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Löschung Roggenrente im Grundbuch bei fehlender Bestimmtheit

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 5 W 104/18 – Beschluss vom 22.10.2019

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) – Grundbuchamt – vom 20. Juli 2018, Gz. M… Blatt 7…-11, aufgehoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist eingetragene Eigentümerin der im Grundbuch von M…Blatt 7…verzeichneten Grundstücke. In Abteilung II ist unter der laufenden Nummer 1 seit dem 31. Mai 1879 folgendes Recht (im Folgenden: Roggenrente) eingetragen: „Eine vom 1. Oktober 1877 ab nach dem Fälligkeitstermin vorangegangenen jedesjährigen Martini-Marktpreises der Marktstadt Frankfurt (Oder) in Gelde abzuführende jährliche Roggenrente, eingetragen mit dem Vorzugsrechte der abgelösten Abgaben für die Pfarre, das Rektorat, die Küsterei und die Organistenstelle zu M… auf Grund des Ablösungsrezesses vom 9./18 April, 25. Mai 1878/14. März 1879…“.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2017 bat die Antragstellerin das Grundbuchamt um Mitteilung der jährlich zu leistenden Rente zur Ermittlung des Ablösungsbetrages nach § 10 GBBerG. Für den Fall, dass sich die Höhe nicht ermitteln lasse, beantragte sie die Löschung des Rechts von Amts wegen. Das Grundbuchamt forderte vom Landeshauptarchiv am 2. August 2017 Grundbuchauszüge aus den Altakten M… Blatt 6…und M… Blatt 7… an, die am 16. August 2017 übersandt wurden. Bereits zuvor hatte das Grundbuchamt am 15. Juni 2017 beim Landeshauptarchiv die Übersendung eines Grundbuchauszugs sowie die Kopie des Akteninhalts bezüglich der Eintragung der Roggenrente erbeten. Das Landeshauptarchiv übersandte daraufhin am 22. Juni 2017 die angeforderten Grundbuchauszüge sowie Kopien des der Eintragung des Rechts zugrunde liegenden Rezesses aus der Rezessakte. Am 25. Juni 2017 teilte das Grundbuchamt der Antragstellerin mit, das Landeshauptarchiv habe die Rezessbeteiligten und die Höhe der jeweils zu entrichtenden Rente mitgeteilt, die entsprechenden Unterlagen könnten eingesehen werden. Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin am 4. September 2017 erneut um Mitteilung der Rentenhöhe gebeten hatte, hat das Grundbuchamt mit Schreiben vom 8. September 2017 seinen Hinweis wiederholt, Rezessbeteiligte und Höhe der durch diese zu entrichtenden Rente seien bekannt. Das Grundbuchamt wandte sich sodann mit Schreiben vom 4. Januar 2018 an das Evangelische Pfarramt M… und bat um Mitteilung eines in Frage kommenden Ablösebetrages. Am 10. April 2018 teilte dieses mit, gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 2% des Grundstückswertes bestünde Bereitschaft zur Löschung der Roggenrente.

