Rechtsstreit um Grundstück: Eigentümeranspruch auf Herausgabe von Nutzungen?
Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied, dass der Kläger als rechtmäßiger Grundstückseigentümer einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung hat. Der Kläger wurde trotz Aufhebung eines Zwangsversteigerungsbeschlusses im Grundbuch nicht als Eigentümer eingetragen. Das Gericht wies jedoch weitergehende Ansprüche, wie Herausgabe und Beseitigung des auf dem Grundstück errichteten Wohnhauses, teilweise zurück, wobei es auf Treu und Glauben sowie die Interessen der Beklagten Rücksicht nahm.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Anerkennung des Klägers als rechtmäßiger Eigentümer: Das Gericht bestätigt die Eigentümerschaft des Klägers über das Grundstück.
- Anspruch auf Grundbuchberichtigung: Der Kläger hat einen Anspruch darauf, im Grundbuch als Eigentümer eingetragen zu werden.
- Teilweise Abweisung weiterer Ansprüche: Ansprüche auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks sowie Beseitigung des Wohnhauses wurden abgewiesen.
- Berücksichtigung des Vertrauensschutzes der Beklagten: Die Beklagten hatten im Vertrauen auf den Zuschlag ihr Leben auf dem Grundstück eingerichtet.
- Aufhebung des Zwangsversteigerungsbeschlusses: Der ursprüngliche Zuschlagsbeschluss zur Zwangsversteigerung wurde aufgehoben.
- Begrenzung der Nutzungsentschädigung: Die Beklagten müssen nur für die Nutzung auf Basis des reinen Grundstückswerts entschädigen.
- Interessenabwägung: Das Gericht nahm eine Abwägung der Interessen des Klägers und der Beklagten vor.
- Rechtliche Komplexität des Falls: Der Fall zeigt die Komplexität von Grundstückseigentums- und Erbschaftsfragen auf.
Übersicht
- Rechtsstreit um Grundstück: Eigentümeranspruch auf Herausgabe von Nutzungen?
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Rechtliche Auseinandersetzungen im Immobilienrecht: Grundbuchberichtigung und Eigentümeransprüche
- Die Rolle des Oberlandesgerichts Brandenburg in der Grundbuchberichtigung
- Streit um Eigentumsansprüche und gezogene Nutzungen
- Juristische Auseinandersetzung und Entscheidungen des Gerichts
- Entscheidende Aspekte und Schlussfolgerungen des Falls
- ✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Rechtliche Auseinandersetzungen im Immobilienrecht: Grundbuchberichtigung und Eigentümeransprüche
Im Bereich des Immobilienrechts spielen Grundbuchberichtigung und Grundstückseigentümeransprüche eine zentrale Rolle. Diese Themen sind besonders relevant, wenn es um die Klärung von Eigentumsverhältnissen und die damit verbundenen Rechte und Pflichten geht. Die Herausforderung liegt oft in der korrekten Erfassung und Anerkennung von Eigentumsrechten, insbesondere nach fehlerhaften oder strittigen Übertragungen. Der Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen tritt häufig in den Vordergrund, wenn es zu Unstimmigkeiten bei der Nutzung von Immobilieneigentum kommt. Dies kann eine Vielzahl von rechtlichen Fragen aufwerfen, die von fachkundigen Rechtsanwälten und Notaren adressiert werden müssen.
Die Entscheidungen von Gerichten, wie dem Oberlandesgericht Brandenburg, sind in solchen Fällen richtungsweisend. Sie geben Aufschluss darüber, wie Eigentumsansprüche und Nutzungsrechte im Kontext des Immobilienrechts interpretiert und durchgesetzt werden. Im weiteren Verlauf erhalten Sie detaillierte Einblicke in ein konkretes Urteil, das die Facetten dieser Themen beleuchtet und zeigt, wie juristische Entscheidungen das Immobilienrecht und die Rechte der Eigentümer prägen. Lassen Sie sich in die Welt der Immobilienrechtsprechung entführen, wo jedes Detail zählt und jede Entscheidung weitreichende Konsequenzen haben kann.
Die Rolle des Oberlandesgerichts Brandenburg in der Grundbuchberichtigung
Das Oberlandesgericht Brandenburg befasste sich in einem bemerkenswerten Fall mit der Grundbuchberichtigung und dem Grundstückseigentümeranspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen. Im Kern des Rechtsstreits stand ein Grundstück, das ursprünglich einem in den USA geborenen Kläger gehörte. Dieser war seit 1993 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, basierend auf einem Testament von 1992. Interessanterweise gab es zunächst eine Unklarheit über das Geburtsdatum des Klägers, was zu einer notwendigen Berichtigung im Grundbuch führte.
Streit um Eigentumsansprüche und gezogene Nutzungen
Die Rechtslage wurde kompliziert, als das Grundstück durch einen Zwangsversteigerungsbeschluss an die Beklagten überging. Nachdem der Kläger mit einer Nichtigkeitsbeschwerde den Zuschlag erfolgreich anfocht, entbrannte ein Streit um die Herausgabe des Grundstücks und der daraufhin gezogenen Nutzungen. Die Beklagten, die das Grundstück zwischenzeitlich bebaut hatten, sahen sich mit Forderungen des Klägers konfrontiert, der sein Eigentumsrecht und Ansprüche auf Herausgabe geltend machte.
Juristische Auseinandersetzung und Entscheidungen des Gerichts
Die rechtliche Auseinandersetzung zog sich durch mehrere Instanzen. Das Landgericht Potsdam erkannte zunächst den Grundbuchberichtigungsanspruch des Klägers an, wies aber weitere Ansprüche wie die Räumung und Herausgabe des Grundstücks teilweise zurück. Das Oberlandesgericht Brandenburg modifizierte dieses Urteil später teilweise. Hierbei spielten die Auslegung des Testaments, die Eigentumseintragung im Grundbuch und die Aufhebung des Zwangsversteigerungsbeschlusses eine zentrale Rolle.
Entscheidende Aspekte und Schlussfolgerungen des Falls
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg illustriert die Komplexität von Fällen, die Eigentumsrechte und Herausgabe gezogener Nutzungen betreffen. Besonders interessant sind die Fragen der rechtlichen Eigentümerschaft und der damit verbundenen Nutzungsrechte. Der Fall zeigt, wie detailliert Gerichte die Umstände eines Eigentumsübergangs prüfen müssen und wie rechtliche Entscheidungen weitreichende Folgen für die beteiligten Parteien haben können.
Zum Abschluss lässt sich festhalten, dass dieser Fall ein bedeutendes Beispiel für die rechtlichen Herausforderungen im Immobilienrecht darstellt. Er verdeutlicht die Bedeutung von präzisen Grundbucheinträgen und die Komplexität, die entstehen kann, wenn Eigentumsverhältnisse in Frage gestellt werden. Der nachfolgende Abschnitt wird weitere Details zu diesem Urteil und seine Implikationen für ähnliche Fälle beleuchten.
✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
Was bedeutet die Grundbuchberichtigung im Kontext des Immobilienrechts?
Die Grundbuchberichtigung im Kontext des Immobilienrechts bezieht sich auf den Prozess, durch den das Grundbuch aktualisiert wird, um Änderungen in den Eigentumsverhältnissen einer Immobilie widerzuspiegeln. Dies ist besonders relevant, wenn eine Immobilie vererbt wird und das Eigentum von der verstorbenen Person auf die Erben übergeht.
