OLG München – Az.: 34 Wx 310/20 – Beschluss vom 06.08.2020
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Rosenheim – Grundbuchamt – vom 5. Juni 2020 aufgehoben.
II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung nicht aus den Gründen der aufgehobenen Zwischenverfügung zurückzuweisen.
III. Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2 trägt der Beteiligte zu 1.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer von Grundbesitz.
Diesen verkaufte er mit notariellem Vertrag vom 7.2.2020 zum Preis von 5.000.000 €, der durch die Übertragung von 500.000 Namensaktien der X. AG zu erbringen war, an den Beteiligten zu 2. In derselben Urkunde wurde für letzteren die Eintragung einer Auflassungsvormerkung beantragt und bewilligt. Beim Vertragsschluss wurde der Beteiligte zu 1 aufgrund einer am 6.2.2019 erteilten „Vorsorgevollmacht“ von X.P. vertreten. Die Vollmachtsurkunde lautet auszugsweise:
[…]
1. Vermögensfürsorge
Der Bevollmächtigte darf mich in Vermögensangelegenheiten vertreten und hierbei alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte im In- und Ausland vornehmen, Erklärungen aller Art abgeben und entgegennehmen, sowie Anträge stellen, abändern und zurücknehmen, soweit eine Stellvertretung gesetzlich zulässig ist. Er darf namentlich z.B.:
[…]
Schenkungen im gesetzlichen Rahmen für einen Betreuer durchführen. Darüber hinaus entscheidet das Betreuungsgericht.
[…]
Über mein Immobilieneigentum in Deutschland verfügen.
2. Umgang mit Behörden
Der Bevollmächtigte darf mich gegenüber Behörden (z.B. Gerichten, Ämtern […]), Privatpersonen und Geschäftspersonen vertreten. Die Vollmacht umfasst die Abgabe und Entgegennahme aller diesbezüglich notwendigen Erklärungen, Bescheide, Antragstellungen und sonstigen Handlungen.
[…]
Mit Schreiben vom 14.2.2020 hat der Urkundsnotar unter Vorlage der Kaufvertragsurkunde und einer notariell beglaubigten Abschrift der Vollmachtsurkunde die Eintragung der Auflassungsvormerkung beantragt, und zwar auch als Bote des Beteiligten zu 2.
Das Betreuungsgericht hat mit Schreiben vom 27.2.2020 mitgeteilt, die Einrichtung einer Kontrollbetreuung für den Beteiligten zu 1 werde geprüft. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob dieser in der Lage war, eine rechtsgültige Vollmacht zu erteilen. Derzeit könne jedoch nicht positiv festgestellt werden, dass die Vollmacht unwirksam sei.
Mit Zwischenverfügung vom 5.6.2020 hat das Grundbuchamt erklärt, dem Antrag stehe folgendes Eintragungshindernis entgegen: Die Vertretungsbefugnis der Bevollmächtigten erstrecke sich nicht auf ganz oder teilweise unentgeltliche Verfügungen. Die Entgeltlichkeit der Grundstücksveräußerung sei daher in der Form des § 29 GBO nachzuweisen, alternativ könne ein Sachverständigengutachten mit einer Bewertung des veräußerten Grundstücks und der zu übertragenden Namensaktien jeweils zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrags beigebracht werden. Denn der Umfang der Vollmacht sei vom Grundbuchamt selbstständig zu prüfen. Die Einschränkung bei Schenkungen habe es nach dem Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 27.10.2014 zu beachten.
