LG Halle (Saale), Az.: 4 OH 21/16, Beschluss vom 05.09.2017
1) Die Kostenrechnung der Notarin … wird bestätigt.
2) Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Antragsteller beabsichtigten zum Kaufpreis von 280.000 € ein bebautes Grundstück zu erwerben. Sie beauftragten die Antragsgegnerin deshalb mit der Erstellung eines Kaufvertragsentwurfs und teilten Einzelregelungen mit, die der Vertragsentwurf enthalten sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf die e-mail vom 20.5.2016 verwiesen. Der Entwurf sollte zunächst allein mit ihnen als Auftraggebern abgestimmt werden und erst dann an den Verkäufer zur Abstimmung mit diesem gesandt werden. Die Antragsgegnerin erstellte einen Kaufvertragsentwurf, auf dessen Inhalt verwiesen wird. Die Antragsteller erbaten die Benennung möglicher Beurkundungstermine, die ihnen mitgeteilt wurden. Sie holten ein Kurzgutachten zur Immobilie ein, das einen Ertragswert von 198.000 € ergab, wozu jedoch vorab Renovierungskosten von 25.000 € aufzuwenden sind. Nach Erhalt des Kaufvertragsentwurfs teilten die Antragsteller mit e-mail vom 2.6.2016, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, der Antragsgegnerin zahlreiche Änderungswünsche mit. Zu einer Beurkundung des Kaufvertrages kam es nicht, da die Verkäufer trotz des durch die Antragsteller eingeholten Gutachtens einer Reduzierung des vorab vereinbarten Kaufpreises nicht zustimmten. Die Antragsteller teilten der Antragsgegnerin das Scheitern der Vertragsverhandlungen mit.
Die Antragsgegnerin rechnete ihre Tätigkeit zunächst auf der Grundlage eines Geschäftswertes von 280.000 € und einer vorzeitig beendeten Beurkundungssache mit vollständig erstelltem Vertragsentwurf ab. Die Antragsteller erhoben Einwendungen. Die Antragsgegnerin erstellte daraufhin eine abweichende Kostenrechnung, in der sie einen Geschäftswert von 198.000 € zugrunde legte. Die Antragsteller beantragten die gerichtliche Entscheidung über die Kostenrechnung.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Prüfung der Kostenrechnung ist zulässig aber unbegründet. Die Antragsgegnerin hat die durch die Antragsteller zu zahlenden Kosten nicht zu hoch abgerechnet.
1) Entgegen der Auffassung der Notarin und auch Ländernotarkasse liegt allerdings kein vollständiger Entwurf des Kaufvertrages vor, für den § 92 Abs. 2 GNotKG eine Abrechnung der vollen Beurkundungsgebühr anordnet. Zwar ist es für die Beurteilung der Vollständigkeit des Entwurfs nicht erforderlich, dass in ihm bereits alle Vorgaben der Antragsteller umgesetzt wurden. Vielmehr reicht insoweit aus, dass in ihm alles Wesentliche enthalten ist, was das beabsichtigte Geschäft kennzeichnet. Es müssen jedoch im Vertragsentwurf auch alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt sein, die der Auftraggeber verlangt hat. Insoweit sind zwar noch fehlende Einzelangaben zu untergeordneten Punkten, die im Beurkundungstermin unproblematisch nachgetragen oder konkretisiert werden können, für die Bewertung als vollständiger Entwurf unbeachtlich. Es ist diesbezüglich auch üblich, dass zwischen den Vertragsparteien erst im Beurkundungstermin letzte Einzelheiten geklärt werden oder durch die Notarin zu Nebenpunkten Nachfrage gehalten werden muss, die sinnvollerweise bei Anwesenheit beider Vertragsparteien im Termin erfolgt.
