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Nicht prüfungsfähiger Eintritt einer Bedingung durch Grundbuchamt

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 Wx 15/21 – Beschluss vom 28.09.2021

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 4. Januar 2021 wird die Zwischenverfügung des Grundbuchamts vom 18. Dezember 2020 aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, von seinen Bedenken gegen die Unbeschränktheit der Vollmacht in § 9 Nr. 1 Abs. 4 des Kaufvertrags vom 30. September 2020 – UR-Nr. …/2020 des Notars A. in X. – im Außenverhältnis zum Grundbuchamt Abstand zu nehmen.

Gründe

I.

Mit Kaufvertrag vom 30. September 2020 – UR-Nr. …/2020 des Notars A. in X. – veräußerte der Beteiligte zu 1) an die Beteiligte zu 2) das betroffene Erbbaurecht. In § 6 Nr. 2 einigten sich die Beteiligten, dass die Umschreibung des Erbbaurechts erst nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises beantragt werden dürfe, die Umschreibung nur von dem beurkundenden Notar beantragt werden könne, und verzichteten auf ein eigenes Antragsrecht. In § 9 Nr. 1 Abs. 1 bis 3 einigten sie sich über den Übergang des Erbbaurechts auf die Beteiligte zu 2) zu „Alleineigentum“ (Auflassung). Weiter heißt es in § 9 Nr. 1 Abs. 4 wörtlich:

„Diese unbedingte Auflassung enthält keine Eintragungsbewilligung und keinen Eintragungsantrag. Der beurkundende Notar wird unwiderruflich bevollmächtigt, die Eigentumsumschreibung zu bewilligen und die Eintragung in das Grundbuch zu beantragen. Von dieser Vollmacht, die die Beteiligten nur gemeinsam widerrufen können, darf der Notar erst Gebrauch machen, wenn er von dem Verkäufer die Bestätigung erhalten hat, dass die Zahlung des Kaufpreises – ohne etwaige Verzugszinsen – erfolgt ist.“

In § 10 bevollmächtigten die Beteiligten eine namentlich benannte ReNo-Fachangestellte unter der Geschäftsanschrift des Notars,

„(…) sämtliche zur Durchführung dieses Vertrages und Erreichung des Vertragszwecks erforderlich werdenden zweckdienlichen Erklärungen gegenüber jedermann, auch in Form des § 29 GBO abzugeben, (…) sämtliche zur vertragsgemäßen Umschreibung erforderlichen Anträge zu stellen und Bewilligungen abzugeben, gestellte Anträge zu berichtigen, zu ergänzen und/oder zurückzunehmen, sowie alles zu tun, was zur vertragsgemäßen Eigentumsumschrift erforderlich erscheint, insbesondere Auflassungen und Grundbuchberichtigungsanträge zu erklären (…).

Die Bevollmächtigten dürfen von der Vollmacht im Innenverhältnis nur insoweit Gebrauch machen, als das zum Erwerb des Kaufgegenstandes unter Berücksichtigung dieses Vertrages erforderlich ist.

Die Beschränkung gilt nicht gegenüber Dritten, insbesondere nicht gegenüber dem Grundbuchamt.“

Der beurkundende Notar hat mit unterschriebenem und gesiegeltem Schreiben vom 15. Dezember 2020 unter Bezugnahme auf § 9 des Vertrags die Umschreibung des „Eigentums“ auf die Beteiligte zu 2) zu „Alleineigentum“ bewilligt und beantragt. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 18. Dezember 2020 darauf hingewiesen, dass der Eintritt der Bedingung für das Grundbuchamt nicht prüfungsfähig sei. Da die Vollmacht nicht uneingeschränkt gelten solle, auch nicht gegenüber dem Grundbuchamt, wäre der Bedingungseintritt „Kaufpreiszahlung“ nachzuweisen, was in grundbuchtauglicher Form nicht möglich sei. Der Beteiligte zu 1) habe daher die Eintragungsbewilligung nebst Antrag selbst zu erklären, oder die Urkunde mit der UR-Nr. …/2020 müsse dahin abgeändert werden, dass die Vollmacht aus § 9 dem Grundbuchamt gegenüber uneingeschränkt gelten solle. Es hat zur Erledigung eine Frist von zwei Monaten gesetzt.

Dagegen richtet sich die von dem beurkundenden Notar eingelegte Beschwerde, mit der er die Auffassung vertritt, bei der Regelung in § 9 Nr. 1 Abs. 4 handele es sich lediglich um eine ihm von den Vertragsparteien erteilte treuhänderische Anweisung, wann er von der Vollmacht Gebrauch machen dürfe, ohne dass die Wirksamkeit der Vollmacht davon berührt sei. Die Einhaltung von Treuhandauflagen, die ihm im Innenverhältnis der Vertragsparteien erteilt worden seien, sei nicht in grundbuchmäßiger Form nachzuweisen. Die hier gewählte Formulierung der Auflassung mit einer Vollmacht und Durchführungsanordnung an ihn werde von ihm seit seiner Bestellung zum Notar im Februar 2020 bislang ohne jede Beanstandung gehandhabt, zuvor gleichlautend und ohne Beanstandung über Jahre hinweg auch durch seinen Kollegen Dr. B., mit dem er in einer Bürogemeinschaft zusammenarbeite. Entsprechende Formulierungen fänden sich in zahlreichen Formularbüchern. Sollte die in § 9 Nr. 1 enthaltene Durchführungsanordnung Einfluss auf die Wirksamkeit der erteilten Vollmacht haben, obwohl sie keine auf die Vollmacht bezogene aufschiebende Bedingung darstelle, müssten konsequenterweise auch die in § 6 Nr. 1 des Vertrags genannten Voraussetzungen – Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes, Genehmigung des Grundstückseigentümers zur Veräußerung, Verzicht des Grundstückseigentümers auf das vertragliche Verkaufsrecht – in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden, was nicht ernsthaft gewollt sein könne.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10. März 2021 nicht abgeholfen. Es hat ergänzend ausgeführt, bei der Auslegung von Erklärungen sei auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Beobachter als naheliegend ergebe. Hier sei der Notar mit der Abgabe einer Eintragungsbewilligung bevollmächtigt worden. Der Bevollmächtigung folge ohne Trennung durch Absatz oder einen Textaufbau, der auf eine bewusste und gewollte Abtrennung hinziele, die Regelung, dass der Notar erst dann von der Vollmacht Gebrauch machen dürfe, wenn gewisse Voraussetzungen eingetreten seien. Die Beteiligten hätten also sicherstellen wollen, dass die Eintragungsbewilligung auf gar keinen Fall vor Eintritt dieser Umstände abgegeben werde, was als Bedingung einzuordnen sei. Eine Aussage dahingehend, dass es sich um eine allein im Innenverhältnis geltende Einschränkung handele, sei nicht getroffen worden.