Gegen die Zwischenverfügung hat der Beteiligte zu 2 über seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29.6.2020 Beschwerde eingelegt. Der Urkundsnotar habe die Vollmacht geprüft. Gegen deren Wirksamkeit in formaler und materieller Hinsicht bestünden keine Bedenken. Das Grundbuchamt habe sich nicht mit der Frage zu befassen, ob ein Grundstück tatsächlich zum Verkehrswert verkauft wird. Ansonsten müsste beim Verkauf eines Grundstücks unter Einsatz einer Vollmacht für den Verkäufer immer geprüft werden, ob der Verkehrswert dem Kaufpreis entspricht.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 9.7.2020 nicht abgeholfen. Unter Verweis auf einen Beschluss des Senats vom 27.1.2017 vertritt es die Auffassung, es müsse den Umfang einer Vollmacht selbstständig prüfen, auch wenn der Urkundsnotar diesen für ausreichend erachte. Das Problem des Nachweises der vollen Entgeltlichkeit stelle sich hier und nicht allgemein im Vertretungsfall aufgrund der Formulierung, wonach Schenkungen nicht gestattet seien. Eine Genehmigung des Vollmachtgebers scheide nach derzeitigem Kenntnisstand wegen Geschäftsunfähigkeit aus.
X.P. hat sich mit Telefax vom 27.7.2020 dem namens des Beteiligten zu 1 angeschlossen und erklärt, sie habe nach Vertragsschluss erfahren, dass die X. AG zumindest seit dem Jahr 2017 Aktien zum Stückpreis von 2,- bis 2,50 € verkauft und seitdem keine Aktivitäten zur Erreichung der unternehmerischen Zielstellung mehr getätigt habe. Die Eigentümerseite schließe eine Werthaltigkeit von 10,- € je Stück im Februar 2020 aus und sehe sich vom Beschwerdeführer unzureichend informiert.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Insbesondere ist sie gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Zu den Entscheidungen des Grundbuchamts im Sinne dieser Bestimmung zählen auch Zwischenverfügungen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO (OLG Hamm FGPrax 2010, 177; Budde in Bauer/Schaub GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 11; Demharter GBO 31. Aufl. § 71 Rn. 1; Hügel/Kramer GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 68).
b) Der Beteiligte zu 2 kann sich im Beschwerdeverfahren gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.
2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Voraussetzung für den Erlass einer Zwischenverfügung ist nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO, dass der begehrten Eintragung ein Hindernis entgegensteht. Dies ist bei der verfahrensgegenständlichen Zwischenverfügung nicht der Fall, weil es des geforderten Nachweises nicht bedarf.
a) Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Bei der Vornahme rechtsändernder Eintragungen ist im Gegensatz zur Berichtigung materieller Unrichtigkeiten ein Gleichlauf von formellem und materiellem Recht nicht erforderlich. Der Gesetzgeber verzichtet im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung bewusst auf die Prüfung des der Eintragung zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts (OLG Hamm Rpfleger 1983, 144; Kössinger in Bauer/Schaub § 19 Rn. 5 f.) und fordert stattdessen mit der Bewilligung eine von dem materiellen Recht losgelöste Erklärung, durch die der verlierende Teil dem Grundbuchamt gestattet, die Eintragung vorzunehmen (Hügel/Holzer § 19 Rn. 2). Das Grundbuchamt ist somit grundsätzlich weder verpflichtet noch berechtigt, die Wirksamkeit des der Änderung zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts zu untersuchen und ihre Eintragung davon abhängig zu machen (BayObLG DNotZ 1990, 510; OLG Hamm Rpfleger 1983, 144). Lediglich im Falle der Auflassung eines Grundstücks sowie der Bestellung, Änderung des Inhalts oder Übertragung eines Erbbaurechts setzt gemäß § 20 GBO die Eintragung neben der Bewilligung voraus, dass die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist. Die übereinstimmenden materiellen Rechtsänderungserklärungen der Beteiligten sind dem Grundbuchamt dann in der Form des § 29 GBO nachzuweisen (Senat vom 1.10.2018, 34 Wx 10/18 = DNotZ 2019, 50/51; Demharter § 20 Rn. 38; Hügel/Hügel § 20 Rn. 2). Soweit hingegen lediglich eine Bewilligung nach § 19 GBO erforderlich ist, darf das Grundbuchamt die Eintragung nur ausnahmsweise ablehnen, nämlich wenn es aus den vorgelegten Urkunden und aus ihm sonst bekannten Umständen mit Sicherheit erkennt, dass das Grundbuch mit der Eintragung unrichtig würde (BayObLG DNotZ 1990, 510; Rpfleger 1969, 48; OLG Hamm Rpfleger 1983, 144; OLG Zweibrücken FGPrax 2007, 11; Kössinger in Bauer/Schaub § 19 Rn. 14; Demharter § 19 Rn. 4; Hügel/Holzer § 19 Rn. 17). Bestehen insoweit Zweifel, hat es unter strengen Voraussetzungen ausnahmsweise die Möglichkeit, im Wege der Zwischenverfügung dem Antragsteller deren Beseitigung aufzugeben (BayObLG Rpfleger 1969, 48; Kössinger in Bauer/Schaub § 19 Rn. 15; Demharter § 19 Rn. 20; Hügel/Holzer § 19 Rn. 17).