Das Grundbuch ist ein öffentliches Register, das Informationen über Grundstücke und Immobilien enthält, einschließlich der aktuellen Eigentümer. Wenn das Eigentum an einer Immobilie wechselt, muss das Grundbuch entsprechend berichtigt werden, um die neuen Eigentumsverhältnisse korrekt darzustellen.
Im Falle einer Erbschaft wird das Eigentum an der Immobilie automatisch auf die Erben übertragen. Das bedeutet, dass das Grundbuch mit dem Versterben des Eigentümers unrichtig wird und daher berichtigt werden muss. Diese Pflicht ist auch in der Grundbuchordnung geregelt (§ 82 GBO).
Die Berichtigung des Grundbuchs kann von jedem Erben oder auch von einer Person aus der Erbengemeinschaft stellvertretend für alle beim Grundbuchamt beantragt werden. Um die Berichtigung zu beantragen, muss in der Regel ein Erbschein zusammen mit dem Berichtigungsantrag dem Grundbuchamt vorgelegt werden.
Es ist auch möglich, dass das Grundbuchamt von sich aus die Berichtigung betreibt, um den Inhalt des Grundbuchs mit der wahren Rechtslage in Einklang zu bringen.
Es ist jedoch zu beachten, dass in bestimmten Fällen auf eine Grundbuchberichtigung verzichtet werden kann. Beispielsweise wenn die Erben die Immobilie unmittelbar nach dem Erbfall verkaufen möchten, kann der Käufer direkt als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden.
Die Unrichtigkeit des Grundbuchs kann erhebliche Auswirkungen auf das Immobilienrecht haben. Sie kann zu rechtlichen Unklarheiten führen, wenn es darum geht, wer das Eigentum an einem bestimmten Grundstück hat oder wer berechtigt ist, über ein Grundstück zu verfügen. Daher ist es wichtig, das Grundbuch so schnell wie möglich zu berichtigen, um mögliche rechtliche Probleme zu vermeiden.
Wie wird der Grundstückseigentümeranspruch rechtlich definiert?
Der rechtliche Anspruch eines Grundstückseigentümers wird durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Deutschland definiert. Gemäß § 903 BGB hat der Eigentümer das Recht, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, solange er nicht gegen Gesetze verstößt oder Rechte Dritter verletzt.
Der Eigentümer eines Grundstücks ist in der Regel die Person, die im Grundbuch eingetragen ist. Dieser Eintrag im Grundbuch ist entscheidend, da er die Eigentumsverhältnisse eines Grundstücks offiziell dokumentiert und rechtlich bindend ist.
Der Eigentümer eines Grundstücks hat auch das Recht, von Dritten die Herausgabe seines Eigentums zu verlangen, wenn dieses unrechtmäßig in Besitz genommen wurde. Dies ist in § 985 BGB festgelegt.
Darüber hinaus hat der Eigentümer eines Grundstücks das Recht, gegen unzulässige Einwirkungen Dritter auf sein Grundstück vorzugehen. Dies kann beispielsweise durch einen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nach § 1004 BGB erfolgen, wenn das Grundstück durch unzulässige Immissionen oder sonstige rechtswidrige Einwirkungen eines Dritten nachteilig verändert wurde.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass das Eigentum an einem Grundstück durch eine sogenannte Auflassung übertragen werden kann. Eine Auflassung ist die zur Übereignung eines Grundstücks erforderliche Einigung zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem neuen Eigentümer, die dann im Grundbuch eingetragen wird.
Bitte beachten Sie, dass dies eine allgemeine Erklärung ist und spezifische rechtliche Fragen immer mit einem qualifizierten Rechtsberater geklärt werden sollten.
In welchen Fällen kommt der § 985 BGB (Herausgabeanspruch) zur Anwendung?
Anwendung des § 985 BGB (Herausgabeanspruch)
Der § 985 BGB regelt den Herausgabeanspruch des Eigentümers gegenüber dem Besitzer einer Sache. Dieser Anspruch kommt zur Anwendung, wenn der Eigentümer die Herausgabe einer Sache von einer Person verlangt, die im Besitz der Sache ist, aber kein Recht zum Besitz hat.
Voraussetzungen für den Herausgabeanspruch
- Eigentum des Anspruchstellers: Der Anspruchsteller muss Eigentümer der Sache sein.
- Besitz des Anspruchsgegners: Der Anspruchsgegner muss im Besitz der Sache sein. Hierbei kann es sich sowohl um unmittelbaren als auch um mittelbaren Besitz handeln.
- Kein Recht zum Besitz: Der Besitzer darf kein Recht zum Besitz haben, das ihm gegenüber dem Eigentümer ein Besitzrecht einräumt, wie beispielsweise ein Mietverhältnis oder ein Pfandrecht.
Spezielle Anwendungsfälle
- Miteigentum: § 985 BGB kann auch zwischen Miteigentümern zur Anwendung kommen, beispielsweise wenn ein Miteigentümer von einem anderen die Einräumung oder Wiedereinräumung des Mitbesitzes verlangt.
- Ehegatten: Im Falle von Ehegatten, die Miteigentümer von Haushaltsgegenständen sind, kann § 985 BGB im Zusammenhang mit § 1568b Abs. 1 BGB relevant werden, der einem Ehegatten einen Anspruch auf Überlassung und Übereignung der im Miteigentum stehenden Haushaltsgegenstände gewährt.
Konkurrenz zu anderen Ansprüchen
Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB steht in Konkurrenz zu anderen Ansprüchen, wie zum Beispiel:
- Besitzherausgabeanspruch aus § 861 BGB, der bei verbotener Eigenmacht greift.
- Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, wie § 812 BGB, wenn jemand durch die Leistung eines anderen ohne rechtlichen Grund etwas erlangt hat.
- Ansprüche aus Deliktsrecht, wie § 823 BGB, bei Schädigung des Eigentums.
Besonderheiten
- Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB kann nicht selbstständig abgetreten werden, da er untrennbar mit dem Eigentum verbunden ist.
- Es gibt Diskussionen über die Anwendbarkeit der §§ 280 ff. BGB auf § 985 BGB, insbesondere ob Schadensersatz statt der Herausgabe verlangt werden kann, wenn die Herausgabe unmöglich geworden ist.
Zusammenfassend ist der § 985 BGB ein zentraler Anspruch im Sachenrecht, der dem Eigentümer ermöglicht, die Herausgabe seiner Sache zu verlangen, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz hat. Er ist in verschiedenen Konstellationen anwendbar und steht in Wechselwirkung mit anderen rechtlichen Ansprüchen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 5 U 81/22 – Teilurteil vom 04.08.2022
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 5. Juni 2020, Az. 1 O 330/14, teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden jeweils verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über sämtliche von ihnen aus dem Grundstück H… 43 in … R…, eingetragen im Grundbuch von R… des Amtsgerichts Zossen, Blatt …, Flur … Flurstück …, seit dem 21. April 2010 gezogenen Nutzungen, soweit diese Nutzungen nicht Gegenstand der Klageanträge zu 4, 5, 6 oder 7 sind.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit dem ebenfalls streitigen Eigentum an einem Grundstück, das die Beklagten aufgrund eines später aufgehobenen Zwangsversteigerungsbeschlusses erworben hatten.
