Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 12 Wx 33/20 – Beschluss vom 29.12.2020
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Bernburg – Grundbuchamt – vom 7. Juni 2018 aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, die beantragte Löschung nicht von einer Bewilligung des Ernst K. bzw. seiner Erben abhängig zu machen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 5.000,00 €.
Gründe
I.
Ursprünglich waren Lieselotte Gretchen Martha Bertha Ruth S. und Hans-Heinrich Walther Adolf S. je zur Hälfte als Eigentümer des im Grundbuch von N. Blatt 28 (zuvor Grundakte von N. Band XX Blatt 878) verzeichneten Grundbesitzes eingetragen.
Ernst K. sen. (Ernst K. der Ältere zu R. ) ist am 20. November 1934 aufgrund Auflassung vom 28. September 1934 als Eigentümer eingetragen worden. Einzelheiten zu einem Erwerbsvertrag lassen sich den Grundakten nicht entnehmen. Zuvor war bereits in Abt. II lfd. Nr. 5 des o.g. Grundbuchs folgende Vormerkung eingetragen worden:
„Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung für den Privatmann Ernst K. sen. in R. . Eingetragen am 7. September 1934.“
Die Beteiligte ist seit dem 9. April 1954 als Eigentümerin eingetragen.
Mit Schriftsatz vom 27. November 2017 hat die Beteiligte bei dem Grundbuchamt beantragt, die Auflassungsvormerkung zu löschen, denn offensichtlich versehentlich sei deren Löschung im Rahmen der Eigentumsumschreibung auf Ernst K. unterblieben.
Das Amtsgericht Bernburg – Grundbuchamt – hat nach Beiziehung der historischen Grundakten die Beteiligte mit der angefochtenen Zwischenverfügung (Beschluss vom 7. Juni 2018) darauf hingewiesen, dass eine Löschung nur nach Vorlage einer Löschungsbewilligung des Ernst K. oder seiner Erben unter Nachweis von deren Erbenstellung erfolgen könne, und ihr zur Behebung des Hindernisses eine Frist von sechs Wochen gesetzt.
Hiergegen hat die Beteiligte mit Schriftsatz vom 4. Februar 2020 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Auflassungsvormerkung im Wege der Berichtigung nach § 22 GBO zu löschen sei, denn die Möglichkeit des Fortbestandes des gesicherten Anspruchs sei ausgeschlossen. Mit der Eintragung des Berechtigten der Auflassungsvormerkung Ernst K. sen. als Eigentümer des Grundbesitzes sei der ursprünglich durch die Auflassungsvormerkung gesicherte Anspruch durch Erfüllung erloschen. Mehr habe die Auflassungsvormerkung nicht sichern sollen. Ein weiterer Nachweis sei nicht nötig.
Mit Beschluss vom 19. Juni 2020 hat das Amtsgericht Bernburg – Grundbuchamt – der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 71 GBO statthaft und im Übrigen zulässig (§§ 73, 74 GBO) und auch in der Sache begründet.
Die Zwischenverfügung vom 9. Juni 2018 kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Grundbuchamt diese mit einem nach § 18 GBO nicht zulässigen Inhalt erlassen hat. Denn ein Eintragungsantrag ist vom Grundbuchamt sofort zurückzuweisen, wenn die zur Eintragung erforderliche Bewilligung des unmittelbar Betroffenen noch nicht erklärt ist. Durch den Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO sollen dem Antragsteller der Rang und die sonstigen Rechtswirkungen erhalten bleiben, die sich nach dem Eingang des Antrags richten und durch dessen sofortige Zurückweisung verloren gingen (z. B. BGH, Beschluss vom 26. September 2013, V ZB 152/12; Beschluss vom 13. Oktober 2016, V ZB 98/15; beide zitiert nach Juris). Die Vorschrift bezieht sich auf die Beseitigung eines der Eintragung entgegenstehenden Hindernisses und ist nicht anwendbar, wenn der Mangel des Antrags nicht mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann (z. B. BGH, Beschluss vom 23. Mai 1958, V ZB 12/58; Beschluss vom 26. September 2013; V ZB 152/12; Beschluss vom 26. Juni 2014, V ZB 1/12; Beschluss vom 13. Oktober 2016, V ZB 98/15; sämtlich zitiert nach Juris). Mit einer Zwischenverfügung kann dem Antragsteller deshalb nicht aufgegeben werden, eine erst noch zu erklärende Eintragungs- oder Löschungsbewilligung des von der Eintragung unmittelbar Betroffenen beizubringen (z. B. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014, V ZB 1/12; Beschluss vom 13. Oktober 2016, V ZB 98/15; beide zitiert nach Juris). Der Antrag ist dann zurückzuweisen (z. B. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016, V ZB 98/15, zitiert nach Juris).
