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Grundschuldeintragung aufgrund transmortaler Vollmacht

Erben-Voreintragung im Grundbuch

OLG Karlsruhe – Az.: 19 W 72/21 (Wx) – Beschluss vom 18.10.2021

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Mannheim, Grundbuchamt, vom 12.7.2021 – MAN007 GRG 622/2021 – aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag vom 31.5.2021, geändert durch den Antrag vom 23.7.2021, auf Eintragung der Grundschuld nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die am 24.3.2021 verstorbene … ist im Grundbuch als Eigentümerin des Grundbesitzes eingetragen (Grundbuch des Amtsgerichts Mannheim, Gemeinde N., Grundbuchbezirk N., Blatt … und ebd. Blatt …). Sie hatte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 1, bereits am 19.5.2006 eine notariell beurkundete Vollmacht einschließlich einer Vermögensvollmacht erteilt, die durch den Tod des Vollmachtgebers ausdrücklich nicht erlöschen sollte und die Bevollmächtigte auch zur Abwicklung des Nachlasses ermächtigte.

Am 21.5.2021 schloss die Beteiligte zu 1 unter Verwendung der transmortalen notariellen Vollmacht für den Nachlass ihrer verstorbenen Mutter als Verkäufer mit dem Beteiligten zu 2 als Käufer einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über den Grundbesitz. Dieser enthielt die unbedingten Auflassungserklärungen, die Bewilligung und den Antrag einer Vormerkung und die Verpflichtung des Verkäufers, zum Zwecke der Kaufpreisfinanzierung an einer Bestellung von Grundpfandrechten mitzuwirken. Dazu erteilte der Verkäufer dem Käufer die Vollmacht, alle im Zusammenhang mit der Bestellung und rangrichtigen Eintragung von Grundpfandrechten in beliebiger Höhe am Vertragsgegenstand zweckmäßigen Erklärungen abzugeben, mit der Befugnis, Vollstreckungsunterwerfungen nach § 800 ZPO zu erklären.

Auf der Grundlage dieser Vollmacht erklärte der Beteiligte zu 2 für sich und den Nachlass von … ebenfalls am 21.5.2021 eine notariell beurkundete Grundschuldbestellung zu Gunsten der Beteiligten zu 3 in Höhe von 350.000 EUR, einschließlich der Bewilligung und Beantragung der Eintragung der Grundschuld.

Der gemäß § 15 GBO vertretungsbefugte Notar hat am 31.5.2021 die Eintragung einer Grundschuld und im Rang danach die Eintragung einer Auflassungsvormerkung beim zuständigen Grundbuchamt beantragt, ohne die Erben der … zu benennen oder einen Erbnachweis beizufügen.

Durch Zwischenverfügung vom 12.7.2021 hat das Grundbuchamt beanstandet, dass zum Vollzug des Antrags noch die Vorlage des Erbnachweises auf Ableben von … und der Antrag der Erben auf Berichtigung des Grundbuchs auf Ableben von … erforderlich sei. Zur Eintragung der Grundschuld sei die Voreintragung der Erben nach § 39 Abs. 1 GBO erforderlich. Die Voreintragung der Erben sei weder nach § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO noch nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO entbehrlich.

Dagegen wendet sich die von dem vertretungsberechtigten Notar am 13.7.2021 eingelegte Beschwerde, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

Am 23.7.2021 hat der Notar als Vertreter der Beteiligten den Eintragungsantrag vom 31.5.2021 unter Aufrechterhaltung des Antrags auf Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld dahin geändert, dass die Auflassungsvormerkung im Rang vor der Finanzierungsgrundschuld einzutragen sei. Das Grundbuchamt hat am 9.8.2021 eine Erwerbsvormerkung für den Beteiligten zu 2 im Grundbuch für den streitgegenständlichen Grundbesitz eingetragen.

II.

Die nach §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 hat Erfolg.

Die Zwischenverfügung des Grundbuchamts vom 12.7.2021 ist nicht gerechtfertigt. Für die Eintragung der streitgegenständlichen (Finanzierungs-) Grundschuld ist weder ein Erbnachweis auf Ableben von … noch ein Antrag der Erben auf Berichtigung des Grundbuchs erforderlich. Denn es bedarf keiner Voreintragung der Erben als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundbesitzes.

1.

Von dem Grundsatz der Voreintragung (§ 39 Abs. 1 GBO) bestehen Ausnahmen für Erben nach § 40 Abs. 1 GBO. Zwar ergibt sich hier die Ausnahme von dem Voreintragungsgrundsatz nicht aus § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO, wohl aber aus § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO.

a)

Eine Ausnahme von dem Voreintragungsgrundsatz für die Eintragung einer (Finanzierungs-) Grundschuld besteht nicht nach § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO.

