher zur Sicherung regelmäßiger Kontrollen und eines freien Zugriffsrechts frei zugänglich sein. So seien auch Gefährdungen anderer durch unbemerkten Gasaustritt auszuschließen. Aus diesem Grunde müsse das Gartenhaus entfernt werden.

Die Klägerin und deren Streithelferin beantragen, wie erkannt.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten rügen eine fehlende Aktivlegitimation der Klägerin. Hierzu führen sie aus, beschränkte persönliche Dienstbarkeiten seien nicht vererblich oder übertragbar. Eine Ausnahme geben es lediglich nach §§ 1092 Abs. 2, 1059 a – d BGB bei juristischen Personen. Deren Voraussetzungen seien vorliegend aber nicht gegeben. Zudem ergebe sich aus dem Erdgasleitungsrecht ihres Erachtens kein Unterlassungsanspruch, da sich dies dem Grundbuch nicht entnehmen lasse. Da sie keinerlei Kenntnis von der schriftlichen Bewilligungserklärung gehabt hätten, hätten sie aufgrund des Erwerbs des Grundstückes als „Baugrundstück“ gutgläubig davon ausgehen dürfen, dass es keinerlei Baubeschränkungen gebe. Zudem handele es sich bei dem Gartenhaus nicht um eine bauliche Anlage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat aufgrund der ihr zustehende beschränkten persönlichen Dienstbarkeit einen Anspruch auf Entfernung des Gartenhauses aus dem Schutzbereich der Erdgasleitung in einem Bereich von 4 m rechts und links der Gasleitung – berechnet von der Rohrachse. Die dagegen erhobenen Einwände der Beklagten vermögen nicht zu überzeugen.

1. Der Einwand der mangelnden Aktivlegitimation greift nicht durch. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist gegeben, da sie infolge der Ausgliederung des betreffenden Geschäftsbereiches im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die vormalige Rechtsposition der … eingetreten ist.

Zutreffend verweisen die Beklagten darauf, dass beschränkte persönliche Dienstbarkeiten grundsätzlich weder vererblich noch übertragbar sind (§ 1092 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach § 1092 Abs. 2 BGB gilt allerdings bei juristischen Personen eine Ausnahme, da die §§ 1059 a ff. BGB entsprechend anwendbar sind. Aufgrund des Ausgliederungsvertrages vom 09.05.2006 ist die Klägerin aufgrund einer Gesamtrechtsnachfolge nach § 1059 a Abs. 1 Nr. 1 BGB Anspruchsberechtigte der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit geworden.

Die Klägerin entstand unstreitig im Wege der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG aus dem Vermögen der … die als Anspruchsberechtigte im Grundbuch eingetragen ist. Diese Ausgliederung hatte nach §§ 125, 20 UmwG einen Vermögensübergang des übernommenen Vermögens auf die Klägerin zur Folge. Die Vermögensübergänge nach dem UmwG – mit Ausnahme des Rechtsformwechsels – werden nach überwiegender Ansicht als Gesamtrechtsnachfolge angesehen mit der Folge, dass ein Fall des § 159 a Abs. 1 Nr. 1 BGB gegeben ist (MüKo-Pohlmann, BGB, 7. Aufl., § 1059a, Rn. 5; Palandt-Herrler, BGB, 78. Aufl., § 1059a, Rn. 1). Dementsprechend bedarf es keiner Feststellung der zuständigen Landesbehörde im Sinne des § 1059 a Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung die Ansicht vertreten hat, einer Aktivlegitimation scheitere auch an einer mangelnden Einigung und Eintragung im Sinne des § 873 BGB, vermag der Einzelrichter dem nicht zu folgen. Sicherlich zutreffend erfordert die Bestellung bzw. Begründung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eine Einigung und Eintragung im Grundbuch im Sinne des § 873 BGB. Ein Vermögensübergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge bedarf jedoch keiner entsprechenden Einigung und Eintragung. Denn bei einer Gesamtrechtsnachfolge – wie zum Beispiel auch bei einer Erbschaft – tritt der Vermögensübergang per Gesetz „automatisch“ mit dem entsprechenden Vorfall – Erbschaft oder hier Umwandlung durch Ausgliederung – ein. Eines weiteren ausdrücklichen Umsetzungsaktes bedarf es hierfür nicht. Da das Grundbuch nicht entsprechend korrigiert wurde, mag es unrichtig sein mit der Folge, dass diese Unrichtigkeit zu berichtigen wäre. An dem Vermögensübergang als solchem ändert die fehlende Eintragung des neuen Berechtigten jedoch nichts.