Unter Beachtung der vorstehenden Beurteilungskriterien kann der durch die Antragsgegnerin gefertigte Kaufvertragsentwurf nicht als vollständiger Entwurf bewertet werden. Insoweit ist zwar die von den Antragstellern vermisste Aufteilung des Kaufpreises auf die einzelnen Wohnungen unerheblich, da dies im Beurkundungstermin ohne weiteres und problemlos hätte nachgeholt werden können. Es handelt sich bei dieser Angabe auch nicht um einen Aspekt, der einen Grundstückskaufvertrag zwingend kennzeichnet. Die Willensbildung war insoweit ohnehin Schwankungen unterworfen, was eine Klärung dieser Einzelheit erst im Beurkundungstermin sinnvoll erscheinen lässt. Die anzusetzenden Werte in der e-mail vom 20.5.2015 und 2.6.2015 unterscheiden sich. Ebenso hätte im Beurkundungstermin die bei Auftragserteilung gewünschte Fassung zum Übergang der Lastentragung (erst nach Kaufpreiszahlung) ohne weiteres geändert werden können. Soweit die Antragsteller sich an der Wortwahl hinsichtlich der Eigentumsverschaffungsvormerkung (Zif. VII 3) stoßen ist der Ausdruck ohne weiteres verständlich und bezeichnet die dadurch betroffene Willenserklärung ausreichend und zweifelsfrei. Auch die Regelung zur Kaufpreisfälligkeit im Vertrag entspricht unabhängig von dem Text in der e-mail vom 20.5.2016 der notariellen Pflicht eine ausreichende Absicherung der Käufer im Vertrag vorzusehen. Eine Änderung wird insoweit nach der Vorlage des Vertragsentwurfes durch die Antragsteller mit der e-mail vom 2.6.2016 auch nicht gewünscht und die Entwurfsfassung zu Kaufpreisfälligkeit damit genehmigt. Ebenso wird die Entwurfsfassung zur sofortigen Eintragung der Auflassungsvormerkung ausdrücklich gebilligt, die zunächst abweichend gewünscht war.
Der Kaufvertragsentwurf der Antragstellerin berücksichtigt jedoch nicht – und konnte dies auch gar nicht – die zahlreichen Änderungswünsche der Antragsteller, die diese mit der e-mail vom 2.6.2016 vor der Beendigung des Beurkundungsverfahrens verlangt haben. Einiges davon hätte man zwar einer Ergänzung im Beurkundungstermin überlassen können. Die durch die Antragsteller gewünschten vorzeitigen Rechte zur Bauvorbereitung – einschließlich der sofortigen Schlüsselübergabe – sowie zur Beräumung und zum bestehenden Mietvertrag hatten jedoch einen Umfang, der nicht dem Beurkundungstermin überlassen werden konnte, und beinhalteten auch erhebliche rechtliche Problemstellungen. Daneben stand noch jedwede Reaktionen der Verkäuferin aus, die ggf. in den Kaufvertragsentwurf hätten eingearbeitet werden müssen. Die Antragsteller hatten insoweit bei Auftragserteilung ausdrücklich mitgeteilt, dass der Kaufvertragsentwurf zunächst allein ihnen übersandt und im Einzelnen abgestimmt werden sollte und erst nachfolgend an den Verkäufer übersandt werden sollte, damit dieser eventuelle Änderungswünsche vorbringen konnte. Auch der doch erhebliche Umfang der oben benannten, in einem Beurkundungstermin vorzunehmenden Änderungen und Ergänzungen – der Entwurf sah auch noch weitere Leerstellen vor – rechtfertigt es zumindest in einer Gesamtbetrachtung nicht mehr, den Kaufvertragsentwurf der Antragsgegnerin als vollständig anzusehen.
2) Die Unvollständigkeit des Kaufvertragsentwurfs führt jedoch nicht dazu, dass die Antragsteller geringere Notarkosten zu zahlen haben, weshalb ihr Antrag auf gerichtliche Nachprüfung der Kostenrechnung im Ergebnis keinen Erfolg hat.
a) Denn den Geschäftswert hat die Antragsgegnerin zumindest nicht zum Nachteil der Antragsteller zu hoch angesetzt. Vielmehr hätte die abgebrochene Beurkundung weiterhin mit einem Geschäftswert von 280.000 € abgerechnet werden müssen.
