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Ausscheiden eines Grundstücks aus der Nacherbfolge – Löschung einer Rückauflassungsvormerkung

OLG München – Az.: 34 Wx 72/11 – Beschluss vom 28.04.2011

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 1. Februar 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

Der Beteiligte ist im Grundbuch als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen. In der Zweiten Abteilung des Grundbuchs findet sich unter lfd. Nr. 8 eine am 12.4.2001 eingetragene Rückauflassungsvormerkung für einen bedingten und befristeten Anspruch zugunsten Elisabeth Sch., der Mutter des Beteiligten, gemäß Bewilligung vom 17.8.2000.

Die zugrundeliegende Bewilligung ist in einem Vertrag enthalten, mit dem Elisabeth Sch. in Vorwegnahme der im Grundbuch ursprünglich wiedergegebenen Nacherbfolge nach ihrem verstorbenen Ehemann und Vater des Erwerbers das Grundstück dem Beteiligten überließ und demgemäß der Beteiligte als Erwerber die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Nacherbfolgevermerks bewilligte und beantragte. Der mit einer Vormerkung abgesicherte aufschiebend bedingte Rückübertragungsanspruch kann in folgenden Fällen geltend gemacht werden:

a) Versterben des Erwerbers,

b) Zwangsvollstreckung in das Vertragsobjekt,

c) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erwerbers,

d) berechtigte Ansprüche auf das Grundstück durch die Ehefrau des Erwerbers, etwa im Zusammenhang mit dem damals beim Amtsgericht anhängigen Scheidungsverfahren.

Der Anspruch ist nur abtretbar und vererblich, wenn die Veräußerin das Rückübertragungsverlangen vor ihrem Tode abgesandt hat. Soweit ein zur Rückübertragung verpflichtender Umstand eintritt, kann der Erwerber die Veräußerin schriftlich zu einer Erklärung auffordern, ob sie den Rückübertragungsanspruch geltend mache. Übt sie diesen nicht innerhalb von sechs Monaten ab Zugang der Aufforderung durch schriftliche Erklärung aus, erlischt der Anspruch für diesen Fall, wenn der Erwerber die Veräußerin hierauf aufmerksam gemacht hat.

Der Beteiligte hat am 12.1.2011 die Sterbeurkunde für die am 4.7.2007 verstorbene Vormerkungsberechtigte beim Grundbuchamt vorgelegt und die Löschung wegen Unrichtigkeit beantragt. Er erachtet die Eintragung mit dem Tod der Berechtigten als gegenstandslos. Die Immobilie gehöre zur Nacherbschaft nach dem Vater des Erwerbers. Er selbst sei alleiniger Nacherbe, die Nacherbfolge sei mit dem Tod der Vorerbin eingetreten. Der der Vorerbin vorbehaltene Rückübertragungsanspruch unterliege gemäß § 2111 BGB von vornherein der Nacherbfolge, so dass er durch Konfusion gegenstandslos geworden sei.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 1.2.2011 folgendes Eintragungshindernis bezeichnet und Frist gesetzt, um dieses durch die notariell beglaubigte Zustimmung der Erben von Frau Sch. unter Vorlage eines grundbuchtauglichen Erbnachweises zu erbringen:

Der Rückübertragungsanspruch falle nicht als Surrogat in die Nacherbfolge des ehemaligen Eigentümers, sondern in den Nachlass von Frau Sch. Durch die Überlassung vom 17.8.2000 sei das Grundstück aus der Nacherbfolge ausgeschieden. Im Fall einer Rückübertragung auf die Vorerbin hätte diese nacherbenfreies Eigentum erhalten; der Gegenstand wäre zukünftig in ihren Nachlass und nicht mehr in den Nachlass des ursprünglichen Erblassers gefallen. Daher falle auch der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch in deren Nachlass. Der Beteiligte als Nacherbe habe seine Zustimmung zum Ausscheiden des Vermögensgegenstands aus der Nacherbfolge erklärt. Wäre man seinerzeit davon ausgegangen, dass der Rückforderungsanspruch als Surrogat in die Vorerbschaftsmasse falle, wäre dies in der Urkunde irgendwie zum Ausdruck gebracht worden, z. B. durch das Bestehenlassen des Nacherbfolgevermerks im Grundbuch, der Zustimmung nur vorbehaltlich der Rückübertragung oder Eintragung des Nacherbfolgevermerks bei der Rückauflassungsvormerkung selbst.

Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat das Grundbuchamt unter dem 24.2.2011 nicht abgeholfen. Zur Begründung des Rechtsmittels wird insbesondere noch vorgebracht, dass der Rückauflassungsanspruch zeitlebens nicht geltend gemacht worden sei, was auch von niemandem behauptet werde. Im Testament vom 3.3.2004 habe die Verstorbene ihre sechs Enkelkinder zu Erben eingesetzt. Der Beteiligte sei Testamentsvollstrecker und könne als einzig möglicher Adressat des Rückauflassungsanspruchs eidesstattlich versichern, dass dieser zu Lebzeiten der Berechtigten nicht entstanden und von der Erblasserin nicht geltend gemacht worden sei.