Der am … 1971 in den USA geborene Kläger war seit dem 23. August 1993 im Grundbuch von R… Blatt … als Eigentümer des dort verzeichneten Grundbesitzes (Grundstück H… 43 in R…, Flur …, Flurstück … mit einer Größe von 989 qm; damals als Erholungsfläche verzeichnet) eingetragen. Seine Eintragung erfolgte aufgrund am 1. Dezember 1992 eröffneten Testaments vom 24. Juni 1992 des Notariats VI Freiburg im Breisgau, auf das wegen der Einzelheiten verweisen wird (Anlage B3, Bl. 181 d.A.). Ursprüngliche Eigentümerin war die nach eigenen Angaben im Testament unverheiratete und kinderlose Frau E… A…R…, geboren am … 1897. Die Erblasserin setzte
„meinen Neffen – Sohn meines in den USA lebende Bruders
E… Sch…
E…, … Str. 6
zu meinem …“ Erben ein. Die Erblasserin verstarb am … 1992. Mit Schreiben der Rechtsanwälte Dr. M… und Partner vom 6. April 1993 beantragte E… Sch… unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls, das Grundbuch zu berichtigen und ihn als Eigentümer einzutragen. Unter dem 23. Juli 1993 teilten die Rechtsanwälte dem Grundbuchamt mit, dass das Geburtsdatum des Herrn E… Sch… der „16.08.1939“ sei. Das Grundbuchamt trug am 23. August 1993 als Eigentümer ein: „E… Sch…, geb. am ….1939, D… N. C. / USA“. Mit Schreiben vom 21. September 1993 teilten die vorgenannten Rechtsanwälte mit, dass das im Grundbuch eingetragene Geburtsdatum unzutreffend sei, da E… Sch… am … 1971 geboren sei. Sie beantragten Grundbuchberichtigung, die am 25. Oktober 1993 erfolgte. Der Kläger ist der Großneffe der Erblasserin. Sein Vater F… Sch… ist Sohn der Frau M… Sch…, die wiederum die Schwester der Erblasserin ist.
Das Amtsgericht Luckenwalde führte über das Grundstück ein Zwangsversteigerungsverfahren (Az. 17 K 312/08). Aufgrund dieses Verfahrens erlangte die Beklagte zu 1 durch den Zuschlagbeschluss vom 21. April 2010 das Eigentum und wurde am 28. August 2010 als Eigentümerin eingetragen. Am 14. Oktober 2011 wurde im Grundbuch Abteilung III unter lfd. Nr. 2 eine brieflose Grundschuld über 280.000,00 € mit 18% Zinsen für die … Sparkasse in P…, vollstreckbar gemäß § 800 ZPO eingetragen.
Die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann, der Beklagte zu 2, ließen ein auf dem Grundstück befindliches Wochenendhaus abreißen und ein neues Wohnhaus errichten. Sie bewohnen das Hausgrundstück seit dem 1. August 2012.
Der Kläger wendete sich mit außerordentlicher Beschwerde („Nichtigkeitsbeschwerde“) gegen den Zuschlag mit der Begründung, er sei am Zwangsversteigerungsverfahren nicht beteiligt worden. Das Landgericht Potsdam hob mit Beschluss vom 11. März 2014 (Az. 1 T 103/13; Bl. 43 ff. d.A.) den Zuschlagsbeschluss auf. Die hiergegen von der Beklagten erhobene Gehörsrüge hatte ebenso wenig Erfolg (Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 17. Juli 2017) wie ihre beim Bundesverfassungsgericht erhobene Verfassungsbeschwerde (Beschluss vom 23. März 2018, Az. 2 BvR 2126/17).
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stünde als Eigentümer des Hausgrundstücks ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf Berichtigung des Grundbuchs zu. Ihm stünde gegen beide Beklagte ein Anspruch aus § 985 BGB bzw. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB auf Räumung und Herausgabe zu. Die Beklagte hätte rechtlos Besitz an dem Grundstück. Der Anspruch auf Beseitigung des Hauses ergebe sich aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Gezogene Nutzungen der Beklagten hätte sie nach den Grundsätzen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses herauszugeben. Sie hätten nie ein Recht zum Besitz gehabt. Weil dem Kläger nicht bekannt sei, welche Nutzungen im Einzelnen die Beklagten gezogen hätten, stünde ihm ein Auskunftsanspruch zu. Die Nutzung des Hauses als Wohnhaus stelle eine gezogene Nutzung dar. Spätestens seit Kenntnis vom Beschluss vom 11. März 2014 über die Aufhebung des Zuschlags seien sie wie Besitzer nach Rechtshängigkeit zu behandeln. Wegen des Gebrauchsvorteils gehe sein Anspruch auf Wertersatz, der in Höhe der ortsüblichen Miete von 1.000,00 € monatlich zu bemessen sei. Für die Zeit ab ihrem Einzug im August 2012 bis zum 31. Dezember 2014 ergebe sich daher in Betrag von 28.000,00 €. Ferner bestehe ein Anspruch auf Herausgabe der von der Beklagten bestellten Grundschuld durch Löschung, ggfs. durch Wertersatz. Da die Beklagten die Grundschuld als Kreditsicherung genutzt hätten, hätten sie über den wirtschaftlichen Vorteil Auskunft zu erteilen und diesen herauszugeben. Gleiches gelte auch für weitere Nutzungen, die er mit dem Antrag zu 8 (im Wege der Stufenklage) und hierzu hilfsweise mit Feststellungsantrag zu 9 geltend mache. Der Antrag zu 5 (gemeint wohl: Antrag zu 4) beinhalte keinen vollständigen Ausgleich der Gebrauchsvorteile durch die Wohnungsnutzung, sondern nur um den geschätzten Mindestbetrag.
Er hat mit der am 4. Juni 2015 zugestellten Klage die im Berufungsverfahren wiederholten Anträge gestellt.
Die Beklagten haben Klageanweisung beantragt.
Die Beklagten haben die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Er sei 1971 geboren. Er sei damit nicht Erbe der ursprünglichen, im Jahre 1897 geborenen und 1992 verstorbenen Eigentümerin. Die Erblasserin habe den Sohn ihres Bruders eingesetzt. Das sei nicht der 1971 geborene Kläger. Die Berichtigung des Geburtsdatums im Grundbuch sei erfolgt, ohne dass irgendwelche Unterlagen in der erforderlichen Form vorgelegen hätten. Ein Erbschein sei bisher nicht erteilt. Die vom Grundbuchamt vorzunehmende Auslegung des Testaments habe nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen können. Der Kläger sei also allenfalls Bucheigentümer gewesen. Er könne sich nicht auf die Vermutung des § 891 BGB berufen. Es handele sich um eine widerlegbare Vermutung. Sollte ein Anspruch aus § 894 BGB bestehen, stünde den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 2 BGB zu. Ihnen stünde ein Wertersatzanspruch wegen des von ihnen errichteten Einfamilienhauses zu. Dieser bemesse sich nach dem Verkehrswert, der nach dem Ertragswert, unter Umständen nach dem Sachwert zu bemessen und mit 500.000,00 € anzusetzen sei. Um diesen Betrag sei der Wert des Grundstücks erhöht. Das Zurückbehaltungsrecht bestehe auch gegenüber dem Räumungs- und Herausgabeanspruch sowie den im Zusammenhang mit der Grundschuld geltend gemachten Ansprüchen (Löschung bzw. Befreiung von Verbindlichkeiten). Ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB bestehe nicht. Seine Geltendmachung verstoße jedenfalls gegen das Schikaneverbot oder Treu und Glauben. Ansprüche auf Nutzungsersatz bestünden nicht; die Nutzungsvorteile seien erst aufgrund der Investitionen der Beklagten entstanden. Anzusetzen sei allenfalls der Nutzungswert des unbebauten Grundstücks, der allenfalls 50,00 € monatlich betrage. Die Entscheidung vom 11. März 2014 (Aufhebung des Zuschlags) sei für das vorliegende Verfahren nicht bindend. Von einem als unrichtig erkannten Urteil dürfe kein Gebrauch gemacht werden, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Ausnutzung in hohem Maße unbillig und geradezu unerträglich machen würden. Dies sei hier der Fall.