Danach ist § 39 Abs. 1 GBO nicht anzuwenden, wenn die Person, deren Recht durch die Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten ist, und wenn die Übertragung oder Aufhebung eines Rechts eingetragen werden soll. Weder eine Übertragung noch eine Aufhebung eines Rechts liegt vor, wenn eine Auflassungsvormerkung oder eine (Finanzierungs-) Grundschuld eingetragen werden sollen. Da eine Auflassungsvormerkung aber allein dazu dient, die endgültige Übertragung vorzubereiten und zu sichern und sie in ihrem rechtlichen Bestand von dem Bestand des gesicherten Übertragungsanspruchs abhängig ist, ist – nur für die Auflassungsvormerkung – § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO entsprechend anzuwenden (BGH NJW 2018, 3310, juris Rn. 6).

Zu Recht hat das Grundbuchamt entschieden, dass daraus nicht folgt, dass § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO auch entsprechend für die Eintragung einer (Finanzierungs-) Grundschuld anzuwenden ist. Die Finanzierungsgrundschuld steht zwar ebenfalls in sachlichem Zusammenhang mit der (beabsichtigten) Eigentumsübertragung, jedoch hängt sie in ihrem rechtlichen Bestand nicht von dem Bestand des Übertragungsanspruchs ab. Die Grundschuld ist weder bei Erfüllung noch bei Scheitern des Übertragungsanspruchs als unrichtig zu löschen, sondern bleibt eingetragen, ohne dass die Berechtigung des Bewilligenden aus dem Grundbuch nachvollzogen werden kann (KG MDR 2021, 162, juris Rn. 8; OLG Stuttgart MDR 2019, 411, juris Rn. 14; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 40 Rn. 18; a.A. Cramer ZfIR 2017, 834, 836).

b)

Eine Ausnahme von dem Voreintragungsgrundsatz für die Eintragung einer (Finanzierungs-) Grundschuld ergibt sich hier aber aus § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO analog.

Nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO ist § 39 Abs. 1 GBO nicht anzuwenden, wenn die Person, deren Recht durch die Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten ist, und wenn der Eintragungsantrag durch die Bewilligung des Erblassers oder eines Nachlasspflegers oder durch einen gegen den Erblasser oder den Nachlasspfleger vollstreckbaren Titel begründet wird.

Zwar ist der Eintragungsantrag (zur Belastung des ererbten Grundstücks mit der streitgegenständlichen Finanzierungsgrundschuld im Zusammenhang mit der Grundstücksveräußerung) nicht durch die Bewilligung der Erblasserin oder eines Nachlasspflegers begründet, sondern durch die Bewilligung der Beteiligten zu 1 als transmortal Bevollmächtigte.

Nach der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung ist § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO entsprechend anzuwenden auf die Bewilligung einer Finanzierungsgrundschuld im Zusammenhang mit der Grundstücksveräußerung durch einen vom Erblasser transmortal Bevollmächtigen (OLG Celle FamRZ 2020, 131, juris Rn. 20; OLG Dresden NotBZ 2020, 472, juris Rn. 9; OLG Frankfurt FamRZ 2018, 787, juris Rn. 21; KG MDR 2021, 162, juris Rn. 9 ff.; OLG Köln FamRZ 2019, 320, juris Rn. 27; OLG Stuttgart MDR 2019, 411, juris Rn. 14; ebenso in der Lit.: Joachim/ Lange ZEV 2019, 62, 65 f.; Meikel-Böttcher, GBO, 12. Aufl., § 40 Rn. 28; Milzer DNotZ 2009, 325, 327; a.A. in der Lit.: Beck-OK GBO-Zeiser, 43. Edition, § 40 Rn. 20; Cramer ZfIR 2017, 834, 835 (aber für entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1 Alt. 1 GBO, s.o.); Demharter, GBO, § 40 Rn. 18; Dressler-Berlin FGPrax 2020, 12 f.; Kramer FGPrax 2019, 14, 15; Weber DNotZ 2018, 884, 896 f.; widersprüchlich: Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 142 (für entspr. Anwendung von § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO), Rn. 142 c (dagegen)).

Der Erblasserin hat zwar nicht selbst die Bewilligung erklärt, sondern transmortal die Beteiligte zu 1 bevollmächtigt, über ihr Vermögen oder (nach ihrem Tod) über den Nachlass mit Wirkung für und gegen die Erben zu verfügen, vorliegend auch zur Abwicklung des Nachlasses. Die Bewilligung der Finanzierungsgrundschuld durch die Beteiligte zu 1 (vertreten durch den Beteiligten zu 2) als transmortal Bevollmächtigte ist für die Erben aber ebenso bindend wie eine Bewilligung durch die Erblasserin oder eine Bewilligung durch einen Nachlasspfleger. Dies rechtfertigt die entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO.