b) Nach diesen Maßstäben kann das Grundbuchamt im vorliegenden Verfahren die Eintragung der Auflassungsvormerkung nicht vom Nachweis der vollen Entgeltlichkeit der Grundstücksübertragung abhängig machen und somit mangels Eintragungshindernisses auch keine entsprechende Zwischenverfügung erlassen.
Gemäß § 883 Abs. 1 BGB setzt die Eintragung einer Vormerkung materiell-rechtlich einen zu sichernden Anspruch voraus. Wie sich aus dem unter a) Ausgeführten ergibt, hat das Grundbuchamt bei einem entsprechenden Antrag indes grundsätzlich keine weitergehende Prüfungskompetenz als das formelle Konsensprinzip des § 19 GBO vorsieht (OLG Zweibrücken FGPrax 2007, 11); § 20 GBO unterfällt die bloße Auflassungsvormerkung gerade nicht. Deshalb sind auch die angeführten Beschlüsse des Senats und des OLG Frankfurt a.M. hier nicht einschlägig, denn deren Gegenstand war jeweils die Eintragung einer Auflassung und nicht die einer Vormerkung (vgl. Senat vom 27.1.2017, 34 Wx 15/17 = IBRRS 2017, 1892 bzw. OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2015, 13193). Ob der Vertragsschluss durch X.P. gemäß § 164 Abs. 1 BGB von der erteilten Vollmacht umfasst und damit der nach § 883 Abs. 1 BGB zu sichernde Anspruch gemäß § 311 Abs. 1 BGB entstanden ist, hat das Grundbuchamt daher grundsätzlich nicht zu prüfen (vgl. BayObLGZ 1993, 1/3; OLG Zweibrücken FGPrax 2007, 11; MüKoBGB/Kohler 8. Aufl. § 885 Rn. 27; Palandt/Herrler BGB 79. Aufl. § 885 Rn. 14; NK-BGB Sachenrecht/Krause 4. Aufl. § 885 Rn. 33).