Gemäß § 47 GNotKG kommt es für die Wertbestimmung allein auf den Kaufpreis an. Die Berücksichtigung eines niedrigeren Verkehrswertes der Sache ist in dieser Bestimmung gar nicht vorgesehen, sondern allein die mögliche Relevanz eines höheren Verkehrswertes des Kaufgegenstandes. Die speziellere Vorschrift des § 47, die nur Kaufverträge betrifft, geht der allgemeinen Regelung des § 96 GNotKG vor. Es ist auch unerheblich, dass es nicht zum Abschluss des Kaufvertrages gekommen ist. Die Bewertungsvorschrift des § 47 GNotKG ist für alle mit einem Kaufvertrag in Zusammenhang stehenden Geschäfte anzuwenden (NK-GK/Fackelmann § 47 Rn.3, vgl. auch OLG Naumburgjuris, Beschluss vom 22.12.2015, Az. 5 W 70/15). Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung dieser Bestimmung, die deren Anwendung ausdrücklich auf alle im Zusammenhang mit einem Kauf stehenden Sachverhalte anordnet. Sie erfasst auch selbständige Entwürfe (vgl. § 97 Abs. 1 GNotKG) und beansprucht deshalb umso mehr Geltung, wenn es sogar um eine abgebrochene Beurkundung nach Erstellung eines Vertragsentwurfs geht. Die Notarkosten waren daher allein nach dem mitgeteilten Kaufpreis zu berechnen. Der Kaufvertragsentwurf und auch die Beurkundung wurde mit diesem Wert in Auftrag gegeben und der Preis war zwischen den Vertragsparteien auch so abgesprochen worden, auch wenn es nachfolgend – nach Erstellung des Entwurfs durch die Antragsgegnerin und dem Beurkundungsauftrag – wegen des eingeholten Gutachtens nicht mehr zu einem Kaufvertragsabschluss gekommen ist.
b) Aufgrund des unvollständigen Kaufvertragsentwurfs ist die Rahmengebühr gemäß Zif. 21302 KV zum GNotKG (0,5 bis 2,0) zu bemessen und zwar gemäß § 92 Abs. 1 nach dem Umfang der erbrachten Leistung und billigem Ermessen. Dabei hat das Gericht das entsprechende Ermessen auszuüben, wenn dies durch den Notar nicht erfolgt ist (§ 128 Abs. 2 GNotKG). Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigt der Stand der Bearbeitung des Kaufvertragsentwurfs bei dem noch ausstehenden Beurkundungstermin die Abrechnung eines Gebührensatzes von 1,5. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Vertragsentwurf weitgehend fertiggestellt wurde. Er hätte unter Nachtragung von geringen Änderungen/Nachtragungen im Beurkundungstermin als Kaufvertrag zwischen den Parteien ohne weiteres dienen können, da er alle Aspekte eines Kaufvertrages enthielt. Es waren insoweit aber schon eine erhebliche Anzahl von solchen Nacharbeiten notwendig und es fehlte noch die Einarbeitung einiger Ergänzungen der Antragsteller, denen allerdings im Verhältnis zum Gesamtumfang und der Gesamtschwierigkeit der Materie keine übermäßige Bedeutung zukam.