II.

Die nach §§ 18 Abs. 1, 71 Abs. 1, §§ 72, 73 GBO zulässige Beschwerde hat in der Sache nur vorläufig Erfolg.

1. Aus formalen Gründen ist die beanstandete Zwischenverfügung aufzuheben, weil sie das Grundbuchamt nicht hätte erlassen dürfen. Denn die Voraussetzungen nach § 18 GBO sind nicht gegeben. Eine Zwischenverfügung darf nur ergehen, wenn ein Eintragungshindernis mit rückwirkender Kraft zu beseitigen ist. Andernfalls würde der beantragten Eintragung ein Rang zukommen, der ihr nicht gebührt (vgl. Demharter GBO 27. Aufl. § 18 Rn. 8 m.w.N.; Senat vom 10.3.2011, 34 Wx 55/11; ausführlich OLG Schleswig FGPrax 2010, 282 mit Anm. Lorbacher). Die fehlende Bewilligung der Erben als der unmittelbar Betroffenen für die Löschung der Vormerkung bildet hier ein solches Hindernis. Eine rangwahrende Zwischenverfügung schied deshalb aus.

Indessen ist dem Grundbuchamt in der Sache recht zu geben, so dass eine Anweisung, von den geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen und die Löschung ohne Bewilligung der Berechtigten, sei es mit oder sei es ohne eidesstattliche Erklärung des Beteiligten, durchzuführen, nicht in Betracht kommt.

2. Das Grundbuchamt ist davon ausgegangen, dass es zur Löschung der Rückauflassungsvormerkung grundbuchrechtlich der Zustimmung (Bewilligung, § 19 GBO) der Erben bedarf. Das Grundbuchamt hat insoweit zutreffend dargelegt, dass der Rückübertragungsanspruch nicht in die Nacherbschaft fällt. Das betroffene Grundstück ist nämlich mit Zustimmung des Beteiligten als Nacherben aus der Nacherbfolge ausgeschieden; der Rückübertragungsanspruch gehört dann nicht mehr in die Nacherbfolge, sondern fällt in den Nachlass nach der Vorerbin (Dumoulin DNotZ 2003, 571/573; Reimann DNotZ 2007, 579/591). Die Urkundenlage lässt, auch unter Berücksichtigung der Auslegungsmöglichkeiten gemäß § 133 BGB, hier keine andere Würdigung zu. Insoweit teilt der Senat die Auffassung des Grundbuchamts.

3. Es genügt auch nicht die Bewilligung durch den Beteiligten in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker für den Nachlass seiner verstorbenen Mutter.

Der Beteiligte gibt an, Testamentsvollstrecker zu sein. Insoweit wird er sich dem Grundbuchamt gegenüber durch Vorlage des Testamentsvollstreckerzeugnisses in Urschrift oder Ausfertigung – ersatzweise durch Vorlage der öffentlich beurkundeten Verfügung von Todes wegen nebst Eröffnungsniederschrift und Nachweis der Amtsannahme durch ein Zeugnis des Nachlassgerichts (vgl. Demharter § 35 Rn. 63) – ausweisen können (vgl. BayObLGZ 1990, 87 f.; BayObLG DNotZ 1996, 20). Der Testamentsvollstrecker ist während der Dauer der Testamentsvollstreckung über den Nachlass verfügungsberechtigt (§ 2205 Satz 2, § 2211 BGB), so dass er die Löschung einer Eintragung, die den Nachlass der Vorerbin betrifft (vgl. zu 1.), grundsätzlich beantragen und bewilligen kann. Dem steht hier allerdings schon entgegen, dass der Beteiligte ein In-Sich-Geschäft vornehmen müsste, für das § 181 BGB analog gilt (BGH NJW 1981, 1271; Palandt/Weidlich BGB 70. Aufl. § 2205 Rn. 25; Meikel/Böhringer GBO 10. Aufl. § 52 Rn. 50). Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB in dem Testament vom 3.3.2004 gilt ausdrücklich nur für die Verfügungen in diesem Testament bzw. für Verfügungen in anderen von der Erblasserin errichteten letztwilligen Verfügungen von Todes wegen. Davon nicht erfasst wird hingegen der Überlassungsvertrag vom 17.8.2000 als Vertrag unter Lebenden.