II.

Die Beschwerde, die gemäß § 15 Abs. 2 GBO als im Namen der Beteiligten eingelegt gilt, ist gemäß § 71 Abs. 1 GBO zulässig und auch begründet.

Die für die Eintragung erforderliche Bewilligung des Veräußerers als verlierenden Teils (§ 19 GBO) und der nach § 13 Abs. 1 GBO erforderliche Antrag eines Antragsberechtigten ist wirksam von dem Notar gestellt. Dazu ist er in § 9 Nr. 1 Abs. 4 des Vertrags vom 30. September 2020 im Außenverhältnis unbeschränkt bevollmächtigt worden.

Mit Recht ist das Grundbuchamt im Ausgangspunkt davon ausgegangen, dass bei der Auslegung von Vollmachten (§ 167 BGB) gemäß § 133 BGB auf den Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen ist, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BGHZ 113, 374 (378); 91, 352 (355); OLG München FGPrax 2014, 53).

Danach ist die erteilte Vollmacht nach ihrer nächstliegenden Auslegung im Außenverhältnis unbeschränkt erteilt. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Text der maßgeblichen Erklärung in § 9 Nr. 1 Abs. 4, wonach erkennbar nur für das Innenverhältnis einengende Regeln aufgestellt sind. Allerdings folgt dies nicht schon aus dem Eingangssatz, dass der Notar „unwiderruflich bevollmächtigt“ wird. Denn im Weiteren wird dies eingeschränkt, ohne dass – was der unmissverständlichen Klarstellung gedient hätte – ausdrücklich erklärt worden ist, dass die Bedingung nur im Innenverhältnis gelten solle und ohne dass diese Einschränkung mit einem Absatz auch im äußeren Aufbau von dem Eingangssatz getrennt worden ist.

Die Einschränkung, wonach von der Vollmacht erst Gebrauch gemacht werden darf, wenn der Notar von dem Verkäufer die Bestätigung erhalten habe, dass die Zahlung des Kaufpreises erfolgt sei, ist aber nach Sinn und Zweck nur als Regelung im Innenverhältnis gewollt. Dafür spricht das verwendete Prädikat („darf“), welches regelmäßig ein Mehr an Rechtsmacht im Außenverhältnis, als die interne Befugnis gestattet, zum Ausdruck bringt (OLG München, a. a. O., und FGPrax 2013, 157). Die Klausel legt im Weiteren fest, dass von der Vollmacht nur Gebrauch gemacht werden darf, wenn der Notar von dem Verkäufer die Betätigung der Kaufpreiszahlung erhalten hat. Für das Grundbuchamt würde eine solche, bloß schriftliche Bestätigung ersichtlich schon deswegen nicht ausreichen, weil sie den Formerfordernissen des § 29 Abs. 1 GBO nicht genügt. Die Beteiligten wollten zur Vollzugsvereinfachung jedoch erkennbar Erklärungen und Bescheinigungen zur Kaufpreiszahlung vom Veräußerer bzw. Erwerber ausreichen lassen, die die strengen grundbuchrechtlichen Nachweisformen (§ 29 GBO) nicht erfüllen. Daraus ergibt sich, dass die Einschränkung als bloße Anweisung im Innenverhältnis zwischen den Beteiligten und dem Notar gewollt war (ebenso für eine nahezu wortgleiche Bevollmächtigung eines Notars OLG München FGPrax 2014, 53).

Hierfür spricht bei systematischer Auslegung auch der Vergleich mit § 10 des Vertrags, wonach „die Bevollmächtigten von der Vollmacht im Innenverhältnis nur insoweit Gebrauch machen dürfen, als das zum Erwerb des Kaufgegenstandes unter Berücksichtigung dieses Vertrags erforderlich ist“ und „die Beschränkung nicht gegenüber Dritten, insbesondere nicht gegenüber dem Grundbuchamt (gilt)“. Dem ist zu entnehmen, dass die Beteiligten hinsichtlich der ReNo-Fachangestellten im Außenverhältnis zum Grundbuchamt eine unbeschränkte Vollmacht wollten, um den Vertrag erforderlichenfalls problemlos vollziehen zu können. Auch das spricht dafür, dass die in § 9 Nr. 1 Abs. 4 dem Notar erteilte Vollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt gelten sollte, weil nach Sinn und Zweck der Regelungen in §§ 9 und 10 nicht angenommen werden kann, dass der Notar in Bezug auf die Erteilung der Eintragungsbewilligung und die Stellung des Eintragungsantrags größeren Beschränkungen unterliegen sollte als seine ReNo-Fachangestellte.

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