Unter Ansatz des Gebührensatzes von 1,5 hätte der Grundbetrag der Kostenrechnung 877,50 € betragen. Dieser Betrag liegt oberhalb des in der Kostenrechnung abgerechneten Grundbetrages von 870 €. Eine Erhöhung der Kostenrechnung zum Nachteil der Antragsteller ist dem Gericht aber im Notarkostenbeschwerdeverfahren wegen des geltenden Verschlechterungsgebots nicht möglich. Es ist aber zulässig, dass das Gericht inhaltliche Änderungen hinsichtlich der Wertbemessungsvorschriften vornimmt, solange im Ergebnis keine Verschlechterung hinsichtlich des zu zahlenden Gesamtbetrages für den Antragsteller eintritt (Hartmann, Kostengesetze, § 128 GNotKG Rn.19)
c) Die fehlende Zitierung der angewandten Wertvorschriften gebietet nicht die Aufhebung der angefochtenen Rechnung. Es handelt sich bei den Wertvorschriften nicht um zwingende Inhalte einer Notarkostenrechnung. Denn zu diesen zählen nur die Angabe der Kostenverzeichnisnummern und des der Rechnung zugrunde gelegten Geschäftswertes sowie die weitere in § 19 Abs. 1 GNotKG bezeichneten Inhalte, die in der angefochtenen Rechnung auch alle enthalten sind. Die Angabe zu den Wertvorschriften ist nur eine Sollvorschrift und deren Fehlen kann deshalb allenfalls nach den Umständen des Einzelfalls einen Grund zur Aufhebung der Rechnung darstellen.
Zwar ist zutreffend, dass dem Rechnungsempfänger die Nachprüfung der Rechnung durch die fehlende Angabe der Wertvorschriften erschwert wird. Vorliegend ist jedoch der Kaufpreis der Sache als der naheliegende Wertbezugspunkt ohne weiteres auch für jeden Laien nachzuvollziehen und angesichts der in der Erstrechnung angegeben Höhe des Geschäftswertes zu erkennen. Hinsichtlich der – ohne Not – erfolgten Änderung der Rechnung hat die Notarin den Antragstellern zumindest gleichzeitig mit der Rechnung durch das Schreiben vom 25.10.2016 eine ausführliche Begründung gegeben. Diese enthielt auch die angewandte Bestimmung des einschlägigen § 47 GNotKG und teilte den Bezugspunkt der Wertbestimmung – das durch die Antragsteller eingeholte Gutachten – mit. Eine Benennung weiterer Normen zum Geschäftswert war nicht erforderlich. Denn gem. § 19 Abs. 2 GNotKG sind diese nur anzugeben, wenn sie einschlägig sind.
Die Benennung der §§ 1, 3, 10, 15,29 ff. des GNotKG im Rechnungseingang ist zum Verständnis der Rechnung unbedeutend und muss in einer Notarkostenrechnung überhaupt nicht enthalten sein, weshalb auch die insoweit unkonkrete Bezeichnung weiterer anzuwendender Normen des GNotKG mit „ff.“ unerheblich ist.
Die angegebenen Ziffern des Kostenverzeichnisses zum GNotKG sind auch zutreffend. Es liegt nicht nur ein Entwurfsauftrag vor, sondern es wird zutreffend ein abgebrochener Beurkundungsauftrag abgerechnet. Die Antragsteller hatten die Antragsgegnerin bereits um Benennung von Beurkundungsterminen gebeten, wodurch ihr zugleich ein Beurkundungsauftrag erteilt wurde. Ohnehin kommt es insoweit nicht darauf an, ob die Kostenverzeichnisnummer objektiv zutreffend ist, denn diese soll den Auftraggeber nur in die Lage versetzen, die Abrechnung zu prüfen. Die Bestimmung des § 19 Abs. 1 GNotKG verlangt nur die Angabe der durch den Notar angewandten Kostenvorschriften, die nicht zutreffen müssen, weil auch bei der objektiv unrichtigen Benennung dem Auftraggeber gerade die Prüfung der Rechnung möglich ist.
d) Der Ansatz der unstreitig angefallenen Dateipauschale und der Abrufgebühren vom Grundbuch werden mit den zutreffenden Kostenverzeichnispositionen abgerechnet. Der Mehrwertsteueransatz ergibt sich aus Zif. 32014 des KV zum GNotKG.
3) Eine Auferlegung von Kosten erachtete das Gericht als nicht angezeigt. Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor und es ist auch kein den gesetzlichen benannten Umständen vergleichbarer Fall gegeben.