Danach liegt hier eine unzulässige Zwischenverfügung des Grundbuchamts vor. Es hat der Beteiligten aufgegeben, die Löschungsbewilligung des Berechtigten der Auflassungsvormerkung oder von dessen Erben vorzulegen, weil es den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht als geführt ansieht. Von seinem Standpunkt aus hätte das Grundbuchamt keine Zwischenverfügung erlassen dürfen, sondern den Löschungsantrag der Beteiligten zurückweisen müssen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat – ohne Bindungswirkung – darauf hin, dass der Erfolg des auf Löschung der Auflassungsvormerkung gerichteten Antrags der Beteiligten nicht davon abhängen dürfte, dass eine Löschungsbewilligung des Berechtigten Ernst K. sen. bzw. seiner Erben vorgelegt wird. Zur Berichtigung des Grundbuchs auf Antrag bedarf es nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO nicht der Bewilligung nach § 19 GBO, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist. An den Unrichtigkeitsnachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, weil er eine Grundbucheintragung ohne Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und sichergestellt sein muss, dass am Verfahren nicht Beteiligte nicht geschädigt werden. Erforderlich ist der volle Nachweis. Ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Der Antragsteller hat in der Form des § 29 GBO alle Möglichkeiten auszuräumen, die der Richtigkeit der begehrten (neuen) Eintragung entgegenstehen würden; lediglich ganz entfernte, bloß theoretische Möglichkeiten brauchen nicht ausgeräumt zu werden. Die Löschung einer Auflassungsvormerkung wegen Unrichtigkeitsnachweises ist nach diesem Maßstab nur möglich, wenn der Antragsteller nachweist, dass das Bestehen oder Entstehen des zu sichernden Anspruchs ausgeschlossen ist (z. B. OLG Schleswig, Beschluss vom 10. November 2010, 2 W 144/10, zitiert nach Juris).
Im Ausgangspunkt legt das Grundbuchamt nach dem Inhalt des Grundbuches zutreffend zugrunde, dass der mit der Auflassungsvormerkung ursprünglich gesicherte Übereignungsanspruch durch den Vollzug der Auflassung und die Eintragung des Ernst K. sen. erfüllt war. Zudem ist es nach dem Inhalt des Grundbuchs zu keinen vormerkungswidrigen Zwischeneintragungen gekommen. Ebensowenig bestehen aus dem Grundbuch ersichtlich Anhaltspunkte dafür, dass die Eigentumsübertragung auf Ernst K. sen. hinfällig oder unwirksam geworden ist.
Grundsätzlich zu Recht hat das Grundbuchamt auch im weiteren die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum „Aufladen“ einer Vormerkung mit anderen Ansprüchen berücksichtigt. Daraus ergibt sich nämlich, dass zum einen eine erloschene Vormerkung zur Sicherung eines neuen, deckungsgleichen Anspruchs verwendet werden kann (BGH, Urteil vom 26. November 1999, V ZR 432/98, zitiert nach Juris) und zum anderen eine Vormerkung auf Ansprüche mit anderen Voraussetzungen erstreckt werden kann (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2007, V ZR 21/07, zitiert nach Juris). Erforderlich ist jeweils, dass Schuldner, Gläubiger und Anspruchsgegenstand der neuen oder zusätzlichen Ansprüche identisch sind (BGH, Urteil vom 26. November 1999, V ZR 432/98; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. April 2008, 20 W 131/08; beide zitiert nach Juris). Dabei bedarf es nach den genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes keiner Eintragung der Änderung in das Grundbuch, so dass das „Aufladen“ der Vormerkung mit anderen oder weiteren Ansprüchen durch notarielle Vereinbarung von Schuldner und Gläubiger nicht aus dem Grundbuch und nicht einmal aus den Grundakten zwingend erkennbar sein muss (z. B. OLG Schleswig, Beschluss vom 10. November 2010, 2 W 144/10, zitiert nach Juris).
