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Grunddienstbarkeit –  Schuldrechtliche Vereinbarung über Unterlassung der Wegerechtsausübung

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 5 U 10/17 – Urteil vom 09.11.2017

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30. Dezember 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 12 O 38/16, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen jeweils zur Hälfte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Der Gebührenstreitwert wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Die Kläger sind Eigentümer des Flurstücks (a) der Flur …, verzeichnet im Grundbuch von Sch… Blatt (A), die Beklagten sind Eigentümer des Flurstücks (b) der Flur …, das von der G…straße aus gesehen rechts des Grundstücks der Kläger liegt. Die Kläger begehren von den Beklagten die Beseitigung der Störung einer Dienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht). Der Ausübungsbereich der Dienstbarkeit führt von der Straße aus entlang der linken Grundstücksgrenze des Grundstücks der Beklagten in den hinteren Bereich des Grundstücks und ermöglicht das Erreichen des hinteren Teils des Grundstücks der Kläger. Das Grundstück der Beklagten ist zur Straße hin durch einen Zaun abgegrenzt, der im Ausübungsbereich der Dienstbarkeit nicht über ein zu öffnendes Tor verfügt, im hinteren Bereich des Grundstücks der Beklagten ist ein Durchgang auf das Grundstück der Kläger nicht vorgesehen. Auf beiden Seiten der Grundstücksgrenze sind jeweils Zäune errichtet.

Hinsichtlich des Sachverhaltes im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Ergänzend ist auszuführen: Zum Zeitpunkt der Bestellung der Dienstbarkeit am 14. November 2002 wurden die Flächen der Flurstücke (a) und (b) gemeinsam genutzt. Auf dem Flurstück (b) war ein Wohnhaus errichtet. Die Bewilligung der Dienstbarkeit erfolgte mit der Veräußerung des mit dem Wohnhaus bebauten Flurstücks (b) an die Rechtsvorgänger der Beklagten, Herrn F… und Frau B… . Zu dieser Zeit war das Flurstück (a) vorne unbebaut. Im hinteren Bereich war es mit einer Garage bebaut, dessen Einfahrt in Richtung der Grundstücksgrenze zum Flurstück (b) gelegen war. Das Flurstück der Beklagten war bei Bestellung der Dienstbarkeit bereits mit dem heute noch vorhandenen Wohnhaus einschließlich einer massiven Terrasse bebaut. Die Kläger erwarben das Flurstück (a) im Jahr 2007. Zu diesem Zeitpunkt war die Garage auf dem Flurstück (a) beseitigt. Am 4. Juni 2007 schlossen sie eine Vereinbarung (Bl. 95 d.A.) mit den Rechtsvorgängern der Beklagten, den Eheleuten B…, wonach die Grunddienstbarkeit in Form des Geh- und Fahrrechts aufgehoben werden sollte. Die Kläger errichteten im Zeitraum 2007 bis 2009 auf ihrem Grundstück im vorderen, zur Straße hin gelegenen Teil ein Einfamilienhaus und eine Garage. Die Zufahrt zum Grundstück der Kläger erfolgt auf der linken Seite des klägerischen Grundstücks. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks (b) durch die Beklagten im Jahr 2011 wurden die Kläger von Herrn F… und Frau B… aufgefordert, die Löschung der Dienstbarkeit zu bewilligen, was sie ablehnten.