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit vorliegend sowohl ein Duldungs- als auch ein Unterlassungsanspruch. Dabei ist es unbeachtlich, dass der genaue Regelungsinhalt dem Grundbuchinhalt nicht zu entnehmen ist. Dieser ergibt sich jedoch aus der Eintragungsbewilligung, auf die im Eintragungsvermerk verwiesen wird.

Nach § 874 BGB kann bei der Eintragung eines Rechts, mit dem ein Grundstück belastet wird, zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden. In § 44 Abs. 2 S. 1 GBO wird dies sogar zur Soll-Vorschrift erhoben. Zweck dieser Regelung ist einer Vermeidung der Überfüllung und Unübersichtlichkeit des Grundbuches, um auf diese Weise dessen Publizitätsfunktion zu stärken. Allgemein wird es daher als ausreichend angesehen, dass der Regelungsinhalt im Eintragungsvermerk lediglich schlagwortartig bezeichnet wird, wie dies auch in § 44 Abs. 2 S. 3 GBO ausdrücklich geregelt ist (OLG Schleswig, Beschluss vom 18.05.2010 – 2 W 38/19, FGPrax 2011, 18, 19; BayObLG, Beschluss vom 26.03.1981 – Breg. 2 Z 91/80, BayOblGZ 1981, 117, 120; Palandt-Herrler, a. a. O., § 1090, Rn. 7, und § 1018, Rn. 30; MüKo-Mohr, a. a. O., § 1018, Rn. 67). Dem ist vorliegend mit der Eintragung als „Erdgasleitungsrecht“ und der Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung Genüge getan.

Auch wenn sich dem Eintragungsvermerk kein ausdrücklicher Unterlassungsanspruch entnehmen lässt, ist ein solcher gegeben. Denn dieser ergibt sich zwanglos aus der Eintragungsbewilligung vom 29.07.1992, auf die im Eintragungsvermerk ausdrücklich Bezug genommen wird. In der Eintragungsbewilligung ist geregelt, dass die Errichtung von Baulichkeiten in dem Schutzstreifen von 8 m nicht gestattet ist. Bei dem Gartenhaus mag es sich nicht um eine „bauliche Anlage“ im Sinne des Gesetzes handeln. Dies ist jedoch unbeachtlich. Denn zweifelsfrei handelt es sich um eine „Baulichkeit“, die nach der Eintragungsbewilligung nicht gestattet ist.

3. Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, sie hätten gutgläubig ein Grundstück ohne Baubeschränkungen erworben – unabhängig davon, dass ein gutgläubiger Erwerb aufgrund der ausdrücklichen Eintragung des Erdgasleitungsrechtes im Grundbuch ohnehin nicht in Betracht käme. In § 5 des mit der Streithelferin der Klägerin geschlossenen Grundstückskaufvertrages wird ausdrücklich auf das bestehende Erdgasleitungsrecht verwiesen, aufgrund dessen die Erdgasleitung das Grundstück der Beklagten durchläuft. Demnach war den Beklagten der Umstand des bestehenden Erdgasleitungsrechtes bekannt. Es mag sein, dass den Beklagten das Ausmaß der aufgrund des Erdgasleitungsrechtes sich ergebenden Einschränkungen nicht bekannt war. Sie hätten jedoch unschwer durch eine Einsicht in die entsprechende Eintragungsbewilligung davon Kenntnis erlangen können.

4. Somit widerspricht die Errichtung des Gartenhauses auf dem Schutzstreifen der Regelung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, so dass das Gartenhaus zu entfernen ist.

Dabei ist anzumerken, dass dies insbesondere auch dem Schutz der Beklagten selbst dient. Denn die Untersagung der Errichtung von Baulichkeiten im Schutzstreifen einer Erdgashochdruckleitung dient der besseren Prüfbarkeit der Leitung. Als Netzbetreiberin ist die Klägerin gehalten, die von ihr betriebenen Erdgasleitungen regelmäßig auf etwaige Leckagen zu untersuchen, um eine Gefährdung von Personen zu reduzieren, die sich im Umfeld der Leitungen aufhalten. Diese Prüfung wird durch die Überbauung eines Teils der Leitungen wesentlich erschwert.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1 ZPO.

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