2.
Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 verurteilt, die Berichtigung des Grundbuchs dahingehend zu bewilligen, dass der Kläger alleiniger Eigentümer und die Beklagte zu 1 gelöscht wird. Ferner hat es die Beklagten zur Zahlung von 6.041,67 € nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger ein Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB zustehe. Er habe sein Eigentum an dem Grundstück nicht verloren, da der Zuschlagsbeschluss rechtskräftig aufgehoben worden sei. Die Beklagten hätten Nutzungen nur aufgrund des reinen Grundstückswerts zu ersetzen, da sie die Baulichkeiten errichtet hätten. Ausgehend von einem Wert von 50.000,00 € ergebe sich bei einer Verzinsung von jährlich 5% ein Jahresbetrag von 2.500,00 €, also für die geltend gemachten 29 Monate insgesamt 6.041,67 €. Dem Herausgabeanspruch stünde der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Hiernach sei eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Der Kläger sei zwar Eigentümer, lebe aber dauerhaft und durchgängig weit entfernt; demgegenüber hätten die Beklagten im Vertrauen auf den Zuschlag ihren Lebensmittelpunkt auf dem Grundstück eingerichtet. Diesen Einwand könnten die Beklagten auch in Bezug auf die Grundschuld und die Hilfsansprüche geltend machen.
3.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingereichten wechselseitigen Berufungen.
Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er rügt, es handele sich um eine Überraschungsentscheidung. Das Landgericht habe in der mündlichen Verhandlung noch deutlich gemacht, dass dem Kläger sowohl der Berichtigungs- als auch der Herausgabeanspruch zustehe. Es verstoße gegen Denkgesetze, dem Kläger einen Grundbuchberichtigungsanspruch zuzugestehen, ihn aber von der Nutzung seines Grundstücks auszuschließen. Zwar sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger Eigentümer des Grundstücks sei, nachdem der Zuschlagsbeschluss aufgehoben sei. Als solcher habe er jedoch einen Herausgabeanspruch, die Beklagten demgegenüber kein Recht zum Besitz. Die Ausführungen des Landgerichts zu dem Einwand von Treu und Glauben seien rechtlich unerheblich, zumindest nicht tragfähig. Gleiches gelte für den Beseitigungsanspruch. Hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs habe das Landgericht die angebotenen Beweise übergangen, die Höhe der Nutzungsentschädigung durch Sachverständigengutachten zu ermitteln. Der Verweis auf das Gutachten sei unzulässig, da der dort aufgeführte Bodenwert ab 2012 veraltet sei. Der Bodenrichtwert sei von 60,00 € pro Quadratmeter im Jahre 2012 über 65,00 €/qm in 2013 und 80,00 €/qm auf 210,00 €/qm in 2019 gestiegen. Auch die übrigen Anträge habe das Landgericht fehlerhaft abgewiesen.
Der Kläger beantragt unter Wiederholung – ohne Berücksichtigung der zu seinen Gunsten erfolgten Verurteilung – seiner erstinstanzlichen Anträge, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 5. Juni 2020, Az. 1 O 330/14,
1.
… (entspricht dem landgerichtlichen Urteilstenor zu Ziffer 1)
2.
die Beklagten zu verurteilen, das Grundstück H… 43 in … R…, eingetragen im Grundbuch von R… des Amtsgerichts Zossen, Blatt …, Flur …, Flurstück …, zu räumen und an den Kläger herauszugeben;
3.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, das auf dem Grundstück H… 43 in … R…, eingetragen im Grundbuch von R… des Amtsgerichts Zossen, Blatt …, Flur …, Flurstück …, befindliche Wohnhaus zu beseitigen,
4.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 28.000,00 € wegen aus dem Grundstück H… 43 in … R…, eingetragen im Grundbuch von R… des Amtsgerichts Zossen, Blatt …, Flur …, Flurstück …, in der Zeit zwischen dem 1. August 2012 und dem 31. Dezember 2014 in Form der Bewohnung des vorgenannten Grundstücks gezogener Nutzungen sowie Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen;
5.
die Beklagten werden als Gesamtschuldner zu verurteilen,
a)
die auf dem Grundstück H… 43 in … R…, eingetragen im Grundbuch von R… des Amtsgerichts Zossen, Blatt …, Flur …, Flurstück …, lastende, im vorgenannten Grundbuchblatt in Abteilung III zu lfd. Nr. 3 eingetragene, gemäß § 800 ZPO vollstreckbare Grundschuld zugunsten der … Sparkasse in P… über 280.000,00 € nebst Jahreszinsen von 18% seit dem 13. November 2011 zur Löschung zu bringen;
b)
oder hilfsweise zum Antrag 5 a), ebenfalls als Gesamtschuldner an den Kläger weitere 280.000,00 € nebst 18% Zinsen hieraus pro Jahr seit dem 13. November 2011 zu zahlen;
6.
hilfsweise zu den Anträgen zu 5 a) und 5 b) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
a)
Auskunft zu erteilen über sämtliche zur Ermittlung des Wertes der im Grundbuch von R… des Amtsgerichts Zossen, Blatt …, Flur …, Flurstück …, in Abteilung III zur lfd. Nr. 3 eingetragenen, gemäß § 800 ZPO vollstreckbaren Grundschuld erheblichen Umstände, soweit sich diese nicht aus öffentlich zugänglichen Informationsquellen entnehmen lassen, insbesondere über ihre persönliche Bonität zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme sowie die ihnen von der … Sparkasse in P… sowie jedem anderen Kreditgeber, dem mit der vorgenannte Grundschuld Sicherheit gewährt wurde, eingeräumten Kreditkonditionen, insbesondere den Darlehensbetrag, Zinssatz, Zinsfestschreibungszeit, Gebühren, Kosten, Disagio, Zins- und Tilgungsraten, Vereinbarungen über Zinsneufestsetzungen, sämtliche auf das Darlehen geleistet Zahlungen sowie den zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch offenstehenden Darlehensbetrag und hierzu aussagekräftige Belege vorzulegen, insbesondere den oder die jeweiligen Darlehensverträge, Sicherheitsdokumente, Zahlungsanweisungen und Kontoauszüge;
b)
nach der Erteilung der Auskunft gemäß Antrag zu 6 a) ggf. deren Richtig- und Vollständigkeit an Eides statt zu versichern sowie
c)
an den Kläger und den sich nach Erteilung und ggf. eidesstattlicher Versicherung der Auskunft gemäß Antrag zu 6 a) ergebenden und dann zu beziffernden Wert der unter Antrag 6 a) bezeichneten Grundschuld herauszugeben.