Die Kläger haben behauptet, die Bewilligung der Dienstbarkeit habe nicht die Zufahrt der damals noch auf ihrem Grundstück gelegenen Garage, sondern die Zuwegung zu ihrem Grundstück im hinteren Bereich ermöglichen sollen, gegebenenfalls, um die Bebaubarkeit dort zu gewährleisten. Die Vereinbarung vom 4. Juni 2007 habe nur vorübergehend gelten und jederzeit widerrufbar sein sollen. Sie hätten den Bereich der Dienstbarkeit während der Errichtung ihres Hauses und der Fotovoltaikanlage auch genutzt. Ihnen sei bewusst, dass sie zur Nutzung eines Weges in einer Breite von 3 m auch ihr eigenes Grundstücks in Anspruch nehmen müssten, da der Abstand zwischen Grundstücksgrenze und der Seitenwand des Hauses der Beklagten deutlich geringer als 3 m sei. Es liege kein Interessefortfall vor, weil ihr Sohn den hinteren Bereich des Grundstücks bebauen wolle und sie den Weg für die Instandhaltung der Fotovoltaikanlage nutzen wollen. Im Übrigen könnten sie ihr Grundstück im linken Bereich nicht mit Lkw oder Baufahrzeugen befahren, weil die Wärmepumpe für ihre Heizung unter dem Bereich der Auffahrt liege und beschädigt werden könne.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, den Klägern stehe ein Anspruch auf Nutzung eines Geh- und Fahrrechts nicht zu, da sie erklärt hätten, diese Rechte nicht mehr ausüben zu wollen. Sie seien daher auf die Nutzung des Leitungsrechts beschränkt. Das Berufen auf die Rechte aus der Dienstbarkeit sei treuwidrig, nachdem die Zufahrt zurückgebaut sei. Sie hätten auch kein Interesse mehr an der Nutzung der Dienstbarkeit, weil sie über eine eigene Auffahrt verfügten. Im Lauf der Zeit sei der Inhalt der Dienstbarkeit auf das Leitungsrecht beschränkt worden. Einen Anspruch auf die Pflasterung des Weges hätten die Kläger nicht. Dass die Vereinbarung vom 4. Juni 2007 dauerhaft gelten sollte, ergebe sich aus der Berechtigung der Rechtsvorgänger der Beklagten zur Anlegung eines Beetes und der Verpflichtung zum Rückbau des Weges. Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, den Klägern das Geh-, Fahr- und Leitungsrecht im Bereich einer als Anlage zum Urteil genommenen Kennzeichnung (Schraffierung) zu gewähren und den Holzzaun von der G…straße bis zum hinteren Ende des schraffierten Bereichs zu entfernen. Ferner hat es die Beklagten zur Zahlung von 989,13 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Verurteilung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Recht der Kläger nicht erloschen sei, weil auch die Tatsache, dass der Weg längere Zeit nicht genutzt worden sei, nicht dazu führe, dass der Vorteil des Rechts für das klägerische Grundstück außer Verhältnis zur Belastung für die Beklagten stehe. Ein Vorteil für das Grundstück der Kläger ergebe sich daraus, dass sie eine zusätzliche Zuwegung erlangt hätten, was bei Bestellung des Rechts auch beabsichtigt gewesen sei. Die schuldrechtliche Vereinbarung mit den Rechtsvorgängern der Beklagten wirke nicht im Verhältnis zu den Beklagten. Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung sei auch nicht verjährt, weil durch den Zaun die Ausübung des Rechts selbst beeinträchtigt sei. Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren sei aus § 823 Abs. 1 BGB begründet.

Das Urteil ist den Beklagten zu 1. und 2. am 17. Januar und der Beklagten zu 3. am 19. Januar 2017 zugestellt worden. Die Beklagten zu 1. und 2. haben dagegen am 27. Januar 2017 Berufung eingelegt und diese am 10. März 2017 begründet. Die Berufung der Beklagten zu 3. ist am 7. Februar 2017 eingelegt und am 15. März 2017 begründet worden. Die Beklagten tragen vor: Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass sich der Bereich der Dienstbarkeit aus der vorgelegten Zeichnung hinreichend bestimmt ergebe. Die Zeichnung sei nicht maßstabsgerecht oder vermessen und es seien keine festen Bezugspunkte vorhanden. Daher könne auch nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob der Holzzaun im Bereich der Dienstbarkeit errichtet sei. Auch entspreche er nicht der Anlage zum notariellen Vertrag über die Bestellung der Dienstbarkeit vom 8. November 2002. Bei Bestellung der Dienstbarkeit sei das Haus der Beklagten, das im Jahr 1936 erbaut wurde, schon in den heute vorhandenen Abmessungen errichtet gewesen. Dies müsse bei der Bestimmung des Bereichs der Dienstbarkeit berücksichtigt werden.

Die Dienstbarkeit sei in ihrem Inhalt verändert worden, da sie über mehrere Jahre nur als Leitungsrecht genutzt worden sei und die Kläger durch die Vereinbarung vom 4. Juni 2007 auch ihr fehlendes Interesse an der Nutzung der Dienstbarkeit bekundet hätten. Zudem belege die Errichtung des Zaunes ihr fehlendes Interesse an dem Geh- und Fahrrecht.

