Oberlandesgericht Nürnberg entscheidet über Rechtsstreit zu Sondernutzungsrechten an Stellplätzen
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einem Beschluss vom 29.09.2020 über einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Begründung von Sondernutzungsrechten an Stellplätzen entschieden. Dabei ging es um die Zuordnung von zwei Kfz-Stellplätzen zu den Wohnungen Nummer 1 und Nummer 3. Aufgrund von Straßenplanungsänderungen wurden die Stellplätze auf eine andere Fläche verlegt, ohne dass dies grundbuchrechtlich umgesetzt wurde. Das Grundbuchamt verweigerte daraufhin die Eintragung der neuen Sondernutzungsrechte, da die Zustimmung der Eigentümer der betroffenen Flurstücke fehlte.
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Übersicht
Argumentation der Beschwerdeführerin und Entscheidung des Gerichts
Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Zustimmung der Grunddienstbarkeitsberechtigten nicht erforderlich sei, da deren dingliche Rechtsstellung durch die Änderung nicht nachteilig berührt werde. Das Gericht bestätigte, dass die Grunddienstbarkeiten den Eigentümern der Flurstücke lediglich das Recht gewähren, die konkret bezeichneten Tiefgaragenstellplätze zu nutzen. Die Vereinbarung neuer Sondernutzungsrechte an oberirdischen Kfz-Stellplätzen beeinflusse ihre Rechtsstellung nicht, da sie keine Möglichkeit haben, Befriedigung aus dem Grundeigentum zu erlangen. Daher sei ihre Zustimmung nicht erforderlich.
Zustimmung von Drittberechtigten und Kostenentscheidung
Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist die Zustimmung eines Drittberechtigten erforderlich, wenn ein Sondernutzungsrecht begründet oder geändert wird. Jedoch gilt für Grunddienstbarkeiten weiterhin die bisherige Regelung, dass eine Zustimmung erforderlich ist, es sei denn, es könne jegliche rechtlich nachteilige Beeinträchtigung ausgeschlossen werden. Da die Zustimmung der Grunddienstbarkeitsberechtigten nicht erforderlich war und ihre Rechtsstellung nicht nachteilig berührt wurde, hob das Gericht die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes auf und ordnete die beantragte Eintragung der Sondernutzungsrechte an.
In Bezug auf die Kostenentscheidung wurde festgestellt, dass eine Kostenerstattungsanordnung zugunsten der Beschwerdeführerin nicht gerechtfertigt war, da die Staatskasse in Grundbuchsachen grundsätzlich nicht als Beteiligte in Betracht kommt, der außergerichtliche Kosten auferlegt werden könnten.
Das vorliegende Urteil
OLG Nürnberg – Az.: 15 W 1774/20 – Beschluss vom 29.09.2020
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Nürnberg vom 26.09.2020, Az. RS-9732-23, aufgehoben.
Gründe
I.
Mit notarieller Urkunde vom 07.10.1994 wurde das Grundstück Fl.Nr. 151/73 der Gemarkung R. in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt. Darin war vorgesehen, dass den jeweiligen Eigentümern der einzelnen Wohnungen Sondernutzungsrechte an Tiefgaragenstellplätzen zugeordnet werden. Hinsichtlich der zwei ebenerdigen Kfz-Stellplätze an der Therese-Müller-Straße wurden ebenfalls Sondernutzungsrechte begründet und diese gemäß Plan II den Wohnungen Nummer 1 und Nummer 3 zugewiesen. Nach Änderungen in der Straßenplanung durch die Stadt Nürnberg erfolgte ein flächengleicher Tausch von privaten und öffentlichen Flächen, wodurch die beiden ebenerdigen Stellplätze wegfielen und auf die mit Tauschvertrag von der Stadt Nürnberg erworbene Fläche verlegt wurden. Eine grundbuchrechtliche Umsetzung dieser tatsächlichen Änderungen erfolgte nicht.