7.
hilfsweise zu den Anträgen 5 a), 5 b) und 6 a) – 6 c) festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger den Vermögensvorteil herauszugeben, den sie im Zusammenhang mit der Bestellung der im Grundbuch von R… des Amtsgerichts Zossen, Blatt …, Flur …, Flurstück …, in Abteilung III zu lfd. Nr. 3 eingetragenen, gemäß § 800 ZPO vollstreckbaren Grundschuld zugunsten der … Sparkasse in P… über 280.000,00 € nebst Jahreszinsen von 18% sowie im Zusammenhang mit deren Nutzung als Kreditsicherungsinstrument erlangt haben oder noch erlangen werden;
8.
die Beklagten jeweils zu verurteilen,
a)
Auskunft zu erteilen über sämtliche von ihnen aus dem Grundstück H… 43 in … R…, eingetragen im Grundbuch von R… des Amtsgerichts Zossen, Blatt …, Flur …, Flurstück …, seit dem 21. April 2010 gezogenen Nutzungen, soweit diese Nutzungen nicht Gegenstand der Klageanträge zu 4, 5, 6 oder 7 sind;
b)
nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu Ziffer 8 a) ggf. deren Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides statt zu versichern sowie
c)
an den Kläger die nach Erteilung und ggf. eidesstattlicher Versicherung der Auskunft gemäß Antrag 8 a) im Einzelnen zu bezeichnenden Nutzungen herauszugeben oder, soweit eine Herausgabe in Natur nicht möglich sein sollte, Wertersatz hierfür in ebenfalls noch zu beziffernder Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
9.
hilfsweise zu den Anträgen zu Ziffer 8 festzustellen, dass die Beklagten jeweils verpflichtet sind, sämtliche Nutzungen von ihnen aus dem Grundstück H… 43 in … R…, eingetragen im Grundbuch von R… des Amtsgerichts Zossen, Blatt …, Flur …, Flurstück …, die sie seit dem 21. April 2010 gezogen haben oder künftig noch ziehen werden, soweit diese Nutzung noch nicht Gegenstand der Klageanträge zu 4, 5, 6 oder 7 sind, an den Kläger herauszugeben oder, soweit die Herausgabe in Natur nicht möglich sein sollte, Wertersatz hierfür an den Kläger zu zahlen
und
10.
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
1.
die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
2.
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 5. Juni 2020, Az. 1 O 330/14, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten wiederholen ihre Auffassung, dass dem Aufhebungsbeschluss vom 11. März 2014 (Landgericht Potsdam Az. 1 T 103/13) keine Bindungswirkung für den hiesigen Rechtsstreit zukomme. Entgegen dessen Annahme sei die öffentliche Zustellung wirksam gewesen; ferner hätte das Landgericht die Behauptung prüfen müssen, dem Kläger sei der Eigentumswechsel bereits 2010 mitgeteilt worden, so dass alle Notfristen abgelaufen waren. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Landgerichts Potsdam vom 29. Februar 2016 (Az. 4 O 360/14), das die Wirksamkeit der damaligen Zustellungsbevollmächtigung durch den Kläger festgestellt habe. Der landgerichtliche Beschluss vom 11. März 2014 weise selber auch Verfahrensfehler auf, da er der Beklagten zu 1 nicht zugestellt worden sei. Entfalte der Beschluss daher keine Bindungswirkung, habe das Landgericht eine Interessenabwägung treffen und zu dem Ergebnis kommen müssen, dass das gesamte Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich sei. Ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung bestehe nicht, wie sich aus dem Beschluss des erkennenden Senats vom 9. September 2014 zu einer Grundbuchbeschwerde (Az. 5 W 142/14) ergebe.
Die Beklagten wiederholen zudem, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation, da er nicht Erbe sei (sein könne) und ein Erbschein nicht vorliege. Er habe daher auch nicht im Grundbuch eingetragen werden können. Er sei lediglich zeitweiliger Bucheigentümer gewesen. Er könne sich nicht auf § 891 BGB berufen, da er derzeit nicht im Grundbuch eingetragen sei und die Vermutung widerlegbar sei. Sei der Kläger nicht Eigentümer, bestehe auch kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis.
Im Übrigen verteidigen sie die vom Landgericht ausgesprochene Klageabweisung.
II.
A.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist im Hinblick auf die Stufenklage (Antrag zu 8; § 254 ZPO) in der Auskunftsstufe begründet. Im Übrigen ist der Rechtsstreit derzeit nicht zu entscheiden; der Senat sieht vom Erlass eines Teilurteils nach § 301 ZPO ab.
Beide Berufungen hängen ebenso wie die Stufenklage im Antrag zu 8 von der gemeinsamen Vorfrage ab, ob der Kläger für die geltend gemachten eigentumsrechtlichen Ansprüche aktiv legitimiert ist. Bei subjektiver oder objektiver Klagehäufung oder grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes darf ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen ihnen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BGH Urteil vom 20. Mai 2021, Az. VII ZR 14/20 m.w.N.). Gleichwohl kann die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen in Ausnahmefällen auch bei Stufenklagen hingenommen werden (vgl. BGH a.a.O. mit Verweis u.a. auf BGH Urteil vom 29. März 2011, Az. VI ZR 117/10). Insbesondere eine wechselseitige Blockierung durch miteinander verbundene Klage und (Stufen-)Widerklage liegt hier aber nicht vor.
Daher konnte ein Teilurteil, das im Übrigen im Ermessen des Senats liegt und nicht angezeigt erscheint (§ 301 Abs. 2 ZPO), nicht dergestalt ergehen, dass über sämtliche übrigen Berufungsanträge entschieden wird und lediglich im Hinblick auf den Antrag zu 8 (nur) über die Auskunftsstufe.
B.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf die gezogenen Nutzungen aus § 988 BGB zu. Der Kläger ist Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks und als solcher für den geltend gemachten Anspruch aktiv legitimiert. Die Beklagten sind unberechtigte Besitzer.
1.
Der Kläger ist (materiell-rechtlich) Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks.
a.
Der Kläger war jedenfalls seit dem 23. August 1993 eingetragener Eigentümer des Grundstücks. Damit streitet zu seinen Gunsten die Vermutung nach § 891 Abs. 1 BGB, dass er bis zu der Eintragung der Beklagten zu 1 (§ 891 Abs. 2 BGB) Eigentümer war.
aa.
Die Vermutungswirkung des § 891 BGB knüpft an die Eintragung im Grundbuch an und setzt deren Wirksamkeit voraus. Für den Eintritt der Richtigkeitsvermutung sind die Umstände, die zu einer Eintragung geführt haben, ohne Belang. Selbst eine Verletzung von Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit der Grundbucheintragung lässt die Vermutung nicht entfallen (BGH Urteil vom 2. Dezember 2005, Az. V ZR 11/05; BeckOK/H.-W. Eckert BGB § 891 Rn. 7). Vorliegend führen daher die Rügen der Beklagten, dass eine Eintragung des Klägers durch das Grundbuchamt nicht hätte vorgenommen werden dürfen, nicht zu einer Unwirksamkeit der Eintragung. Nichtigkeitsgründe (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.) sind nicht dargelegt.
bb.