In der Vereinbarung vom 4. Juni 2007 sei in einer weiteren Zeichnung (Bl. 263 d. A.) vereinbart worden, dass der vordere Bereich, in dem die Dienstbarkeit bestand, „zurückgebaut“ werde, womit die Pflasterung gemeint gewesen sei. Die Rechtsvorgänger der Beklagten hätten die Vereinbarung auch in den Kaufvertrag mit ihnen einbezogen mit der Wirkung, dass auch sie, die Beklagten, Rechte aus der Vereinbarung herleiten könnten. Sie sind der Auffassung, dass die schuldrechtliche Vereinbarung auch gegenüber zukünftigen Eigentümern beider Grundstücke gelten sollte. Die Kläger hätten sich auch entsprechend verhalten, indem sie den Metallzaun mit fest einbetonierten Pfeilern auf ihrem Grundstück errichtet und mit Weinreben bepflanzt hätten. Die jetzt von den Klägern vertretene Auffassung stelle widersprüchliches Verhalten dar, das nach § 242 BGB treuwidrig sei.

Überdies sei Verjährung eingetreten, weil Gegenstand des Anspruchs nur eine Störung in der Ausübung des Rechts sei. Soweit die Beklagten aufgefordert seien, das feste Zaunfeld zur Straße hin durch ein Tor zu ersetzen, sei zu berücksichtigen, dass dieses Zaunfeld bereits durch die Rechtsvorgänger der Beklagten errichtet worden sei. Daher sei der Anspruch auf Beseitigung jedenfalls verjährt. Die Rechtsanwaltsgebühren seien nicht zu erstatten, weil eine vom Rechtsanwalt unterzeichnete und den Klägern vorgelegte Berechnung der Gebühren nicht vorgelegt worden sei. Die erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren seien geringer als die hier geltend gemachten.

Die Beklagten beantragen, das am 30. Dezember 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) – 12 O 38/16 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und sind der Auffassung, die Beklagten könnten Rechte aus der Vereinbarung vom 4. Juni 2007 nicht herleiten, weil die Kläger eine entsprechende Verpflichtung nicht eingegangen seien. Zudem stehe etwaigen Ansprüchen die Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Bernau vom 9. Dezember 2012 – 10 C 1295/11 – entgegen. Die Vereinbarung vom 4. Juni 2007 sei auch nicht vollständig umgesetzt worden. Das „feste Zaunfeld“ an der Straße auf dem Grundstück der Beklagten sei lediglich das umgedrehte frühere Tor (Foto Bl. 306 d.A.). Eine Verbindung zum seitlichen Holzzaun auf dem Grundstück der Beklagten sei erst kürzlich provisorisch angebracht worden (Foto Bl. 305). Die Weinreben auf dem Grundstück der Kläger seien durch Rankhilfen befestigt, sie seien gerade nicht auf den Metallzaun gestützt (Foto Bl. 303 d. A.). Sie meinen, dass die Dienstbarkeit durch die Vereinbarung vom 4. Juni 2007 auch nicht wirksam aufgehoben worden sei. Etwaige, darin abgegebene Erklärungen hätten sie jedenfalls wirksam widerrufen. Der Umfang der Grunddienstbarkeit sei auch schon deshalb hinreichend bestimmt, weil die Parteien sich einig darüber seien, welcher Bereich von der Grunddienstbarkeit erfasst werde.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Den Klägern als Eigentümern des Flurstücks (a) steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Beseitigung von Beeinträchtigungen der auf dem Flurstück (b) lastenden Dienstbarkeit und Gewährung der ungehinderten Ausübung ihres Rechts aus den §§ 1027, 1004 Abs. 1 BGB nicht zu, weil sie sich in einer schuldrechtlichen Vereinbarung verpflichtet haben, ihre Rechte aus der Dienstbarkeit nicht auszuüben. Der Anspruch der Rechtsvorgänger der Beklagten auf Unterlassung der Ausübung der Rechte aus der Dienstbarkeit ist – wie dem Senat aus dem Verfahren 5 U 57/16 (LG Frankfurt (Oder) – Az.: 11 O 399/13 -) bekannt ist – in einer Ergänzung vom 15. April 2011 zum Grundstückskaufvertrag (UR-Nr. 155/2011) an die Beklagten abgetreten worden.

1.