In Abteilung II des Grundbuchs von R. 9750 wurde betreffend das genannte Grundstück gemäß Bewilligung vom 15.04.1999 ein Kraftfahrzeugstellplatzrecht für den jeweiligen Eigentümer des Flurstücks 151/58 eingetragen. Ebenso wurde in Abteilung II des Grundbuchs von R. Blatt 9744 gemäß Bewilligung vom 11.03.2005 ein Kraftfahrzeugstellplatzrecht für den jeweiligen Eigentümer des Flurstücks 151/63 eingetragen.
Mit notarieller Urkunde vom 28.01.2015 wurde als 2. Nachtrag zur Teilungserklärung vom 07.10.1994 festgelegt, dass das Sondernutzungsrecht an dem Stellplatz Nummer 1 zur zukünftigen alleinigen und ausschließlichen Nutzung als Kfz-Stellplatz der im Aufteilungsplan mit Nummer 1 bezeichneten Wohnung zugeordnet werden soll, der Stellplatz Nummer 3 der im Aufteilungsplan mit Nummer 3 bezeichneten Wohnung. Sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer stimmten dieser Vereinbarung zu.
Im Folgenden beantragte der Notar Dr. W. bei dem Amtsgericht – Grundbuchamt – Nürnberg den Vollzug seiner Urkunde S., nach mehreren Einwänden des Grundbuchamts zuletzt mit Schreiben vom 25.09.2019. Hierin führte er aus, alle erforderlichen Unterlagen würden dem Grundbuchamt bereits vorliegen. Die Zustimmungen der Eigentümer der Flurstücke 151/63 und 151/58 würden nicht vorgelegt, da die Forderung dieser Zustimmungen unverhältnismäßig und nicht erforderlich sei. Die beiden Stellplätze, die Gegenstand des Nachtrags seien, seien oberirdisch und an ganz anderer Stelle, als das Dienstbarkeitsrecht.
Mit Zwischenverfügung vom 03.12.2019 führte das Amtsgericht – Grundbuchamt – Nürnberg aus, der beantragten Eintragung stehe ein Hindernis entgegen. Es würden die Zustimmungen der Eigentümer der Flurstücke 151/63 und 151/58 fehlen. In dem notariellen Vertrag würden neue Sondernutzungsrechte begründet. Dazu sei stets die Zustimmung von Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß §§ 877, 876 BGB erforderlich, falls deren Rechtsstellung von der Änderung betroffen sei, da eine Beeinträchtigung ihres Rechts nicht ausgeschlossen werden könne. Der Begriff des Betroffenseins lasse jegliches rechtliche Interesse ausreichen. Ein solches sei für die Berechtigten der Grunddienstbarkeit gegeben.
Hiergegen wendete sich die Beschwerdeführerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 03.02.2020. Darin ist ausgeführt, das Grundstück der Beschwerdeführerin sei unbestritten belastet mit einem Kfz-Stellplatzrecht für die Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 151/63. Dieses Stellplatzrecht sei seinem Inhalt und seinem Umfang nach ausdrücklich beschränkt auf 4 Tiefgaragenplätze, im Tiefgaragen-Stellplatzplan bezeichnet mit Nummer 1 bis 4. Weiterhin sei das Grundstück der Beschwerdeführerin belastet mit einem Kfz-Stellplatzrecht für die jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 151/58. Dieses sei seinem Inhalt und seinem Umfang nach beschränkt auf 4 Tiefgaragenplätze, im Tiefgaragen-Stellplatzplan rot gekennzeichnet. Zu den genannten Flurstücken würden große Wohnungseigentümergemeinschaft gehören, weshalb sich die Beschwerdeführerin aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage sehe, die Zustimmungen sämtlicher Eigentümer beizubringen. Entgegen der Ansicht des Grundbuchamtes sei die Zustimmung der Grunddienstbarkeitsberechtigten aber auch nicht erforderlich. Deren Zustimmung sei unnötig, wenn ihre dingliche Rechtsstellung durch die Änderung nicht nachteilig berührt werde. Dies sei der Fall, wenn eine rechtliche Benachteiligung mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Durch die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts werden nur der Inhalt des