Im Grundsatz zutreffend verweisen die Beklagten darauf, dass die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB widerlegt werden kann. Hierfür genügen jedoch nicht Zweifel; vielmehr ist der Beweis des Gegenteils erforderlich (§ 292 ZPO). Zur Widerlegung dieser Vermutung muss der Vermutungsgegner nicht nur beweisen, dass der eingetragene Erwerbsgrund nicht zu einem Erwerb des Rechts geführt hat, sondern grundsätzlich auch, dass es keinen anderen Erwerbsgrund gibt. Dies erfordert nicht, dass der Vermutungsgegner jede nur denkbare Möglichkeit des Bestehens des Rechts ausräumt; er muss nur die Möglichkeiten widerlegen, die entweder vom Vermutungsbegünstigten behauptet wurden oder sich aus dem Grundbuch ergeben (oder danach zumindest naheliegen). Dabei kann der Vermutungsbegünstigte nicht irgendwelche Entstehenstatbestände frei erfinden, sondern muss konkreten Tatsachenvortrag bringen; diesen muss dann der Vermutungsgegner widerlegen. Auf Seiten des Vermutungsbegünstigten genügt konkreter Vortrag, sodass die andere Partei eine Gelegenheit der Widerlegung hat; vollständig substantiiert muss der Vortrag des Vermutungsbegünstigten nicht sein (vgl. BeckOGK/Hertel BGB § 891 Rn. 64; BGH Urteil vom 29. März 1996, V ZR 326/94).
cc.
Ohne Bedeutung ist, dass die Beklagte zu 1 die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die (vormalige) Eigentumseintragung des Klägers im Grundbuch zu erreichen versucht hat. Die Eintragung eines Widerspruchs, auch eines Amtswiderspruchs, entkräftet die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB nicht. Der Widerspruch soll lediglich gutgläubigen Erwerb verhindern (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 2. November 1982, Az. BReg 2 Z 31/82; BGH Urteil vom 26. September 1969, Az. V ZR 135/66; BeckOK/H.-W. Eckert BGB § 891 Rn. 20).
dd.
Vorliegend leitet der Kläger seine Eintragung als Eigentümer, mithin seinen „Erwerbsgrund“, aus der testamentarischen Gesamtrechtsnachfolge nach E… R… ab. Zur Widerlegung der Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB wäre daher von den Beklagten der Vollbeweis (§ 286 Abs. 1 ZPO) zu führen, dass der Kläger tatsächlich nicht aufgrund dieser Erbfolge Eigentümer des Grundstücks geworden ist. Dieser Beweis ist jedoch nicht geführt; er wäre geführt, wenn zur Überzeugung des Senats festgestellt werden könnte, dass der Kläger nicht der von der Erblasserin E… R… testamentarisch bedachte Erbe ist. Zweifel an seiner Erbenstellung genügen nicht; vielmehr muss feststehen, dass er als Erbe ausscheidet. Da bei der Auslegung eines jeden Testaments der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist (§ 133 BGB; vgl. BGH Urteil vom 7. Oktober 1992, Az. IV ZR 160/91), wäre der die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB entkräftende Gegenbeweis nur geführt, wenn die Auslegung des Testaments vom 24. Juni 1992 zur Überzeugung des Senats ergeben würde, dass die Erblasserin nicht den Kläger bedenken wollte. Diese Überzeugung kann der Senat aus nachfolgenden Gründen nicht gewinnen:
Der Senat verkennt nicht, dass unstreitige den Kläger betreffende Tatsachen mit der Bezeichnung des Erben „E… Sch…“ im Testament nicht in Einklang zu bringen sind. So hat die Erblasserin ihren Neffen bedenken wollen; unstreitig ist der Kläger aber nicht der Neffe von E… R…, sondern ihr Großneffe. Sie hat ihren Neffen zudem als den Sohn ihres Bruders bezeichnet, was in sich schlüssig ist. Nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten ist der Kläger jedoch Sohn des F… Sch…, dessen Mutter M… Sch… wiederum die Schwester der Erblasserin war. Es kann damit zweifelhaft sein, ob die Erblasserin einen Abkömmling nach ihrer Schwester bedenken wollte. Schließlich hat die Erblasserin den Erben mit einer Anschrift in E… bezeichnet. Anhaltspunkte, dass der in den USA geborene Kläger zum Zeitpunkt der Erbeinsetzung oder in zeitlichem Zusammenhang in E…F… gewohnt hat, fehlen. Auch der Umstand, dass im Zusammenhang mit dem grundbuchlichen Berichtigungsantrag für den Erben zunächst ein Geburtsdatum „… 1939“ angegeben wurde, der Kläger jedoch am … 1971 geboren worden ist, bleibt dem Senat nicht verborgen, lässt aber letztlich keinen hinreichenden Schluss auf den Willen der Erblasserin zu.
Andererseits sprechen erhebliche Gesichtspunkte dafür, dass die Erblasserin den Kläger als Erben einsetzen wollte. Zunächst spricht hierfür die namentliche Benennung, ohne dass es darauf ankommt, dass der Kläger einen zweiten, im Testament nicht erwähnten Vornamen führt. Auch handelt es sich bei dem Kläger unstreitig um einen Nachkommen nach einem Geschwister der Erblasserin. Um welchen Nachkommen es sich handeln soll, hat die Erblasserin durch eine weitere Angabe deutlich gemacht: der Vater des Erben lebe in den USA. Dies traf unstreitig auf den Vater des Klägers zu. Auch wenn entgegen den Angaben im Testament der Vater des Klägers damit nicht Bruder der Erblasserin gewesen ist, würde im Umkehrschluss die wörtlich genommenen Erbeinsetzung bedeuten, dass die Erblasserin – neben ihrer Schwester M… Sch… geb. R… – einen Bruder mit dem – von ihr abweichenden – Namen Sch… gehabt hat und dieser wiederum einen Sohn namens E…, so dass es im Ergebnis zwei enge Verwandte der Erblasserin mit dem gleichen Namen hätte geben müssen: einmal ihren Neffen, ein zweites Mal den Kläger als ihren Großneffen. Auch kommt der Vater des Klägers mit dem Namen F… Sch… nicht als Erbe in Betracht; selbst wenn man, was jedoch nicht naheliegt, die testamentarische Namensbezeichnung „E…“ als Kurz- oder Koseform von F… betrachten würde, würde es sich bei F… Sch… nicht um den Sohn eines Bruders der Erblasserin handeln, sondern um den Sohn der Schwester.
In der Wertung all dieser Umstände liegt nach Auffassung des Senats die Überzeugung sehr nahe, dass die Erblasserin den Kläger als Erben einsetzen wollte. Jedenfalls aber kann auf dieser Grundlage der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger nicht der mit Testament vom 24. Juni 1992 bedachte Erbe nach Frau E… R… ist.
b.