Der Klageantrag für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB ist nicht mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Der Inhalt des Antrages ist unter Berücksichtigung des unstreitigen Vortrages der Parteien und des als Anlage zum Urteil genommenen Plans der Auslegung zugänglich. Der Plan (Bl. 84, 85 d. A. bzw. in Vergrößerung im Urteil) lässt erkennen, dass das Wegerecht auf der gesamten Länge parallel zur Grundstücksgrenze verläuft, am Flurstück (c) beginnt, am Walnußbaum endet und eine gleich bleibende Breite hat. Die Breite des Ausübungsbereichs ergibt sich daraus, dass das Wohnhaus der Beklagten, das nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien schon bei Bestellung des Rechts die heutige Breite einschließlich der massiven Terrasse hatte (Foto Bl. 90 d.A.), ausweislich der Zeichnung nicht unmittelbar an die Dienstbarkeit grenzt. Die Dienstbarkeit ist nach dem Plan schmaler als die Fläche zwischen Grenze und Hauswand. Sie ist – so der Sachverständige bei der Wertbemessung für den hinteren Teil (Bemaßung Bl. 101 d.A.) – unter Berücksichtigung der Terrasse nur 1,25 m breit.

Damit ist der Bereich der Dienstbarkeit für sich gesehen zwar nicht zum Befahren ausreichend. Die Kläger selbst räumen aber ein, dass sie die eigene Grundstücksfläche zum Befahren bis zum hinteren Teil ihres Grundstücks jedenfalls mit in Anspruch nehmen müssen (Bl. 114). Dies steht im Einklang mit dem Text der Bewilligung der Dienstbarkeit, die lautet (Bl. 84 d.A.), dass die Dienstbarkeit auf einer „Trasse“ besteht und „zur Benutzung der Wegefläche“ berechtige. Weiter ist in § 13 (Bl. 85 d. A.) zur Unterhaltungspflicht Folgendes geregelt: „Hinsichtlich desjenigen Teils der Wegetrasse, der nur mehr vom jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks allein in Anspruch genommen wird, trägt dieser die Kosten und Lasten (…) allein und ist allein zur Beschlussfassung über Neugestaltung oder bauliche Veränderung an diesem Teil der Trasse befugt, soweit sie den dienenden Eigentümer nicht beeinträchtigen“. Auch dies belegt, dass der Weg auf beiden Grundstücken verlief.

2.

Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten gemäß § 1027 BGB die in § 1004 Abs. 1 BGB bestimmten Rechte zu. Eine Beeinträchtigung eines Rechts kann bei einem Wegerecht gegeben sein, wenn die Durchfahrt verengt wird (RGZ 126, 370 (373) ; BGHZ 42, 63), erst recht, wenn sie verschlossen wird. Dass der Zaun im Bereich der Dienstbarkeit steht, ergibt sich aus seiner Lage direkt neben der Grundstücksgrenze (Fotos Bl. 29, 30 d.A.), in deutlich geringerem Abstand als 1,25 m.

3.

Die Dienstbarkeit ist zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache auch noch nicht erloschen, weil der Vorteil des herrschenden Grundstücks entfallen wäre. Die Dienstbarkeit erlischt, wenn infolge von Veränderungen eines der betroffenen Grundstücke die Ausübung dauernd ausgeschlossen ist oder wenn der Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks (§ 1019 Satz 1 BGB) infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv und endgültig weggefallen ist (BGH NJW-RR 1988, 1229, juris Rz. 21, 22). Diese Situation ist hier auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht eingetreten. Zwar ist der Vorteil einer dauerhaften Grundstückszufahrt von den Klägern seit Fertigstellung ihres Hauses im Jahr 2009 nicht mehr in Anspruch genommen worden, zumal sie ihr Grundstück im vorderen Bereich bebaut haben. Eine weitere Zuwegung – auch zu Fuß – in den hinteren Bereich des Grundstücks stellt aber jedenfalls einen Vorteil dar, da das eigene Grundstück nicht betreten werden muss und die Erreichbarkeit des hinteren Bereichs unabhängig von der Beschaffenheit der Einfahrt auf der linken Seite des Grundstücks ist. Auch die zukünftig mögliche Nutzung ist insoweit von Bedeutung, auch wenn derzeit kein Interesse an der Ausübung besteht.

4.

Die von den Klägern gegenüber den früheren Grundstückseigentümern unterzeichnete Erklärung vom 4. Juni 2007 begründet einen Gegenanspruch, der der Ausübung von Rechten aus der Dienstbarkeit entgegensteht.