Sondereigentums derjenigen Wohnungseigentümer nachteilig verändert, die vom Mitgebrauch des betreffenden Teils des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen seien. Wenn ihr Wohnungseigentum mit Rechten Dritter belastet sei, so könne auch deren Position rechtlich nachteilig beeinträchtigt werden. Die Zustimmung des Berechtigten sei daher erforderlich, wenn ein Grundpfandgläubiger von einer das Haftungsobjekt benachteiligenden Gebrauchsregelung im Sinne des § 15 Abs. 1 WEG betroffen sei. Vorliegend werde den Eigentümern aber nicht die rechtliche Möglichkeit genommen, auf das Verwertungsobjekt im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen zu können. Ein solches Recht der betroffenen Eigentümer der genannten Grundstücke bestehe gar nicht. Das Kraftfahrzeug-Stellplatzrecht gewähre nicht die dingliche Berechtigung, Befriedigung aus dem Grundeigentum zu suchen. Es begründe nur und ausschließlich ein räumlich eng begrenztes Nutzungsrecht. Es werde deshalb beantragt, die Zwischenverfügung vom 03.12.2019 aufzuheben und die beantragte Eintragung vorzunehmen
Das Amtsgericht Nürnberg legte den Antrag auf Aufhebung der Zwischenverfügung als Beschwerde gegen diese aus und half der Beschwerde mit Beschluss vom 07.05.2020 nicht ab.
II.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung der Zwischenverfügung ist als Beschwerde gegen diese auszulegen. Die Beschwerde ist statthaft (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 71 Abs. 1 GBO) und auch im Übrigen zulässig (§ 73 GBO).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Grundbuchamt darf vorliegend den Antrag auf Eintragung der Sondernutzungsrechte nicht beanstanden. Denn die Zustimmung der Grunddienstbarkeitsberechtigten zur Eintragung der Sondernutzungsrechte ist entbehrlich.
1.
Gemäß § 15 Abs. 1 WEG können die Wohnungseigentümer den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln. Diese Vereinbarung kann nach § 10 Abs. 3 WEG in das Grundbuch eingetragen werden.
Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG ist dann, wenn das Wohnungseigentum mit der Hypothek, Grund- oder Rentenschuld oder der Reallast eines Dritten belastet ist, dessen Zustimmung erforderlich, wenn ein Sondernutzungsrecht begründet oder ein mit dem Wohnungseigentum verbundenes Sondernutzungsrecht aufgehoben, geändert und übertragen wird. Durch diese durch die WEG-Novelle von 2007 eingefügte Regelung sollte ein sehr zeit- und kostenaufwändiges Verfahren bei größeren Wohnungseigentumsanlagen vermieden werden (Armbrüster in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 14. Aufl. 2018, § 5 Rn. 139). Danach ist eine Zustimmung des Inhabers einer Hypothek, Grund- oder Rentenschuld oder einer Reallast nur noch dann erforderlich, wenn eine rechtliche Benachteiligung des Haftungsobjekts nicht ausgeschlossen werden kann. Für die übrigen dinglichen Rechte, wie insbesondere Grunddienstbarkeiten, bleibt es dagegen bei der bisherigen Regelung, dass Inhaber dinglicher Rechte einer Inhaltsänderung des Wohnungseigentums analog §§ 877, 876 BGB zuzustimmen haben, außer es kann jegliche rechtlich nachteilige Beeinträchtigung ausgeschlossen werden (Bärmann a.a.O. Rn. 143 i.V.m. Rn. 139; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Erster Teil Grundstücks- und Grundbuchrecht, Rn. 2958 i.V.m. 2886).
Ist nach materiellem Recht für die Rechtsänderung die Zustimmung des Drittberechtigten notwendig, so ist auch grundbuchrechtlich dessen Eintragungsbewilligung nötig. Auch insoweit kommt es nur darauf an, ob ein grundbuchmäßiges Recht rechtlich beeinträchtigt wird oder werden kann (BGH, Beschluss vom 14.06.1984 – V ZB 32/82).