Mit Beschluss vom 20. Juli 2018 wies das Grundbuchamt den Antrag auf Löschung der Roggenrente zurück. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass das Recht zum Eintragungszeitpunkt keinen eintragungsfähigen Inhalt gehabt habe. Es sei auch zu berücksichtigen, dass Eintragungen, die über einen derart langen Zeitraum als inhaltlich zulässig und daher rechtswirksam angesehen worden seien, aus Gründen der Rechtssicherheit und des öffentlichen Glaubens schutzwürdig seien.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 30. Juli 2018. Unzulässig sei eine Eintragung, wenn das Recht auch bei Auslegung so unklar sei, dass nicht ersehen werden könne, was eingetragen sei, oder die Eintragung in der Weise unvollständig sei, dass sie einen wesentlichen Bestandteil des Rechts nicht enthalte. Der Eintragung fehle als wesentlicher Bestandteil die Menge an Roggen, deren Wert vom Eigentümer dem Berechtigten geschuldet sei. Das Recht könne trotz Unklarheit auch nicht deswegen bestehen bleiben, weil es vor dem Inkrafttreten der Grundbuchordnung eingetragen worden sei. Es komme nicht darauf an, dass die Eintragung über einen längeren Zeitraum nicht beanstandet worden sei. Zu berücksichtigen sei eher, dass seit Menschengedenken vom Eigentümer keine Leistung mehr verlangt worden sei.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 24. August 2018 nicht abgeholfen. Die eingetragene Roggenrente sei in Geldform abzuführen. Zudem sei auf die Eintragungsbewilligung im Ablösungsrezess im Eintragungstext Bezug genommen worden.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, §§ 71 Abs. 1, 73 GBO. Zwar handelt es sich bei dem Verfahren auf Löschung einer ihrem Inhalt nach unzulässigen Eintragung nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO um ein Amtsverfahren, so dass einem entsprechenden Antrag lediglich die Bedeutung einer Anregung zukommt (Demharter, GBO, § 53 Rn. 15), die Ablehnung der Löschung kann aber mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angegriffen werden. Die Antragstellerin ist als eingetragene Eigentümerin ohne weiteres beschwerdeberechtigt, weil ihre Rechtsstellung durch die Entscheidung des Grundbuchamtes unmittelbar betroffen ist (Demharter, a. a. O. § 71 Rn. 67 und 58).

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Grundbuchamt durfte den Antrag auf Löschung der Roggenrente nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweisen.

Eine Eintragung ist inhaltlich unzulässig, wenn ein Recht mit dem Inhalt oder in der Ausgestaltung, wie es eingetragen ist, aus Rechtsgründen nicht bestehen kann (BGH FGPrax 2015, 5). Unzulässig sind u. a. Eintragungen, die ein an sich eintragungsfähiges Recht nicht mit dem vom Gesetz gebotenen Inhalt verlautbaren, also insbesondere, wenn die Eintragung des betreffenden Rechts unvollständig ist und daher wesentliche Bestandteile fehlen, so dass auch bei der gebotenen Auslegung nicht ersehen werden kann, was eigentlich eingetragen ist (BGH FGPrax 2015, 5; Demharter, GBO, § 53 Rn. 49; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 418). Für die Bestellung einer Reallast, also einer mit einer auf einem Grundstück lastenden Roggenrente vergleichbaren Belastung in der Weise, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt ist, wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind (§ 1105 Abs. 1 S. 1 BGB), gilt, dass der Geldwert der geschuldeten Leistung zwar nicht bestimmt, aber dem Umfang nach jedenfalls bestimmbar sein muss (BGHZ 130, 342, 345; Staudinger/Reymann, BGB, § 1105 Rn. 28; Meikel/Morvilius, GBO, Einl B Rn. 453). Für die hinreichende Bestimmtheit ist in diesem Zusammenhang aber nicht erforderlich, dass der Umfang der tatsächlichen Belastung in einem bestimmten Zeitpunkt aus der Eintragung selbst oder in Verbindung mit der Eintragungsbewilligung ersichtlich sein muss. Es ist ausreichend, wenn Art, Gegenstand und Umfang der Leistung aufgrund objektiver Umstände erkennbar sind, die auch außerhalb des Grundbuchs liegen können, sofern sie nachprüfbar und mindestens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind (BGHZ 130, 342, 345 f.; Staudinger/Reymann, a. a. O., Rn. 30; Meikel/Morvilius, a. a. O., Rn. 453 m. w. Nachw.). Für die damit ohne weiteres vergleichbare Eintragung einer Roggenrente kann im Ergebnis nichts anderes gelten.