4. Eine Berichtigung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. § 22 Abs. 1 GBO).

a) Einer Zustimmung des Erben zu einer unentgeltlichen – nämlich gegenleistungslosen – Verfügung bedarf es nicht, wenn das Grundbuch aufgrund des Todes des Berechtigten unrichtig geworden ist und durch die Löschung berichtigt werden soll (§ 22 Abs. 1 GBO); denn dann handelt es sich um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker. Dem Grundbuchamt ist dann aber nachzuweisen, dass das Grundbuch unrichtig ist und die Abgabe der Löschungsbewilligung somit im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung liegt (zu allem BayObLG DNotZ 1996, 20).

b) Die Vormerkung nach § 883 BGB ist nicht auf die Lebensdauer der Berechtigten beschränkt und damit durch deren Tod auch nicht in Wegfall gekommen. Wenn das Recht von der Berechtigten zu deren Lebenszeit in der vertraglich festgelegten Form ausgeübt worden ist, geht der noch nicht durchgesetzte Anspruch auf die Erben über und bleibt durch die Vormerkung gesichert. Deshalb kommt eine Löschung nach § 22 Abs. 1 GBO nur in Betracht, wenn der vormerkungsgesicherte schuldrechtliche Rückübertragungsanspruch zu Lebzeiten der Berechtigten nicht entstanden ist. Ohne Nachweis kann das Grundbuchamt nicht selbst feststellen, ob die in der Bewilligung genannten Voraussetzungen der Rückübertragung zu Lebzeiten der Berechtigten erfüllt waren und geltend gemacht wurden. Dies gilt namentlich für die zu d) genannte Bedingung. Der Beteiligte muss daher nachweisen, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Ob daneben hier auch die Möglichkeit, die Vormerkung „aufzuladen“, den Schuldgrund auszutauschen oder zu erweitern, berücksichtigt werden muss und auch deshalb die Bewilligung der Erben unerlässlich erscheint (vgl. zuletzt KG vom 24.2.2011, 1 W 472/10 bei juris; OLG Schleswig FGPrax 2010, 282; OLG Köln FGPrax 2010, 14), kann dahin stehen.

c) Für den Nachweis negativer Umstände, der in der Form des § 29 Abs. 1 GBO regelmäßig schwierig zu erbringen ist (siehe BayObLG NJW-RR 1989, 587; OLG Hamm Rpfleger 1991, 59; BayObLG DNotZ 1996, 20), lässt die Rechtsprechung in bestimmten Fallgruppen Beweiserleichterungen zu. Das Grundbuchamt hat dann sorgfältig unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in freier Beweiswürdigung zu prüfen, ob ein Nachweis erbracht ist (Meikel/Böhringer § 52 Rn. 60 ff.). Insoweit kann auch die im Grundbuchverfahren an sich (vgl. § 29 GBO) nicht vorgesehene eidesstattliche Versicherung für die Überzeugungsbildung des Rechtspflegers eine Rolle spielen (vgl. Meikel/Hertel § 29 Rn. 448 ff.). Das Bayerische Oberste Landesgericht hat diese Möglichkeit in seiner Entscheidung vom 16.3.1995 (DNotZ 1996, 20/23 f.) nicht generell ausgeschlossen.

d) Der Senat hält diesen Weg hier nicht für gangbar. Eine Löschung gemäß § 23 Abs. 1 GBO oder § 23 Abs. 2 GBO kommt nicht in Betracht (siehe zu allem BayObLG DNotZ 1996, 20; vgl. auch BGH FGPrax 1995, 225; BGHZ 117, 390 und Demharter § 23 Rn. 11). Die dazu entwickelte Rechtsprechung vor allem des Bundesgerichtshofs, die die Interessen des (bzw. der) aus der Vormerkung Berechtigten in den Vordergrund rückt (vgl. insbesondere BGH FGPrax 1995, 225/226), würde konterkariert, wenn die sonst notwendige Bewilligung des Berechtigten durch Beweiserleichterungen zugunsten des Grundstückseigentümers ersetzbar wäre. Beweiserleichterungen etwa in der Form der eidesstattlichen Versicherung werden überdies in der Regel nur erwogen, wenn es anderenfalls praktisch unmöglich wäre, einen formgerechten Nachweis zu erbringen (vgl. KG FGPrax 1997, 212/214). Eine Berichtigungsbewilligung ist hier aber von den namentlich bekannten Erben – wenn auch unter größerem Aufwand – durchaus zu beschaffen. Schließlich wäre eine eidesstattliche Versicherung, wenn man deren Abgabe entgegen den vorstehenden Überlegungen in Erwägung ziehen wollte, auch deshalb in ihrer Bedeutung gering, weil sie von derjenigen Person stammen würde, die ein Eigeninteresse an der Grundbuchberichtigung hat und sich deshalb in einem Interessenkonflikt befindet (siehe unter 2.).

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gebühren werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben (vgl. § 131 Abs. 3 KostO).

 

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