Die Vereinbarung vom 4. Juni 2007 stellt ihrem Inhalt nach eine einvernehmlich getroffene Regelung der Nachbarn dar, die Nutzung des Weges einzustellen und den Bereich der Dienstbarkeit ausschließlich für Leitungen zu nutzen. Zudem ist vereinbart worden, dass außerdem die Aufhebung der Grunddienstbarkeit, § 875 BGB, verlangt werden kann. Der Inhalt der Urkunde, wonach eine „Aufhebung des Geh- und Fahrrechts“ vereinbart werden sollte, ist eindeutig. Die Dienstbarkeit sollte nur im Hinblick auf die („gegenseitige Nutzung des“) Leitungsrechts beschränkt bestehen bleiben. Die vorherigen Eigentümer des Grundstücks der Beklagten wurden ferner im Gegenzug verpflichtet, die vorhandene Einfahrt zurückzubauen und zuzusichern, dass sie die Einfahrt künftig nicht mehr nutzen werden, auch insoweit, als die Einfahrt im Bereich ihres eigenen Grundstücks lag. Dass die Dienstbarkeit nur zeitweilig beschränkt sein sollte, könnte allenfalls daraus folgen, dass „die Nutzung des hinteren Bereichs als Gehweg (gemäß Lageplan)“ (…) „angedacht ist“. Auf dem Lageplan (Bl. 263 d.A.) ist der betroffene Bereich allerdings ausschließlich als ein Weg innerhalb des Flurstücks (b) verzeichnet, ohne Zugang zum klägerischen Grundstück. Das deutet darauf hin, dass es bei der Erwähnung dieses Weges nur um die Frage ging, wie die Eigentümer des Flurstücks (b) die Flächen unmittelbar neben dem klägerischen Grundstück zukünftig nutzen dürften, da sie sich in der Vereinbarung vom 4. Juli 2007 im Übrigen zum Rückbau des Weges verpflichteten (Bl. 95 d.A., letzter Absatz). Dass eine Aufrechterhaltung oder Wiederbegründung der Rechte aus der Dienstbarkeit damit erklärt werden sollte, ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht auch die vage Formulierung „angedacht“ und die eindeutig und uneingeschränkt erklärte Aufhebung des Geh- und Fahrrechts. Auch aus dem Umstand, dass nicht umgehend die notarielle Beurkundung der Aufhebung des Rechts vereinbart worden ist, ergibt sich keine nur temporäre Geltung. Die Parteien haben dort lediglich die kostenauslösende notarielle Beurkundung in die Zukunft verschoben, ohne gleichzeitig zum Ausdruck zu bringen, dass die Vereinbarung aufgehoben werden könnte. Die schuldrechtlichen Vereinbarungen über die Aufhebung des Rechts und die Unterlassung der Ausübung sind formfrei wirksam (vgl. BGH NJW 1980, 228, juris Rz. 11).

Das Recht der früheren Eigentümer und Vertragspartner der Vereinbarung vom 4. Juni 2007, die Unterlassung der Ausübung der Dienstbarkeit zu verlangen, ist auch wirksam auf die Beklagten übertragen worden. Aus dem Parallelverfahren 5 U 57/16 (- 11 O 399/13 – Landgericht Frankfurt (Oder)) ist dem Senat bekannt, dass die Beklagten dieses Verfahrens in einem Vertrag vom 15. April 2011 (UR-Nr. …/2011) mit den Verkäufern des Flurstücks (b) vereinbarten, dass die Zahlung des Kaufpreises nicht mehr von der Bewilligung für die teilweise Aufhebung der Grunddienstbarkeit abhängig sein sollte. Die Verkäufer verpflichteten sich, die Zustimmung der Eheleute K… zur teilweisen Löschung einzuholen, traten aber vorsorglich auch ihre Ansprüche an die Kläger ab. Darauf hat der Senat die Parteien schriftlich mit der Ladungsverfügung hingewiesen.

Die Abtretung erfasst zunächst den Anspruch auf Aufgabe des Rechts in der nach § 29 GBO vorgesehenen Form. Abgetreten wurde aber auch der Anspruch auf Unterlassung der Ausübung der Rechte aus der Dienstbarkeit. In der Vereinbarung ist ein solches Recht der Eigentümer des Flurstücks (b) gegenüber den Eigentümern von (a), den Klägern, zwar nicht ausdrücklich vorgesehen. Es ergibt sich aber aus der Erklärung über die Aufhebung und aus dem Umstand, dass die Eigentümer von (b) ihrerseits Vorkehrungen zu treffen hatten, dass die Zufahrt auch auf ihrem eigenen Grundstück nicht mehr befahren werden durfte. Dies schließt ein, dass auch die Eigentümer des Flurstücks (a) die Nutzung nicht mehr ausüben wollten und Störungen einer etwaigen Nutzung nicht mehr abwehren können. Zudem war die Aufhebung notariell nur auf Wunsch zu beurkunden, während die Vereinbarung selbst aber umgehend Wirkung entfalten sollte, für die Eigentümer es Flurstücks (b) sogar unter Fristsetzung für die Umsetzung der vorgesehenen baulichen Maßnahmen. Daraus, dass diese Vorkehrungen von beiden Seiten getroffen werden sollten, ergibt sich auch, dass die Vereinbarung keine lediglich persönliche Verpflichtung der Vertragsparteien begründet, sondern dass sie dauerhaft Geltung erlangen sollte. Die in der Vereinbarung übernommenen Verpflichtungen stellen keine auf die Personen, sondern auf das Grundstück bezogenen Verpflichtungen dar, die ohne Veränderung ihres Inhalts abgetreten werden können, § 399 BGB.