Die Vermutung des § 891 Abs. 2 BGB steht dem Eigentumsrecht des Klägers nicht entgegen. Nach § 891 Abs. 2 BGB wird vermutet, dass ein Recht ab dem Zeitpunkt seiner Löschung nicht (mehr) besteht. Für den Zeitraum vor der Löschung ist jedoch zu vermuten, dass das gelöschte Recht bis zur Löschung bestanden. Die Löschung kann die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB jedoch gegebenenfalls rückwirkend beseitigen, so dass in diesem Fall Vollbeweis für das Eigentum zu erbringen ist. Eine solche die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB beseitigende Rückwirkung kommt in Betracht, wenn die Löschung aufgrund einer Berichtigung beruht (MüKoBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, BGB § 891 Rn. 18; BeckOGK/Hertel BGB § 891 Rn. 47; BGH Urteil vom 26. September 1969, Az. V ZR 135/66). Zwar führt auch der Eigentumserwerb durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren zu einer nach § 22 GBO zu berichtigenden Unrichtigkeit des Grundbuchs. Gleichwohl entkräftet nicht jede berichtigte Unrichtigkeit des Grundbuchs die Vermutungswirkung des § 891 Abs. 1 BGB. Anders als bei einer nach § 22 GBO berichtigten ursprünglichen Unrichtigkeit des Grundbuchs (vgl. hierzu BeckOK/Hügel GBO § 22 Rn. 39 ff.) wird vorliegend nicht die von Beginn an unzutreffende Grundbucheintragung berichtigt; vielmehr handelt es sich um die Berichtigung einer Unrichtigkeit, die nachträglich infolge außerhalb des Grundbuchs erfolgtem Eigentumswechsels entstanden ist (vgl. BeckOK/ Hügel a.a.O. Rn. 46 ff.). Sprach damit aber bis zum Zeitpunkt der (zunächst erfolgten) Eigentumsänderung durch den Zuschlagsbeschluss die Vermutung des § 891 Abs.1 BGB für den Kläger, hat der – im Übrigen in der Folge durch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses rückwirkend entfallene – Eigentumswechsel durch Zuschlag für die hiervor liegende Zeit nichts geändert (vgl. auch BGH a.a.O.).
c.
Der Kläger hat sein Eigentum nicht (endgültig) verloren. Insbesondere hat der rechtskräftig aufgehobene Zuschlag nicht zu einem Verlust des Eigentums geführt.
Zwar bewirkt der Zuschlag zunächst einen Eigentumserwerb des Erstehers nach § 90 Abs. 1 ZVG. Wird jedoch der Zuschlag rechtskräftig aufgehoben, entfallen seine Wirkungen rückwirkend. Der Kläger ist damit rückwirkend wieder (materiell-rechtlicher) Eigentümer geworden. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass der Zuschlag im Beschwerdeverfahren (§§ 95 ff. ZVG) aufgehoben wird, sondern – wie vorliegend – auch bei rechtskräftiger Aufhebung im Wege der außerordentlichen Beschwerde nach §§ 96 ZVG, 793, 569 Abs. 1 S. 3, 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO analog (vgl. Stöber/Becker ZVG 22. Aufl. § 90 Rn. 34; vgl. auch BGH Beschluss vom 5. März 2020, Az. V ZB 20/19).
aa.
Ist der Zuschlag rechtskräftig aufgehoben, kommt es letztlich nicht mehr darauf an, ob der Aufhebungsbeschluss selber inhaltlich oder verfahrensrechtlich fehlerhaft ist, wie die Beklagten meinen. Mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft bindet dessen materielle Rechtskraft Gericht und Parteien in einem späteren Verfahren. Zweck dieser Bindungswirkung ist es, sich widersprechende Urteile zu verhindern, den Rechtsfrieden zu sichern und zu gewährleisten, dass jeder Rechtsstreit einmal sein Ende findet. Unter diesem Gesichtspunkt ist es gerechtfertigt, dass selbst unrichtige Entscheidungen Bestand haben (BeckOK ZPO/Gruber ZPO § 322 Rn. 1). Diese materielle Rechtskraft hat das Gericht von Amts wegen auch zu beachten, wenn im Vorprozess über eine Rechtsfolge rechtskräftig entschieden wurde, die für die Entscheidung im nachfolgenden Prozess vorgreiflich ist. Das Gericht hat im nachfolgenden Prozess den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung ohne Sachprüfung zugrunde zu legen (BGH Urteil vom 16. Januar 2008, Az. XII ZR 216/05; BeckOK ZPO/Gruber, a.a.O. Rn. 17).
Identität der Streitgegenstände ist dabei nicht nur dann anzunehmen, wenn im zweiten Prozess der nämliche Streitgegenstand zwischen denselben Parteien nochmals rechtshängig gemacht wird, sondern auch dann, wenn dort das mit dem Rechtsausspruch im ersten Prozess unvereinbare „kontradiktorische Gegenteil” begehrt wird. Wenn die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten Prozess nicht die Hauptfrage, sondern eine Vorfrage darstellt, besteht die Wirkung der Rechtskraft in der Bindung des nunmehr entscheidenden Gerichts an die Vorentscheidung. Zwar ist dabei zu berücksichtigen, dass die Bestimmung des § 322 Abs. 1 ZPO der Rechtskraft eines Urteils bewusst enge Grenzen gesetzt hat. Sie erstreckt sich aber in jedem Fall auf den unmittelbaren Gegenstand der ersten Entscheidung, das heißt die Rechtsfolge, die den Entscheidungssatz bildet (vgl. BGH Urteil vom 26. Juni 2003, Az. I ZR 269/00). In entsprechender Anwendung des § 718 ZPO gilt gleiches für Beschlüsse (BGH Beschluss vom 19. Juli 2018, Az. nV ZB 6/18; Musielak/Voit ZPO § 322 Rn. 6).
Vorliegend ist die Beklagte zu 1 der Auffassung, der Zuschlag sei wirksam, weil der Aufhebungsbeschluss fehlerhaft sei. Sie begehrt damit im vorliegenden Rechtsstreit die Klärung einer Vorfrage vollständig gegenteilig anders als im rechtskräftigen Beschluss vom 11. März 2014 (des Landgerichts Potsdam Az. 1 T 103/13).
Ausgehend von den oben stehenden Rechtsgrundsätzen ist der Senat daher an die Aufhebung des Zuschlags durch den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 11. März 2014 gebunden.
bb.
Es kommt nicht darauf an, ob tatsächlich von einer wirksamen Zustellung im Zwangsversteigerungsverfahren auszugehen gewesen wäre oder das rechtliche Gehör der Beklagten zu 1 verletzt worden wäre.
Auch fehlerhaften Entscheidungen kommt grundsätzlich die volle Rechtskraftwirkung zu. Weder hindert ein Verfahrensverstoß den Eintritt der Rechtskraft (vgl. grundlegend BGH Urteil vom 12. Januar 1996, Az. V ZR 246/94) noch steht ihr eine materielle Unrichtigkeit entgegen (Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. § 322 ZPO Rn. 14; BGH Urteil vom 6. März 1985, Az. IVb ZR 76/83).