2.
Die Zustimmung der Eigentümer der Grundstücke mit der Fl.Nr. 151/58 und 151/63 ist nicht erforderlich, da ihre dingliche Rechtsstellung durch die Änderung nicht berührt wird.
Durch die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts wird der Inhalt des Sondereigentums derjenigen Wohnungseigentümer nachteilig verändert, die vom Mitgebrauch des betreffenden Teils des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen sind. Jeder Wohnungseigentümer ist nach § 13 Abs. 2 S. 1 WEG grundsätzlich zum Mitgebrauch des gesamten gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt. Dieses Recht gehört zum Inhalt des dem einzelnen Wohnungseigentümer zustehenden Miteigentums und damit auch zum Inhalt des dem Miteigentum zugeordneten Sondereigentums. Wird von den Wohnungseigentümern der Gebrauch der im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Kraftfahrzeugstellplätze in der Weise geregelt, dass den Miteigentümern jeweils ein bestimmter Abstellplatz zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen wird, und soll diese Gebrauchsregelung gemäß §§ 15 Abs. 1, 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG durch Grundbucheintragung zum Inhalt des Sondereigentums werden, so bedeutet diese dann dinglich wirkende Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts, die mit dem Ausschluss der bisherigen Befugnis zum Mitgebrauch der den anderen Miteigentümern zugewiesenen Stellplätze verbunden ist, eine Inhaltsänderung des jeweiligen Sondereigentums im Sinne des § 877 BGB (BGH a.a.O.). Ist dieses Wohnungseigentum mit Rechten Dritter belastet, so kann auch deren Position rechtlich nachteilig beeinträchtigt werden. In solchen Fällen ist in Anwendung der §§ 877, 876 BGB auch die Zustimmung der Dritten zu der Änderung erforderlich (OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 1989,15 W 347/88).
Vorliegend wird die Position der Drittberechtigten durch die Begründung von Sondernutzungsrechten an den zwei oberirdischen Kfz-Stellplätzen nicht rechtlich nachteilig beeinträchtigt. Die zu Lasten des Grundstücks Fl.Nr. 151/73 eingetragenen Kfz-Stellplatzrechte der Eigentümer der Grundstücke Fl.Nr. 151/58 und 151/63 stellen Grunddienstbarkeiten nach § 1018 BGB dar. Diese gewähren den Berechtigten im Gegensatz zu Grundpfandrechten wie Hypothek, Grund-, Rentenschuld oder Reallast keinerlei Möglichkeit, Befriedigung aus dem Grundeigentum zu erlangen. Vielmehr berechtigt die Grunddienstbarkeit die Eigentümer der Fl.Nr. 151/58 und 151/63 nur, die jeweils konkret bezeichneten Tiefgaragenstellplätze zu nutzen. Hinsichtlich des übrigen Gemeinschaftseigentums der Beschwerdeführerin beinhalten die Grunddienstbarkeiten keinerlei Rechte für die Berechtigten. Die Einschränkung des Gemeinschaftseigentums durch die Begründung neuer Sondernutzungsrechte an anderen, räumlich deutlich abgegrenzten, oberirdischen Kfz-Stellplätzen berührt ihre Rechtsstellung damit nicht.
3.
Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens nur die Zwischenverfügung und nicht das Eintragungsersuchen selbst ist (BGH, Beschluss vom 26.09.2013 – V ZB 152/12).
III.
Die Kostenfolge der zulässigen und begründeten Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) ergibt sich aus dem Gesetz (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG). Für eine Kostenerstattungsanordnung zugunsten der Beschwerdeführerin auf der Grundlage von §§ 81 ff. FamFG bestand kein Anlass. Die Staatskasse kommt in Grundbuchsachen grundsätzlich nicht als Beteiligte in Betracht, der bei erfolgreicher Beschwerde die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer auferlegt werden könnten (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 77 Rn. 33).
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.