Die Voraussetzungen, unter denen zur Beseitigung diesbezüglicher Zweifel gleichwohl ausnahmsweise der Erlass einer entsprechenden Zwischenverfügung zulässig wäre, sind hier nicht gegeben. Zwar hat das vormals in Grundbuchsachen zuständige Bayerische Oberste Landesgericht das Rechtsmittel gegen eine Zwischenverfügung in einem Verfahren über die Eintragung einer Auflassungsvormerkung mit der Begründung zurückgewiesen, das Grundbuchamt habe mit Recht Bedenken wegen der zugrundeliegenden Vollmacht angemeldet (BayObLG vom 13.10.1967, 2 Z 41/67, nicht veröffentlicht). Dort stand jedoch aufgrund von eidesstattlichen Versicherungen und beigezogenen Akten konkret ein Vollmachtswiderruf im Raum. Aus den Gründen jener Entscheidung wird zudem nicht deutlich, ob das Gericht unter dem genannten Aspekt die Wirksamkeit des Grundgeschäfts oder die der Bewilligung prüft. Auch auf das Verhältnis der §§ 19, 20 GBO zueinander geht das Bayerische Oberste Landesgericht nicht ein. Auf die vorliegende Konstellation ist die Entscheidung somit nur eingeschränkt übertragbar. Sie unterscheidet sich von dem durch das Bayerische Oberste Landesgericht beurteilten Fall wesentlich dadurch, dass der Sachverhalt, auf den die Zwischenverfügung hier gestützt wird, keine konkreten Anhaltspunkte für das Fehlen eines zu sichernden Anspruchs beinhaltet. Denn in der Vertragsurkunde vom 7.2.2020 weist nichts auf eine gemischte Schenkung hin; die Parteien, auf deren Wissen und Wollen es insoweit ankommt (BGH NJW-RR 1996, 754; MüKoBGB/Koch § 516 Rn. 34; Palandt/Weidenkaff § 516 Rn. 13), gingen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses offensichtlich von einer Gleichwertigkeit der Leistungen aus. Das bestätigt indirekt auch die Bevollmächtigte des Beteiligten zu 1, indem sie vorträgt, sie habe nachträglich erfahren, dass die Aktien zumindest seit 2017 nur mit einem Bruchteil des angenommenen Preises gehandelt worden seien. Mit der Aufforderung, den Wert der Gegenleistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nachzuweisen, werden die Grenzen zwischen § 19 und § 20 GBO verwischt und im Ergebnis unter Aufhebung des Bewilligungsgrundsatzes eine umfassende Sachprüfung vorgenommen, die jedoch gerade nicht der gesetzgeberischen Konzeption entspricht (vgl. Kössinger in Bauer/Schaub § 19 Rn. 15). So hat auch das Bayerische Oberste Landesgericht in einer späteren Entscheidung festgehalten, dass bei einem Antrag auf Eintragung einer Vormerkung das Grundbuchamt nicht zu prüfen hat, ob die dahinterstehende Auflassung gegen das Schenkungsverbot des § 1804 BGB verstoße. Dabei hat das Gericht explizit darauf abgestellt, dass Verfahrensgegenstand nicht die Eintragung der Auflassung, sondern die der Vormerkung sei, die sich nach § 19 GBO richte, und das Bestehen des zu sichernden Anspruchs deshalb nicht zu prüfen sei (BayObLG IBRRS 2003, 2677). Die vorliegende Zwischenverfügung war somit aufzuheben.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat – ohne Bindungswirkung – darauf hin, dass es gleichwohl nicht ausgeschlossen erscheint, dem Beteiligten zu 2 im Wege der Zwischenverfügung aufzugeben, die Geschäftsfähigkeit des Beteiligten zu 1 im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung nachzuweisen. Denn diesbezügliche Zweifel können zumindest die Wirksamkeit der Bewilligung nach § 19 GBO in Frage stellen, die im Gegensatz zum zugrundeliegenden materiellen Rechtsgeschäft stets der vollen Nachprüfung durch das Grundbuchamt unterliegt (Hügel/Holzer § 19 Rn. 14).
Jedenfalls bei Stellung eines Antrags auf Eintragung der Auflassung wird dann zu berücksichtigen sein, dass der Beteiligte zu 2 die wirksame Einigung als Voraussetzung für den Eigentümerwechsel gemäß § 20 GBO nachzuweisen hat und insofern folglich die Vollmacht im Hinblick sowohl auf die Wirksamkeit ihrer Erteilung als auch auf ihren Umfang durch das Grundbuchamt zu prüfen ist (vgl. Demharter § 20 Rn. 21), selbst wenn der Notar bereits eine solche Prüfung vorgenommen hat (vgl. BayObLGZ 1954, 225).
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es im Rahmen dieses Beschlusses nicht.
2. Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO besteht nicht.