Zwar weist die Beklagte zu 1 zutreffend darauf hin, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung eine Durchbrechung der Rechtskraft – außer in den gesetzlich normierten Fällen wie §§ 578 ff. ZPO – zulässt, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt (vgl. BGH Urteil vom 24. September 1987, Az. III ZR 187/86). Das Institut der Rechtskraft ist, wie jede formale Rechtsposition, nur in den Grenzen von Treu und Glauben durchsetzbar (BGH Urteil vom 14. Juni 12016, Az. XI ZR 242/15). Der „Rechtsbehelf gemäß § 826 BGB“ gegen erschlichene usw. rechtskräftige Urteile stellt daher eine unverzichtbare Rechtsfortbildung dar (vgl. Vollkommer in: Zöller a.a.O. Vorbemerkungen zu § 322 Rn. 72). § 826 BGB setzt in diesen Fällen jedoch zusätzlich besondere Umstände voraus, die die Vollstreckung (Ausnutzung) des Titels durch den Gläubiger als missbräuchlich erscheinen lassen (BGH Urteil vom 24. September 1987, Az. III ZR 187/86; Urteil vom 29. Juni 2005, Az. VIII ZR 299/04; Zöller a.a.O. Rn. 74). Sowohl die arglistige Urteilserschleichung durch Irreführung des Gerichts wie auch die sittenwidrige Ausnutzung eines (nicht erschlichenen) Urteils können hierunter fallen. Andererseits gebietet die Achtung vor der Rechtskraft und ihren Zielen, dass sie nur in besonders schwerwiegenden Fällen durchbrochen werden darf (BGH Urteil vom 3. Juli 1990, Az. XI ZR 302/89; Zöller a.a.O.)
Gemessen an diesen Voraussetzungen hat die Beklagte zu 1 auch mit der Berufung keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine solch schwerwiegende missbräuchliche Erschleichung oder Verwendung des Aufhebungsbeschlusses vom 11. März 2014 ergeben könnte. Weder die von der Beklagten zu 1 in dem dortigen Verfahren bereits gerügte Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör noch die von ihr nunmehr herangezogene Bewertung der Zustellungsvollmacht für den Kläger genügen, um den Schluss auf eine besonders schwerwiegende Missachtung der materiellen Rechtslage, die zu einer Durchbrechung der Rechtskraft jener Entscheidung führen müsste, zu begründen.
d.
Dem Grunde nach stehen dem Kläger wegen der von den Beklagten gezogenen Nutzungen Ansprüche nach §§ 990 Abs. 1 S. 2, 987, 988 BGB zu.
Soweit die Beklagten die diesbezügliche Verurteilung des Landgerichts zur Zahlung angreifen, ist dies aus den eingangs dargelegten Gründung nicht Gegenstand dieses Teilurteils. Im Übrigen verteidigen sich die Beklagten einzig mit dem Argument, dass der Kläger nicht Eigentümer sei. Wie vorstehend näher dargelegt, ist der Kläger mit Aufhebung des Zuschlags rückwirkend (wieder) Eigentümer des Grundstücks. Mit der Aufhebung des Zuschlags haben die Beklagten ihr anfängliches Besitzrecht, das sie ersichtlich nur auf ihr zwischenzeitliches Eigentum stützen (konnten), rückwirkend verloren. Auf diesen anfänglich nicht berechtigten Eigenbesitz nach rückwirkend entfallendem Eigentumserwerb sind die Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses nach §§ 987 bis 993 BGB anwendbar (BGH Urteil vom 5. März 2010, Az. V ZR 106/09).
aa.
Ein Anspruch des Klägers nach § 990 Abs. 1 S. 1 BGB scheidet zwar aus. Bösgläubigkeit beim Besitzerwerb liegt dann vor, wenn in diesem Zeitpunkt dem Besitzer die fehlende Besitzberechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war (BGH a.a.O.). Hieran fehlt es. Die Beklagten haben den Besitz auf Grund des ihnen erteilten Zuschlags erlangt und waren deshalb zunächst zum Besitz berechtigt. Dass diese Berechtigung rückwirkend entfiel, wussten sie beim Besitzerwerb nicht und mussten es auch nicht wissen. Bösgläubigkeit nach § 990 Abs. 1 S. 2 BGB lag ab der Zustellung des landgerichtlichen Beschluss vom 11. März 2014 vor, aufgrund dessen die Beklagten wissen mussten, dass durch die Aufhebung des Zuschlags rückwirkend ihr Eigentum und damit die Besitzberechtigung weggefallen ist. Für einen früheren Zeitpunkt hat der insoweit darlegungsbelastete Kläger nichts vorgetragen.
bb.
Ein Anspruch aus § 987 Abs. 1 BGB ergibt sich frühestens mit der Rechtshängigkeit der vorliegenden Herausgabeklage am 4. Juni 2015. Auf die außerordentliche Beschwerde im Zwangsversteigerungsverfahren kommt es demgegenüber nicht an, weil sie vor dem Entstehen des Eigentümer-Besitz-Verhältnisses erhoben wurde. Ansprüche nach §§ 987ff. BGB setzen jedoch voraus, dass zur Zeit der Tatbestandsverwirklichung ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB, also eine Vindikationslage besteht (BGH a.a.O.). Dies war hier seit dem 11. März 2014 der Fall. Anders als im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lag aber mit dem landgerichtlichen Aufhebungsbeschluss vom 11. März 2014 keine den in § 987 BGB geregelten Anspruchsvoraussetzungen vergleichbare Situation vor. Dem dortigen Kläger wurde mit der Aufhebung des Zuschlags wiederum gleichzeitig der Zuschlag erteilt. Mit dem Zuschlag hatte er einen Titel, aus dem er die Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe betreiben konnte (§ 93 Abs. 1 S. 1 ZVG). Dies war im hiesigen Rechtsstreit nicht der Fall: der Kläger wurde durch den Aufhebungsbeschluss wieder Eigentümer; ein vollstreckbarer Herausgabetitel jedoch fehlte.
cc.
Der Kläger hat zudem einen Anspruch aus § 988 BGB. Zur Herausgabe von Nutzungen ist nicht nur der nicht berechtigte Besitzer verpflichtet ist, der seinen Besitz unentgeltlich erworben hat, sondern auch der Besitzer, der seinen Besitz ohne Rechtsgrund erlangt hat. Daher ist § 988 BGB auch dann anzuwenden, wenn der Ersteher das versteigerte Grundstück aufgrund des mit dem Zuschlag eingetretenen Eigentumserwerbs (§ 90 Abs. 1 Halbs. 1 ZVG) in Besitz genommen hat und die Zuschlagsentscheidung im Beschwerdeweg rückwirkend aufgehoben wird. Auch in diesem Fall fehlt dem Besitzerwerb von Anfang an der Rechtsgrund (BGH a.a.O.).
Somit stehen dem Kläger ab Zustellung des Aufhebungsanspruchs vom 11. März 2014 Nutzungsersatzansprüche nach §§ 990 Abs. 1 S. 2, 987 BGB zu, für den hiervor liegenden Zeitraum Ansprüche nach § 988 BGB.
dd.
Im Wege der Stufenklage begehrt der Kläger mit dem Klageantrag zu 8 die Herausgabe der seit dem 21. April 2010 gezogen Nutzungen, die nicht bereits von den zuvor (teils nur hilfsweise) gestellten Anträgen erfasst sind.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.