Die rechtskräftige Entscheidung des AG Bernau bei Berlin vom 9. Oktober 2012 (Bl. 23 ff. d.A.) steht der Auslegung der Vereinbarung vom 4. Juni 2007 nicht entgegen. In Rechtskraft erwachsen ist der Entscheidungssatz, wonach kein Löschungsanspruch, also ein Anspruch auf Abgabe einer Erklärung über die Aufhebung des Rechts gemäß § 875 Abs. 1 BGB, begründet ist. Die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages vom 4. Juni 2007 insgesamt ist damit nicht getroffen worden. Werden bei gegenseitigen Verträgen Leistungen eingeklagt, ist mit der Entscheidung über die Leistung nicht über die Wirksamkeit des Vertrages rechtskräftig entschieden. Die Wirksamkeit des Vertrages stellt vielmehr ein präjudizielles Rechtsverhältnis dar, das in einer Klage über eine andere Leistung aus demselben Vertrag abweichend beurteilt werden kann (vgl. BGHZ 34, 339, juris Rz. 9, 10; BGHZ 91, 17, juris Tz. 26).

5.

Die vertragliche Vereinbarung über die Unterlassung der Nutzung der Einfahrt ist auch nicht frei kündbar. Ausgehend von den Umständen des Einzelfalls kann davon auszugehen sein, dass eine schuldrechtliche Vereinbarung hinsichtlich der Beeinträchtigung eines dinglichen Rechts für die gesamte Nutzungsdauer einer später als störend wirkenden Einrichtung geschlossen ist (so für einen Leitungsmast, RG HRR 1933 Nr. 1000; Staudinger/Gursky (2012), § 1004, Rz. 194), (analog) § 604 Abs. 2 Satz 1 BGB. Für welche Dauer eine Duldungspflicht begründet wurde, ist jeweils Frage der Auslegung im Einzelfall, wobei, der finanzielle Aufwand bei der Schaffung der Störungsquelle zu berücksichtigen ist (Staudinger/Gursky (2012), Rz. 194).

Hier haben beide Vertragsseiten der Vereinbarung vom 4. Juni 2007 Pflichten übernommen: die Eigentümer des Flurstücks (b) den Rückbau der Pflasterung auch auf dem Grundstück der Kläger und die Zusage des Verschließens der Einfahrt auf ihrem eigenen Grundstück. Ein hoher wirtschaftlicher Aufwand ist zwar mit der Vereinbarung nicht verbunden gewesen. Es ist aber überdies einvernehmlich vereinbart worden, dass die gesamte Grundstücksgestaltung auf dem Flurstück (b) – also die Nutzung des Weges an der Seite, die Nutzung als Grünfläche und die Versetzung einer Hecke, von den Parteien aufgrund dieser Vereinbarung durchgeführt wird. Da die Eigentümer des Flurstücks (b) darauf vertrauten und der Rückbau der Einfahrt vereinbarungsgemäß erfolgte, zudem die Kläger durch Errichten ihres Zaunes und auch durch Bebauung des Einfahrtsbereichs mit einer Garage in geringem Abstand von der Grenze (Foto Bl. 91 d. A.) zum Ausdruck brachten, dass sie ihrerseits die gemeinsame Nutzung der bisherigen Einfahrt nicht mehr anstrebten, ist davon auszugehen, dass bei Abschluss der Vereinbarung beide Parteien die Kündigung der Vereinbarung ausschließen wollten.

6.

Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten der Rechtsverfolgung aus § 823 Abs. 1 BGB oder wegen der Verzögerung der Erfüllung der Störungsbeseitigungspflicht aus § 280 Abs. 2 BGB ist nicht begründet, weil es an einem Anspruch auf Störungsbeseitigung fehlt.

7.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO entsprechend den Angaben der Kläger in der Klageschrift.

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