Es fehlt auch nicht an einer Regelungslücke. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Konstellation bedacht und sich bewusst dagegen entschieden hätte, sie nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO zu regeln (vgl. KG MDR 2021, 162, juris Rn. 10). Entgegen der Ansicht des Grundbuchamts fehlt es nicht an einer Regelungslücke, weil das Reichsgericht im Jahr 1916 (RGZ 88, 345, 348) im Falle einer transmortalen Vollmacht für die Eintragung einer Hypothek die Voreintragung der Erben als erforderlich angesehen und die Ausnahme nach § 41 GBO a.F. hinsichtlich der „Übertragung und Aufhebung eines Rechts“ abgelehnt hat. Dies entspricht der Erörterung unter a. Soweit der Gesetzgeber in der Folgezeit keine ausdrückliche Regelung für die hier maßgebliche Fallgruppe getroffen hat, kann daraus nicht geschlossen werden, es fehle an einer Regelungslücke bei § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO. Dasselbe gilt in Bezug auf eine spätere obergerichtliche Entscheidung (KG DNotZ 1935, 600).

Soweit das Kammergericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2020 eine historische Auslegung vorgenommen hat (MDR 2021, 162, juris Rn. 10) und das Grundbuchamt im Nichtabhilfebeschluss meint, die zitierte Quelle sei in einer Kommentierung zu § 41 GBO a.F. aus dem Jahr 2013 kritisch betrachtet worden, genügt das nicht, um eine Regelungslücke durch den historischen Gesetzgeber zu verneinen.

Einer entsprechenden Anwendung des § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO im vorliegenden Fall steht auch nicht entgegen, dass ein Nachlasspfleger in einem zeitlich begrenzten und vom Nachlassgericht überwachten Rahmen Verfügungen vornehmen kann, während diese Einschränkungen für den transmortal Bevollmächtigten nicht gelten. Denn der Erblasser hat entschieden, eine Person seines Vertrauens über den Tod hinaus zu bevollmächtigen, um gegen die Erben auch wirksame Grundstücksverfügungen und Grundbucheintragungen unabhängig von der Erbenfeststellung möglichst zügig durchführen zu können (vgl. OLG Stuttgart MDR 2019, 411, juris Rn. 14). Soweit die Bestellung eines Nachlasspflegers der Sicherung des Nachlasses dient, während der transmortal Bevollmächtigte diese Aufgabe nicht hat, steht auch das der entsprechenden Anwendung des § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO nicht entgegen. Entscheidend kommt es darauf an, dass die Bewilligung durch den transmortal Bevollmächtigten die Erben ebenso bindet wie eine Bewilligung durch den Erblasser oder einen Nachlasspfleger.

Soweit das Grundbuchamt im Nichtabhilfebeschluss meint, es bestehe keine einhellige obergerichtliche Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung von § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO, weil das Oberlandesgericht Köln in zwei neueren Entscheidungen keine Ausnahme von dem Voreintragungsgrundsatz angenommen habe (OLG Köln FamRZ 2019, 1964; 2020, 958), trifft das nicht zu. In beiden Entscheidungen geht das Oberlandesgericht Köln in Übereinstimmung mit der eingangs zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung ausdrücklich davon aus, dass § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO entsprechend anzuwenden ist, wenn ein transmortal Bevollmächtigter die Eintragung einer (Finanzierungs-) Grundschuld im Zusammenhang mit einer Grundstücksveräußerung bewilligt (OLG Köln FamRZ 2019, juris Rn. 12; FamRZ 2020, 958, juris Rn. 12 ff.). Soweit darüber hinaus die Ansicht vertreten wird, § 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO sei nicht entsprechend anzuwenden, wenn ein transmortal Bevollmächtigter die Eintragung einer isolierten Grundschuld oder eines Nießbrauchs bewilligt, ist diese Frage hier nicht entscheidungserheblich.

Auch die von dem Grundbuchamt zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg (FGPrax 2021, 153) ist nicht entscheidungserheblich. Sie bezieht zu der hier maßgeblichen Frage keine Stellung (ebd. Rn. 10), weil sie eine Bewilligung einer Grundbucheintragung durch die Erben selbst zum Gegenstand hat und nicht durch einen transmortal Bevollmächtigten.

2.

Da die Zwischenverfügung nicht gerechtfertigt ist, wird sie aufgehoben. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (§ 25 Abs. 1 GNotKG).

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