Ausgehend davon kann die angeregte Amtslöschung der Roggenrente nicht mit dem pauschalen Hinweis, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Recht zum Eintragungszeitpunkt keinen eintragungsfähigen Inhalt gehabt habe, nicht abgelehnt werden. Diese Auffassung berücksichtigt bereits nicht hinreichend den Wortlaut der Eintragung. Danach wird zwar ein Maßstab für die Bestimmung des maßgeblichen Roggenpreises angegeben, der tatsächliche Umfang der Belastung ist gleichwohl weder für den Eigentümer des Grundstücks noch für Dritte auch nur ansatzweise ersichtlich, weil sich aus der Eintragung nicht ergibt, nach welcher Menge an Roggen die in Geld abzuführende Roggenrente zu bestimmen ist. Angaben hierzu sind für den Senat auch nicht aus den Auszügen der in der Eintragung in Bezug genommenen Rezesse aus den Jahren 1878/79 ersichtlich, soweit sie durch das Landeshauptarchiv übersandt wurden.

Der Senat sieht sich gegenwärtig gleichwohl an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Bei dem Verfahren auf Amtslöschung nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO handelt es sich um ein Amtsverfahren, für das der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) gilt, d. h. das Grundbuchamt muss die für seine Entscheidung erforderlichen Ermittlungen selbst durchführen. Das Grundbuchamt hat in Anwendung dieses Verfahrensgrundsatzes zwar beim Landeshauptarchiv Auskünfte zu den Grundbüchern von M… Blatt 8…, Blatt 7… und Blatt 6… eingeholt. Die Rezesse, auf denen die Eintragungen beruhen sollen, liegen jedoch nur auszugsweise vor. So beginnt etwa auf Bl. 1304 der übermittelten Kopien des Landeshauptarchivs ein Rezess erst mit dessen § 4, die ebenfalls in Bezug genommenen Rezesse vom 15. Mai 1878/14. März 1879 liegen, soweit ersichtlich dagegen nicht vor. Entsprechend erforderliche Ermittlungen zur vollständigen Klärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, etwa durch eine konkretisierte Anfrage beim Landeshauptarchiv oder beim Evangelischen Pfarramt M… wurden bisher nicht angestellt.

Da das Grundbuchamt vor seiner die Amtslöschung ablehnenden Entscheidung der Antragstellerin mitgeteilt hatte, die Höhe der zu entrichtenden Rente sei bekannt, dies für den Senat aus den vorliegenden Unterlagen aber nicht ersichtlich ist, hält es der Senat für sachgerecht, die noch erforderliche Amtsermittlungstätigkeit dem Grundbuchamt zu überlassen. Sollte diese Amtsermittlungstätigkeit keine weiteren Erkenntnisse im Hinblick auf die Bestimmbarkeit der eingetragenen Grundstücksbelastung, insbesondere hinsichtlich der maßgeblichen Roggenmenge, erbringen, dürfte es sich nach den dargestellten Maßstäben um eine bereits im Eintragungszeitpunkt unzulässige Eintragung handeln, weil sich ihr die Höhe der zu zahlenden Rente in keiner Weise entnehmen lässt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass zum Eintragungszeitpunkt insoweit andere Maßstäbe gegolten haben könnten. Eine zwangsweise Durchsetzung des Rechts allein auf Grund des Eintragungstextes wäre mangels hinreichender Bestimmtheit ebenfalls nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Abs. 1 GNotKG; eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.

Berichtigungsbeschluss vom 10. Dezember 2019

Der Beschluss vom 22. Oktober 2019, Az. 5 W 104/18 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit (§ 42 Abs. 1 FamFG) dahingehend berichtigt, dass es im Rubrum statt „M… Blatt 7…-11 – Amtsgericht Frankfurt (Oder)“ heißen muss „M… Blatt 7…-11 – Amtsgericht Eisenhüttenstadt und im Tenor statt „…Beschlusses des Amtsgerichts Frankfurt (Oder)…“ „…Beschlusses des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt…“.

 

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