Hier allerdings ist es nicht lediglich sehr unwahrscheinlich, dass die Parteien eines Erwerbsgeschäfts im Jahre 1934 nach der Eigentumsumschreibung auf Ernst K. sen. einen deckungsgleichen Eigentumsübertragungsanspruch neu begründet haben, der mit der noch eingetragenen gegenständlichen Vormerkung gesichert werden soll. Vielmehr handelt es sich vorliegend allenfalls um eine ganz entfernte, bloß theoretische Möglichkeit, dass die Voreigentümer Lieselotte Gretchen Martha Bertha Ruth S. und Hans-Heinrich Walther Adolf S. mit Ernst K. sen. (oder die jeweiligen Rechtsnachfolger) nach Eintragung des Ernst K. sen. eine weitere Vereinbarung getroffen haben, wonach die genannten Voreigentümer den betroffenen Grundbesitz an Ernst K. sen. zu übereignen haben.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich nämlich in einem wesentlichen Punkt von denjenigen Sachverhalten, die den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln (Beschluss vom 25. November 2009, 2 Wx 98/09, zitiert nach Juris), Bremen (Beschluss vom 3. November 2010, 3 W 17/10, zitiert nach Juris) und Frankfurt (Beschluss vom 9. November 2011, 20 W 347/11, zitiert nach Juris) zugrunde lagen. Diese betrafen Fälle, in denen jeweils durch Vormerkung ein bedingter Rückübereignungsanspruch des früheren Grundstückseigentümers abgesichert wurde. Der ursprünglich gesicherte Rückübereignungsanspruch bestand jeweils nach dem Tode des Berechtigten endgültig nicht mehr; es war aber nicht auszuschließen, dass der Anspruch zu Lebzeiten des Berechtigten ausgetauscht oder erweitert worden war und nunmehr den Erben des Berechtigten zustand. Letzteres war zwar unter Berücksichtigung aller Umstände jeweils äußerst unwahrscheinlich, aber nicht derart fernliegend, dass die Möglichkeit des „Aufladens“ der Vormerkung als ausgeräumt betrachtet werden konnte (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 10. November 2010, 2 W 144/10).
Hier dagegen ist der ursprünglich gesicherte Anspruch durch Erfüllung erloschen und nicht etwa wegen Befristung oder durch Eintritt/Ausfall einer Bedingung weggefallen. Ein mit dem ursprünglichen Übereignungsanspruch deckungsgleicher Anspruch des Ernst K. sen. gegen die Voreigentümer hätte allenfalls theoretisch begründet werden können, weil dies darauf hinausgelaufen wäre, dem eingetragenen Eigentümer Ernst K. sen. einen Übereignungsanspruch gegen einen Nichteigentümer, Lieselotte Gretchen Martha Bertha Ruth S. und Hans-Heinrich Walther Adolf S. , zu verschaffen.
Jedenfalls aber stellt es allenfalls eine theoretische Möglichkeit dar, dass die Parteien des Erwerbsvertrages aus dem Jahre 1934 oder ihre Rechtsnachfolger in den mittlerweile 86 Jahren nach der Erfüllung des Übereignungsanspruches einen neuen Anspruch des bereits eingetragenen Eigentümers auf Übereignung des ihm bereits gehörenden Grundstücks begründet haben. Wie bereits ausgeführt, deutet schon nichts darauf hin, dass der Eigentumserwerb durch Ernst K. sen. unwirksam sein könnte oder dass dies von einer Vertragspartei in den seit 1934 verstrichenen Jahrzehnten geltend gemacht worden wäre. Jedenfalls aber wäre in einem solchen Fall sicher nicht ein weiterer Übereignungsanspruch begründet und durch die noch eingetragene Vormerkung abgesichert worden, ohne dass über so viele Jahrzehnte etwas zum Vollzug des neu begründeten Anspruchs geschehen wäre. Im Gegenteil, ausweislich des Inhalts des Grundbuchs hat der Berechtigte der Auflassungsvormerkung selbst rechtsgeschäftlich das Grundstück an die Beteiligte weiterveräußert und an diese am 9. April 1954 aufgelassen. Unter den konkreten Umständen dieses Falles erscheint es äußerst fernliegend, dass zwischen den Parteien des Erwerbsvertrages von 1934 bzw. ihren Gesamtrechtsnachfolgern noch ein Auflassungsanspruch bestehen könnte, der durch eine Vormerkung gesichert sein könnte. Nach allem ist die Löschung der Vormerkung in diesem langen Zeitraum ersichtlich lediglich versehentlich versäumt worden.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beteiligte mit ihrer Beschwerde obsiegt hat und Gebühren und Auslagen insoweit nicht erhoben werden (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 79 Abs. 1, 61 Abs. 1, Abs. 2, 36 Abs. 1, Abs. 3 GNotKG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.